Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Schüler während des Aufenthalts in einem Park einen Arbeitsunfall erlitten
hat.
Der 1999 geborene Kläger war Schüler eines Gymnasiums, das über ein großes Schulgelände, jedoch einen relativ kleinen Pausenhof
verfügte. Auf dem gesamten Schulgelände bestand ein Rauchverbot. Die Schüler konnten sich in den Pausen in dem Pausenhof aufhalten
und hatten auch die Möglichkeit, in einem Raum im Schulgebäude Billard zu spielen. Oberstufenschüler wie der Kläger konnten
während der Pausen auch weitere Räume des Schulgebäudes nutzen. Volljährige Schüler konnten in den Pausen das Schulgelände
verlassen und taten dies auch regelmäßig, etwa um spazieren zu gehen oder sich etwas zu essen zu kaufen. Von der Schule wurden
sie angehalten, sich auch außerhalb des Schulgeländes ordentlich zu benehmen. Am Schultor fanden Ausgangskontrollen statt.
Am 18.1.2018 hielt sich der Kläger in der zweiten großen Pause gemeinsam mit zwei Mitschülern zur Erholung in einem Park auf,
der sich in unmittelbarer Nähe der Schule, von dem Schulgelände nur durch eine Straße getrennt, befand. Dort rauchte er mit
einem der Mitschüler Zigaretten. An diesem Tag herrschte ein Unwetter mit Sturm und Schneefall. Während des Aufenthalts in
dem Park fiel ein schwerer Ast auf den Kläger. Dadurch erlitt er ein Schädel-Hirn-Trauma und Frakturen.
Die Beklagte stellte gegenüber dem Kläger fest, dass die zunächst zu ihren Lasten durchgeführte Heilbehandlung nicht mehr
von ihr übernommen werde, ein Schulunfall liege nicht vor (Bescheid vom 20.4.2018 und Widerspruchsbescheid vom 1.10.2018).
Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 18.1.2018 ein Arbeitsunfall ist. Der Kläger
sei während der Erholungspause in dem Park versichert gewesen. Aufgrund der Nähe des Parkbereichs zum Schulgelände sowie des
stark begrenzten Platzangebotes auf dem Schulhof sei es von der Schule toleriert und befürwortet worden, dass der Park als
ausgelagerter, erweiterter Schulhof für die Oberstufenschüler zum Zwecke der Erholung vom Schulunterricht in ruhiger Atmosphäre
genutzt worden sei (Urteil vom 29.11.2019). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Der Aufenthalt
des Klägers in dem Park habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil sich der organisatorische Verantwortungsbereich
der Schule nicht hierauf erstreckt habe. So habe der Einflussbereich der Schule ebenso wie die Aufsichtspflicht und die Aufsichtsmöglichkeit
am Schultor geendet. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere Belastungssituation im Unterricht den Parkaufenthalt notwendig
gemacht haben könnte, um die Schulfähigkeit des Klägers zu erhalten bzw wiederherzustellen, seien nicht ersichtlich (Urteil
vom 28.10.2020).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII iVm §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b
SGB VII. Versicherungsschutz als Schüler bestehe während der Schulpausen unabhängig davon, ob diese auf dem Schulgelände oder außerhalb
des Schulgeländes verbracht würden. Der Versicherungsschutz begründende organisatorische Verantwortungsbereich der Schule
habe sich auch auf den Aufenthalt der Schüler in dem Park während der Pausen erstreckt, weil der Park von der Schulleitung
als erweiterter Schulhof angesehen und als solcher behandelt worden sei. Auch müsse bei - wie hier - bestehenden Unklarheiten
aufgrund zu offener schulischer Vorgaben zur Vermeidung von Schutzlücken im Zweifel der schulische Verantwortungsbereich als
eröffnet betrachtet und Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bejaht werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2020 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Hamburg vom 29. November 2019 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.4.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
1.10.2018 ist rechtmäßig; der Kläger hat am 18.1.2018 keinen Arbeitsunfall erlitten.
1. Im Revisionsverfahren ist über die zulässig mit einer Anfechtungsklage gegen die Bescheide der Beklagten vom 20.4.2018
und 1.10.2018 verbundene Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls zu entscheiden (§
54 Abs
1 Satz 1 Alt 1 iVm §
55 Abs
1 Nr
1, §
56 SGG). Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte es abgelehnt, den Unfall vom 18.1.2018 als Schulunfall anzuerkennen. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats ist ein Versicherter berechtigt, die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung,
dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, vorab als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche im Wege einer kombinierten
Anfechtungs- und Feststellungsklage klären zu lassen (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteile vom 31.3.3022 - B 2 U 13/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 11 sowie vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 11).
