Rechtsweg im sozialgerichtlichen Verfahren bei Streitigkeiten gegen Entscheidung der Vergabekammern beim Abschluss von Arzneimittel-Rabattverträgen
Gründe:
I. Klägerinnen sind 15 (vormals 16) Allgemeine Ortskrankenkassen (AOKn). Beklagte ist die Bezirksregierung Düsseldorf, bei
der die Vergabekammer Düsseldorf errichtet ist. Letztere hat den Klägerinnen die Erteilung von Zuschlägen auf Angebote verschiedener
Pharmaunternehmen zum Abschluss von Rabattverträgen iSv §
130a Abs
8 SGB V verboten. Hiergegen haben die Klägerinnen beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Dieses hat 32 Unternehmen der pharmazeutischen Industrie zum Rechtsstreit beigeladen und vorab
die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den SGen bejaht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat diese Entscheidung
bestätigt. Hiergegen richten sich die Rechtswegbeschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 1).
1. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten haben zur Behandlung einer Krankheit Anspruch ua auf die
Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht ausnahmsweise von der Versorgung ausgeschlossen sind
(§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3, §§
31,
34 SGB V). Die Arzneimittel werden vom behandelnden Arzt verordnet und den Versicherten von den Krankenkassen (KKn) als Sachleistung
zur Verfügung gestellt (§
2 Abs
2 SGB V). Zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Abgabe verordneter Arzneimittel schließen die Spitzenverbände der KKn mit den
Spitzenorganisationen der Apotheken einen sog Rahmenvertrag (vgl §
129 Abs
1 und
2 SGB V). Die Versicherten können frei entscheiden, bei welcher der an den Rahmenvertrag gebundenen Apotheken sie sich auf Kassenrezept
verordnete Arzneimittel beschaffen (vgl §
31 Abs
1 Satz 5 iVm §
129 Abs
3 SGB V).
2. Der für Patienten als Endverbraucher maßgebliche Arzneimittelabgabepreis bestimmt sich nach der aufgrund von § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) erlassenen Arzneimittelpreisverordnung vom 14.11.1980 (BGBl I S 2147). Mit § 78 AMG hat sich der Gesetzgeber für eine indirekte Festsetzung einheitlicher Apothekenverkaufspreise entschieden, um wegen der den
Apotheken zugewiesenen Schlüssel- und Beratungsfunktion bei der Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher einen Preiswettbewerb
auf dieser letzten Handelsstufe auszuschließen. Die originäre Preisfestsetzungsbefugnis des jeweiligen Herstellers von Arzneimitteln
ist nicht eingeschränkt, jedoch lässt der Gesetzgeber für die nachfolgenden Handelsstufen Preisspannen nur in beschränktem
Umfang in Form prozentualer Zuschläge auf den Herstellerabgabepreis zu (vgl Rehmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl 2003, § 78 RdNr 1).
Im Bereich der GKV werden die Arzneimittelkosten, die den KKn durch die Versorgung ihrer Versicherten entstehen, ua durch
Apotheken- und Herstellerrabatte verringert. Ist an einen Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel abgegeben worden, darf
seine KK von dem für dieses Arzneimittel einheitlich festgesetzten Apothekenabgabepreis den gesetzlich festgelegten Apotheken-Rabatt
abziehen (2,30 Euro bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bzw Abschlag von 5 vH für sonstige Arzneimittel, vgl §
130 Abs
1 SGB V idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378). Besonderheiten gelten, wenn für ein Arzneimittel Festbeträge
festgesetzt worden sind (vgl §
130 Abs
2 SGB V). Das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl I 4637) hat den KKn darüber hinaus einen gesetzlich festgesetzten
Rabatt gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen eingeräumt (§
130a Abs
1 SGB V) und die Möglichkeit geschaffen, dass KKn oder ihre Verbände mit den pharmazeutischen Unternehmen durch den Abschluss von
sog Rabattverträgen weitere Abschläge vereinbaren (§
130a Abs
8 SGB V). Der vom Gesetzgeber gegenüber den Pharmaherstellern festgesetzte "(Hersteller-)Rabatt" beträgt im Regelfall 6 vH des Abgabepreises
des pharmazeutischen Unternehmens und gilt für alle Arzneimittel, mit Ausnahme derer, für die Festbeträge aufgrund von §§
35,
35a SGB V festgesetzt worden sind (vgl §
130a Abs
1 bis
3 SGB V; zu Sonderrabatten für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel vgl §
130a Abs
3b SGB V). Für die vertraglich möglichen Rabatte sieht das Gesetz keine vH-Vorgaben vor; es ist vielmehr Sache der Vertragspartner,
die Höhe auszuhandeln. Schließen die KKn mit Pharmaunternehmen Rabattverträge nach §
130a Abs
8 SGB V, gewährt das Unternehmen den "vertraglichen Rabatt" zusätzlich zum gesetzlich festgelegten Rabatt (vgl §
130a Abs
1 bis
3b SGB V). Apotheken müssen die vom Arzt verordneten Arzneimittel durch solche wirkstoffgleichen Arzneimittel ersetzen, für die eine
Rabattvereinbarung besteht, wenn der Arzt dies nicht individuell ausgeschlossen hat (vgl §
129 Abs
1 Satz 1 Nr
2 und Satz 3
SGB V, sog Substitutionspflicht zugunsten von Rabattprodukten).
3. Die allgemeinen vergaberechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) schreiben vor, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 99 GWB) durch öffentliche Auftraggeber (§ 98 GWB) im Wege bestimmter, gesetzlich näher geregelter Verfahren erfolgt (vgl § 101 GWB: offene Verfahren, nicht offene Verfahren, Verhandlungsverfahren). Das Vergaberecht verlangt von den öffentlichen Auftraggebern
bei der Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen die Beachtung des Wettbewerbs- und Transparenzgebots sowie die vergaberechtliche
Gleichbehandlung unter Ausschluss von Diskriminierungen (vgl § 97 GWB). Vergaberecht soll die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche
Auftraggeber ausschalten und zugleich die Möglichkeit ausschließen, dass eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen
Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen
leiten lässt (vgl EuGH, Urteil vom 13.12.2007 - Rs C-337/06 Bayerischer Rundfunk RdNr 36 ff, EuZW 2008, 80, 82; BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, 135 ff; Engelmann SGb 2008, 133, 136 f mwN). Die Unternehmen haben Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren
einhält (§ 97 Abs 7 GWB). Sie können die Einleitung eines Nachprüfverfahrens beantragen (vgl § 107 Abs 1 GWB) sowie geltend machen, dass sie Interesse an einem bestimmten Auftrag haben und durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften
in ihren Rechten aus § 97 Abs 7 GWB verletzt sind (vgl § 107 Abs 2 GWB).
Die Nachprüfung der noch nicht abgeschlossenen Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 99 GWB) ist nach den Bestimmungen des GWB verwaltungsverfahrensrechtlich den sog Nachprüfbehörden übertragen (vgl vor § 102 GWB, Überschrift "Nachprüfbehörden" über Teil des Zweiten Abschnitts "Nachprüfverfahren" des Vierten Teils des GWB "Vergabe öffentlicher Aufträge"). Nachprüfbehörden sind die Vergabeprüfstellen, die bei der Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde
angesiedelt werden können (vgl § 103 GWB), sowie die Vergabekammern (§ 104 GWB). Soweit es um die Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen geht, die dem Bund zugerechnet werden können, erfolgt die Nachprüfung
durch die beim Bundeskartellamt errichteten Vergabekammern des Bundes (vgl § 104 Abs 1, § 106 Abs 1 GWB). Soll die Vergabe den Ländern zurechenbarer öffentlicher Aufträge nachgeprüft werden, erfolgt das Nachprüfverfahren durch
Vergabekammern der Länder (vgl § 104 Abs 1 GWB). Die Einrichtung, Organisation und Besetzung der Vergabekammern der Länder wird von den nach Landesrecht bestimmten Stellen,
hilfsweise der jeweiligen Landesregierung geregelt (vgl § 106 Abs 2 GWB). Ist der zu vergebende Auftrag erteilt worden und damit ein zuvor eingeleitetes und durchgeführtes Vergabeverfahren beendet,
scheidet die Beseitigung zuvor begangener Verstöße gegen die Bestimmungen des Vergaberechts im Nachprüfverfahren vor den Vergabekammern
gemäß §§ 102, 107 GWB aus, weil ein einmal erteilter Zuschlag gemäß § 114 Abs 2 GWB nicht mehr aufgehoben werden kann (vgl BGHZ 146, 202, 206 f).
Nach Zustellung eines Antrages auf Nachprüfung (vgl § 107 GWB) an den Auftraggeber (hier: AOKn) darf dieser vor einer Entscheidung der Vergabekammer den Zuschlag nicht erteilen (vgl §
115 GWB). Im Regelfall der Auftragsvergabe kommt es aufgrund dieser Suspensivwirkung zunächst nicht zum Vertragsschluss und nicht
zum Abschluss des beabsichtigten "Hauptgeschäfts"; dieser verzögert sich in der Regel bis zum Abschluss des Nachprüfverfahrens
(zu Ausnahmen vgl § 115 Abs 2 GWB; vgl auch § 118 Abs 3 GWB). Das ist in dem hier betroffenen Versorgungsbereich der GKV bei Rabattverträgen vollständig anders. Im Bereich der GKV ist
zu berücksichtigen, dass die KKn aufgrund ihrer gesetzlichen und unabweisbaren Leistungsverpflichtung gegenüber den Versicherten
zur Versorgung mit Arzneimitteln verpflichtet sind und die KKn, auch solange ihnen wegen des genannten Suspensiveffekts eine
Zuschlagserteilung nicht möglich ist, Arzneimittel zu den von den Pharmaherstellern verlangten Preisen beschaffen müssen.
Bis zum Abschluss eines Rabattvertrages scheidet damit eine vom Gesetzgeber gewollte Substitution ärztlich verordneter Arzneimittel
durch preisgünstigere wirkstoffgleiche "Rabatt-Arzneimittel" aus. Die in Rabattangelegenheiten getroffene Aufschubentscheidung
wirkt deshalb bis zur Zuschlagserteilung endgültig und vereitelt bis zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der KKn, Arzneimittel
zu rabattierten Preisen zu beschaffen.
4. Das
SGB V sieht für die Auftragsvergabe an Leistungserbringer bereichsspezifische vergaberechtliche Vorschriften in §
127 Abs
1 bis 4
SGB V ("Ausschreibung" von Verträgen über die Leistungserbringung von Hilfsmitteln) und §
129 Abs
5b SGB V (öffentliche Ausschreibung der Beteiligung von Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen) vor. Ansonsten regelt
das Gesetz - ohne nähere Angaben über das Zustandekommen der Vereinbarungen - den Abschluss von Verträgen über die Leistungserbringung
(vgl zB § 125 Abs 2, § 129 Abs 5, § 129a Satz 1, § 130a Abs 8, § 132 Abs 1 Satz 2, § 132a Abs 2, §
132c Abs
1, §
132d Abs
1, §
133 Abs
1, §
140e SGB V). §
69 Satz 1
SGB V bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu den Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie
sonstigen Leistungserbringern und ihre Verbände abschließend durch das Vierte Kapitel (§§
69 bis
140h SGB V) sowie die §§
63,
64 SGB V geregelt werden. §
69 Satz 2
SGB V lautet: "Die §§
19 bis
21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten entsprechend; das gilt nicht für die Verträge der Krankenkassen oder
deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet
sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsregelung gilt."
