Begründung einer Divergenz im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Gründe:
I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte H. J. (J.) wurde im Jahre 2002 wegen eines Plasmozytoms (multiples Knochenmark-Myelom)
in einem Krankenhaus der Klägerin behandelt. Ausgehend von der Fallpauschale 11.03 stellte die Klägerin der Beklagten hierfür
einen Betrag von 89.854,48 EUR in Rechnung, den diese zunächst auch bezahlte. Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung (MDK) teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Falle des Versicherten J. sei eine intensivierte
Chemotherapie durchgeführt worden und keine Myeloablation (Zerstörung des Knochenmarks) mit anschließender autologer Stammzellentransplantation;
Letzteres gehöre jedoch zwingend zur Definition der Fallpauschale 11.03, weshalb nur tagesgleiche Pflegesätze hätten abgerechnet
werden dürfen. Insgesamt habe sie 86.136,58 EUR zu viel gezahlt. Diesen Betrag verrechnete die Beklagte mit anderen Forderungen
der Klägerin. Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts [SG] vom 2. November 2004
und des Landessozialgerichts [LSG] vom 20. Oktober 2005). Beide Gerichte haben ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte die
Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch in geltend gemachter Höhe erklärt. Bei autologen Blutstammzell- und Knochenmarkstransplantationen
werde zwischen einer myeloablativen Vorbehandlung und einer nicht-myeloablativen Hochdosistherapie unterschieden. Diese Differenzierung
beruhe auf ökonomischen Erwägungen, da der Kostenaufwand der Kliniken in der Regel von der Anzahl schwerer Nebenwirkungen
und diese wiederum von der Dosis der jeweiligen Vorbehandlung abhängig seien. Im Falle des Versicherten J. sei eine zu geringe
Dosis des Chemotherapeutikums "Melphalan" verabreicht worden, sodass nicht von einer myeloablativen Therapie gesprochen werden
könne. Der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie eine Abweichung des LSG von der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) - Divergenz - sowie das Vorliegen eines Verfahrensmangels rügt.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§
160 Abs
2 und
160a Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 2 iVm §
169 SGG).
1. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
oder des Bundesverfassungsgerichts (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ist nicht formgerecht dargelegt worden. Dazu hätte dargetan werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung
von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewendet hat, und dass
die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu wäre es notwendig gewesen, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG bzw eines der anderen
genannten Gerichte aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet
oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz
aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im
Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Diesen
Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin führt zwar ein Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001 - B 3 KR 1/01 R - (SozR 3-5565 § 14 Nr 2) an und arbeitet als tragenden Rechtssatz heraus, dass "eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige
Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck nur erfüllen kann, wenn sie allgemein streng nach
ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie
Abwägungen belässt". Diesem Rechtssatz stellt sie jedoch keinen tragenden - abweichenden - Rechtssatz des LSG gegenüber. Sie
trägt vielmehr vor, das LSG habe den vorgenannten Rechtssatz des BSG fehlerhaft angewandt, indem es unzulässigerweise von
einem Grenzwert von 140 mg/qm Melphalan ausgegangen sei, sich auf Erkenntnisse einer britischen Arbeitsgruppe gestützt und
sich vom Wortlaut der Fallpauschalendefinition gelöst habe. Damit wird jedoch keine zulässige Divergenzrüge erhoben, sondern
nur eine Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG im vorliegenden Einzelfall behauptet. In der Urteilsbegründung hat das LSG
entsprechend §
153 Abs
2 SGG ausdrücklich auf die Urteilsgründe des SG Bezug genommen, welches das oa BSG-Urteil zustimmend zum Ausgangspunkt seiner Entscheidungsfindung gemacht und die Bedeutung
einer strengen Wortlautauslegung nochmals betont hatte (SG-Urteil, Umdruck S 7 ff). Deshalb hätte in der Beschwerdebegründung besonderer Anlass bestanden zu verdeutlichen, aus welchen
Umständen zu entnehmen sein soll, dass die Vorinstanzen nicht bloß eine Wortauslegung von "myeloablative Therapie" vorgenommen,
sondern trotz gegenteiliger Verlautbarung einen diesem BSG-Urteil widersprechenden Rechtssatz aufgestellt haben.
2. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensmangel in zulässiger Weise gerügt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann (§§
160 Abs
2 Nr
3,
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Sie hat zwar dargelegt, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise beantragt zu haben, ein Sachverständigengutachten
zu der Frage einzuholen, ob eine myeloablative Therapie durchgeführt worden ist. Es fehlt jedoch an hinreichenden Ausführungen
dazu, dass das LSG diesem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 und 49 und
§ 160a Nr 34). Dabei ist zunächst von der sachlich-rechtlichen Beurteilung des LSG auszugehen und diese zu Grunde zu legen
(vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX. Kap RdNr 213 mwN). Das LSG ist im Anschluss
an die Entscheidung des SG und den erstinstanzlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine myeloablative Therapie nach der Entstehungsgeschichte
der Fallpauschale 11.03 nur dann vorliegt, wenn anschließend zwingend eine Stammzellentransplantation erforderlich ist. Das
sei hier nicht der Fall gewesen, weil die Dosis verringert gewesen und die Stammzellentherapie nur vorsichtshalber durchgeführt
worden sei. Ausgehend hiervon hätte es der Klägerin oblegen darzutun, dass auch unter Berücksichtigung dieses Rechtsstandpunkts
eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Sinne eines Sachverständigengutachtens geboten gewesen wäre. Dies ist nicht geschehen.
Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe sich nicht dem Gutachter Dr. H. anschließen dürfen, weil dieser das Gutachten nur gegenüber
der Beklagten abgegeben habe und als Kritiker der Hochdosistherapie und der Stammzellentransplantation bekannt sei, und hätte
deshalb ein gerichtliches Gutachten einholen müssen, fehlen substantiierte Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der
beantragten Beweiserhebung. Die Beschwerde hätte darlegen müssen, inwiefern ein Sachverständigengutachten die auf die Entstehungsgeschichte
gestützte Auslegung der Fallpauschale 11.03 durch die Vorinstanzen hätte erschüttern können und auf Grund welcher Umstände
der Sachverständige in der Lage gewesen wäre, die auf die Dosierungshinweise des Arzneimittelherstellers gestützte Überzeugung,
die verabreichte Dosis habe zur sicheren myeloablativen Wirkung nicht ausgereicht, zu widerlegen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a SGG iVm §§
161 Abs
1,
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts und seiner Höhe beruht auf §§ 63 Abs 2, 47, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.