Anspruch auf Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG hat - wie zuvor das SG - den von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab dem 7.6.2018 abgelehnt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Diesen hier allein geltend gemachten Zulassungsgrund
hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen
zu können (Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 284). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit
in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der
aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung,
Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich
erscheint (vgl Krasney/Udsching/Groth/Meßling, aaO, IX. Kap, RdNr 286 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich ist.
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht genügend gerecht. Die Klägerin macht geltend, nach zuletzt
bis zum 6.6.2018 bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sei es zum erforderlichen rechtzeitigen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt
mit Feststellung von weiterer Arbeitsunfähigkeit erst am 11.6.2018 gekommen, weil sie wegen ihrer erheblichen psychischen
Erkrankung in Form von Depression, Agoraphobie, sozialer Phobie und einem Nervenzusammenbruch vom 7.6.2018 bis 10.6.2018 nicht
in der Lage gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen. In diesem Zusammenhang erachtet sie als grundsätzlich klärungsbedürftig die
Frage: "Muss in Fällen, der vom Bundessozialgericht entwickelten Fallgruppe der wegen Handlungsund Geschäftsunfähigkeit von
Versicherten nicht rechtzeitig erfolgten AU-Bescheinigung, eine Handlungs- und Geschäftsunfähigkeit des Versicherten im rechtlichen
Sinne vorliegen?". Zu dieser Frage habe die Rechtsprechung bisher keine einheitlichen Kriterien entwickelt. So gehe das SG
Aachen davon aus, dass sich eine Handlungsunfähigkeit nicht am Begriff der Handlungsunfähigkeit im rechtlichen Sinne zu orientieren
habe und zB bei schweren Depressionen eine Situation eintreten könne, dass "sich der Versicherte vorübergehend in einem Zustand
befindet, der ihn gewissermaßen körperlich handlungsunfähig macht (vgl. SG Aachen, Urteil vom 14. März 2017 - S 13 KR 312/16 -, Rn. 25, juris)". Dagegen lege das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 9.12.2021 zugrunde, dass eine (vorübergehende)
Handlungsunfähigkeit erst angenommen werden könne, wenn diese mit der Geschäftsunfähigkeit iS des §
104 Nr 2
BGB vergleichbar sei. Denn dem Versicherten dürfe ein Handeln im Rechtssinne in dem Zeitraum der rückwirkend festzustellenden
Arbeitsunfähigkeit nicht möglich sein.
Aus diesem Vortrag ergibt sich, dass letztlich schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage formuliert ist, weil vom Revisionsgericht
nicht überprüfbare tatrichterliche Würdigungen in die Fragestellung eingeflossen sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 7 mwN). Entsprechend hat das LSG nach dem Vortrag der Klägerin eine Handlungsunfähigkeit unter Berücksichtigung eines Attests des
behandelnden Arztes verneint. Auch zur Klärungsbedürftigkeit wird nicht in dem erforderlichen Maße vorgetragen. So hat das
BSG in weiteren, von der Klägerin nicht berücksichtigten Entscheidungen (vgl nur BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 37/06 R - SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 17; BSG vom 5.5.2009 - B 1 KR 20/08 R - SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 21; BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 22) die bereits zuvor formulierten rechtlichen Maßstäbe zur Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit aufgegriffen, ohne dabei die
Formulierung "im rechtlichen Sinne" zu verwenden. Welcher weiteren abstrakten Maßstäbe es hierzu bedarf, macht die Beschwerdebegründung
nicht deutlich.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.