§
130a SGB V schreibt für den Abschluss von Rabattverträgen die Geltung der vergaberechtlichen Regelungen des GWB weder ausdrücklich vor noch schließt die Vorschrift deren Geltung ausdrücklich aus. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
und der Literatur bestehen insoweit unterschiedliche Ansichten darüber, ob die KKn beim Abschluss von Rabattverträgen das
Vergaberecht des GWB beachten müssen (zum Meinungsstand vgl II 5a).
5. Die klagenden AOKn sind der Ansicht, dass beim Abschluss von Rabattverträgen das Vergaberecht des GWB nicht zur Anwendung kommt. Gleichwohl haben sie im vorliegenden Fall eine Ausschreibung durchgeführt, aus der sich das nachfolgend
geschilderte Ausgangsverfahren entwickelt hat.
Die klagenden AOKn haben gemeinsam unter Federführung der AOK Baden-Württemberg mit Schreiben vom 3.8.2007 zahlreiche in-
und ausländische Pharmaunternehmen aufgefordert, für 83 Wirkstoffe von Arzneimitteln bis zum 3.9.2007 Angebote zum Abschluss
eines Rabattvertrages nach §
130a Abs
8 SGB V für die Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2009 abzugeben. Die klagenden AOKn wählten aus den bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangenen
Angeboten je Wirkstoff (intern und zunächst ohne Bekanntgabe nach außen) bis zu vier Pharmaunternehmen aus, mit denen später
Rabattverträge abgeschlossen werden sollten. Sämtliche teilnehmenden Pharmaunternehmen, auch diejenigen, die nicht ausgewählt
worden waren, wurden Anfang September 2007 informiert, dass 14 Tage nach Absendung dieser Vorabinformation der Abschluss von
Rabattverträgen beabsichtigt sei. Die T. GmbH, C. (Beigeladene zu 1), beantragte hierauf unter dem 25.9.2007 bei der Vergabekammer
Düsseldorf wegen eines behaupteten Verstoßes gegen vergaberechtliche Vorschriften die Einleitung eines Nachprüfverfahrens
nach §§ 102, 107 GWB. Nach Beiladung der übrigen Pharmaunternehmen untersagte die Vergabekammer den klagenden AOKn, Zuschläge auf die ihnen vorliegenden
Angebote auf Abschluss von Rabattverträgen zu erteilen, weil die AOKn gegen das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot des
§ 97 GWB verstoßen hätten (Beschluss vom 31.10.2007 - VK-31/2007-L).
Gegen diesen Beschluss der Vergabekammer haben die Klägerinnen am 21.11.2007 Klage beim SG Stuttgart erhoben und die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Einen Tag später, am 22.11.2007, haben sie gegen den Beschluss der Vergabekammer außerdem
"vorsorglich" sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eingelegt (Az: VII Verg 44/07). Dieses hat mit Beschluss vom 18.12.2007 seine ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde gemäß
§ 116 Abs 1 und 3 GWB festgestellt und das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über ein Vorabentscheidungsersuchen
des OLG vom 23.5.2007 (VII Verg 50/06, veröffentlicht in: GesR 2007, 429 ff) ausgesetzt; die Zuständigkeit des OLG ergebe sich bereits daraus, dass die Entscheidung
einer Vergabekammer mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werde und ein von der Vergabekammer ausgesprochenes Zuschlagsgebot
nur vom Vergabesenat des OLG gemäß § 121 GWB aufgehoben werden könne; ob die Vergabekammer zu Recht eine Vergabeentscheidung im Sinne der §§ 97 ff GWB angenommen habe, oder ob für eine Überprüfung der Vergabeentscheidung allein die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig
seien, sei erst für den Inhalt der Beschwerdeentscheidung erheblich. Das OLG hat den Klägerinnen den nicht verkündeten Beschluss
am 27.12.2007 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt. Bereits am 19.12.2007 hatten die Klägerinnen ihre zum OLG "vorsorglich"
erhobene Beschwerde wieder zurückgenommen.
Das SG hat im Klageverfahren gegen den Beschluss der Vergabekammer mit Beschluss vom 20.12.2007 (S 10 KR 8405/07) gemäß §
17a Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) vorab den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt. Die Beklagte und das zu 1) beigeladene
Pharmaunternehmen haben hiergegen Beschwerde eingelegt. Das LSG hat diese zurückgewiesen und den Rechtsweg zu den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls bejaht (Rechtswegbeschluss vom 6.2.2008 - L 5 KR 316/08 B). Weiter hat das LSG inzwischen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Klägerinnen untersagt, Zuschläge auf
näher bezeichnete Wirkstoffe zu erteilen, sowie Anträge der Klägerinnen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen
(Beschluss vom 27.2.2008 - L 5 KR 6123/07 ER-B).
6. Gegen den Rechtswegbeschluss des LSG haben die Beklagte und die zu 1) beigeladene T. Pharma GmbH die vom LSG zugelassene
Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Die Beschwerdeführerinnen tragen im Wesentlichen vor:
- Für die Anfechtung einer Entscheidung der Vergabekammer sei aufgrund § 116 GWB ausschließlich das OLG Düsseldorf zuständig. Damit sei ein "spezieller Vergaberechtsweg" eröffnet und der Rechtsweg zu den
SGen ausgeschlossen, unabhängig davon, ob die Vergabekammer ihre Zuständigkeit zu Recht oder zu Unrecht angenommen und wie
sie entschieden habe. Die SGe seien ausnahmsweise nur dann zur Entscheidung berufen, wenn feststehe, dass eine Zuständigkeit
der Vergabekammer nicht bestand, weil zB die KKn nicht als Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr 4 GWB anzusehen sind, und das OLG den Rechtsstreit an das SG verwiesen habe.
- Eine Klage gegen die Vergabekammer bzw deren Rechtsträger sei unzulässig, da sie mit dem gerichtsähnlichen Charakter der
Vergabekammer und der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder nicht vereinbar sei. Die Vergabekammer übe materielle Rechtsprechungstätigkeit
in einem kontradiktorischen Verfahren zwischen zwei Parteien aus. Der Träger der Vergabekammer (Beklagter) habe am Ausgang
des Rechtsstreits zwischen staatlicher Stelle (Auftraggeber: hier: AOKn) und den erfolgreichen bzw erfolglosen Bietern (hier:
beigeladene Pharmaunternehmen) kein eigenes Interesse. Die Vergabekammer bzw deren Rechtsträger sei - so die Beklagte - insoweit
gerichtsimmun, könne im Sozialgerichtsprozess nicht beteiligt sein und sei daher der Gerichtsbarkeit entzogen. Eine Berichtigung
des Rubrums (beklagtes Land Nordrhein-Westfalen statt Beklagte Düsseldorf) scheide als eine "im Revisionsverfahren" unzulässige
Klageänderung aus.
- Der Rechtsweg zu den SGen sei nicht dadurch begründet worden, dass vor der Einlegung der sofortigen Beschwerde zum OLG Klage
zum SG erhoben worden sei. Andernfalls hinge es vom bloßen Zufall ab, bei welchem Gericht zuerst Rechtsmittel eingelegt werden.
Art
101 GG gebiete, dass von vornherein feststeht, welches Gericht zuständig ist. Vielmehr sei der Rechtsweg zu den SGen bereits dadurch
versperrt gewesen, dass bei der Vergabekammer ein Nachprüfantrag gestellt "und damit bereits ein Rechtsweg eingeschlagen"
worden sei.
- Die Auslegung der §
51 SGG, §
130a Abs
9 SGB V, §
69 SGB V sei nur für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Vergabekammer und damit die Begründetheit der ursprünglich von den Klägerinnen
beim OLG eingelegten sofortigen Beschwerde von Bedeutung, nicht aber für die Frage des Rechtsweges.
- Eine Klage gegen die Entscheidung der Vergabekammer vor den Verwaltungsgerichten sei ausweislich der Gesetzesbegründung
zum Vergaberechtsänderungsgesetz ausgeschlossen (BT-Drucks 13/9340 S 19). Der Charakter des Beschlusses der Vergabekammer
als Verwaltungsakt könne eine Zuständigkeit nach §
51 SGG nicht begründen. Aber selbst wenn nach deutschem Recht eine Zuständigkeit der SGe begründet werden könnte, müsse es "richtlinienkonform"
bei der alleinigen Zuständigkeit der Vergabekammer und des OLG verbleiben. Nur der Rechtsschutz nach §§ 116 ff GWB, nicht aber die im Sozialgerichtsverfahren eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten genügten den Anforderungen der Richtlinie
89/665 EWG an einen raschen und effektiven Rechtsschutz, insbesondere effektiven sog Primärrechtsschutz. Aufgrund des Instanzenzuges
nach dem
SGG, der personellen Besetzung der Kammern der SGe und einer Aufsplitterung in einen einstweiligen Rechtsschutz und ein Hauptsacheverfahren
könnten bis zur endgültigen Entscheidung unter Umständen Jahre vergehen. Der deutsche Gesetzgeber habe im Rahmen des Art 5
der Richtlinie 89/665 EWG die SGe nicht als "Nachprüfstellen" gemeldet und bei diesen auch nicht Sorge für eine "hinreichende
vergaberechtliche Sachkunde" getragen.
- Eine Verweisung des Rechtsstreits durch das BSG an das zuständige OLG sei - so die Beigeladene zu 1) - nach Rücknahme der
dort eingelegten Beschwerde und mittlerweile erfolgtem Fristablauf für eine erneute sofortige Beschwerde nicht mehr möglich.
Das BSG habe deshalb festzustellen, dass richtigerweise das OLG zuständig gewesen wäre. Den Verlust des Rechtsmittels hätten
sich die Klägerinnen aufgrund ihres "dualen Vorgehens" selbst zuzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Februar 2008 und den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart
vom 20. Dezember 2007 aufzuheben und festzustellen, dass für die gegen sie (die Beklagte) von den Klägerinnen am 21. November
2007 beim Sozialgericht Stuttgart anhängig gemachte Klage (S 10 KR 8405/07) gegen den Beschluss der Vergabekammer Düsseldorf vom 31. Oktober 2007 der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
nicht eröffnet ist.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Februar 2008 und den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart
vom 20. Dezember 2007 aufzuheben und festzustellen, dass für die Anfechtung der Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf
die sofortige Beschwerde nach § 116 GWB zum OLG Düsseldorf das allein zulässige Rechtsmittel gewesen ist.
Die klagenden AOKn halten die angegriffene LSG-Entscheidung für zutreffend. Sie schätzen das durch die Untersagungsverfügung
entgangene Einsparvolumen der Rabatte für 2008 und 2009 auf 500 bis 800 Millionen Euro und beantragen,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Die übrigen zum Rechtsstreit beigeladenen Pharmaunternehmen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
II. Die Rechtswegbeschwerden der beklagten Bezirksregierung und der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des LSG Baden-Württemberg
vom 6.2.2008 sind statthaft (dazu 1.). Die Klägerinnen haben den Rechtsweg zu den SGen beschritten (dazu 2.) Es liegen keine
Gründe vor, die einer Entscheidung des erkennenden Senats über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges entgegenstehen
(dazu 3.). Die Beschwerden sind jedoch unbegründet. Im Rahmen der Rechtswegbeschwerde ist (noch) nicht darüber zu entscheiden,
ob die Vergabekammer zu Recht die Anwendbarkeit des Vergaberechts des GWB auf Rabattverträge nach §
130a Abs
8 SGB V bejaht hat. Zu klären ist nur, ob die Klägerinnen gegen die Entscheidung der Vergabekammer den Rechtsweg zu den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit beschreiten durften. Dies ist der Fall. Für die Klage der AOKn gegen den Beschluss der Vergabekammer
ist gemäß §
130a Abs
9 SGB V, §
51 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (dazu 4.). Weder dem
Grundgesetz (
GG) noch dem Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) ist zu entnehmen, dass allein eine Überprüfung von Entscheidungen der
Vergabekammer durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit den Grundsätzen effektiven Rechtsschutzes und des EG-Vergaberechts
genügt (dazu 5.).
