Anspruch auf Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 29.10.2019 den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld (Krg) im
Zeitraum vom 8.2.2015 bis 30.4.2015 verneint: Der Krg-Anspruch scheitere daran, dass die Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht lückenlos
- über den 7.2.2015 hinaus - bescheinigt worden sei. Für einen lückenlosen Nachweis ihrer AU könne sich die Klägerin auch
nicht auf die Rechtsprechung des BSG berufen (BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), da kein dort genannter Ausnahmefall vorliege. Die Klägerin habe nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr Zumutbare getan,
um ihren Krg-Anspruch zu wahren. Sie habe ihren Hausarzt Dr. S. nach der von ihm am 29.1.2015 bis 7.2.2015 attestierten AU
nicht bis zum 7.2.2015, sondern verspätet - erst am 9.2.2015 - wieder aufgesucht. Der Facharzt Dr. G habe am 6.2.2015 keine
AU-Bescheinigung ausgestellt, weil diese bereits vom Hausarzt ausgestellt worden sei und die Klägerin ihn nicht um eine weitere
Bescheinigung gebeten habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen,
weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt ist (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht klärungsbedürftig und -fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand
des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen,
dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfrage:
"Kann ein Versicherter ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen, wenn ein Vertragsarzt dem Versicherten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
in einem verschlossenen, frankierten und mit der Weisung der Abgabe zur Post versehenen Umschlag übergibt, ohne dass der Versicherte
- unter Wahrung des Briefgeheimnisses vom Inhalt des Umschlags bzw der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Kenntnis erlangen
kann." (1.)
Sie hält für bedeutsam Folgendes:
"Soweit das Landessozialgericht in den Entscheidungsgründen ausführt, dass zur vorgenannten - vom erkennenden Senat - ausdrücklich
offen gelassenen Rechtsfrage keine Vergleichbarkeit vorläge, da der Klägerin die Unterlagen von ihrem Vertragsarzt ausgehändigt
worden seien, verkennt das Landessozialgericht, dass die Klägerin den verschlossenen und an die Beklagte adressierten Umschlag
nur unter Verletzung des Briefgeheimnisses hätte öffnen können. Dies kann jedoch nicht Ausfluss der Obliegenheitspflichten
der Klägerin darstellen." (2.)
Dazu trägt sie vor, dass hier ein vom Senat noch nicht entschiedener aber vergleichbarer Fall vorliege, nämlich wie wenn die
AU-Bescheinigung dem Versicherten gar nicht ausgehändigt worden sei. Ihr sei die AU-Bescheinigung in einem verschlossenen
Umschlag überreicht worden. Sie habe das Ende ihrer AU nicht gekannt, ohne den an die Beklagte adressierten Umschlag unter
Verletzung des Briefgeheimnisses öffnen zu müssen.
Darüber hinaus führt sie aus:
"Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 25/17 R - angedeutet hat, wurde ausdrücklich offen gelassen, wie ein Fall zu behandeln ist, indem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
dem Versicherten nicht ausgehändigt und in der Praxis des Vertragsarztes verbleibt. Es handelt sich demnach um eine neue klärungsbedürftige
und klärungsbedürftige Rechtsfrage." (3.)
Diese Ausführungen genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung einer klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen
Rechtsfrage zur Auslegung revisiblen Bundesrechts (§
162 SGG). Es fehlt jedenfalls an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Fragestellungen. Denn nach eigenem Vortrag der Klägerin
ist ihr die AU-Bescheinigung in der Arztpraxis zur Weiterleitung an die Beklagte tatsächlich ausgehändigt worden, sodass die
Fragestellung zu 3. im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich sein kann.
Auf den in den Fragestellungen zu 1. und 2. vorgetragenen Umstand, dass der von Dr. S am 29.1.2015 überreichte Umschlag nur
unter Verletzung des Briefgeheimnisses hätte geöffnet werden können, kommt es ebenso wenig entscheidungserheblich an. Denn
ausweislich des angefochtenen Berufungsurteils hat das LSG schon nicht festgestellt, dass der Umschlag an die Beklagte adressiert
und bereits frankiert war. Verfahrensrügen hat die Klägerin nicht erhoben. Im Übrigen gilt aber, dass eine Rechtsfrage bereits
dann nicht mehr klärungsbedürftig ist, wenn das BSG die Rechtsfrage zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber sich aus den bereits ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen
ausreichende Anhaltspunkte für deren Beantwortung ergeben (vgl zum Ganzen Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap RdNr 63 ff, 65 f mwN
für die Rechtsprechung des BSG). Davon ist bei dem vom LSG zugrunde gelegten Senatsurteil vom 11.5.2017 (aaO) auszugehen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.