Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen von Krankenhäusern in der vertragsärztlichen Versorgung
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der Vergütung für im Krankenhaus erbrachte ambulante Notfallbehandlungen.
Die Klägerin ist Trägerin des im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gelegenen und zur Versorgung von
Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Kreiskrankenhauses G.. Die Beklagte vergütete die dort im Quartal
I/2000 bei gesetzlich Krankenversicherten sowie bei Berechtigten der freien Heilfürsorge vorgenommenen ambulanten Notfallbehandlungen
in Höhe von 90 % der Punktwerte des nicht durch Honorartöpfe korrigierten sog "roten Bereichs" (dh mit Punktwerten in Höhe
von 6,1502 Pf [Primärkassen], 6,6505 Pf [Ersatzkassen] und 6,37 Pf [Sonstige Kostenträger]). Den Widerspruch der Klägerin,
die eine Honorierung mit einem Punktwert von 8,1 Pf forderte (dh 90 % des festen Punktwerts von 9 Pf, welcher in dem ab 1999
geltenden Honorarverteilungsmaßstab [HVM] der Beklagten für Behandlungen im organisierten Notfalldienst vorgesehen war), wies
die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2002).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Bezugnahme auf die wörtlich wiedergegebenen
Gründe aus dem Urteil des 10. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 2005 (L 10 KA 11/04 - s hierzu das am heutigen Tage entschiedene Revisionsverfahren B 6 KA 31/05 R) im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an einer Rechtsgrundlage für eine höhere Vergütung der in Krankenhäusern erbrachten
ambulanten Notfallbehandlungen. Die Vorschrift in § 3 Abs 2 Satz 2 des Krankenhausvertrags enthalte bezüglich der Vergütungshöhe
für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus eine dynamische Verweisung auf die für niedergelassene Vertragsärzte geltenden
Vergütungssätze. Diese würden ihrerseits durch den jeweils maßgeblichen HVM definiert. Für die Zeit ab 1. Januar 1999 sei
eine Anpassung des Krankenhausvertrags im Sinne einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Vergütungsregelung für Leistungen
des organisierten Notdienstes gemäß § 6 Abs 3 Buchst i HVM (fester Punktwert von 9 Pf) unterblieben. Einer unmittelbaren Anwendung
jener Regelung stehe entgegen, dass nur niedergelassene und in Praxen angestellte Ärzte nach Maßgabe der Gemeinsamen Notfalldienstordnung
der Ärztekammer Nordrhein und der Beklagten (NFDO) zur Teilnahme am organisierten Notfalldienst verpflichtet seien. Die Honorierung
der Leistungen im organisierten Notdienst mit einem Punktwert von 9 Pf bedeute eine Besserstellung dieses Leistungsbereichs,
nicht aber eine Vergütungsminderung für die von Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen. Im Übrigen sei eine
geringere Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen in Krankenhäusern gegenüber den im organisierten Notdienst erbrachten
Leistungen dadurch gerechtfertigt, dass die Krankenhäuser im Gegensatz zu den zum Notfalldienst verpflichteten Ärzten nicht
an der Kostentragung für Organisation und Durchführung des organisierten Notfalldienstes beteiligt seien und auch nicht zu
Verwaltungskostenbeiträgen herangezogen werden könnten. Die Teilnahme am organisierten Notfalldienst sei mit zusätzlichem
Organisationsaufwand und mit weiteren Kosten - zB für Personal außerhalb der üblichen Arbeitszeiten - verbunden. Demgegenüber
sei der ärztliche Bereitschaftsdienst im Krankenhaus auf eine Versorgung rund um die Uhr ausgerichtet. Die für Leistungen
im organisierten Notdienst vorgesehene Vergütung fördere die Teilnahme niedergelassener Ärzte am organisierten Notfalldienst
und damit die vorrangige Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten durch niedergelassene Vertragsärzte. Diesen Ausführungen
des 10. Senats sei nichts hinzuzufügen (Urteil vom 5. April 2006 - in juris dokumentiert).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision zunächst, das Berufungsgericht habe allgemeine Maßstäbe zur Methodik der Auslegung missachtet.