1. Die Beklagte und die zu 1) beigeladene Pharmafirma haben mit ihren Beschwerden nach §
17a Abs
4 Satz 4
GVG zum BSG den statthaften Rechtsbehelf gegen die Rechtswegentscheidung des LSG eingelegt.
Ist nach Anrufung eines Gerichts streitig, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, kann das Gericht vorab aussprechen,
dass es den beschrittenen Rechtsweg für zulässig hält (vgl §
17a Abs
3 Satz 1
GVG). Das Gericht muss vorab entscheiden, wenn eine Partei bzw ein Beteiligter die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (vgl §
17a Abs
3 Satz 2
GVG). Gegen einen solchen Beschluss ist gemäß §
17a Abs
4 Satz 3
GVG die "sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben". Für das sozialgerichtliche
Verfahren bedeutet dies, dass gegen einen Rechtswegbeschluss des SG binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim LSG Beschwerde einzulegen ist. Den Beteiligten steht gegen die (Rechtsweg-)Entscheidung
des LSG die Beschwerde an den obersten Gerichtshof des Bundes - hier: das BSG - zu, wenn die Beschwerde im Beschluss zugelassen
worden ist.
So liegt der Fall hier. Das angerufene SG hat vorab entschieden, dass der von den klagenden AOKn gegen den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer zu den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Beklagte hat hiergegen Beschwerde zum LSG eingelegt. Das
LSG hält den Sozialrechtsweg ebenfalls für gegeben. Es hat die Beschwerde gegen den Rechtswegbeschluss des SG zurückgewiesen und die Rechtswegbeschwerde zum BSG zugelassen. Hieran ist der erkennende Senat gemäß §
17a Abs
4 Satz 6
GVG gebunden. Der Senat hat darüber zu entscheiden, ob er selbst berechtigt ist und ob die Instanzgerichte (prozessrechtlich)
berechtigt waren, über die Rechtswegfrage sachlich zu entscheiden (dazu 3.) und falls ja, ob SG und LSG den Sozialrechtsweg zu Recht für zulässig angesehen haben (dazu 4.). Beide Fragen sind zu bejahen.
2. Die Grundvoraussetzungen einer Entscheidung über den Rechtsweg nach §
17a Abs
3 und
4 GVG sind erfüllt. Die Kläger haben mit ihrer Klage zum SG gegen die Entscheidung der Vergabekammer den (Sozial-)Rechtsweg beschritten.
3. Die Entscheidung des BSG über die Zulässigkeit des zu den SGen beschrittenen Rechtswegs erübrigt sich nicht deshalb, weil
die gegen den Verwaltungsakt der Vergabekammer (dazu a) erhobene Klage schon aus anderen vorab zu prüfenden, vom Rechtsweg
unabhängigen Gründen unzulässig ist und als Prozesshindernis einer Entscheidung über die Rechtswegfrage entgegenstehen. Der
Prüfungsmaßstab für eventuelle Prozesshindernisse ergibt sich aus der für das angerufene Gericht geltenden Prozessordnung
(dazu b). Die Klägerinnen haben daher zu Recht Anfechtungsklage gegen die im Sozialgerichtsprozess beteiligtenfähige Bezirksregierung
Düsseldorf erhoben (dazu c). Diese ist der Gerichtsbarkeit nicht etwa deshalb entzogen, weil die Vergabekammer "gerichtsähnlich"
ausgestaltet ist (dazu d). Einer Entscheidung über die Rechtswegfrage steht auch keine bindende Rechtswegentscheidung anderer
Spruchkörper entgegen (dazu e und f).
a) Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die von den Klägerinnen beantragte Aufhebung eines Verwaltungsaktes
der Vergabekammer.
Der Streitgegenstand wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, dh durch den Klageantrag und den Klagegrund im
Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 8 RdNr 10 ff; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 1 RdNr 10
ff; BSGE 85, 132 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 12; BSG, HV-INFO 1990, 1906 ff; BVerwGE 96, 24, 25; BGHZ 123, 137 f, 140; Hauck in Zeihe,
SGG, Stand November 2007 §
56 Anm 2 a aa; Barbey in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Menger, 177, 184; Clausing in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], Stand September 2007, §
121 RdNr 56; Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Aufl 2007, §
90 RdNr 7, alle mwN, auch zu abweichenden Ansichten). Dem Klageantrag liegt die Rechtsbehauptung zugrunde, das Gericht habe
im Sinne des Antrags zu entscheiden (Hauck in Zeihe, aaO, § 56 Anm 2 a aa).
Demgemäß wird der Streitgegenstand vorliegend dadurch bestimmt, dass die Klägerinnen die Aufhebung der als "Beschluss" bezeichneten
Maßnahme der Vergabekammer vom 31.10.2007 verlangen, mit der den Klägerinnen verboten wurde, hinsichtlich der im Einzelnen
bezeichneten Wirkstoffe auf die von Pharmaunternehmen abgegebenen Angebote Zuschläge zu erteilen und damit Rabattverträge
abzuschließen. Diese Maßname erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsaktes im Sinne der § 30 SGB X, § 35 VwVfG (vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG 10. Aufl 2008, § 35 RdNr 39 mwN). Dies stellt § 114 Abs 3 Satz 1 GWB ausdrücklich klar: "Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt".
b) Die Klägerinnen haben gegen diesen Verwaltungsakt Klage zum SG erhoben und dessen Aufhebung beantragt. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen bzw Prozesshindernisse für ihr Rechtsschutzbegehren
ergeben sich aus der für das angerufene (Sozial-)Gericht maßgeblichen Prozessordnung, dem
Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Wird ein Gericht, sei es das OLG nach § 116 GWB oder das SG nach §
51 SGG, §
130a Abs
9 SGB V mit dem Ziel angerufen, eine Verbotsverfügung der Vergabekammer aufzuheben, geht es aus Sicht des Rechtsuchenden jeweils
gleichermaßen darum, die Rechtmäßigkeit des von der Vergabekammer erlassenen Verwaltungsaktes gerichtlich zu überprüfen. Wie
über das Rechtsschutzbegehren prozessual zu befinden ist, bestimmt sich nach Maßgabe der für ihren jeweiligen Gerichtszweig
geltenden Prozessordnung (vgl BSG SozR 1500 §
144 Nr 21; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
Zivilprozessordnung, 66. Aufl 2008, §
13 GVG RdNr 29; Baumgärtel ZZP 1960, 387, 395). Für die Sozialgerichte ist somit das
SGG, für die Oberlandesgerichte das GWB, ggf ergänzt durch Bestimmungen der
ZPO oder der
VwGO, maßgeblich. Nach sämtlichen Prozessordnungen haben die angerufenen Gerichte vorab über den zu ihnen beschrittenen Rechtsweg
von Amts wegen (§
17a Abs
2 Satz 1, Abs
3 Satz 1
GVG), jedenfalls auf Antrag eines Beteiligten, zu entscheiden (§
17a Abs
3 Satz 2
GVG). Die Entscheidung, welches Gericht für die Überprüfung des Verwaltungsaktes zuständig ist, muss anhand allgemeiner Grundsätze
zur Bestimmung des zulässigen Rechtsweges getroffen werden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die hier angerufenen SGe nicht schon deshalb an einer Entscheidung über den Rechtsweg
gehindert, weil die Vergabekammer ggf - unter Umständen grob rechtswidrig - ein solches Zuschlagsverbot ausgesprochen hat
und das Gesetz gegen Entscheidungen der Vergabekammer mit § 116 GWB auch, aber nicht nur die sofortige Beschwerde zum OLG und damit den Zivilrechtsweg eröffnet. Für den Kernbereich der GKV,
nämlich die Versorgung der Versicherten ua mit ärztlichen Leistungen, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, eröffnet die Systementscheidung
des §
51 SGG grundsätzlich den Rechtsweg zu den SGen, während es bei Vergaben im Zusammenhang mit fiskalischen Hilfsgeschäften der KKn
(Gebäude, Material usw) beim Verfahren nach §§ 116 ff GWB bleibt (dazu auch unter 4.).
c) Die beklagte Bezirksregierung ist im Sozialgerichtsprozess beteiligtenfähig. Vorliegend stand nicht nur von vornherein
unmissverständlich fest, dass sich die Klage gegen eine Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf richtet und damit den Streitgegenstand
bildet (vgl dazu allgemein Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
70 RdNr 4, 6). Vielmehr haben die Klägerinnen auch zutreffend die Bezirksregierung Düsseldorf als Beklagte bezeichnet.
Nach §
70 SGG sind fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (beteiligtenfähig), 1. natürliche und juristische Personen, 2. nichtrechtsfähige
Personenvereinigungen, 3. Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt und 4. gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern
und Krankenkassen oder Pflegekassen. §
3 des Ausführungsgesetzes zum
SGG des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) bestimmt, dass Behörden fähig sind, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
beteiligt zu sein. Diese Regelung begründet die Beteiligtenfähigkeit der Behörden des Landes NRW nicht nur in diesem Bundesland,
sondern auch allen anderen Bundesländern. Sie führt im Ergebnis dazu, dass das Land NRW im Sozialgerichtsprozess nicht die
förmliche Beteiligung des jeweiligen Rechtsträgers verlangt, sondern es ausreichen lässt, wenn die zuständigen Behörden den
Prozess als Beteiligte führen.
Zuständige, beteiligtenfähige Behörde ist vorliegend jedoch nicht die Vergabekammer als Behörde im funktionellen Sinne, sondern
die Bezirksregierung als diejenige Behörde im organisatorischen Sinne, bei der die Vergabekammer als unselbstständiger Teil
errichtet worden ist. Wer als beteiligte Behörde in Betracht kommt, richtet sich nach dem Landesorganisationsgesetz (LOG) NRW, das zwischen obersten Landesbehörden, Landesoberbehörden, Landesmittelbehörden, zu denen auch die Bezirksregierungen
gehören (vgl §§ 6, 7, 8 LOG NRW), sowie den unteren Landesbehörden unterscheidet. Letztere werden in § 9 Abs 2 LOG NRW im Einzelnen aufgeführt, ohne dass dort die Vergabekammern genannt werden. Nach § 5 Abs 3 LOG NRW bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung, welche Behörde sachlich und örtlich zuständig ist, wenn das Land
oder die nach Landesrecht zuständige Stelle Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemeinschaften durchzuführen hat.