2. Der Bescheid der Beklagten vom 20.4.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.10.2018 ist rechtmäßig, denn der
Kläger hat am 18.1.2018 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse,
die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls muss
der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich
begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss dadurch
einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität)
haben (stRspr; vgl zuletzt ua BSG Urteile vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - juris RdNr 13, vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 12, und vom 6.5.2021 - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 13). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Kläger hat zwar einen Unfall erlitten (dazu unter a). Auch gehörte er als Schüler einer allgemeinbildenden Schule zum
in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis (dazu unter b). Den Unfall erlitt er jedoch nicht infolge
der versicherten Tätigkeit als Schüler, weil der Aufenthalt in dem Park dieser Tätigkeit sachlich nicht zuzurechnen war (dazu
unter c). Versicherungsschutz bestand selbst dann nicht, wenn die Schulleitung nicht auf dessen Fehlen während eines Aufenthalts
in dem Park hingewiesen haben sollte (dazu unter d).
a) Der Kläger erlitt einen Unfall iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII, als auf ihn während seines Aufenthalts in dem Park ein schwerer Ast herabfiel. Aufgrund dieser Einwirkung erlitt er als
Gesundheitsschäden ein Schädel-Hirn-Trauma sowie Frakturen.
b) Als Schüler eines Gymnasiums war der Kläger gemäß dem hier allein in Betracht kommenden Versicherungstatbestand des §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b Alt 1
SGB VII (in der seit dem 1.1.1997 geltenden Fassung des Art 1 des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl I 1254) grundsätzlich Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dieser Vorschrift
sind kraft Gesetzes versichert Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen. Zu den allgemeinbildenden
Schulen zählen auch Gymnasien (vgl die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über Unfallversicherung für
Schüler und Studenten, BT-Drucks VI/1333 S 4 zu Buchst a; Schlaeger in Schlaeger/Linder/Bruno, Unfallversicherung für Kinder
in der Tagesbetreuung, Schüler und Studierende, 2. Aufl 2020, S 106 § 5 RdNr 18; vgl auch BSG Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 41/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 7). Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls Schüler einer solchen allgemeinbildenden
Schule.
c) Die Verrichtung des Klägers unmittelbar vor dem Unfall, der Aufenthalt mit Mitschülern in dem Park, war der versicherten
Tätigkeit als Schüler sachlich nicht zuzurechnen. Ob zur Zeit des Unfalls der innere bzw sachliche Zusammenhang zwischen der
Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Person und der versicherten Tätigkeit besteht, ist wertend zu entscheiden. Dabei
sind die Wertungsgesichtspunkte und Grundsätze, die der Senat zur Beschäftigtenversicherung iS des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII entwickelt hat, nicht ohne Weiteres auf die Schülerunfallversicherung übertragbar. Als Wertungsfaktoren und Zurechnungsgesichtspunkte
des sachlichen Zusammenhangs kommen im Rahmen der Schülerunfallversicherung vor allem der Schutzzweck der Norm sowie die Grundprinzipien
der Unfallversicherung in Betracht (vgl hierzu zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 17 f mwN).
Zu den gemäß §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b Alt 1
SGB VII versicherten Tätigkeiten zählen danach grundsätzlich die Betätigungen während schulischer Veranstaltungen, auch wenn die
Mitwirkung freigestellt oder unverbindlich ist (vgl BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 15 mwN). So erstreckt sich der Versicherungsschutz grundsätzlich auf
Tätigkeiten während des Unterrichts, während der dazwischen liegenden Pausen und auf Tätigkeiten im Rahmen von Schulveranstaltungen
im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Der organisatorische Verantwortungsbereich kann je nach Schulform und
speziellen Unterstützungsbedarfen enger oder weiter sein. Außerhalb dieses organisatorischen Verantwortungsbereichs besteht
jedoch auch bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch bedingt sind, grundsätzlich kein Versicherungsschutz (stRspr; vgl
zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 15 mwN; vgl zB auch BSG Urteile vom 26.11.2019 - B 2 U 3/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 53 RdNr 20 und vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38 RdNr 14).
