Erstattung der Kosten für ambulante privatärztliche Behandlungen und privatärztlich verordnete Arzneimittel
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der 1939 geborene und bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Erstattung
der Kosten für ambulante privatärztliche Behandlungen sowie für privatärztlich verordnete Arzneimittel und andere Präparate
bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Entscheidungsgründe
des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Bei der ambulanten Behandlung durch zwei
Privatärztinnen handele es sich insbesondere nicht um einen Notfall. Ein Seltenheitsfall oder ein Systemversagen hätten ebenso
wenig vorgelegen wie die tatbestandlichen Voraussetzungen von §
2 Abs
1a SGB V. Die vom Kläger vorgelegten Privatrezepte entsprächen nicht den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL). Die weder apotheken-
noch verschreibungspflichtigen Nahrungsergänzungsmittel seien nach der AM-RL von der Versorgung ausgeschlossen. Für die Durchführung
einer bilanzierten Diät iS des §
34 SGB V iVm der AM-RL ergäben sich weder aus dem Vortrag des Klägers, der behandelnden Ärzte noch dem weiteren Akteninhalt irgendwelche
Anhaltspunkte. Die apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel seien nicht in Anlage I der AM-RL
aufgeführt. Für die homöopathischen apothekenpflichtigen Arzneimittel fehle es jeweils an einer den Vorgaben der AM-RL entsprechenden
vertragsärztlichen Verordnung und es sei auch keine der dort geregelten Ausnahmeindikationen einschlägig. Ein Anspruch ergebe
sich auch nicht aus der Satzung der Beklagten. Für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Selenase" fehle es ebenfalls
an einer den Vorgaben der AM-RL entsprechenden vertragsärztlichen Verordnung. Ob bei dem Kläger eine mitochondriale Erkrankung
vorliege, sei nicht entscheidungserheblich (Urteil vom 3.3.2022).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes.
1. In der Beschwerdebegründung wird keiner der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe benannt. Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag im Kern vielmehr dagegen,
dass das LSG die geltend gemachten Ansprüche verneint und dabei das Vorliegen einer mitochondrialen Erkrankung als nicht entscheidungserheblich
angesehen habe. Damit rügt er nur die inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils in seinem Einzelfall. Die Behauptung, die
Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6 mwN).
2. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss
zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen,
die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B - SozR 3-1500 § 96 Nr 9 = juris RdNr 8). Der Kläger erfüllt diese Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers auch dann nicht, wenn er mit seinem Vorbringen
in der Sache auch Verfahrensrügen geltend gemacht haben sollte.
a) Sofern sich dem Beschwerdevorbringen sinngemäß eine Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) entnehmen lassen sollte, ist der Verfahrensmangel jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.
Die sog Sachaufklärungsrüge erfordert die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum
Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (stRspr; vgl nur BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dabei muss in der Beschwerdebegründung 1. ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer Beweisantrag bezeichnet
werden, dem das LSG nicht gefolgt ist, 2. die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben werden, auf deren Grundlage bestimmte
Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, 3. die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufgezeigt
werden, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, 4. das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme
angegeben und 5. erläutert werden, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN). Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn
der Kläger - wie hier - in der Berufungsinstanz nicht durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (vgl BSG vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 = juris RdNr 6; BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5). Aber auch ein unvertretener Kläger muss dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 103/12 B - juris RdNr 7; BSG vom 27.7.2016 - B 1 KR 38/16 B - juris RdNr 4; BSG vom 12.5.2020 - B 12 KR 1/20 B - juris RdNr 10). Er muss darstellen, wann und wie er dem LSG gegenüber den aus seiner Sicht noch notwendigen Aufklärungsbedarf geltend gemacht
hat (vgl BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5; BSG vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass und wie er dem LSG nach der Terminsmitteilung zur mündlichen Verhandlung den verbliebenen
Aufklärungsbedarf verdeutlicht hat. Er führt lediglich aus, dass das Berufungsgericht auch ohne einen besonderen Hinweis gehalten
gewesen sei, allgemein bekannte Erkenntnisse aufzugreifen und erforderlichenfalls durch Sachverständige aus dem fachspezifischen
Bereich klären zu lassen.
Auch hat der Kläger sich nicht hinreichend mit der Rechtsauffassung des LSG zur Klärungsbedürftigkeit der von ihm für aufklärungsbedürftig
gehaltenen Tatfragen auseinandergesetzt. Der Vortrag, das LSG habe zur Begründung seiner Entscheidung gemäß §
153 Abs
2 SGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides Bezug genommen, in dem die Frage nach dem Vorliegen
einer mitochondrialen Erkrankung für entscheidungserheblich gehalten worden sei, genügt ebenso wenig wie die Behauptung, die
weitere ergänzende Begründung des LSG sei widersprüchlich, weil es dort ausgeführt habe, es sei nicht entscheidungserheblich,
ob bei dem Kläger eine mitochondriale Erkrankung vorliege. Der Kläger setzt sich in seiner Begründung nicht damit auseinander,
dass das LSG in seiner die Bezugnahme ergänzenden Begründung auf die geltend gemachten Ansprüche im Einzelnen eingegangen
ist und näher begründet hat, warum es nach der dabei herausgearbeiteten Rechtslage nicht entscheidungserheblich sei, ob bei
dem Kläger eine mitochondriale Erkrankung vorliege.
b) Sofern in dem Vorbringen des Klägers, das LSG habe es (bewusst) unterlassen, die aktuellen Erkenntnisse hinsichtlich der
mitochondrialen Erkrankung und deren Diagnostik heranzuziehen, auf die er mehrfach hingewiesen habe, eine Rüge der Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) enthalten sein könnte, fehlt es an der Darlegung von Umständen, die belegen, dass sein diesbezügliches Vorbringen nicht zur
Kenntnis genommen oder jedenfalls bei der Entscheidung nicht erwogen worden sein sollte (vgl hierzu zB BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5; BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18). Dies gilt umso mehr, als ein Gericht sich nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen muss, wenn
sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten
hat (vgl BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 411/10 B - juris RdNr 22; BSG vom 14.7.2017 - B 1 KR 95/16 B - juris RdNr 6).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.