Aufgrund von § 106 Abs 2 GWB und § 5 Abs 3 LOG NRW hat die Landesregierung bei jeder Bezirksregierung eine Vergabekammer eingerichtet (§ 2 der Verordnung über die Einrichtung und Zuständigkeit der Vergabekammern im Nachprüfverfahren für die Vergabe öffentlicher
Aufträge - ZuStVO NpV NRW - vom 23.2.1999, GV NRW 2005, 332). Die Vergabekammern sind für die Nachprüfung ua von Vergabeverfahren
der in § 98 GWB genannten Auftraggeber(-innen) mit Sitz in NRW zuständig (vgl § 2 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 ZuStVO NpV NRW). Die Einrichtung der Kammern "bei" jeder Bezirksregierung bedeutet, dass die Vergabekammern
die ihnen übertragenen Aufgaben nicht als selbstständige Behörde erledigen, sondern sie wie eine Abteilung der Bezirksregierung
geführt werden (zur Behördeneigenschaft allgemein vgl BVerfGE 10, 21, 48; BSGE 88, 153 = SozR 3-3100 § 5 Nr 9; Krasney in Kasseler Kommentar, Bd 2, Stand 1.12.2007, § 1 SGB X RdNr 8; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 1 RdNr 236 ff; Roos in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 1 RdNr 9). Der Regierungspräsident bestellt die hauptamtlichen und ernennt die ehrenamtlichen Mitglieder der Vergabekammern
nebst ihren Stellvertreterinnen oder Stellvertretern (§ 2 Abs 5 ZuStVO NpV NRW). Er ist zugleich deren Dienstvorgesetzter
(§ 2 Abs 6 ZuStVO NpV NRW). Unberührt bleibt lediglich die Unabhängigkeit der Vergabekammer bei ihrer jeweiligen Entscheidung
nach § 105 Abs 1 und 4 Satz 2 GWB. In diesem Sinne hat sich auch das zuständige Landesministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr geäußert.
Im Übrigen werden die Vergabekammern auch in § 9 Abs 2 LOG NRW nicht bei den unteren Landesbehörden aufgeführt.
Das Verwaltungshandeln der Vergabekammern als Behördenteil ist damit rechtlich den jeweiligen Bezirksregierungen als Behörden
zuzurechnen, ohne dass der Rechtsträger - das Land NRW - aus seiner materiell-rechtlichen Verpflichtung ua zur Tragung der
Kosten einschließlich eventueller Prozesskosten entlassen würde.
Der Beklagtenrolle der Bezirksregierung im Anfechtungsprozess vor dem SG steht nicht entgegen, dass im Verfahren nach §§ 116 ff GWB weder ihr noch der Vergabekammer die Rolle eines Beteiligten zukommt, sondern dort (nur) die öffentlichen Auftraggeber sowie
die antragstellenden sowie ggf sonstige beigeladenen Unternehmen (§ 109 GWB) Beteiligte sind. Das Gesetz spiegelt insoweit die wirtschaftliche Interessenlage des öffentlichen Auftraggebers auf der
einen Seite und der potenziellen Vertragspartner/Unternehmen auf der anderen Seite wider und wählt dabei eine von der Anfechtungsklage
gegen Verwaltungsakte atypische Verteilung der Beteiligtenrollen. Das schlägt jedoch nicht auf den Verwaltungsprozess vor
den SGen durch.
d) Die Ausgestaltung der Vergabekammern als Spruchkörper macht diese nicht zu einem Gericht und entzieht die Beklagte, der
die Entscheidungen zuzurechnen sind, nicht der Gerichtsbarkeit.
Der Hinweis der Beklagten, der Träger der Vergabekammer sei "gerichtsimmun", weil die Vergabekammer einem Gericht ähnlich
sei und deshalb nicht verklagt werden könne, geht fehl. Zwar hat der EuGH den früheren Vergabeüberwachungsausschuss des Bundes
als vorlageberechtigt im Sinne des Art 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) aF (jetzt: Art 234 EGV) angesehen (vgl EuGH vom 17.9.1997, Rs C-54/96, Slg 1997, I-04961 Dorsch Consult). Indessen besitzen die Vergabekammern nicht die Qualität eines Gerichts im Sinne des deutschen
(Verfassungs-)Rechts (vgl BT-Drucks 13/9340 S 13; Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht - GWB, 4. Aufl 2007, § 105 RdNr 11; Heuvels in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht - Bd 2 GWB, 2006, § 105 RdNr 1; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 4. Aufl 2007, S 96 unter 2.2.1, RdNr 253; Summa in: jurisPK-VergR,
2005, § 105 GWB RdNr 1; Regler, Das Vergaberecht zwischen öffentlichem und privatem Recht 2007, S 145 unter A.4).
In dem durch Gewaltenteilung geprägten Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern
anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die im
GG vorgesehenen Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt (vgl Art
92 GG). Hiermit unvereinbar ist die Ansicht der Beklagten, die Vergabekammer übe die Funktion eines Gerichts aus oder sei einem
Gericht zumindest ähnlich. Den Vergabekammern ist zwar die Aufgabe zugewiesen, die Vergabe von Aufträgen zu überprüfen. Bei
dieser, dem Individualrechtsschutz dienenden "kontrollierenden" Tätigkeit handelt es sich jedoch nicht um Rechtsprechung,
sondern um Verwaltungshandeln. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber den Vergabekammern als Handlungsinstrument
lediglich den Verwaltungsakt zugebilligt hat (vgl § 114 Abs 3 Satz 1 GWB), nicht jedoch zB den Erlass einer einstweiligen Anordnung, eines Gestaltungs- oder Feststellungsurteils. Ebenso wenig hat
er die Vergabekammern mit Amtswaltern besetzt, die den formellen Status eines Richters iS von Art
92,
98 Abs
1 und
3 GG iVm §§
8 ff
DRiG innehaben. Das GWB sieht lediglich vor, dass es sich beim Vorsitzenden der Kammer und dem hauptamtlichen Beisitzer um Beamte handelt, die für
eine Amtszeit von fünf Jahren und nicht - wie bei Richtern üblich - auf Lebenszeit als Mitglieder der Vergabekammer bestellt
werden (vgl § 105 Abs 2 und Abs 4 Satz 1 GWB); die ihnen zugebilligte "Unabhängigkeit" (vgl § 105 Abs 4 Satz 2 GWB) verändert diesen Status nicht (vgl Schmidt-Räntsch,
Deutsches Richtergesetz, 5. Aufl 1995, vor §
8 RdNr 2, zur Unabhängigkeit der Mitglieder von Rechnungshöfen oder Prüfungsämtern). Der Umstand, dass die Vergabekammer in
der Besetzung von einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern "unabhängig und in eigener Verantwortung" entscheidet und mindestens
der hauptamtliche Beisitzer Beamter auf Lebenszeit mit der Befähigung zum Richteramt sein muss (vgl § 105 GWB), macht die Vergabekammer nicht zu einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.11.2007
- 17 Verg 11/07, juris RdNr 4) und ihre Entscheidungen nicht zu Gerichtsentscheidungen. Vielmehr bleiben die Entscheidungen der Vergabekammern
Verwaltungsakte einer allenfalls gerichtsähnlich arbeitenden Behörde.
e) Einer Entscheidung über die Rechtswegfrage steht keine den erkennenden Senat nach §
17a Abs
1 GVG bindende Rechtswegentscheidung der Vergabekammer entgegen.
Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung
gebunden (vgl §
17a Abs
1 GVG). Die Entscheidung der Vergabekammer Düsseldorf vom 31.10.2007, die ihre Zuständigkeit für das Vergabeverfahren bejaht hat,
ist jedoch keine Entscheidung eines Gerichts, sondern einer Verwaltungsbehörde. Der vom zu 1) beigeladenen Pharmaunternehmen
bei der Vergabestelle gestellte Antrag auf Nachprüfung der Vergabe nach § 107 Abs 1 GWB konnte von vornherein weder zur Rechtshängigkeit noch zu einer Entscheidung über den Rechtsweg iS von §
17a Abs
1 GVG führen, weil es sich bei der Vergabekammer - wie aufgezeigt - nicht um ein Gericht und bei dem Nachprüfungsantrag nicht um
eine Klage iS der §
94 SGG, §
261 ZPO, §
90 VwGO handelt (wie hier Knispel, SozSich 2008, 110, 117 f). Der Nachprüfantrag kann einer Klageerhebung auch nicht gleichgestellt werden, weil dem Bürger sonst durch Befassung
einer Behörde (hier: Vergabekammer) mit der Sache der Zugang zu den Gerichten (Art
97 Abs
1 GG) in eben dieser Sache entgegen Art
19 Abs
4 GG versperrt werden könnte. Zwar ist der Schutzbereich des Art
19 Abs
4 GG nicht bereits deshalb eröffnet, weil an den beabsichtigten Rabattverträgen Träger hoheitlicher Gewalt (hier: KKn) beteiligt
sind. Denn tritt der Staat (hier: KKn) als Nachfrager auf, um seinen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen zu decken, unterscheidet
er sich nach Ansicht des BVerfG nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern und greift insoweit nicht auf seine öffentliche
Rechtsmacht zurück (insoweit zutreffend vgl BVerfGE 116, 135, 150 ff). Der Schutzbereich des Art
19 Abs
4 GG ist aber eröffnet, wenn es wie vorliegend um die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes einer Behörde (hier: Vergabekammer)
geht, der möglicherweise dadurch individuelle Rechte verletzt, dass er rechtswidrig in die Privatautonomie eingreift (hier:
Freiheit von Unternehmen zum Abschluss von Rabattverträgen durch das Verbot, durch Zuschlagserteilung Verträge zu schließen).
Der erkennende Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hat in
einem Beschluss vom 9.2.2004 zwar auch im Zusammenhang mit dem Eingang eines Nachprüfungsantrages nach §§ 107, 108 GWB bei der Vergabekammer von "Rechtshängigkeit" gesprochen und angenommen, dass diese nicht - wie im Zivilprozess ansonsten
- die Zustellung der Antragsschrift an den Gegner voraussetze, sondern lediglich deren Eingang bei der Vergabekammer (vgl
BGHZ 158, 43, 49). Im Fall des BGH ging es allerdings nicht darum, ob eine Entscheidung der Vergabekammer "Sperrwirkung" gemäß §
17a Abs
1 GVG für ein Gericht entfalten kann und die Nachprüfung der Verwaltungsentscheidung durch ein Gericht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit
der Sache ausschließt. Vielmehr ging es um den maßgeblichen Zeitpunkt, bis zu dem in zulässiger Weise noch ein Nachprüfungsantrag
gestellt werden kann, zumal die Vergabekammer nicht mehr angerufen werden kann, sobald der zu vergebende Auftrag erteilt und
damit ein zuvor eingeleitetes und durchgeführtes Vergabeverfahren beendet ist (vgl BGHZ 146, 202, 206 f). Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein um 10.18 Uhr bei der Vergabekammer eingegangener, dem Antragsgegner aber erst
um 12.57 Uhr zugestellter (weiterer) Nachprüfungsantrag bereits deshalb unzulässig war, weil der Antragsgegner den Auftrag
bereits um 10.18 Uhr desselben Tages erteilt hatte. Der BGH verneinte diese Frage, indem er auf den Zeitpunkt des Eingangs
des Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer mit der Begründung abstellte, dass das Verfahren vor der Vergabekammer "weit
eher dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als einem Zivilprozess vergleichbar" sei und "Rechtshängigkeit" im Verwaltungsprozess
bereits durch Eingang der Klageschrift begründet werde (vgl BGHZ 158, 43, 49).
f) Ebenso wenig steht einer Entscheidung über die Rechtswegfrage eine den erkennenden Senat nach §
17a Abs
1 GVG bindende Rechtswegentscheidung des OLG Düsseldorf entgegen. Zwar hat das OLG den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig
erklärt. Diese Entscheidung missachtet jedoch die bereits zuvor eingetretene und dem OLG bekannt gewesene anderweitige Rechtshängigkeit.
