Honorarverteilungsgerechtigkeit bei Anknüpfung einer Honorarverteilungsregelung an Ergebnisse einer materiell rechtswidrigen
Honoraraufteilung
Gründe:
I. Streitig ist ein Anspruch auf höhere vertragsärztliche Vergütung.
Die Klägerin, eine im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene
Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO-Ärztin), war mit einem Begehren auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche
für die Quartale I/2000 und II/2000 erfolgreich. Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) erachteten die im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten für diese Quartale vorgesehene
automatische Anpassung der in den fachgruppenspezifischen Honorartöpfen zur Verteilung gelangenden Honorarvolumina nach Maßgabe
der Veränderungen der Arztzahlen in den einzelnen Fachgruppen gegenüber dem Basisjahr 1999 als rechtswidrig. Die hiergegen
gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde zurückgewiesen (Senatsbeschluss vom 22.6.2005 - Parallelentscheidung
unter Az B 6 KA 68/04 B in juris dokumentiert). Die beanstandete Arztzahlveränderungsregelung führte nach den Feststellungen des SG zu einer Reduzierung des Anteils der 216 sächsischen HNO-Ärzte am fachärztlichen Vergütungstopf (Primär-/Ersatzkassen) von
7,0768 %/7,6731 % im Jahr 1999 auf 6,8772 %/7,4434 % im Quartal III/2000. Bei einem in diesem Quartal im fachärztlichen Bereich
nach Durchführung von Vorwegabzügen zur Verteilung nach Punkten zur Verfügung stehenden Betrag von ca 189,6 Mio DM bewirkte
diese Regelung eine Verminderung des den HNO-Ärzten im Vergleich zu 1999 zur Verfügung stehenden Honorarvolumens um insgesamt
ca 403.000 DM (dh je HNO-Arzt durchschnittlich um 1.865 DM im Quartal).
Die genannte Arztzahlveränderungsregelung kam nach einer am 30.3.2001 beschlossenen Modifizierung des HVM ab dem Quartal IV/2000
nicht mehr zur Anwendung. Nunmehr erfolgte die Aufteilung der auf den fachärztlichen Versorgungsbereich entfallenden Gesamtvergütungen
auf die einzelnen Honorartöpfe nach Maßgabe des Anteils der jeweiligen Facharztgruppe im Quartal III/2000, also gemäß den
Verhältnissen des letzten Quartals, in dem die Arztzahlveränderungsregelung umgesetzt wurde. Diese Verhältnisse waren bis
zum Quartal II/2003 für die Honorarverteilung maßgeblich; anschließend erfolgte die Aufteilung des fachärztlichen Gesamtvergütungsanteils
auf die einzelnen Facharzttöpfe auf der Grundlage der durchschnittlichen Anteile der einzelnen Arztgruppen in den Quartalen
III/2001 bis II/2002 (§ 5 Abs 4 des HVM idF vom 11.6.2003).
Die Klägerin erhob jeweils auch Widerspruch und Klage gegen ihr erteilte Honorarbescheide für die Quartale III/2000 bis II/2001,
die - teils nach Korrektur - Honorare in Höhe von 71.368,39 DM (III/2000), 75.432,87 DM (IV/2000), 77.108,58 DM (I/2001) bzw
81.460,83 DM/41.650,26 Euro (II/2001) auswiesen.
Das SG hat nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung die Beklagte hinsichtlich des Quartals III/2000 - insoweit
zwischenzeitlich rechtskräftig - zu erneuter Bescheidung verurteilt, die hier streitbefangenen Klagen bezüglich der Quartale
IV/2000 bis II/2001 jedoch abgewiesen (Urteil vom 17.12.2003). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG
hat ausgeführt, der Zuschnitt der Fachgruppentöpfe ab dem Quartal IV/2000 gemäß den Anteilen der Facharztgruppen an den Gesamtvergütungen
des Quartals III/2000 sei nicht zu beanstanden, auch wenn damit die in jenem Quartal noch angewandte rechtswidrige Arztzahlveränderungsregelung
faktisch fortwirke. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dem zufolge jeder in einem Bezugszeitraum geschehene Rechtsfehler zu
korrigieren sei, bevor diese Abrechnungsergebnisse für spätere Vergütungsregelungen herangezogen werden könnten, existiere
nicht. Der Beklagten stehe vielmehr auch insoweit ein Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
gestatte im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität eine Pauschalierung, Typisierung und Generalisierung insbesondere
dann, wenn dies bloß zu Ungerechtigkeiten in einzelnen besonders gelagerten Fällen führe und eine Gruppe von Leistungserbringern
nicht systematisch benachteilige, sofern solches nicht als geringfügig vernachlässigt werden könne oder durch den Zweck der
Verteilungsregelung geboten sei (Hinweis auf BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28). Der Gestaltungsspielraum der KÄV sei jedenfalls dann nicht überschritten, wenn - wie
hier - eine nachträgliche Korrektur mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre, sich die Einkommenseinbußen der betroffenen
Arztgruppen in Grenzen hielten, eine rechtmäßige HVM-Regelung mit ähnlichen Auswirkungen wie die als rechtswidrig erkannte
denkbar sei und es sich um ein Übergangsproblem handele (Urteil vom 18.10.2006 - juris).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von §
85 Abs
4 Satz 3
SGB V sowie des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie macht erstmals im Verlauf des Rechtsstreits geltend, jedenfalls
bei HNO-Ärzten sei eine Anknüpfung ausschließlich an die Honoraranteile im dritten Quartal eines Jahres unstatthaft. Vielmehr
müsse wegen der erheblichen jahreszeitlichen Schwankungen von deren Leistungsbedarf (der im dritten Abrechnungsquartal [Hochsommer]
lediglich 90,8 % des Jahresdurchschnitts ausmache, während dieser Wert im Gesamtdurchschnitt aller Leistungserbringer 95,1
% betrage) bei ihnen regelmäßig auf die Verhältnisse in vier aufeinanderfolgenden Abrechnungsquartalen abgestellt werden.
