Wie-Beschäftigte in der gesetzlichen Unfallversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darum, ob der Unfall des Klägers am 5. Mai 2001 ein Arbeitsunfall ist.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist Eigentümer des Reihenhauses E. , M. 14d. Dieses Haus steht
in einer Reihe von fünf Häusern (M. 14 bis 14d), die auf der Vorder- und Rückseite mit einer durchgehenden Regenrinne
verbunden sind. In jedem Frühjahr und Herbst reinigen die fünf Nachbarn die gemeinsame Auffahrt, den Spielplatz, Hecken und
Gullys und auch die Regenrinne. Bei diesen Arbeiten helfen die Ehefrauen bzw Familienangehörigen mit. Nach jedem Arbeitstag
findet ein gemeinsames Grillen statt. Abwechselnd ist einer der Eigentümer für die Terminplanung und für die Strauchgut- und
Müllentsorgung verantwortlich. Das benötigte Handwerkszeug bringt jeder selbst mit. Jeder Nachbar arbeitet dort, wo Arbeiten
anfallen. Am Vormittag des 5. Mai 2001, einem Samstag, schnitt der Kläger die Hecke. Die Eigentümer B. -- (B) und N.
(N) reinigten die Dachrinne vorne und hinten. Nach einer gemeinsamen Pause am Vormittag waren die Arbeiten kurz vor
Mittag im Wesentlichen beendet. Es sollten nur noch die Gitter der Regenrinne aufgesetzt werden. Zudem waren noch nicht alle
Werkzeuge und Geräte weggeräumt. Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich der Eigentümer N zu dem Versuch, das Moos von seinem
Dach zu entfernen. Einen Beschluss darüber hatten die Nachbarn nicht gefasst, jedoch hätten sie das Moos von allen Dächern
entfernt, wenn der Versuch des N erfolgreich gewesen wäre. Nachdem dieser von der Gartenterrasse aus auf sein Dach gestiegen
war, kam ihm der Kläger auf der Leiter nach, um ihm zwei Drahtbürsten zuzuwerfen. Dabei stürzte der Kläger von der Leiter
auf die mit Steinplatten belegte Terrasse und erlitt schwere Kopfverletzungen. Er ist seitdem nicht mehr ansprechbar.
Die beklagte Unfallkasse lehnte mit Bescheid vom 24. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November
2001 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass dieses Unfalles ab, weil
der Kläger im Unfallzeitpunkt weder einer abhängigen Beschäftigung iS des §
2 Abs
1 Nr
1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) noch einer beschäftigtenähnlichen Tätigkeit iS des §
2 Abs
2 iVm §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII nachgegangen sei. Letzteres scheitere insbesondere daran, dass der Kläger eine im eigenen Interesse liegende, nicht aber
auf ein fremdes Unternehmen gerichtete Tätigkeit verrichtet habe.
Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - Lübeck vom 26. Juni 2003 sowie des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts - LSG - vom 8. Juli 2004). Zur Begründung
hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des §
2 Abs
2 SGB VII seien auch nach dem Ergebnis des zweitinstanzlichen Verfahrens nach dem Gesamtbild der Tätigkeit nicht erfüllt. Zwar habe
die Aktion vom 5. Mai 2001 wirtschaftlichen Wert für ein unterstütztes Unternehmen gehabt. Indes sei unterstütztes Unternehmen
die Gemeinschaft der Eigentümer der Häuser M. 14 bis 14d gewesen. Diese hätten sich am Unfalltag zu einem gesellschaftsähnlichen
Unternehmen zusammengeschlossen. Sie hätten den gemeinsamen Zweck verfolgt, die Reihenhausanlage zu reinigen, und zwar in
der Form, dass jeder Eigentümer durch eigene Arbeiten seinen Beitrag hierzu leisten sollte. Dieses Unternehmen hätten die
Nachbarn mit ihren Arbeiten unterstützt. Hätten sie nicht selbst Hand angelegt, hätte die Eigentümergemeinschaft die Reinigungsarbeiten
an ein oder sogar mehrere gewerbliche Unternehmen (Gärtnerei, Dachdeckerei, Grundstückspflegedienst) vergeben und die Kosten
hierfür umlegen müssen. Die durchgeführten Arbeiten hätten auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der zusammengeschlossenen
Hauseigentümer entsprochen. Zum Gesamtbild der am 5. Mai 2001 durchgeführten Arbeiten hätte auch der Versuch, das Moos von
den Dächern abzukratzen, gehört. Die Eigentümer der Reihenhäuser hätten sich verabredet, gemeinschaftlich Pflegearbeiten an
ihren Grundstücken und den Gemeinschaftsanlagen durchzuführen. Die Arbeiten seien noch nicht beendet gewesen und es habe das
Prinzip geherrscht, dass jeder Teilnehmer der Aktion dort half, wo Arbeiten zu verrichten waren. Zwar habe sich die Verabredung
ursprünglich nicht darauf erstreckt, auch das Moos von den Dächern zu entfernen. Doch habe der Eigentümer N schon vor der
gemeinsamen Aktion die Nachbarn auf den Moosbewuchs auf allen Dächern aufmerksam gemacht. Wegen der gutnachbarlichen Gemeinschaft