Sie ist wegen offensichtlicher Unhaltbarkeit unbeachtlich (vgl dazu BGH NJW 2003, 2990) und kann für den erkennenden Senat sowie die Vorinstanzen schon deshalb keine Bindungswirkung nach §
17a Abs
1 GVG entfalten.
Zwar ist beim OLG mit der sofortigen Beschwerde ein Rechtsmittel eingelegt worden, das im Verfahren nach §§ 116 ff GWB einer (Anfechtungs-)Klage vergleichbar ist. Als die Klägerinnen beim OLG am 22.11.2007 sofortige Beschwerde einlegten, war
die Rechtssache beim SG jedoch bereits rechtshängig geworden. Abzustellen ist hierbei auf die für das SG maßgebliche Prozessordnung, also das
SGG. Danach trat die Rechtshängigkeit der beim SG eingelegten Klage bereits mit deren Eingang beim SG am 21.11.2007 (vgl §
94 Abs
1 iVm §
90 SGG) und damit vor Eingang der sofortigen Beschwerde beim OLG ein. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob beim OLG Rechtshängigkeit
hätte bereits mit Eingang der sofortigen Beschwerde (22.11.2007) oder erst durch die zeitlich später erfolgte Zustellung der
Beschwerdeschrift entsprechend §
253 Abs
1 ZPO eintreten können (zur Unterscheidung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit im Zivilprozess vgl zB Kothe in: Redeker/von
Oertzen,
VwGO, 14. Aufl 2004, §
90 RdNr 1). Beide Zeitpunkte liegen nach dem 21.11.2007, sodass sich das OLG Düsseldorf, dem dieser Sachverhalt bekannt war,
nicht mehr mit der Sache hätte befassen dürfen. Denn während bestehender Rechtshängigkeit (§
261 Abs
1 ZPO, §
94 Abs
1 SGG; §
90 Abs
1 VwGO) kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden (vgl §
17 Abs
1 Satz 2
GVG). Eine trotz eingetretener Rechtshängigkeit bei einem anderen Gericht erhobene (zweite, weitere) Klage ist unzulässig (vgl
BSG SozR 1500 § 55 Nr 31; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 94 RdNr 7 mwN; Kopp/Schenke, aaO, § 90 RdNr
15 mwN). Die Rechtshängigkeit ist ein Prozesshindernis und führt ohne Sachprüfung zur Abweisung der zweiten Klage als unzulässig
durch ein Prozessurteil (vgl BGH NJW 1989, 2064; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 66. Aufl 2008, §
261 RdNr 26). Hierüber hat sich das OLG hinweggesetzt, ohne die Beschwerde an den BGH zuzulassen. Letzteres wäre nach §
17a Abs
4 Satz 4
GVG zulässig und hätte sich angesichts des Sach- und Streitstandes auch aufgedrängt.
Das OLG konnte sich über die anderweitige Rechtshängigkeit auch nicht mit der Begründung hinwegsetzen, das Verfahren vor dem
SG habe sich zunächst nur gegen die "Behörde", bei der die Vergabekammer eingerichtet worden ist, gerichtet, die im Beschwerdeverfahren
vor dem OLG nicht Verfahrensbeteiligte gewesen sei. Zwar setzt Rechtshängigkeit im Normalfall des Zivilprozesses, bei dem
sich die Beteiligten gleichgeordnet gegenüberstehen, Identität sowohl der Parteien als auch der Streitgegenstände voraus (vgl
BGHZ 7, 268, 271; BGH Urteil vom 11.12.1986, IX ZR 165/85, WM 1987, 367 = BGHR
ZPO §
261 Abs
3 Nr
1 Streitsache 1; Hartmann, aaO, §
261 RdNr 18, 19; Kopp/Schenke, aaO, § 90 RdNr 12). Indessen ist das Verfahren nach §§ 116 ff GWB "kein normaler Zivilprozess". Auch für das OLG lag auf der Hand, dass es sowohl vor dem SG als auch vor dem OLG um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von der Vergabekammer erlassenen Entscheidung vom 31.10.2007
ging. Lediglich aufgrund der besonderen, für Anfechtungsklagen atypischen Regelung des GWB wird als Prozessgegner auf der Beklagtenseite beim OLG nicht die Bezirksregierung, sondern das antragstellende Pharmaunternehmen
aufgeführt. In beiden Verfahren würde ein Erfolg des Rechtsmittels (Klage/sofortige Beschwerde) in der Hauptsache zur Aufhebung
der angegriffenen Entscheidung der Vergabekammer führen und sämtliche an diesen Verfahren Beteiligten, im OLG-Verfahren auch
die Vergabekammer und das beklagte Land an diesen Richterspruch binden. Dem Klageantrag lag in beiden Gerichtszweigen die
Rechtsbehauptung zugrunde, das Gericht habe im Sinne des Antrags zu entscheiden. Je nachdem, bei welchem Gericht dieser Klageantrag
geltend zu machen ist oder geltend gemacht wird, muss der Kläger/Antragsteller die von der für das jeweilige Gericht geltende
Prozessordnung und die darin vorgegebenen Klagearten als Rechtsschutzformen beachten (vgl Hauck in: Zeihe, aaO, §
56 Anm 2 a aa). Sehen die Prozessordnungen - wie hier
SGG und GWB - für dasselbe Rechtsschutzziel (hier: Aufhebung des Verwaltungsaktes der Vergabekammer) unterschiedliche Parteirollen der
Beteiligten vor, führt die Erhebung der Klage vor einem Gericht gleichwohl zur Rechtshängigkeit mit Sperrwirkung für weitere
Klagen vor einem anderen Gericht.
Die Haltlosigkeit der Begründung des OLG liegt auf der Hand: Wäre die Ansicht des OLG zutreffend, dass im Hinblick auf unterschiedliche
Beteiligtenkonstellationen in den Verfahren vor dem SG und dem OLG die Rechtshängigkeit der beim SG erhobenen Klage einem Verfahren vor dem OLG nicht entgegensteht, müsste im umgekehrten Fall das Gleiche gelten, dh einer
Entscheidung der SGe über die Zulässigkeit des Rechtsweges könnte nicht entgegengehalten werden, das OLG habe in der bei ihm
rechtshängig gewordenen Sache den Rechtsweg zum OLG bereits zuvor bindend bejaht. Indessen ist offensichtlich, dass einander
widersprechende Entscheidungen getroffen werden könnten, wenn sowohl das OLG als auch das SG berechtigt wären, über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes der Vergabekammer zu entscheiden. Würde sich
in solchen Fällen dasjenige Gericht durchsetzen, das unter Missachtung des Prozesshindernisses der anderweitigen Rechtshängigkeit
mit allseits bindender Wirkung den zu ihm beschrittenen Rechtsweg bejaht, verlören die Bestimmungen über die Rechtshängigkeit
weithin ihre Bedeutung. Zudem wäre ein "Wettlauf" der Beteiligten zu dem für sie vermeintlich "günstigsten" Gericht zu besorgen.
Im Übrigen spricht viel dafür, dass sich das Verfahren vor dem OLG erledigt hatte, bevor der ohne mündliche Verhandlung ergangene
und nicht verkündete Beschluss des OLG vom 18.12.2007 wirksam wurde. Das OLG hat den genannten Beschluss den Klägerinnen und
der Beigeladenen zu 1) lediglich formlos zur Information vorab in Gestalt einer ungesicherten WORD-Datei per E-Mail am 18.12.2007
übermittelt. Die Klägerinnen haben ihre sofortige Beschwerde bereits am 19.12.2007 zurückgenommen, bevor das OLG den Beschluss
ihnen förmlich mittels Empfangsbekenntnis am 27.12.2007 und der Beigeladenen zu 1) am 2.1.2008 zugestellt hat. Ungeachtet
der Frage nach der inneren Bindungswirkung für das erkennende Gericht (vgl dazu BSG SozR 1500 § 124 Nr 5 S 9 f) tritt nach
der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG (vgl BGHZ 32, 370; BVerwG Buchholz 310 §
130 VwGO Nr 11) Außenwirksamkeit eines Beschlusses, der zugestellt werden soll, erst mit Bewirkung der Zustellung ein.
4. Die Klägerinnen haben zutreffend den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschritten. Die Zuweisung des
Vergaberechtsweges zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe des § 116 GWB ist keine ausschließliche; sie gilt nicht für Rechtsbeziehungen, bei denen eine Zuweisung vergaberechtlicher Streitigkeiten
zu einer anderen Gerichtsbarkeit wie vorliegend zur Sozialgerichtsbarkeit besteht (dazu a). Dies ergibt sich sowohl aus der
speziellen Rechtswegzuweisung des § 130a Abs 9
SGG, wonach bei Streitigkeiten in Angelegenheiten des §
130a SGB V der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (dazu b), als auch aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte
und Zweck des §
51 Abs
2 SGG (dazu c).
a) Die sofortige Beschwerde zum OLG gegen Verwaltungsakte der Vergabekammer ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das (Vergabe-)Verfahren
in der großen Mehrzahl der Fälle letztlich auf den Abschluss von Verträgen abzielt, bei denen im Konfliktfall und nach Zustandekommen
der Verträge der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist, weil es sich größtenteils um zivilrechtliche
Verträge über fiskalische Hilfsgeschäfte handelt (vgl BVerwG, NJW 2007, 2275; Dreher in: Immenga/Mestmäcker, aaO, Vor §§ 97 ff RdNr 76 f mwN). Die Eröffnung des Verfahrens nach §§ 116 ff GWB bedeutet indessen nicht, dass die Überprüfung ausnahmslos jeder Entscheidung der Vergabekammer ausschließlich im Wege der
sofortigen Beschwerde zum OLG und damit durch die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit stattfindet (so aber Müller, A&R
2008, 21, 23 f; von Czettritz, PharmR 2008, 115, 117: Vergabekammer "erste Instanz" und OLG als "gerichtliche Berufungsinstanz
in zweiter Instanz").
Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten wird mit der sofortigen Beschwerde zum OLG nur dann zulässigerweise beschritten, wenn
die Rechtsbeziehungen, die durch die Vergabe öffentlicher Aufträge seitens öffentlicher Auftraggeber begründet werden sollen,
nicht durch gesetzliche Sonderregelungen einem anderen Gerichtszweig zugeordnet sind. Ist für Rechtstreitigkeiten aus oder
über bestimmte Verträge und Rechtsbeziehungen im Konfliktfall der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet,
ist dieser Rechtsweg auch dann zu beschreiten, wenn darüber gestritten wird, ob vor Begründung derartiger Rechtsbeziehungen
und Abschluss entsprechender Verträge Vergaberecht Anwendung findet oder vergaberechtliche Bestimmungen verletzt worden sind.
So liegt der Fall hier. Das gerichtliche Verfahren nach §§ 116 ff GWB wird im Streit über die Anwendung des Vergaberechts bei Rabattverträgen nach der "lex-posterior-Regel" wie auch nach dem
Grundsatz des ausdrücklich angeordneten spezielleren Rechtsweges zugunsten des Sozialrechtsweges verdrängt.
b) §
130a Abs
9 SGB V weist sämtliche Streitigkeiten "in Angelegenheiten dieser Vorschrift" den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu.