Die Verweisung in § 3 Abs 2 Satz 2 Krankenhausvertrag auf die für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze
könne sich nur auf die Vergütung für Leistungen im organisierten Notfalldienst beziehen; die vom LSG hierfür verlangte ausdrückliche
Bezugnahme des Krankenhausvertrags auf § 6 Abs 3 Buchst i HVM idF von 1999 widerspreche dem Wesen einer dynamischen Verweisung
und sei deshalb willkürlich. Die Beklagte habe mit der Einführung jener Vergütungsregelung einen Anknüpfungspunkt geschaffen,
der einen Rückgriff auf den ungestützten Punktwert im roten Bereich nicht mehr erforderlich mache. Außerdem sei die vom LSG
vorgenommene Auslegung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art
12 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 Grundgesetz [GG]) sowie mit §
115 Abs 2 Nr
5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) nicht vereinbar. Die vom Krankenhaus erbrachten ambulanten Notfallleistungen und solche im Rahmen des organisierten Notfalldienstes
seien im Hinblick auf die Sicherstellungsfunktion für den Bedarf in den sprechstundenfreien Zeiten vergleichbar. Zudem brächten
sie in gleicher Weise - anders als Notfallbehandlungen eines Vertragsarztes außerhalb des organisierten Notdienstes - einen
erhöhten Kostenaufwand mit sich. Sachliche Gründe für eine privilegierte Honorierung nur der im organisierten Notfalldienst
erbrachten Leistungen seien nicht ersichtlich. Der vom LSG hervorgehobene Zweck, Anreize zur Teilnahme niedergelassener Ärzte
am organisierten Notfalldienst zu schaffen, sei unter Berücksichtigung der den Vertragsärzten gesetzlich auferlegten Verpflichtung
nicht zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung geeignet. Darüber hinaus rügt die Klägerin einen Verstoß des Berufungsgerichts
gegen die Vorschriften in §§
62,
103 und
128 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Das LSG habe ihren ausführlichen Vortrag zum Umfang ihrer Mehrbelastungen infolge der ambulanten Notfallbehandlungen nicht
zur Kenntnis genommen und sich stattdessen infolge der weitgehenden Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe im Parallelverfahren
L 10 KA 11/04 mit dem Vorbringen der dortigen Klägerin zu dieser Frage auseinandergesetzt. Dies verletze ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör und auf umfassende Beweiswürdigung.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2006 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember
2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Mai 2002 zu verurteilen, für die von dem Kreiskrankenhaus G im Quartal I/2000 erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen
weitere 28.938,73 EUR zu vergüten,
hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2006 aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG in jeder Hinsicht für zutreffend.
II. Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Regelung im HVM der Beklagten, für die Honorierung der im Krankenhaus
durchgeführten ambulanten Notfallbehandlungen einen geringeren Punktwert zugrunde zu legen als für entsprechende Behandlungen
im organisierten Notfalldienst, ist - abgesehen vom 10%igen Abschlag - mit Art
3 Abs
1 GG nicht vereinbar. Da mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den HVM in Übereinstimmung mit dem Gleichbehandlungsgebot
auszugestalten, kann die Beklagte nur zu erneuter Bescheidung des geltend gemachten Anspruchs auf höheres Honorar verpflichtet
werden, während die weitergehende Revision der Klägerin zurückzuweisen ist.
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf (höhere) Vergütung der in ihrem Krankenhaus durchgeführten ambulanten Notfallbehandlungen
ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nicht §
120 Abs
1 Satz 1
SGB V, sondern vielmehr die Regelung in §
3 Abs
2 Satz 2 des auf der Grundlage von §
115 Abs
1 SGB V für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen am 10. Mai 1994 abgeschlossenen dreiseitigen Krankenhausvertrages (eingehend
BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4; s auch BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 12 S 54 sowie BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 6). Nach dieser
Vorschrift des Krankenhausvertrages, der gemäß §
115 Abs
2 Satz 2
SGB V auch für das zugelassene Krankenhaus der Klägerin unmittelbar verbindlich ist, sind bei der Honorierung der im Krankenhaus
erbrachten Notfallleistungen von der zuständigen KÄV 90 % "der für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze"
zugrunde zu legen. Hinsichtlich der Notfallleistungen bei Personen, die aufgrund dienstrechtlicher Vorschriften freie Heilfürsorge
beanspruchen können, ist ergänzend §
75 Abs
3 Satz 2
SGB V zu beachten, wonach insoweit die für Ersatzkassen maßgebliche Vergütung anzuwenden ist.