sei N davon ausgegangen, dass man bei einem erfolgreichen Versuch auch die Moosentfernung auf seinem und den anderen Dächern
zu einer Gemeinschaftsarbeit gemacht hätte. Dies habe auch der Eigentümer B als Zeuge für sicher angesehen. Demnach habe die
Probe, ob das Moos entfernbar gewesen sei, zum Gesamtbild der an diesem Tag zu verrichtenden Gemeinschaftsarbeiten gehört
und jedenfalls dem mutmaßlichen Willen der Eigentümergemeinschaft entsprochen. Alle Arbeiten seien nicht unter arbeitnehmerähnlichen
Umständen ausgeführt worden. Das Verhalten der Hauseigentümer, dort zu helfen, wo Arbeit angefallen war, ähnele nicht einer
Arbeitnehmertätigkeit. Alle Teilnehmer hätten nicht fremdnützig wie Arbeitnehmer, sondern vorwiegend eigennützig ähnlich einem
BGB-Gesellschafter gehandelt. Auch die Arbeiten des Klägers seien somit nicht als arbeitnehmerähnlich anzusehen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des §
2 Abs
2 SGB VII. Er sei wie ein nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII Versicherter tätig gewesen. Die Dacharbeiten am Haus des Eigentümers N hätten nur diesem Eigentümer gedient, nicht aber -
wie vom LSG festgestellt - der Hauseigentümergemeinschaft. Den Entschluss zu diesen Arbeiten habe N nach Abschluss der gemeinschaftlich
beschlossenen Arbeiten gefasst. Entgegen der Auffassung des LSG sei nicht die Hauseigentümergemeinschaft Unternehmer der Dacharbeiten
am Haus N gewesen. Diese hätten weder zu den zuvor beschlossenen Arbeiten gehört noch seien sie zuvor jemals Gegenstand der
Gemeinschaftsarbeiten gewesen. Es widerspreche den allgemein anerkannten Denkgesetzen, die Aussagen der Zeugen N und B dahin
zu interpretieren, dass die Dachreinigungsarbeiten zu den Gemeinschaftsarbeiten zählen sollten. Die übrigen Voraussetzungen
des Versicherungsschutzes nach §
2 Abs
2 SGB VII seien unproblematisch erfüllt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 2004 und des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Juni
2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2001
aufzuheben und festzustellen, dass sein Unfall am 5. Mai 2001 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die vorinstanzlichen Entscheidungen sowie der angefochtene Bescheid sind rechtmäßig.
Der Kläger hat am 5. Mai 2001 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dass der Kläger bei den Reinigungsarbeiten an der Reihenhausanlage am Unfalltag
einen Unfall (Sturz von der Leiter) erlitten und sich dabei schwere Verletzungen zugezogen hat, hat das LSG bindend (§
163 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG -) festgestellt. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit, dem Anreichen von zwei Drahtbürsten an den sich auf dem Dach seines
Reihenhauses befindlichen N, stand der Kläger indes nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Versicherung
als Beschäftigter nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII scheidet aus, da ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu anderen Eigentümern der Reihenhausanlage nicht bestanden hat,
was auch die Revision nicht in Zweifel zieht.
Entgegen der Auffassung des Klägers bestand auch kein Versicherungsschutz nach §
2 Abs
2 Satz 1
SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII Versicherte tätig werden. Wie die inhaltlich übereinstimmende Vorgängerbestimmung des § 539 Abs 2 der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) will §
2 Abs
2 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht
sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen
Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des
Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet
werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung, vgl zuletzt mwN: Senatsurteil
vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; ferner Wiester, in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung,
Stand: 2005, §
2 SGB VII RdNr 804, 818 ff mwN).
Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach
sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG kommt nämlich der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz,
die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses
ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung
und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und
steht daher auch nicht nach §
2 Abs
2 SGB VII wie ein nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (vgl zu § 539 Abs 2
RVO: BSG Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 48/91 - USK 92181 sowie zu §
2 Abs
2 SGB VII: BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 8/01 R - HVBG-Info 2002, 1175; Wiester, aaO, § 2 RdNr 832).