§
130a SGB V ist durch das BSSichG vom 23.12.2002 (BGBl I 4637) in das
SGB V eingefügt worden und am 1.1.2003 in Kraft getreten. Die Vorschrift bezweckt eine Einschränkung der von den KKn zu tragenden
Arzneimittelkosten und eine Stabilisierung der finanziellen Situation der GKV durch entsprechende Beiträge der pharmazeutischen
Industrie zusätzlich zu den in §
130 SGB V geregelten, vom Gesetzgeber selbst festgesetzten Apothekenrabatten; das BSSichG sollte einem überproportionalen Zuwachs bei
den Arzneimittelausgaben allein im Zeitraum von 2000 bis 2002 um 15 vH entgegenwirken (vgl BT-Drucks 15/28 S 20). Der umfassende
Wortlaut des §
130a Abs
9 SGB V - "Bei Streitigkeiten in Angelegenheiten dieser Vorschrift ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
gegeben" - lässt es nicht zu, die Rechtswegzuweisung auf Streitigkeiten zu beschränken, die sich aus bereits abgeschlossenen
Rabattverträgen ergeben. Vielmehr erfasst der Wortlaut der Norm auch das Verfahren vor und bei der Vertragsanbahnung und im
Zusammenhang mit dem Vertragsschluss. Die Vorschrift geht der Regelung des § 116 GWB sowohl als "jüngere" Vorschrift als auch als speziellere Vorschrift vor (wie hier: Hinweis-Beschluss des OLG Karlsruhe vom
19.11.2007 - 17 Verg 11/07; LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2007 - L 16 B 127/07 KR ER; Engelmann SGb 2008, 133, 148 f; im Ergebnis ebenso Heßhaus, PharmR 2007, 334, 336; aA Byok GesR 2007, 553, 556; Knispel SozSich 2008, 110, 117).
Dies bedeutet nicht, dass - unterstellt Vergaberecht fände im Leistungserbringungsrecht der GKV Anwendung und damit auch bei
§
130a SGB V Anwendung - das Nachprüfverfahren vor den Vergabekammern nach den §§ 102 bis 115 GWB entfiele und auch der sog Primärrechtsschutz, den dieses Verfahren gewährleisten soll, durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
sicherzustellen wäre. Die Rechtswegzuweisung nach §
130a SGB V und §
51 SGG zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lässt das Verfahren nach §§ 102 bis 115 GWB vor den Vergabekammern unberührt und verdrängt deren ausschließliche Zuständigkeit für das vergaberechtliche Verwaltungsverfahren
nicht. Die ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammern für den Primärrechtsschutz nach den §§ 102 bis 115 GWB (Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 104 RdNr 8; ähnlich Heuvels in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO, § 104 RdNr 4: "abschließende Rechtswegzuweisung") ist keine
Rechtswegzuweisung zu staatlichen Gerichten im Sinne des Prozessrechts und zieht auch nicht zwangsläufig eine ausschließliche
Zuständigkeit des OLG als einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach sich, wenn es um eine Anfechtungsklage gegen
Verwaltungsakte der Vergabekammern in Angelegenheiten des Sozialrechts geht.
Zwar mögen die im Verfahren nach §§ 116 ff GWB zur gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsakten der Vergabekammer zur Entscheidung berufenen OLGe aufgrund langjähriger
Befassung mit dem GWB größere praktische Erfahrungen als Sozialrichter speziell im Bereich des Vergaberechts haben. Indessen geben diese spezifischen
vergaberechtlichen Belange nicht den Ausschlag. Abgesehen davon, dass auch andere Gerichte in der Lage sind, sich mit vergaberechtlichen
Regelungen in gebotener Weise vertraut zu machen, um die behördliche Entscheidung der Vergabekammern überprüfen zu können,
findet die Rechtswegzuweisung zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ihren Grund in erster Linie in der Systementscheidung
des durch §
130a Abs
9 SGB V bestätigten §
51 SGG. Sollte Vergaberecht - worüber hier nicht zu entscheiden ist - bei Rabattverträgen zur Anwendung kommen, bildet dieses nur
einen Teilaspekt des vom Gericht anzuwendenden Prüfungsmaßstabs und der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte. Ebenso gewichtig
sind die systematischen Zusammenhänge der beabsichtigten Rabattverträge mit den Funktions- und Wirkungszusammenhängen des
Vertrags- und Leistungssystems der GKV. Arzneimittelrabattverträge sind sonstigen Verträgen zur Beschaffung von Heilmitteln
oder Hilfsmitteln ähnlich. Sie dienen nämlich dazu, unmittelbar den gesetzlichen Auftrag der KKn zur Versorgung der Versicherten
zu erfüllen. Sie unterscheiden sich dadurch ganz maßgeblich von gewöhnlichen fiskalischen Hilfsgeschäften der öffentlichen
Hand und auch der KKn, die nur mittelbar deren Funktions- und Arbeitsfähigkeit erhalten sollen (zB Kauf von Büromaterial,
Büroeinrichtungen, Gebäuden, Fahrzeugen, Telekommunikation usw). Arzneimittelrabattverträge sind selbst unmittelbarer Bestandteil
der den KKn zugewiesenen Aufgaben. Nur durch und nach Abschluss derartiger Leistungsbeschaffungsverträge sind die KKn in der
Lage, ihre unaufschiebbare Pflicht zu Erbringung der den rund 70 Millionen Versicherten gesetzlich zustehenden Sachleistungsansprüche
zu erfüllen. Das Leistungserbringungsrecht der GKV hat damit zentrale Bedeutung für die Funktions- und Steuerungsfähigkeit
der GKV und der Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen. Das Gesetz weist daher das Leistungserbringungsrecht
aus Gründen des Sachzusammenhangs und der Konzentration der jeweiligen - öffentlich-rechtlichen - Gerichtsbarkeit zu, die
auch ansonsten über die im Rahmen der GKV entstehenden Streitigkeiten entscheidet.
c) Nach §
51 Abs
1 Nr
2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der GKV,
auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. Eine Ausnahme ist insoweit nur für Streitigkeiten in Angelegenheiten
nach §
110 SGB V aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen vorgesehen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser gelten. Weiter
entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der GKV, auch
soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. § 87 GWB findet ausdrücklich keine Anwendung (vgl §
51 Abs
2 Satz 2
SGG idF durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes [SGGArbGGÄndG] vom 26.3.2008, BGBl I
444).
Bereits der umfassende Wortlaut, der alle die GKV betreffenden Angelegenheiten erfasst, seien sie privat oder öffentlich-rechtlicher
Art, weist sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des Leistungserbringungsrechts den SGen zu. Ihre umfassende und
ausschließliche Zuständigkeit wird durch die Entwicklungsgeschichte der Norm bestätigt (dazu Engelmann, NZS 2000, 213 ff; derselbe in: jurisPK-
SGB V, §
69 RdNr 152 ff; ebenso Möschel, JZ 2007, 601, 604 ff aus Sicht des Kartellrechts mit der Forderung nach Beseitigung der Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte).
§
51 SGG bestimmte zunächst, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch für die Angelegenheiten eröffnet ist,
die aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und KKn zu entscheiden sind. Unter Geltung dieser
Fassung bejahte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) für eine Klage eines orthopädischen Heil-
und Hilfsmittellieferanten gegen KKn auf Zulassung zur Belieferung von Versicherten den Rechtsweg zu den Zivilgerichten, weil
es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handele (GmSOGB Beschluss vom 10.4.1986, BGHZ 97, 312 ff = SozR 1500 § 51 Nr 39). Ebenso entschied der GmSOGB in einem Rechtsstreit, in dem es darum ging, ob ein Hilfsmittelfachhändler
von der KK gestützt auf § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verlangen kann, dass diese es unterlässt, ihren Versicherten
kostenlos Hilfsmittel (Rollstühle usw) zu überlassen (Beschluss vom 29.10.1987, BGHZ 102, 280 ff = SozR 1500 § 51 Nr 47). Der Gesetzgeber reagierte hierauf, indem er durch Art 32 Nr 3 des Gesundheitsreformgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) §
51 Abs
2 SGG ergänzte. Er fasste die Vorschrift nunmehr so, dass die Zuständigkeit der SGe auch begründet ist, wenn es um Streitigkeiten
geht, die in Angelegenheiten nach des
SGB V aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Kassen oder ihrer Verbände geht, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte
betroffen sind. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, auf den die Änderung zurückgeht, führte zur Begründung der Zuständigkeitszuweisung
aus, zu den den KKn nach dem
SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben gehöre auch der Abschluss der im
SGB V geregelten Leistungsbeschaffungsverträge. Da den KKn die eigene Leistungserbringung in der Regel gesetzlich verwehrt sei,
seien diese Verträge neben der Festsetzung von Festbeträgen das "zentrale Instrument zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen
Verpflichtungen der Krankenkassen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung". Es sei daher geboten, Streitigkeiten aufgrund
dieser Verträge "wegen des engen Sachzusammenhangs zwischen dem Inhalt dieser Verträge und den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen
der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten nach dem
SGB V den Sozialgerichten zuzuweisen." An dem privatrechtlichen Charakter dieser Verträge ändere sich dadurch nichts. Die Regelung
stelle ferner klar, dass die Rechtswegzuweisung auch im Verhältnis zu Personen (Dritten) gelte, die an den Maßnahmen nicht
beteiligt sind, von ihnen aber betroffen werden (vgl BT-Drucks 11/3480 S 77 zu Art 29).
Auch nach Inkrafttreten dieser Änderung zum 1.1.1989 kam es vor allem in Streitigkeiten mit wettbewerbs- und kartellrechtlichem
Bezug weiterhin zu unterschiedlichen Ansichten über den zu beschreitenden Rechtsweg sowie über die Geltung des Wettbewerbs-
und Kartellrechts im Bereich des GKV-Leistungserbringungsrechts. Das BSG bejahte seine Zuständigkeiten für wettbewerbsrechtliche
Streitigkeiten (BSGE 64, 260 = SozR 1500 § 51 Nr 51: Unterlassungsbegehren von Hilfsmittellieferanten gegen Krankenkasse wegen leihweiser Abgabe von Hilfsmitteln
durch die Krankenkasse), während die OLGe in solchen Fällen zunächst weiterhin den Zivilrechtsweg für gegeben hielten (vgl
Zusammenstellung bei Engelmann, NZS 2000, 213, 216 Fn 30). Hierauf stellte der BGH 1997 klar, dass auch insoweit jedenfalls dann der Rechtsweg zu den SGen eröffnet sei,
wenn das Schwergewicht des Rechtsstreits einen Aufgabenbereich betreffe, der dem Träger öffentlicher Verwaltung aufgrund sozialrechtlicher
Normen zur Erfüllung zugewiesen sei, unabhängig davon, ob der Anspruch auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche
Grundlage gestützt werde (BGH NJW 1998, 825, 826: Sozialrechtsweg für Klage einer Vereinigung von Orthopädietechnikern auf Aufhebung eines zwischen einem Apotheker-Verband
und Krankenkassenverbänden geschlossenen Hilfsmittellieferungsvertrages; weitere Rspr-Nachweise bei Engelmann, NZS 2000, 213, 216 Fn 35-38).
Bei Streitigkeiten aus dem Bereich des Kartellrechts bejahte das BSG den Rechtsweg zu den SGen, während der BGH auch in solchen
Angelegenheiten den Zivilrechtsweg eröffnet sah. So verneinte der Kartellsenat des BGH den Rechtsweg zu den SGen in einem
Fall, in dem eine Wettbewerbsbehinderung eines privaten Krankentransportunternehmens durch die KK behauptet wurde, weil der
Gesetzgeber in den §§ 87 bis 98 GWB eine umfassende, in sich geschlossene Sonderregelung für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit kartellrechtlichem Gegenstand
und für die Behandlung kartellrechtlicher Vorfragen in anderen Prozessen getroffen habe (BGHZ 114, 218, 222; ebenso BGH NJW 1992, 1561 für vertragliche Beziehungen von KKn mit einem Leistungserbringer der häuslichen Krankenpflege). In Anschluss hieran bejahte
das OLG Düsseldorf den Rechtsweg zu den Zivilgerichten in Verfahren, in denen geltend gemacht wurde, die Festsetzung von Festbeträgen
von Arzneimitteln durch Institutionen der Gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und KKn verstoße gegen Kartellrecht (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.1997, NZS 1998, 290; Urteil vom 28.8.1998, NZS 1998, 567). Ebenso nahmen Landgerichte ihre Zuständigkeit für den Streit über die Rechtmäßigkeit der Arzneimittelrichtlinien an, durch
die der Bundesausschuss der Ärzte und KKn zur Sicherstellung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung
der Versicherten die Verordnung bestimmter Arzneimittel zu Lasten der GKV beschränken kann (Nachweise bei Engelmann, NZS 2000,
213, 218 Fn 64, 65).