Das Berufungsgericht hat die gemäß §
162 SGG nicht revisible landesrechtliche Bestimmung in §
3 Abs
2 Satz 2 Krankenhausvertrag (vgl BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 5) in dem Sinne ausgelegt, dass sie keine abschließende Bemessung
der Vergütungshöhe für im Krankenhaus erbrachte Notfallbehandlungen vornehme. Vielmehr enthalte diese Vorschrift eine dynamische
Verweisung auf die für niedergelassene Vertragsärzte geltenden Vergütungssätze, die wiederum durch den jeweiligen HVM definiert
würden. Es müsse deshalb in einem ersten Schritt zunächst die Vergütungshöhe nach Maßgabe des HVM bestimmt werden, welche
sodann im zweiten Schritt um einen Abschlag von 10 % zu vermindern sei. Nach dieser vom LSG vorgenommenen Auslegung beschränkt
sich der genuine Regelungsgehalt des § 3 Abs 2 Satz 2 Krankenhausvertrag darauf, einen Abschlag von 10 % anzuordnen, während
die eigentliche Vergütungshöhe - als Bezugsgröße des Abschlags - durch Interpretation des HVM in seiner jeweils geltenden
Fassung zu ermitteln ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Auslegung von § 3 Abs 2 Satz 2 Krankenhausvertrag mit bundesrechtlichen
Vorschriften unvereinbar sein könnte, sind nicht ersichtlich; die Klägerin greift diesen Teil der vom LSG vorgenommenen Auslegung
mit ihrer Revision auch nicht an.
Hiernach ist primär durch Auslegung des jeweils einschlägigen HVM zu ermitteln, welche Vergütungssätze dort für ambulante
Notfallbehandlungen, die von Vertragsärzten durchgeführt werden, vorgesehen sind. Für den Bereich der ebenfalls am Abschluss
des Krankenhausvertrages vom 10. Mai 1994 beteiligten KÄV Westfalen-Lippe ist in Anlage 6 von deren HVM (zB in der ab 1. Januar
2000 geltenden Fassung, Beilage zum Westfälischen Ärzteblatt Nr 5/2000; inhaltsgleich Anlage 6 des ab 1. April 2004 und auch
im Quartal III/2006 geltenden Honorarverteilungsvertrags [HVV]) bestimmt, dass Leistungen im organisierten Notfalldienst mit
einem festen DM- bzw Euro-Betrag oder mit einem festen Punktwert vergütet werden; Notfallleistungen von zugelassenen Krankenhäusern
werden mit 90 % der Beträge oder Punktwerte für Leistungen im organisierten Notfalldienst honoriert. Mithin stellt der HVM
der KÄV Westfalen-Lippe ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus mit den von Vertragsärzten im organisierten Notfalldienst
vorgenommenen Behandlungen in der Vergütungshöhe grundsätzlich - abgesehen von dem 10%igen Abschlag - gleich.
