Anspruch auf Krankengeld
Lücke in der ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Streitig ist Krankengeld vom 15.4.2013 bis 14.11.2014, das die Beklagte abgelehnt hatte, weil zwischen dem 2. und 5.11.2012
eine Lücke in der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bestehe. Mit Klageerhebung hat die Klägerin Prozesskostenhilfe
(PKH) beantragt. Das Klageverfahren ist nach einer Betreibensaufforderung seitens der Kammervorsitzenden des SG vom 11.12.2014 am 17.3.2015 ausgetragen worden. Nach Fortsetzung des Verfahrens auf Antrag der Klägerin vom 5.6.2018 hat
das SG für das erstinstanzliche Verfahren PKH bewilligt (Beschluss vom 4.9.2018) und festgestellt, dass das Verfahren durch Klagerücknahmefiktion nach §
102 Abs
2 SGG beendet worden sei (Gerichtsbescheid vom 4.9.2018). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen (Urteil vom 2.6.2021).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
sowie Verfahrensfehler geltend.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist hinsichtlich der geltend
gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht begründet (dazu 2.) und im Übrigen unzulässig (dazu 3. ).
1. Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Rechtsstreit rechtserheblich ist. Es
muss die konkrete Möglichkeit bestehen, dass das Revisionsgericht sie im vorgelegten Rechtsstreit in sachlicher Hinsicht wird
entscheiden können (vgl etwa BSG vom 29.3.2007 - B 9a V 7/06 B - SozR 4-2600 § 118 Nr 3 RdNr 5). Das ist hier nicht der Fall.
Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Klägerin die Frage, ob "im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe,
den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, in zulässiger Weise eine gerichtliche Betreibensaufforderung
nach §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG ergehen" dürfe, "um nachfolgend das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag
zu befinden". Die aufgeworfene Rechtsfrage kann sich jedoch nur stellen, wenn dem SG ein bewilligungsreifer PKH-Antrag vorlag. Ein vollständiger und damit entscheidungsreifer Antrag auf PKH setzt gemäß §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm mit §
117 Abs
1 Satz 2
ZPO die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel voraus. Die den Fachgerichten obliegende Prüfung der
Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung als PKH-Bewilligungsvoraussetzung ist grundsätzlich nur möglich, wenn
- zumindest im Kern und in kurzer Form - deutlich gemacht wird, was Gegenstand der Klage ist und auf welche tatsächlichen
und/oder rechtlichen Gesichtspunkte die Klage gestützt werden soll (vgl BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 362/10 - juris RdNr 15). Dies ist hier nicht geschehen.
Die anwaltlich vertretene Klägerin hat ihre Klage nicht mit einer Begründung oder Formulierung eines Klageantrags verbunden.
Dem Klageschriftsatz vom 4.7.2013 ("wegen Krankengeld") und dem eingereichten Widerspruchsbescheid ließ sich nur entnehmen,
dass Krankengeld im Streit steht. Auch nach Akteneinsicht und Rücksendung des Verwaltungsvorgangs der Beklagten mit Schreiben
vom 7.10.2013 hat der Prozessbevollmächtigte trotz mehrfacher Erinnerung seitens des SG im Jahr 2014 nicht reagiert und zuletzt auch auf die Betreibensaufforderung des SG mit der Bitte um die mit Klageerhebung angekündigte Klagebegründung und Formulierung des Klageantrags nichts vorgetragen.
Die Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung war so weder zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung
noch des Austragens des Klageverfahrens möglich, weshalb dem SG kein bewilligungsreifer PKH-Antrag vorlag.
3. Die weiteren Rügen zu Verfahrensfehlern sind schon deshalb nicht geeignet, die Revisionsinstanz zu eröffnen, weil sie den
formellen Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht werden (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
a) Die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels, auf dem iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann, erfordert zunächst, dass in der Beschwerdebegründung die den Verfahrensmangel
(vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Grundsätzlich ist allein anhand der Beschwerdebegründung
das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensmangels zu prüfen (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 13e, 16, 19; Voelzke in jurisPK-
SGG, §
160a RdNr 136, 139 f, 235, 245, Stand 4.3.2022).
b) Soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler des SG rügt, weil die Klägerin vor dem Erlass des Gerichtsbescheids nicht angehört worden sei und sie dies bereits mit ihrer Berufungsbegründung
geltend gemacht habe, trägt sie nicht in dem erforderlichen Maße dazu vor, warum dies ein der Revision zugänglicher Verfahrensmangel
sein kann. Sie betont allgemein, dass der Verfahrensrüge grundsätzlich nur Verfahrensfehler der Berufungsinstanz und allenfalls
ausnahmsweise fortwirkende Fehler des SG unterliegen (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 16a). Dass und warum vorliegend eine solche Ausnahme eingreifen könnte, ist der Beschwerdebegründung aber nicht hinreichend zu
entnehmen.
Auch mit ihrem weiteren Vortrag, das LSG habe "den Verfahrensfehler des Sozialgerichts dadurch fortgesetzt," dass es das ihm
nach §
159 Abs
1 SGG eingeräumte Entscheidungsermessen verkannt habe, hat sie einen Verfahrensfehler nicht schlüssig bezeichnet. Seit der Änderung
des §
159 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des
SGB IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ist eine Zurückverweisung nach Abs 1 Nr 2 der Norm durch das LSG an das SG nur möglich, wenn aufgrund des erstinstanzlichen Verfahrensmangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig
ist. Dies ist der Fall, wenn sie einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erforderlich macht (vgl BT-Drucks 17/6764 S 27). Hierfür enthält der Vortrag der Klägerin jedoch keine genügenden Anhaltspunkte.
c) Auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LSG hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, weil
das LSG ihr Vorbringen zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG über den PKH-Antrag schon nach ihrem eigenen Vortrag berücksichtigt hat, jedoch zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangt
ist. Dass das LSG nicht den Argumenten der Klägerin gefolgt ist, vermag von vornherein keine Gehörsrüge zu stützen, denn der
Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen
und in Erwägung ziehen, verpflichtet aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl nur BVerfG vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 13 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.