Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht
Gründe
I
Mit vorbezeichnetem Urteil hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung des Klägers betreffend die Ablehnung von Krankengeld
vom 24.6.2019 bis 8.1.2020 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde
zum BSG eingelegt. Das LSG habe verfahrensfehlerhaft entschieden.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den allein
behaupteten Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Wer seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), muss bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG). Eine solche Sachaufklärungsrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres
auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts,
aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen,
(3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung
des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin
bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer
günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl nur BSG vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5 mwN).
Der Kläger rügt, das LSG habe seinem ordnungsgemäß gestellten Antrag auf Einholung eines psychiatrischen und orthopädischen
Sachverständigengutachtens folgen müssen. Es fehlten Ermittlungen dazu, ob bereits während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit
wegen einer Depression die orthopädischen Beschwerden im Bereich der Kniegelenke die Arbeitsunfähigkeit mitbegründet hätten
und eine den weiteren Krankengeldanspruch ausschließende hinzutretende Krankheit vorgelegen habe. Aus dem Vorbringen des Klägers
lässt sich nicht hinreichend entnehmen, dass sich das LSG zu diesen weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Er
trägt selbst vor, das LSG habe Berichte aus der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sowie die Akten des Rentenverfahrens
beigezogen und die Erkenntnisse ausgewertet. Der Senat sei aufgrund dieser Erkenntnisse und weiterer vorliegender medizinischer
Unterlagen davon ausgegangen, dass beim Kläger jedenfalls seit Januar 2018 eine depressive Erkrankung vorgelegen und seine
Arbeitsunfähigkeit bedingt habe und dass hierzu eine Knieerkrankung hinzugetreten sei und zumindest zeitweise Arbeitsunfähigkeit
mitbedingt habe. Dass und warum das LSG ausgehend von dieser Überzeugungsbildung und seiner hierauf gestützten Rechtsauffassung
dennoch sich zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen, lässt die Beschwerdebegründung nicht genügend erkennen.
Soweit der Kläger insoweit auch rügt, das LSG habe die Unterlagen unvollständig bzw unzutreffend gewürdigt, kann eine solche
Rüge nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine Überprüfung der Beweiswürdigung nach §
128 Abs
1 Satz 1
SGG ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG ausdrücklich ausgeschlossen (stRspr; vgl nur BSG vom 1.4.2021 - B 9 V 45/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Die von dem Kläger erhobenen Rügen einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG), des Grundsatzes eines fairen Verfahrens sowie des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung mit der Begründung, das LSG
habe erst in den Entscheidungsgründen angegeben, dass es sich auf die Aussagen der Psychiaterin S stütze, ist unschlüssig.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist anzunehmen, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten
zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen mit einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und
Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können. Dies behauptet der Kläger nicht. Die medizinischen
Unterlagen waren schon nach seinem Beschwerdevortrag bereits in den vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
wie auch in das laufende Verfahren einbezogen. Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht
grundsätzlich nicht, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten
zu erörtern (stRspr; vgl nur BSG vom 21.3.2016 - B 9 SB 81/15 B - juris RdNr 6 mwN). Der Kläger hat nicht dargetan, warum vor diesem Hintergrund eine "Überraschungsentscheidung" vorlag, weil das Urteil auf
einen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gestützt worden ist, mit dem ein sorgfältiger Beteiligter nach dem bisherigen
Verfahrensablauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl nur BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.