Der HVM der Beklagten geht dagegen einen anderen Weg. Er bestimmt in der mit Wirkung ab 1. Januar 1999 eingefügten Vorschrift
des § 6 Abs 3 Buchst i HVM - die sich in der ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung des HVM wortgleich in § 6 Abs 3 Buchst h
wiederfindet - lediglich, dass "Leistungen im organisierten Notdienst" noch vor einer Aufteilung der Gesamtvergütungen auf
die einzelnen Honorartöpfe mit einem Punktwert von 9 Pf vorweg zu berücksichtigen sind. Eine ausdrückliche Festlegung zur
Höhe des Punktwerts für ambulante Notfallbehandlungen in Krankenhäusern findet sich dort nicht. Das LSG hat diese - gleichfalls
nicht revisible - HVM-Regelung in der Weise ausgelegt, dass nur niedergelassene Ärzte und bei diesen angestellte Ärzte, welche
nach § 1 Abs 1 NFDO zur Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet sind, vom Tatbestand des § 6 Abs
3 Buchst h (bzw i) HVM erfasst werden, und zwar nur hinsichtlich solcher Behandlungen, die im Rahmen des organisierten Notfalldienstes
erbracht worden sind. Für Notfallbehandlungen, die niedergelassene Ärzte außerhalb des organisierten Notfalldienstes durchführen,
sind nach der Auslegung des HVM durch das LSG hingegen andere Vergütungsregelungen maßgeblich; insoweit müssten die Vergütungssätze
für Leistungen im roten Bereich herangezogen werden. Aus dem Umstand, dass der HVM der Beklagten für die Vergütung ambulanter
Notfallbehandlungen von Vertragsärzten unterschiedliche Regelungen enthält, je nachdem, ob sie innerhalb oder außerhalb des
organisierten Notfalldienstes erbracht wurden, zieht das Berufungsgericht in einem zweiten Schritt die Schlussfolgerung, dass
die in Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen aufgrund der Vorschrift in § 3 Abs 2 Satz 2 Krankenhausvertrag
nur mit dem Vergütungssatz, der bei Vertragsärzten für Notfallbehandlungen außerhalb des organisierten Notdienstes zur Anwendung
kommt, zu honorieren sind. Nach Ansicht des LSG verstieße eine HVM-Regelung, die - wie im Bereich der KÄV Westfalen-Lippe
- Notfallbehandlungen im Krankenhaus den Leistungen im organisierten Notfalldienst hinsichtlich der Vergütung gleich stellt,
gegen den Krankenhausvertrag.
Das Revisionsgericht ist an diese vom LSG vorgenommene Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften des Krankenhausvertrages
sowie des HVM, deren beider Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, grundsätzlich
gebunden (§§
162,
202 SGG iVm §
560 Zivilprozessordnung, vgl BSG SozR 4-2500 §
85 Nr 19 RdNr 6, mwN). Die Bindungswirkung entfällt allerdings, wenn entweder die Art und Weise der Auslegung durch das Berufungsgericht
mit allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar und deshalb nicht mehr vertretbar (willkürlich) ist oder
wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt (BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 5; BSG SozR 4 aaO; BSG, Urteil
vom 22. März 2006 - B 6 KA 75/04 R - juris, dort RdNr 13 f). Letzteres ist hier der Fall. Die nach Auffassung der Beklagten und des LSG im HVM vorgenommene
Privilegierung allein der Leistungen von niedergelassenen Ärzten im organisierten Notfalldienst durch Gewährung einer höheren
Vergütung von 9 Pf führt - wie sogleich zu zeigen sein wird - zu einer mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art
3 Abs
1 GG nicht vereinbaren Benachteiligung der Vergütung von in Krankenhausambulanzen erbrachten Notfallbehandlungen. Der HVM diesen
Inhalts verstößt mithin gegen Bundesrecht und ist insoweit unwirksam. Die von der Klägerin gerügte Verletzung allgemeiner
Maßstäbe zur Methodik der Auslegung durch das Berufungsgericht bedarf hiernach wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit
keiner weiteren Erörterung.