Der organisatorische Verantwortungsbereich erfordert grundsätzlich einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang
zur Schule. Daran fehlt es in der Regel, wenn wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind (stRspr;
vgl zB BSG Urteile vom 26.11.2019 - B 2 U 3/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 53 RdNr 20, vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 14 und vom 30.6.2009 - B 2 U 19/08 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 13 RdNr 25). Allerdings erfolgt eine Tätigkeit als Schüler, wie von §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b Alt 1
SGB VII tatbestandlich vorausgesetzt, nicht ausschließlich in der Schule, sondern bei sonstigen Veranstaltungen und Unternehmungen,
die durch den Schulbesuch bedingt sind, auch außerhalb des Schulgeländes. Der Versicherungsschutz entfällt daher nicht deshalb,
weil schulische Aufsichtsmaßnahmen faktisch oder rechtlich nicht mehr gewährleistet sind. Versicherungsschutz besteht für
Tätigkeiten im sachlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch vielmehr auch dann, wenn der räumlich-zeitliche Zusammenhang weitgehend
gelockert und wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nur eingeschränkt möglich sind, solange die Tätigkeiten dem Organisationsbereich
der Schule zuzurechnen sind (vgl zuletzt BSG Urteile vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 15 mwN und vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 14 mwN; zu § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b
RVO: BSG Urteil vom 26.11.2019 - B 2 U 3/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 53 RdNr 20 mwN). Das Zusammensein mit Mitschülern kann im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten
Schulbesuch stehen, weil sich der Bildungsauftrag staatlicher Schulen nicht in der reinen Wissensvermittlung erschöpft, sondern
auch der Sozialisierung und Förderung sozialer Kompetenzen dient, die auch zwischen den Schülern untereinander, typischerweise
zwischen Gleichaltrigen in ihrer jeweiligen Klasse bzw Jahrgangsstufe, erfolgt (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38 RdNr 17 mwN). Danach kann ein Aufenthalt von Schülern außerhalb des Schulgeländes während der Pausen
zwischen zwei Unterrichtseinheiten versichert sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt zeitlich und räumlich
durch die Teilnahme am Unterricht bedingt ist und im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfolgt. Dies war
vorliegend nicht gegeben.
Nach den nicht angegriffenen und damit gemäß §
163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erlitt der Kläger den Unfall, während er sich in einer Pause zwischen zwei
Unterrichtseinheiten mit zwei Mitschülern außerhalb des Schulgeländes in einem Park aufhielt. Das Treffen mit den Mitschülern
und der Aufenthalt in dem Park zum Zeitpunkt des Unfalls erfolgte außerhalb des für den Versicherungsschutz erforderlichen
organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule (hierzu unten aa bis dd). Aus dem Schutzzweck der Schülerunfallversicherung
ist der erforderliche sachliche Zusammenhang des Aufenthalts mit der versicherten Tätigkeit als Schüler nicht herzuleiten
(hierzu unten unter ee).
aa) Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule während der Pausen war hier bereits im Hinblick auf die räumlichen
Verhältnisse auf den Aufenthalt auf dem Schulgelände beschränkt. Nach den Feststellungen des LSG grenzte zwar das Schulgelände
an diesen Park, ging jedoch nicht ohne weitere Abgrenzung in das Parkgelände über. Zwischen dem Schulgelände und dem Park
lag vielmehr eine Straße und am Ausgang des Schulgeländes zur Straße fanden am Schultor Ausgangskontrollen statt. Auch erfolgten
Maßnahmen der Aufsicht der Schule über die Schüler nur auf dem Schulgelände, nicht aber in dem Park (vgl zum grundsätzlich
fehlenden Versicherungsschutz beim Aufenthalt in den Pausen außerhalb des Schulgeländes Richter in LPK-
SGB VII, 4. Aufl 2013, §
2 RdNr 63; wohl auch Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Juli 2021, § 2 Anm 18.8 f; vgl differenzierend
Behrendt/Bigge, Unfallversicherung für Schüler und Studierende sowie Kinder in Tageseinrichtungen, 6. Aufl 2002, S 62 und
69; Lederer/von Farkas, Schülerunfallversicherung, 8. Aufl 2011, S 71 f).
bb) Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule war nicht wegen der relativen Enge des Schulhofs auf den Parkaufenthalt
erweitert. Der Aufenthalt während der Schulpausen außerhalb des Schulgeländes war nach den verbindlichen Feststellungen des
LSG zur Erholung nicht zwingend erforderlich. So hatten Schüler während der Pausen neben dem Aufenthalt in dem Pausenhof die
Möglichkeit, in einem Raum im Schulgebäude Billard zu spielen. Oberstufenschüler wie der Kläger konnten sich zudem während
der Pausen in weiteren Räumen des Schulgebäudes aufhalten. Allein der Umstand, dass beengte räumliche Verhältnisse vorlagen,
genügt deshalb nicht, um den erforderlichen organisatorischen Verantwortungsbereich für einen Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes
zu bejahen und Versicherungsschutz zu begründen.
