Anspruch auf Kostenübernahme von Liposuktionen an Oberschenkeln
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Kostenübernahme von Liposuktionen
an den Oberschenkeln bei der Beklagten ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Beklagte nach Erweiterung des Klagebegehrens der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren verurteilt, die Kosten einer
stationären Liposuktionsbehandlung an Ober- und Unterschenkeln sowie am Gesäß zu übernehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte hat die Klägerin sich Liposuktionsbehandlungen selbst beschafft (19 946,34
Euro), insoweit nunmehr Kostenerstattung begehrt und darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, weiter entstehende
Kosten einer stationären Liposuktionsbehandlung an Ober- und Unterschenkeln sowie am Gesäß zu übernehmen. Es hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beklagte habe
den Leistungsantrag der Klägerin nicht zu Unrecht abgelehnt, da die beantragte Leistung nicht dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung
sei dies nur der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V positive Empfehlungen über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Daran fehle es hier.
Auch ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung scheide aus; er unterliege den sich aus dem Qualitätsgebot folgenden Einschränkungen.
An dieser Grundkonzeption habe auch die Einführung des §
137c Abs
3 Satz 1
SGB V nichts geändert (Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1). Die Voraussetzungen des Qualitätsgebots seien nicht erfüllt. Ein Anspruch folge auch nicht aus einer grundrechtsorientierten
Auslegung des Leistungsrechts. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf §
13 Abs
3a Satz 7
SGB V berufen, da die Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Antrag eingehalten habe (Urteil vom 17.9.2019).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG; dazu 1.) und des Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG; dazu 2.).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig
(entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 -
1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin wirft die Frage auf,
"ob Patienten/Patientinnen, die an einem Lipödem im Stadium III leiden, zukünftig unter bestimmten Bedingungen mit einer Liposuktion
ambulant oder stationär zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt werden müssen".
a) Die Klägerin formuliert damit bereits keine hinreichend konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage. Die Konkretisierung
erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine
Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung,
deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "kann sein" hinausläuft (stRspr; vgl zB BSG vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - juris RdNr 5; BSG vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - juris RdNr 10; BSG vom 11.11.2019 - B 1 KR 87/18 B - juris RdNr 6 mwN). Indem die Klägerin die Frage aufwirft, ob Patienten "unter bestimmten Bedingungen" mit einer Liposuktion behandelt werden
müssen, macht sie die Beantwortung der Frage von weiteren, nicht näher eingegrenzten Bedingungen abhängig, die eine kommentaroder
lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen würde, was gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann
(vgl hierzu auch BSG vom 1.3.2018 - B 8 SO 104/17 B - juris RdNr 8).
b) Außerdem legt die Klägerin die Klärungsfähigkeit der gestellten Frage nicht dar. In Bezug auf die Klärungsfähigkeit wäre
darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfenen Fragen entscheiden müsste, die Fragen also entscheidungserheblich
sind (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8).
Die Klägerin legt nicht substantiiert dar, dass sie auf der Grundlage einer „künftigen Rechtslage“ überhaupt einen Leistungsanspruch
gehabt hätte. Allein der Hinweis darauf, dass sie „sicherlich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten“ eine konservative
Therapie kontinuierlich durchgeführt habe, genügt insoweit nicht. Soweit die Klägerin damit letztlich (schon ganz konkret)
auf Voraussetzungen der Richtlinie des GBA zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III
vom 19.9.2020 (in Kraft getreten am 7.12.2019, BAnz AT 06.12.2019 B4) Bezug nimmt, setzt sie sich mit den dortigen Vorschriften und deren Anwendbarkeit auf ihren Fall nicht substantiiert auseinander.
2. Soweit die Klägerin mit diesem Vorbringen letztlich geltend macht, zu Unrecht habe das LSG zu einem Zeitpunkt entschieden,
als eine neue Rechtslage in Sicht gewesen sei, legt sie einen Verfahrensmangel nicht schlüssig dar. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen
Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 43/19 B - juris RdNr 7; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN). Rügt der Beschwerdeführer - wie hier die Klägerin - die Aussetzung des Verfahrens nach §
114 Abs
2 SGG, gehört hierzu zumindest die Darlegung, dass die Aussetzung nach der Rechtsauffassung des LSG angezeigt war, etwa, weil dessen
Entscheidung von einer vorgreiflichen anderweitigen Entscheidung abhängig war (vgl zB BSG vom 21.6.2016 - B 14 AS 1/16 B - juris RdNr 8; vgl zur Entscheidungserheblichkeit und Ermessensreduzierung auf Null insoweit Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
114 RdNr 6 ff mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin bezieht sich weder auf eine konkrete, vorgreifliche Entscheidung, noch legt sie die Rechtsauffassung
des LSG dar, nach der die Aussetzung des Verfahrens angezeigt gewesen wäre; auch zu einer Ermessensreduktion auf Null verhält
sich die Beschwerdebegründung nicht.
Sie setzt sich auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auseinander, wonach das Gericht wegen zu erwartender
Gesetzesänderungen infolge seiner Verpflichtung zur Neutralität gegenüber allen Beteiligten gar nicht aussetzen darf (vgl BVerwG vom 13.2.1962 – I B 14.62 – NJW 1962, 1170; BFH vom 29.6.2006 - VI R 14/06 - juris RdNr 10)
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.