Die im HVM der Beklagten gewollte höhere Vergütung ausschließlich der im organisierten Notfalldienst erbrachten ambulanten
Notfallbehandlungen bzw der Ausschluss in Krankenhäusern durchgeführter Notfallbehandlungen von dieser Privilegierung verstößt
gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art
3 Abs
1 GG. Dieses verlangt, unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl zB BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2006 - 1 BvR 1275/97 - NJW 2006, 2175, 2177). Damit ist dem Normgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur,
wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr
des BVerfG, s zB BVerfG [Kammer] SozR 4-1100 Art 3 Nr 33 RdNr 11, mwN). Sachlich tragfähige Gründe für eine derart unterschiedliche
Vergütung der im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalte von Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst einerseits
und im Krankenhaus andererseits, wie sie der HVM der Beklagten enthält, bestehen nicht.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung aus der im
SGB V vorgenommenen Gleichstellung der bei Notfallbehandlungen Versicherter tätig werdenden Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte
mit den Vertragsärzten abgeleitet, dass die Leistungen von Nichtvertragsärzten bzw von Krankenhäusern im Rahmen der ambulanten
Notfallbehandlung grundsätzlich so zu vergüten sind, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären. Der
Vergütungsanspruch der Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte für Notfallbehandlungen darf deshalb gegenüber dem Vergütungsniveau
der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt
ist (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 6). Der Senat hat in diesem Zusammenhang auch mittelbare
Schlechterstellungen von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen
der Honorarverteilung nicht gebilligt (BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4 f). Hingegen hat der Senat eine an die gesetzliche Regelung
des §
120 Abs
3 Satz 2
SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser akzeptiert
(BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 12 S 54 ff).
Auf dieser Grundlage kann die erhebliche Schlechtervergütung der in Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen,
wie sie in der für das Quartal I/2000 geltenden Fassungen des HVM der Beklagten angelegt ist, keinen Bestand haben. Auch wenn
die Punktwerte des roten Bereichs für die Vergütung der Notfallbehandlungen im Krankenhaus zugrunde gelegt werden, führt dies
im hier maßgeblichen Zeitraum gegenüber dem für Ärzte im organisierten Notfalldienst garantierten Punktwert von 9 Pf über
den 10 %-igen Abschlag hinaus je nach Kassenart zu einer weiteren Reduzierung der Vergütung im Umfang zwischen 17,9 % und
24,1 %. Die von der Beklagten und vom LSG angeführten Gründe sind nicht geeignet, eine derartige Schlechterstellung zu rechtfertigen.
Schon im Ansatz nicht tragfähig ist die Argumentation, die Regelung des HVM enthalte keine Schlechterstellung der Krankenhaus-Notfallbehandlungen,
sondern vielmehr eine Besserstellung der Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst. Allein ein Perspektivenwechsel
im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung macht die erforderlichen sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung
wesentlich gleich gelagerter Sachverhalte nicht entbehrlich.
Auch der Hinweis auf die Verpflichtung nur der Vertragsärzte, die Kosten für Organisation und Durchführung des ärztlichen
Notfalldienstes zu tragen, vermag eine privilegierte Vergütung von deren Notfallleistungen nicht zu rechtfertigen. Denn einerseits
haben gemäß der vom LSG nicht berücksichtigten Bestimmung in § 4 Abs 3 Satz 2 des Krankenhausvertrages die Krankenhäuser gleichfalls
einen Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 0,9 % der bewilligten Quartalshonorare für ambulante Notfallleistungen abzuführen.
Diese einvernehmliche vertragliche Vereinbarung indiziert die Angemessenheit der auch ohne entsprechende Regelung im HVM oder
im Krankenhausvertrag von den Krankenhäusern für die von ihnen abgerechneten Notfallbehandlungen an die KÄV zu entrichtenden
Verwaltungskosten (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 8). Andererseits ist der zusätzliche Beitrag, der gemäß § 9 Abs 3 der
im Jahr 2000 geltenden Satzung der KÄV (idF des Änderungsbeschlusses vom 29. November 1997, Rheinisches Ärzteblatt Heft 6/1998
S 53; nunmehr: § 13 Abs 3 der aktuellen Satzung) nur im Falle der Einrichtung einer speziellen Notfalldienstpraxis erhoben
wird, ausschließlich von den Vertragsärzten des betroffenen Notfalldienstbezirks zu entrichten. Dieser zusätzliche Kostenbeitrag
trägt dem Umstand Rechnung, dass diese Ärzte im Falle der Einrichtung einer speziellen Notfalldienstpraxis während des Notdienstes
die mit Kosten verbundene Inanspruchnahme der Infrastruktur ihrer eigenen Praxis ersparen. Jener Beitrag belastet mithin solche
Vertragsärzte nicht, die - ebenso wie die Krankenhäuser - für Notfallbehandlungen ihre eigenen Räumlichkeiten, Gerätschaften
und ihr eigenes Personal nutzen müssen. Er kann daher auch eine unterschiedliche Höhe der Vergütung von Notfallleistungen
im organisierten Notfalldienst einerseits und im Krankenhaus andererseits nicht begründen.