Eine solche eigenen Zwecken dienende und damit unternehmerähnliche Tätigkeit hat der Kläger im Unfallzeitpunkt ausgeübt. Das
LSG hat dies rechtlich zutreffend daraus gefolgert, dass sich die Eigentümer der Reihenhausanlage zur gemeinsamen Reinigung
und Pflege der Anlage verabredet hatten und insofern alle gemeinsam aber auch jeder für sich einer eigennützigen Tätigkeit
nachgingen. Die Beteiligung an der Aktion und die Arbeitsbeiträge jedes Einzelnen dienten letztlich nicht den Interessen anderer
Eigentümer, sondern allein dem eigenen Interesse an der Erhaltung und Pflege des Eigentums an den Reihenhäusern. Bei dieser
Ausgangslage ist es unschädlich, dass die durchzuführenden Arbeiten nicht in allen Einzelheiten vorher festgelegt waren und
dass der Kläger bei einer Tätigkeit verunglückt ist, die vor Beginn der Pflegeaktion nicht gemeinschaftlich beschlossen war.
Wie das LSG bindend festgestellt hat, verrichtete jeder Eigentümer jede Arbeit so wie sie gerade anfiel. Es half also jeder
dort, wo gerade Hilfe gebraucht wurde. In einer solchen Situation ist es geradezu typisch, dass auch Tätigkeiten spontan angegangen
werden, an die im Voraus noch niemand gedacht hatte. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Notwendigkeit dieser besonderen Tätigkeit
noch nicht erkannt war oder ob sie zwar bekannt, aber ihre Verrichtung aus anderen Gründen, wie zB Zeitmangel, konkret nicht
geplant war. Für die Qualifizierung der unfallbringenden Tätigkeit des Klägers als der Eigentümergemeinschaft dienlich und
daher für ihn eigennützig kommt hinzu, dass, wenn sich das Moos vom Dach des Hauses N mit den zur Verfügung stehenden Mitteln
hätte entfernen lassen, die Hauseigentümer es auch von allen anderen Dächern entfernt hätten. Letztlich ist dieser Aspekt
aber nicht entscheidend. Da die Reinigung und Pflege der gesamten Reihenhausanlage beschlossen war, wäre die unfallbringende
Tätigkeit für den Kläger sogar dann als eigennützig anzusehen, wenn sich allein auf dem Dach des Hauses N Moos befunden hätte.
Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Arbeiten am Dach des Hauses N nicht während der gemeinsamen Säuberungsaktion,
sondern erst nach deren Beendigung und sogar an einem anderen Tag stattgefunden hätten, muss hier nicht erörtert werden. Schließlich
spricht entgegen der - bisher tatsächlich nicht festgestellten - Behauptung der Revision gegen die vom LSG vorgenommene rechtliche
Bewertung auch nicht der Umstand, dass die Entfernung von Moos von den Dächern zuvor noch niemals Gegenstand der gemeinsamen
Reinigungsarbeiten gewesen sein mag. Auch die Entfernung von erstmals aufgetretenem Moos ist begrifflich eine Reinigungsarbeit,
die von den Eigentümern selbst durchgeführt werden konnte, so dass sie sich bei natürlicher Betrachtung im Rahmen der beschlossenen
gemeinsamen Reinigungs- und Pflegeaktion an der Reihenhausanlage hielt.
Die beabsichtigte Dachreinigung am Haus N diente nach alledem nicht allein dessen Eigentümer, sondern der Gemeinschaft aller
Eigentümer und damit auch dem Kläger selbst. Soweit die Revision beanstandet, es widerspreche Denkgesetzen, die Aussagen der
Zeugen dahin zu interpretieren, dass die Dachreinigungsarbeiten am Haus N zu den Gemeinschaftsarbeiten zählten, geht dieser
Angriff fehl. Die Behauptung, das Tatsachengericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, zielt auf die richterliche Beweiswürdigung
und damit auf die Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteils. Die vom LSG aus der Art der Gemeinschaftsarbeiten und insbesondere
aus den Zeugenaussagen, bei Erfolg der Dachreinigung am Haus N wären die gleichen Arbeiten an allen anderen Häusern ausgeführt
worden, gezogene Folgerung, Unternehmer der Dachreinigung am Haus N sei die Eigentümergemeinschaft gewesen, beinhaltet indes
keine tatsächliche Feststellung, sondern eine rechtliche Würdigung. Sie vollzieht die Einordnung des zuvor festgestellten
Sachverhalts (bei Erfolg Reinigung auch aller anderen Dächer) unter den unbestimmten Rechtsbegriff des Unternehmers. Diese
rechtliche Subsumtion ist wie dargelegt aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Weitere Vorschriften, nach denen die unfallbringende Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen
könnte, sind nicht ersichtlich. Die Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.