cc) Soweit die Revision ausführt, die Schulleitung habe den Aufenthalt im Park gebilligt und diesen als erweiterten Schulhof
angesehen, vermögen weder die durch das LSG hierzu festgestellten noch die vorgetragenen Umstände den erforderlichen Verantwortungsbereich
der Schule auf den Parkaufenthalt zu erstrecken und Versicherungsschutz zu begründen. Für eine Billigung im Sinne der Übernahme
der organisatorischen Verantwortlichkeit für die Nutzung des Parks in den Pausen zusätzlich zur Nutzung des Schulgeländes
fehlt es an einer entsprechenden schulischen Einflussnahme. So erfolgten keine Bitten oder Aufforderungen an Schüler, sich
in dem Park aufzuhalten. Auch bestanden keine den dortigen Aufenthalt betreffenden schulischen Anweisungen oder sonstige Regelungen.
Die allgemeine Gestattung, das Schulgelände zu verlassen, erstreckte den Versicherungsschutz nicht auf den Aufenthalt in dem
Park. Eine solche Gestattung durch die Schule dient dazu, Schülern unter Wahrung der Abgrenzung von schulischer Aufsichtspflicht
zu der Aufsichtspflicht der Erziehungsberechtigten bzw dem eigenverantwortlichen Handeln volljähriger Schüler einen Aufenthalt
außerhalb des Schulgeländes während der Pausen zur eigenverantwortlichen Gestaltung zu ermöglichen. Eine solche Gestattung
zum Verlassen des Schulgeländes während der Schulpausen aus Gründen, die nicht auf den Schulbesuch bezogen oder durch ihn
unmittelbar bedingt sind, wie zB der Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes während Freistunden, erweitert deshalb den organisatorischen
Verantwortungsbereich der Schule und damit den Versicherungsschutz grundsätzlich nicht auf den Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes
(vgl zum fehlenden Versicherungsschutz wegen fehlender Aufsichtspflicht beim Verlassen des Schulgrundstückes Behrendt/Bigge
Unfallversicherung für Schüler und Studierende sowie Kinder in Tageseinrichtungen, 6. Aufl 2002, S 62). Mit der allgemeinen
Gestattung wird für volljährige Schüler sowie minderjährige Schüler im Einverständnis oder mit Kenntnisnahme der Erziehungsberechtigten
die Grenze zwischen schulischer Aufsichtspflicht und Eigenverantwortung des volljährigen Schülers bzw Aufsichtspflicht der
Erziehungsberechtigten, die hier grundsätzlich am Schultor verläuft, nicht verschoben, sondern es werden den betroffenen Schülern
außerhalb des Verantwortungsbereichs der Schule Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen Gestaltung während der Pausen eingeräumt.
Die Gestattung zum Verlassen des Schulgeländes erfolgt deshalb ihrer Zielsetzung nach nicht wegen Umständen, die durch den
Unterricht oder sonstige schulische Veranstaltungen bedingt sind. Im Gegenteil soll sie die unterrichtsbezogenen bzw durch
den Schulbesuch bedingten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Schülern gerade auf das erforderliche Maß begrenzen. Mit
ihr wird den Schülern die Möglichkeit eingeräumt, eigenwirtschaftliche, nicht mit dem Schulbesuch in einem sachlichen Zusammenhang
stehende Tätigkeiten zu verfolgen, ohne dass die Schule auf Inhalt und Ausgestaltung Einfluss nimmt. Die der Schulleitung
bekannte Übung der Schüler, die Unterrichtspausen erlaubt außerhalb des Schulgeländes und auch in dem Park zu verbringen,
ändert hieran nichts. Denn Häufigkeit und Regelmäßigkeit eines Schülerverhaltens, das nicht im sachlichen Zusammenhang mit
der versicherten Tätigkeit ausgeübt wird, kann den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule nicht erweitern.
Auch die allgemeine Mahnung der Schulleitung, sich außerhalb des Schulgeländes ordnungsgemäß zu verhalten, ist nicht auf eine
Ausdehnung des organisatorischen Verantwortungsbereichs gerichtet, sondern trägt allein dem Bildungs- und Erziehungsauftrag
der Schule Rechnung. Sie bezieht sich neben schulischen Veranstaltungen auch auf private, außerhalb des Schulunterrichts erfolgende
Tätigkeiten und auf ein sonstiges Verhalten der Schüler und trägt dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule Rechnung.