Des Weiteren kann auch das Vorbringen, nur die im organisierten Notfalldienst tätigen (Vertrags-)Ärzte hätten "zusätzlichen
Organisationsaufwand und unter Umständen auch weitere zusätzliche Kosten (zB Kosten für Personal außerhalb der üblichen Arbeitszeiten)",
während ein entsprechender zusätzlicher Organisations- und Kostenaufwand für Notfallbehandlungen im Krankenhaus nicht anfalle,
eine unterschiedliche Vergütungshöhe nicht pauschal rechtfertigen. Denn die zugelassenen Krankenhäuser sind nach der Regelung
in § 2 Abs 2 Satz 1 des Krankenhausvertrages gleichfalls verpflichtet, ambulante Notfälle im Krankenhaus zu behandeln. Dies
schließt die Verpflichtung ein, ausreichende organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um im Krankenhaus erfahrungsgemäß regelmäßig
auflaufende ambulante Notfallpatienten mit typischerweise chirurgischem Behandlungsbedarf angemessen versorgen zu können,
was - wie auch das LSG anerkennt - im Allgemeinen nur durch Einrichtung spezieller Räumlichkeiten und durch das Vorhalten
speziellen Personals im Rahmen einer chirurgischen Ambulanz erfolgen kann. Hinzu kommt, dass auch für Personal, das im Rahmen
von Bereitschaftsdiensten im Krankenhaus anwesend ist, gegebenenfalls nach den tarifrechtlichen Bestimmungen eine erhöhte
Vergütung zu zahlen ist, soweit konkrete Arbeitseinsätze im Verlauf der Bereitschaftsdienstzeit durchgeführt werden. Mithin
entstehen auch im Krankenhaus im Zusammenhang mit der Erfüllung der kontinuierlich anfallenden Aufgabe der Versorgung ambulanter
Notfallpatienten zusätzliche (Personal-)Kosten und zusätzlicher Organisationsbedarf. Die Situation unterscheidet sich somit
insoweit nicht wesentlich von derjenigen des organisierten ambulanten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte (in diesem
Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2004 - L 5 KA 626/02 - juris).
Schließlich kann eine Besserstellung der Vergütung von Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst nicht mit dem Ziel
sachlich begründet werden, einen Anreiz für die Teilnahme niedergelassener Ärzte an diesem Notfalldienst zu schaffen und auf
diese Weise den organisierten Notfalldienst als gesetzlich vorrangige Versorgungsform für Notfallbehandlungen zu stärken.
