Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht
Vorbehaltloses Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
Gründe:
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 6.6.2019 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld (Krg) im
Zeitraum vom 21.8.2010 bis zum 26.10.2010 bestätigt und hat darüber hinaus den Anspruch bis zum 31.1.2011 verneint. Es hat
die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 20.10.2016 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht innerhalb der zeitlichen Grenzen von §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V die für verschiedene Zeitabschnitte ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit (AU) der beklagten Krankenkasse gemeldet habe.
Ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall, demnach die verfristet eingegangene Meldung der AU ausnahmsweise nachgeholt
werden könne, liege nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem og Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt einen wesentlichen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger einen Verfahrensmangel, den gesetzlichen Anforderungen entsprechend,
nicht hinreichend aufgezeigt hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG Beschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diese Anforderungen an die Darlegung des Verfahrensmangels erfüllt der Kläger nicht. Er trägt vor, dass er mit der Berufungsschrift
vom 28.11.2016 Beweise übermittelt habe, die die rechtzeitige Vorlage der AU-Meldung bei der Krankenkasse belegten (Schreiben
an die Beklagte vom 28.10.2010, Telefax-Eingangsbericht der Beklagten vom 28.10.2010, AU-Bescheinigung der Fachärztin für
Psychiatrie H. vom 26.10.2010). Gleichwohl gehe das LSG davon aus, dass die AU-Bescheinigung vom 26.10.2010 vom Kläger nicht
eingereicht worden sei. Der Beweisantrag sei aber aufrechterhalten worden, auch mit dem letzten klägerseitigen Schriftsatz
vom 18.8.2017.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG iVm §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG) nicht hinreichend aufgezeigt. Denn im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kann regelmäßig nicht mit Erfolg gerügt werden,
das Berufungsgericht habe den Beweisantrag ohne hinreichende Begründung übergangen, wenn im Berufungsverfahren ein schriftsätzlicher
Beweisantrag gestellt wurde, anschließend aber vorbehaltlos das Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
durch Urteil (§
124 Abs
2 SGG) erklärt wurde. Der Beteiligte wird dann so behandelt, als hätte sich der Beweisantrag erledigt (vgl stRspr, vgl nur BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 <Leitsatz 1 und 2>). Jedenfalls muss jedem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis
gemäß §
124 Abs
2 SGG erklärt, klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden kann. Eines entsprechenden ausdrücklichen
Hinweises durch das Gericht bedarf es hingegen nicht. Will ein Beteiligter dieses Ergebnis vermeiden, muss er das Einverständnis
verweigern und auf der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme beharren (vgl BSG, aaO, RdNr 5).
Der im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger hat hingegen weder vorgetragen, dass er die von ihm behaupteten Beweisanträge
gleichzeitig mit der Erklärung zum Einverständnis ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, aufrechterhalten habe noch hat
er das Verfahren der Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gerügt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.