Der Gesetzgeber reagierte auf diese neuerliche Entwicklung in der Rechtsprechung der Zivilgerichte, indem er mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) in §
69 SGB V weitere materiell-rechtliche sowie in §
51 SGG ab 1.1.2000 weitere prozessrechtliche Klarstellungen vornahm. In §
69 SGB V wurde angeordnet, dass die Rechtsbeziehungen der KKn zu den ärztlichen wie auch nichtärztlichen Leistungserbringern sowie
zwischen den KKn und ihren Verbänden und den Krankenhäusern "abschließend" in den §§
63,
64 SGB V sowie dem Vierten Kapitel des
SGB V geregelt werden, und dies auch dann gilt, wenn durch diese Rechtsbeziehungen Dritte betroffen sind. In §
51 Abs
2 SGG wurde der Satz aufgenommen: "§§ 87 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden keine Anwendung". § 87 Abs 1 GWB begründet die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung des
GWB, der Art 81, 82 EGV oder des Art 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen. Diese Vorschrift wurde durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 um den Zusatz ergänzt, dass dies nicht gilt für Rechtsstreitigkeiten aus den in §
69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen, auch soweit Rechte Dritter betroffen sind. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird dazu ua
wörtlich ausgeführt (vgl BT-Drucks 14/1245 S 67 zu Nr 29 - §
69 SGB V):
"Da die Krankenkassen grundsätzlich die medizinischen und sonstigen Leistungen nicht selbst erbringen, bilden das Leistungsrecht
und das Leistungserbringungsrecht eine sich notwendig ergänzende Einheit für die GKV-Versorgung. ...
Auch die Leistungserbringer selbst sind in die Globalbudgetsteuerung einbezogen. ...
Wegen dieser Einbindung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen mit den Leistungserbringern sowohl in die Versorgung als auch
in die Finanzierung der GKV regelt § 69 Satz 1 als Grundsatznorm des Leistungserbringungsrechts, dass die dort genannten Rechtsbeziehungen
allein sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind. Dies folgt aus der Vorgabe der abschließenden
Regelung dieser Beziehungen in dem Vierten Kapitel des
SGB V. Die Krankenkassen und ihre Verbände erfüllen in diesen Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag
und handeln deshalb nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts. Dies
gilt auch für die Beschlüsse der Bundes- und Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, insbesondere die Richtlinien nach
§ 92. ... Satz 4 stellt klar, dass auch die sich aus den Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher
bzw verwaltungsrechtlicher Natur sind. Folglich entscheiden auch bei Klagen Dritter gegen Regelungen dieser Vertragsbeziehungen
die Sozialgerichte nach §
51 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz bzw die Verwaltungsgerichte. Die Rechtsprechung hatte bislang eine Doppelnatur des Handelns der gesetzlichen Krankenkassen
- öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich je nach Blickrichtung - angenommen. Dies hatte zu Unklarheiten bei der Rechtswegzuweisung
geführt."
Die auf eine Anregung des Ausschusses für Gesundheit zurückgehenden Ergänzungen bei §
51 Abs
2 SGG und § 87 GWB wurde zusammenfassend wie folgt begründet: Die Ergänzung stelle auch im GWB klar, dass für die sich aus den in §
69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen ergebenden Rechtsstreitigkeiten die SGe bzw die Verwaltungsgerichte zuständig seien (vgl BT-Drucks
14/1977 S 189 zu Art 10a). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Rechtswegzuweisung zu den SGen aus sachlichen Gründen
nur auf das Kartell- und Wettbewerbsrecht, nicht aber auf das Vergaberecht des GWB beziehen sollte, liegen nicht vor (aA Koenig/Busch, NZS 2003, 461, 463). Auch das SGGArbGGÄndG hat der Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen, in Kenntnis der Problematik etwas an der Zuständigkeit
der Sozialgerichtsbarkeit zu ändern. Er hat lediglich in §
51 Abs
2 Satz 2
SGG die Bezugnahme auf § 96 GWB beseitigt, da die Norm inzwischen weggefallen ist.
Nach allem sprechen Wortlaut, Systematik, der Sachzusammenhang zwischen Prozessrecht und materiellem Leistungserbringungsrecht
der GKV, vor allem aber die Entwicklungsgeschichte des §
51 SGG und des §
130a Abs
9 SGB V dafür, dass die auf die Gewährung von Primärrechtsschutz gerichteten Entscheidungen der Vergabekammern unabhängig davon,
ob sie sich sachlich auf Vergabekartellrecht stützen können, in jedem Fall nach den jüngeren und spezielleren Vorschriften
der §
130a Abs
9 SGB V, §
51 SGG durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gerichtlich zu überprüfen sind und eine vorrangige Rechtswegzuweisung an die
Zivilgerichte nach §§ 116 ff GWB nicht durchgreift. Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsstreitigkeiten bzgl des Zustandekommens von Rabattverträgen nur den Zivilgerichten
im Verfahren nach §§ 116 ff GWB als Vergaberechtsweg zugewiesen werden könnten, Rechtsstreitigkeiten in allen übrigen Rabattvertrags-Angelegenheiten jedoch
der Sozialgerichtsbarkeit, sind nicht ersichtlich. Eine solche Rechtswegaufspaltung ist sachlich, verfassungs- und EG-rechtlich
(dazu unter 5.) nicht geboten und stünde zudem im Widerspruch zur Gesetzesentwicklung der letzten Jahre. Diese hat gezeigt,
dass der Gesetzgeber Streitigkeiten im Zusammenhang mit Rechtsbeziehungen des GKV-Leistungserbringungsrechts nicht im Zuständigkeitsbereich
der ordentlichen Gerichtsbarkeit belassen wollte. Vielmehr fanden jeweils dann Klarstellungen bei der Rechtswegzuweisung statt,
wenn sich Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Rechtsstreitigkeiten im Leistungserbringungsrecht der GKV zuständig
erklärten und sich hierzu auf ihre Zuständigkeit für kartell- und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten beriefen.
5. Weder das
GG noch das EG-Recht verlangen eine Auslegung der § 116 GWB, §
51 SGG, nach der eine Überprüfung von Entscheidungen der Vergabekammer allein durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit in
Betracht kommt.
a) Der erkennende Senat hat im Rahmen der Rechtswegbeschwerde nicht über die dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Frage zu
entscheiden, ob auf Rabattverträge (§
130a Abs
8 SGB V) Vergaberecht Anwendung findet und ob die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu §
130a Abs
8 SGB V, wonach bei den Ausschreibungen für die Rabattverträge die jeweils gültigen Vorschriften des Vergaberechts Anwendung fänden
(vgl BT-Drucks 16/3100 S 144 zu Nr 97 zu Buchstabe i), im Gesetz Ausdruck gefunden haben und tatsächlich Gesetz geworden sind.
Dies wird von den Vergabekammern und in der Literatur unterschiedlich beurteilt.
Teile der sozialrechtlichen Literatur halten das Vergaberecht des GWB nicht für anwendbar, weil §
69 SGB V die Beziehungen der KKn zu den Leistungserbringern durch die Vorschriften des
SGB V abschließend regele, §
69 SGB V nur die §§ 19 bis 21 GWB, nicht aber dessen vergaberechtliche Vorschriften für anwendbar erkläre und Art 152 Abs 5 Satz 1 EG-Vertrag Sperrwirkung gegenüber dem sekundären EG-(Vergabe)Recht entfalte, damit nationalstaatliche Regelungen
über die Gesundheitsversorgung nicht unterlaufen werden (vgl Engelmann in: jurisPK-
SGB V, §
69 RdNr 181 ff, 187, 190 f; Engelmann, SGb 2008, 133, 144 f, 148 f; Hauck, RPG 2007, 64, 68 f; Kingreen, SGb 2004, 659, 664). Demgegenüber hält die 2. Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 15.11.2007 - VK 2-102/07, A&R 2007, 271) und Teile
der Literatur das Vergaberecht insbesondere im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des europäischen Vergaberechts für anwendbar
(Müller, A&R 2008, 21, 24 f; von Czettritz PharmR 2008, 115, 117: §§ 97 ff GWB als "Sonderrechtsweg"; Koenig/Busch, NZS 2003, 461, 463; zur teleologischen Reduktion des §
69 SGB V wegen eines Anwendungsvorrangs des europarechtlichen Vergaberechts vgl Ebsen in Festschrift für Zuleeg, 2005, 439, 446, 452
f; Byok, GesR 2007, 553, 556; Kaltenborn, VSSR 2006, 357, 362 mwN). Dies dürfte auch der Ansicht der EG-Kommission entsprechen, die am 17.10.2007 aufgrund einer Beschwerde des Deutschen
Generikaverbandes (vgl PharmR 2007, 192 f) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet
hat; dort wird die Ansicht geäußert, die vergaberechtlichen Regelungen des GWB seien auch auf Rabattverträge anwendbar (vgl Dokument 2007/4410 K (2007)4883).
b) Eine zwingende Zuweisung der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Vergabekammern erfordern das
GG und EG-Recht auch dann nicht, wenn das Vergaberecht aufgrund des Anwendungsvorrangs des sekundären EG-Vergaberechts anwendbar
sein sollte (zum Anwendungsvorrang vgl EuGH vom 15.7.1964, Rs C-6/64, Costa/E.N.E.L., EuGHE 1964, 1251, 1269 ff = NJW 1964, 2371; 19.6.1990, Rs C-213/89, Factortame, EuGHE 1990, I-2433, Rz 18 = NJW 1991, 2272; BVerfG, BVerfGE 73, 339, 374; BVerfGE 37, 271, 280; zur Dogmatik des Anwendungsvorrangs: Oppermann, Europarecht, 3. Aufl 2005, § 7 I 1 RdNr 2-15; Herdegen, Europarecht,
10. Aufl 2008, § 11 I RdNr 1-7; Schlegel, SGb 2007, 700, 710 f).
Zur wirksamen Anwendung der (Vergabe-)Richtlinie hat der Rat 1989 die Richtlinie (RL) 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge
erlassen (sog Rechtsmittelrichtlinie vom 21.12.1989, ABl L 395 vom 30.12.1989 S 33; zuletzt geändert durch die RL 2007/66/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007, Amtsblatt der Europäischen Union Nr L 335/31 vom 20.12.2007). Die Rechtsmittelrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den
Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien (zunächst 71/305/EWG, 77/62/EWG, 92/50/EWG abgelöst durch Richtlinie 2004/18/EG)
fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst
rasch auf Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht nachgeprüft werden können (vgl Art 1 Abs 1 RL 89/665/EWG, jetzt Art 1 Abs 1 RL
2007/66/EG). Die Mindestanforderungen an das Nachprüfverfahren sind in Art 2 der RL 89/665/EWG (jetzt Art 2 RL 2007/66/EG)
geregelt. Danach müssen die Mitgliedstaaten Nachprüfverfahren einrichten und Befugnisse vorsehen, die sicherstellen, dass
- so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten
Verstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören auch Maßnahmen, um
das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Durchführung jeder sonstigen Entscheidung des öffentlichen
Auftraggebers auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;
- die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher
oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich
auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;
- denjenigen, die durch den Verstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.