Sie kann berücksichtigen, dass Schüler auch außerhalb schulischer Veranstaltungen in der Öffentlichkeit ihre Schule in einem
gewissen Umfang repräsentieren und ihr Verhalten auch bei Ausübung privater Angelegenheiten der Schule zugerechnet wird. Durch
eine solche allgemeine Mahnung, die alle möglichen sonstigen privaten und eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeiten
der Schüler betrifft, übernimmt die Schule indes keine Verantwortung für solche Tätigkeiten.
ee) Ob Sinn und Zweck der Schülerunfallversicherung Versicherungsschutz erfordern könnten, wenn ein Parkaufenthalt während
der Schulpausen die alleinige Möglichkeit zur Erholung bietet, um dem weiteren Unterricht folgen zu können, bedarf keiner
Entscheidung des Senats. Es ist weder festgestellt (§
163 SGG) noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass konkret am Tag des Unfalls eine erforderliche Erholung des Klägers nicht
innerhalb des Schulgebäudes möglich gewesen wäre. Soweit er darauf angewiesen war, den Park aufzusuchen, um zu rauchen, weil
auf dem Schulgelände ein Rauchverbot galt, kann dies ebenfalls keinen Versicherungsschutz begründen. Zwar ist das Verlassen
der Schule zum Zwecke der Beschaffung von erforderlichen Nahrungsmitteln als versichert angesehen worden (vgl BSG Urteil vom 19.5.1983 - 2 RU 44/82 - BSGE 55, 139 = SozR 2200 § 550 Nr 54), die Einnahme von Genussmitteln wie das Rauchen steht jedoch mit dem Schulbesuch in keinem Versicherungsschutz
begründenden sachlichen Zusammenhang, sondern ist eine rein privatwirtschaftliche Tätigkeit (vgl ua Schlaeger in Schlaeger/Linder/Bruno,
Unfallversicherung für Kinder in der Tagesbetreuung, Schüler und Studierende, 2. Aufl 2020, S 147 § 5 RdNr 112 mwN). Der Zweck
der Schülerunfallversicherung, Schüler während des als erforderlich angesehenen und erwünschten Schulbesuches vor daraus resultierenden
Gefahren zu schützen, erfordert keinen Versicherungsschutz während eines rein eigenwirtschaftlichen Verhaltens, welches -
wie hier das Rauchen - mit dem Schulbesuch lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang steht.
d) Der Parkaufenthalt des Klägers stand schließlich auch dann nicht unter Versicherungsschutz, falls die Schule auf einen
fehlenden Unfallversicherungsschutz nicht hingewiesen haben sollte. Versicherungsschutz kann bestehen, wenn Schüler aufgrund
der vorliegenden Umstände davon ausgehen können, dass eine organisatorisch von der Schule getragene Veranstaltung vorliegt
(vgl zB BSG Urteil vom 23.6.1977 - 2 RU 25/77 - BSGE 44, 94 = SozR 2200 § 539 Nr 37, juris RdNr 19). In seinem Urteil vom 23.1.2018 (B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 21) hat der Senat ausgeführt, dass durch unklares oder missverständliches Verhalten von Schule
und Lehrkräften keine vermeidbaren Schutzlücken zulasten der Schüler entstehen dürften; beständen Unklarheiten aufgrund zu
offener schulischer Vorgaben, so könne im Zweifel der schulische Verantwortungsbereich eröffnet und damit Versicherungsschutz
in der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben sein. Unklarheiten oder missverständliches Verhalten der genannten Art sind
hier bereits durch die räumliche Abgrenzung des Schulgeländes zu dem Park, die Ausgangskontrollen und die fehlenden, den Parkaufenthalt
betreffenden Regelungen der Schulleitung ausgeräumt. Für die Schüler und damit auch den Kläger musste erkennbar sein, dass
in dem Park keine Aufsichtsmaßnahmen erfolgen konnten und gerade deshalb das Parkgelände auch die Möglichkeit bot, von der
Schule nicht überwachten, nicht mit dem Schulbesuch im Zusammenhang stehenden privaten und nicht versicherten Tätigkeiten
nachzugehen. Dementsprechend ist weder geltend gemacht noch sonst erkennbar, dass Umstände vorlagen, die für den Kläger den
Eindruck erwecken konnten, sein Aufenthalt im Park stünde unter Versicherungsschutz.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183,
193 SGG.