Zwar sind gemäß §
75 Abs
1 Satz 2
SGB V die KÄVen verpflichtet, die vertragsärztliche Versorgung auch in den üblicherweise sprechstundenfreien Zeiten mit Hilfe eines
Notdienstes sicherzustellen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 20). Andererseits sind die Versicherten aber nicht verpflichtet,
vorrangig diesen Notfalldienst in Anspruch zu nehmen. Vielmehr gewährt ihnen §
76 Abs
1 Satz 2
SGB V ausdrücklich das Recht, in der besonderen Situation eines Notfalles nach freier Wahl auch Nichtvertragsärzte - und damit
auch Krankenhäuser - für erforderliche ambulante Behandlungen zu konsultieren (BSG aaO). Mithin ist bereits die grundlegende
Annahme des LSG, die Inanspruchnahme von Krankenhäusern für Notfallbehandlungen sei prinzipiell unerwünscht bzw gefährlich
und unterlaufe Strukturprinzipien des
SGB V, nicht zutreffend. Damit scheidet auch das ordnungspolitische Ziel, einer Inanspruchnahme von Krankenhäusern für Notfallbehandlungen
entgegenzuwirken, als Grundlage für eine Rechtfertigung ungleicher Vergütungen aus. Aber auch das Bestreben, für die niedergelassenen
Ärzte einen Anreiz zur Teilnahme am organisierten Notfalldienst zu schaffen, ist kein tragfähiges Differenzierungskriterium
hinsichtlich der Vergütungshöhe. Denn zu dieser Teilnahme am Notfalldienst sind sowohl die Vertragsärzte als auch die sonstigen
niedergelassenen Ärzte bereits nach ärztlichem Berufsrecht ebenso wie nach dem Satzungsrecht der Beklagten verpflichtet (s
auch § 1 Abs 1 NFDO). Die Steigerung der Motivation zur Erfüllung einer ohnehin bestehenden Verpflichtung ist kein sachlich
gerechtfertigter Grund für eine Vergütungsprivilegierung, zumal auch die Krankenhäuser zur Durchführung von Notfallbehandlungen
verpflichtet sind.
Der nach alledem vorliegende Verstoß der Regelungen im HVM der Beklagten zur unterschiedlichen Vergütung von Notfallbehandlungen
gegen Art
3 Abs
1 GG führt nicht automatisch dazu, dass die Klägerin die Zahlung der höheren - für Leistungen im organisierten Notfalldienst ausgewiesenen
und um den Abschlag von 10 % verminderten - Vergütung beanspruchen kann. Dem Normgeber des HVM der Beklagten stehen vielmehr
mehrere gleichermaßen verfassungsrechtlich zulässige Lösungen zur Bereinigung der gleichheitswidrigen Rechtslage offen. Er
kann einerseits die Ausdehnung der bislang nur die Ärzte im organisierten Notfalldienst begünstigenden Regelung eines festen
Punktwertes von 9 Pf in § 6 Abs 3 Buchst h (bzw i) HVM auch auf Notfallbehandlungen in Krankenhäusern beschließen. Dies hat
allerdings erhebliche Mehraufwendungen zur Folge, zumal nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Notfallbehandlungen
in Krankenhäusern immerhin ca ein Drittel aller Notfallbehandlungen ausmachen. Die Vertreterversammlung der Beklagten kann
aber auch mit Rücksicht auf die nur begrenzt zur Verteilung zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen einen insgesamt niedrigeren
Garantiepunktwert für Notfallbehandlungen sowohl im organisierten Notfalldienst als auch in Krankenhäusern festsetzen oder
es bei der bis Ende 1998 geltenden Regelung belassen und im Zusammenhang mit der Neuregelung der Materie eine Übergangsbestimmung
für Altfälle entwickeln. Welche dieser Möglichkeiten die Beklagte wählt, obliegt ihrer Gestaltungsfreiheit; die Gerichte dürfen
dem nicht vorgreifen (vgl BVerfG SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 45 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 19 RdNr 21 f). Mithin kann
die auf Zahlung eines höheren Geldbetrags gerichtete Revision insoweit keinen Erfolg haben. Die Beklagte ist vielmehr lediglich
zur erneuten Bescheidung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nach einer Korrektur der Regelungen zur Vergütung
von Notfallleistungen in ihrem HVM zu verpflichten (§
131 Abs
3 SGG). Im Hinblick darauf erübrigen sich weitere Ausführungen zu der von der Klägerin zusätzlich geltend gemachten Gehörsrüge,
zumal der Senat in der Sache selbst entscheiden kann (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG) und eine eventuelle Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht keinen absoluten, in jedem Fall zur Zurückverweisung
nötigenden Revisionsgrund darstellt (vgl §
170 Abs
1 Satz 2 und §
178a Abs
1 Nr
2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Eine Aufteilung der Kosten unter den Beteiligten im Hinblick darauf, dass die Beklagte nur zu erneuter Bescheidung verpflichtet
wurde, ist vorliegend nicht veranlasst.