Die genannten Befugnisse können nach Art 2 Abs 2 RL 89/665/EWG (jetzt Art 2 Abs 2 RL 2007/66/EG) getrennt mehreren Stellen
übertragen werden, die für das Nachprüfungsverfahren unter verschiedenen Gesichtspunkten zuständig sind. Die organisatorische
Ausgestaltung des Nachprüfverfahrens bleibt im Grundsatz den Mitgliedstaaten überlassen. Die Rechtsmittelrichtlinie schreibt
insoweit lediglich Mindestanforderungen vor: Eine Nachprüfungsstelle, die kein Gericht ist, muss danach ihre Entscheidung
stets schriftlich begründen. Ferner ist in diesem Falle sicherzustellen, dass eine behauptete rechtswidrige Maßnahme der Nachprüfungsstelle
oder ein behaupteter Verstoß bei der Ausübung der ihr übertragenen Befugnisse zum Gegenstand einer Klage oder einer Nachprüfung
bei einer anderen von dem öffentlichen Auftraggeber und der Nachprüfungsstelle unabhängigen Stelle, die ein Gericht im Sinne
von Art 234 EGV ist, gemacht werden können. Für die Ernennung und das Ende der Amtszeit der Mitglieder dieser unabhängigen Stelle gelten
bezüglich der für ihre Ernennung zuständigen Behörde, der Dauer ihrer Amtszeit und ihrer Absetzbarkeit die gleichen Bedingungen
wie für Richter. Zumindest der Vorsitzende der unabhängigen Stelle muss die juristischen und beruflichen Qualifikationen eines
Richters besitzen. Die unabhängige Stelle trifft ihre Entscheidungen in einem Verfahren, in dem beide Seiten gehört werden;
ihre Entscheidungen sind in der von den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils zu bestimmenden Weise rechtsverbindlich (vgl Art
2 Abs 8 RL 89/665/EWG; jetzt Art 2 Abs 9 RL 2007/66/EG).
Diesen Anforderungen hat Deutschland erkennbar durch Einrichtung der Vergabekammern und das von diesen anzuwendende Nachprüfverfahren
Genüge getan. Diese behördlichen Verfahren bieten den europarechtlich gebotenen Primärrechtsschutz. Sofern im Rahmen des Primärrechtsschutzes
nicht mehr behebbare Rechtsverstöße eingetreten sind, wird ggf Schadensersatz gewährt; dadurch ist den Erfordernissen des
europarechtlich gebotenen Sekundärrechtsschutzes Genüge getan. Ob die Rechtsmittelrichtlinie darüber hinaus eine weitere gerichtliche
Kontrolle der Entscheidung der Vergabekammer/Nachprüfstelle durch ein unabhängiges Gericht iS von Art
92 GG verlangt, erscheint zweifelhaft. Anknüpfungspunkt für den nach §§ 116 ff GWB und §
51 SGG eröffneten Rechtsschutz durch staatliche, mit unabhängigen Richtern besetzte Gerichte (OLGe oder SGe) dürfte vielmehr Art
19 Abs
4 Satz 1
GG sein. Denn bei den Maßnahmen der Vergabekammern handelt es sich um Akte der öffentlichen Gewalt, gegen die nach der nationalstaatlichen
Rechtsordnung des
GG der Rechtsweg eröffnet sein muss. Die Rechtsmittelrichtlinie schließt eine solche weitergehende nationalstaatliche Kontrolle
weder aus noch kann ihr entnommen werden, dass diese weitere gerichtliche Kontrolle nur durch ein Zivilgericht, nicht aber
durch SGe erfolgen kann und darf.
Der erkennende Senat hat im Rahmen der Rechtswegbeschwerde nicht darüber zu befinden, ob das Nachprüfverfahren durch die Vergabekammer,
sollte es auch für die Vergabe von Rabattverträgen nach §
130a SGB V anwendbar sein, den Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinie in allen Fällen genügt. Im Rahmen seiner Entscheidung über die
Rechtswegbeschwerde hat der erkennende Senat nicht über die Effektivität des grundsätzlich nicht in Frage zu stellenden sog
Primärrechtsschutz gewährenden Verfahrens vor den Vergabekammern zu befinden. Vielmehr geht es (nur) darum, ob der von der
Vergabekammer erlassene Verwaltungsakt durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit oder der Zivilgerichte einer weiteren gerichtlichen
Kontrolle unterzogen wird.
Eine Auslegung der Rechtswegfrage zugunsten der Zivilgerichte im Lichte der Rechtsmittelrichtlinie läge nur dann nahe, wenn
die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungsaktes durch die SGe die mit der Rechtsmittelrichtlinie verfolgten Zwecke und den
durch die Entscheidung der Vergabekammer vermittelten Schutz der Bieter vereiteln oder gefährden würde, während dies bei einer
gerichtlichen Überprüfung durch die Zivilgerichte nicht der Fall wäre. Dies ist indessen nicht der Fall. Zwar sieht das GWB für den Zivilrechtsweg Vorschriften vor, die auf eine rasche Erledigung des gerichtlichen Verfahrens abzielen, wie zB § 117 Abs 1 und 2 GWB (Einlegungs- und Begründungsfrist von lediglich zwei Wochen) oder der Ausschluss eines weiteren Rechtsmittels zum BGH (Ausnahme:
§ 124 Abs 2 Satz 1 GWB: Divergenzvorlage). Indessen muss das OLG nur dann "längstens innerhalb von fünf Wochen" nach Antragseingang entscheiden,
wenn es darum geht, auf Antrag des Auftraggebers unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde den
weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens und den Zuschlag zu gestatten (vgl § 121 Abs 1 Satz 1, Abs 3 GWB); auch in diesem Fall kann die Entscheidungsfrist verlängert werden (vgl § 121 Abs 3 Satz 1, 2. Halbsatz GWB).
Es ist nicht ersichtlich, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dem Anliegen des Gesetzes, für rasche Rechtsklarheit
zu sorgen, aus strukturellen Gründen nicht Rechnung tragen können. Dies zeigt eindrucksvoll das Prozessgeschehen in der vorliegenden
Angelegenheit. Während das OLG den Rechtsstreit nach Eingang der sofortigen Beschwerde bis zur - bisher nicht absehbaren -
Entscheidung des EuGH in einer anderen, vom OLG dem EuGH gemäß Art 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegten Sache - und damit letztlich auf unbestimmte Zeit - ohne Vorliegen gesetzlicher Aussetzungsgründe
(vgl §§
246 ff
ZPO) ausgesetzt hat, haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach Eingang der Sache beim SG am 21.11.2007 in drei Instanzen bis zum 22.4.2008 abschließend über die Rechtswegfrage und bis 27.2.2008 sowohl erst- als
auch zweitinstanzlich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden. Sollte sich bei künftiger weiterer Befassung
der SGe mit vergaberechtlichen Fragen herausstellen, dass die bewährten Regelungen des GWB auch im Sozialgerichtsprozess Anwendung finden sollten, ist deren analoge Anwendung zu erwägen bzw der Gesetzgeber auf einen
entsprechenden Änderungsbedarf der Prozessordnung hinzuweisen.
c) Die ausschließliche Zuständigkeit der Zivilgerichte wird nicht durch das Gebot effektiven Rechtsschutzes begründet.
Art
19 Abs
4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt
(vgl BVerfGE 67, 43, 58; stRspr). Die in Art
19 Abs
4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen
dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall
nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl BVerfGE 94, 166, 213). Dabei fordert Art
19 Abs
4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl BVerfGE 87, 48, 61; 92, 365, 410; stRspr). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art
19 Abs
4 GG dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle
(vgl BVerfGE 40, 272, 274 f; 54, 94, 96 f). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht
ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl BVerfGE 78, 88, 99; 96, 27, 39; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 30. Mai 2007 - 2 BvR 2012/05 -, juris; zum Ganzen stattgebender Kammerbeschluss BVerfG 2. Kammer des 2. Senats vom 12.11.2007 - 2 BvR 9/06, DVBl 2008, 38-40).
Es sind keine Gründe erkennbar, die befürchten lassen, dass die SGe nicht in vergleichbar wirksamer Weise wie Zivilgerichte
in der Lage sind, Verwaltungsakte der Vergabekammern zu überprüfen.
d) Ebenso wenig verlangt die Garantie des gesetzlichen Richters, dass nur Zivilgerichte bzw OLGe über die Rechtmäßigkeit von
Verwaltungsakten der Vergabekammern entscheiden.
Nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters soll
der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorbeugen, die durch eine auf den
Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl BVerfGE 95, 322, 327 mwN). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit
in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl BVerfGE 95, 322, 327). Deshalb verpflichtet Art
101 Abs
1 Satz 2
GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall
im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende
Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der Anwendung der vom Gesetzgeber
geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG angemessen Rechnung zu tragen.
Art
101 Abs
1 Satz 2
GG schließt es nicht aus, dass auch SGe über Verwaltungsakte von Vergabestellen entscheiden, wenn sich deren Zuständigkeit -
wie gezeigt - aus der anzuwendenden Prozessordnung ergibt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters käme insoweit nur dann
in Betracht, wenn es bei der Auslegung der in Betracht kommenden Prozessordnungen und damit der Auslegung einfachen Rechts
(hier: vor allem von §§ 116 ff GWB, §
51 SGG, § 130a Abs 9
SGG) geradezu abwegig oder willkürlich wäre, dass SGe insoweit zur Entscheidung berufen sein könnten oder wenn ein Gericht Bedeutung
und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG grundlegend verkennt (vgl BVerfGE 82, 286, 299; BVerfG, NVwZ 2005, 1304, 1307 f; BSG, Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - juris RdNr 4 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Aufgabe der SGe und der ihnen im Instanzenzug nachgeordneten Gerichte
ist es, diese Frage im Wege der Rechtswegbeschwerde durch Auslegung des
SGG, des GWB und des
SGB V auch höchstrichterlich zu klären und damit für vergleichbare Fälle Klarheit zu schaffen. Entscheidet das zuständige Gericht
unter sorgfältiger Auslegung der gesetzlichen Grundlagen, kann hiervon keine Rede sein. So liegt es angesichts der aufgezeigten
Entwicklung des §
51 SGG und des §
130a Abs
9 SGB V im vorliegenden Fall.
Nach allem haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden, dass die Klägerinnen zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit beschritten haben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Vorschrift des §
17b Abs
2 Satz 1
GVG, wonach bei Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht, die Kosten vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten
behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, findet bei Beschlüssen nach §
17a GVG keine Anwendung, wenn der beschrittene Rechtsweg für zulässig erachtet wird (vgl BSG SozR 3-1500 §
51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541, 2542; Ehlers in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, aaO, §
17a GVG RdNr 35 mwN).
Die Höhe des Streitwerts, der von den Beteiligten mit 33 Millionen Euro bezeichnet worden ist, wird nach § 52 Abs 4 Gerichtskostengesetz im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auf 2,5 Millionen Euro beschränkt. Es scheint angemessen, mit dem
LSG für die Vorabentscheidung über den Rechtsweg als Streitwert ein Fünftel dieses Maximalwertes, also 500.000 Euro, anzusetzen.