Zudem vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen, im Basisquartal III/2000 seien die Auszahlungspunktwerte für HNO-Ärzte infolge
der rechtswidrig angewandten Arztzahlveränderungsregelung zu niedrig festgesetzt worden und eine Zugrundelegung der Anteile
in diesem Quartal perpetuiere in unzulässiger Weise einen rechtswidrigen Zustand. Die Anknüpfung einer HVM-Regelung an gezahlte
Vergütungen in einem Vorquartal beziehe sich auf normativ geprägte Verhältnisse, setze mithin die Rechtmäßigkeit dieser Verhältnisse
voraus. Hiervon könne nur bei Vorliegen eines legitimen Grundes unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit abgewichen werden; die
vom Berufungsgericht hierfür vorgebrachten Argumente seien nicht tragfähig.
Als Verfahrensmangel werde insbesondere gerügt, dass das LSG für seine Annahme, eine Neuberechnung der den einzelnen Arztgruppen
im Quartal III/2000 zustehenden Vergütungsanteile ohne Berücksichtigung der Arztzahlveränderungen sei mit einem unangemessen
hohen Verwaltungsaufwand verbunden, keine Tatsachenfeststellungen getroffen habe. In Wirklichkeit könne die Neuberechnung
in wenigen Stunden bzw Tagen erledigt werden, da die wesentlichen Daten feststünden. Doch selbst unter Zugrundelegung der
Angaben der Beklagten, wonach eine Verwaltungsfachkraft hierfür mehrere Monate benötige, ergebe sich ein Kostenaufwand von
ca 30.000 Euro, der in Relation sowohl zur verteilten Gesamtvergütung von jährlich ca 1 Mrd Euro als auch zur Verwaltungskostenumlage
von ca 30 Mio Euro verschwindend gering sei. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze dürfe nicht außer Acht gelassen werden,
dass die Ursache für die erforderliche Neuberechnung in die Sphäre der Beklagten falle. Unbeachtlich sei die Erwägung des
LSG, es sei der Beklagten im Rahmen der Neubescheidung unbenommen, eine neue Honorarverteilungsregelung zu wählen, die ohne
die rechtswidrige Arztzahlveränderungsregelung aufgrund medizinischer Erwägungen zu ähnlichen Ergebnissen gelange. Denn tatsächlich
habe die Beklagte für die Quartale I/2000 bis III/2000 an die HNO-Ärzte Nachzahlungen geleistet und für deren Berechnung den
in diesen Quartalen geltenden HVM ohne die Arztzahlveränderung angewandt. Dass die Klägerin auch zu einer Alternativregelung
mit ähnlichem Ergebnis befugt gewesen sein könnte, dürfe nicht einfach unterstellt, sondern müsse im Wege der Sachaufklärung
oder durch Verpflichtung zur Neubescheidung verifiziert werden.
Weiterhin sei es nicht statthaft, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Reaktionspflicht des HVM-Normgebers
bei einem Punktwertabfall von wenigstens 15 % auf die vorliegende Konstellation zu übertragen und darauf zu verweisen, dass
sich die Honorareinbußen der HNO-Ärzte infolge der angewandten Arztzahlveränderungsregelung im Quartal III/2000 lediglich
auf ca 150.000 Euro oder 2,2 % ihres Honorarvolumens beliefen. Dies lasse unberücksichtigt, dass nur ein Teil der HNO-Ärzte
ihre Honorarbescheide für das Quartal III/2000 angefochten hätten und dass auch die Nachvergütungsbescheide großteils noch
nicht bestandskräftig seien. Zudem könne die Rechtsprechung zur Reaktionspflicht nicht herangezogen werden, weil vorliegend
keine Zukunftsprognose habe getroffen werden müssen, vielmehr sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt gewesen
seien, sodass eine Einschätzungsprärogative der KÄV nicht angenommen werden könne. Es sei auch widersprüchlich, wenn das LSG
einerseits Honorarverluste der HNO-Ärzte von bis zu 10 % für hinnehmbar halte, andererseits aber einen Verwaltungsaufwand
im Promillebereich als für die KÄV unzumutbar deklariere. Insgesamt liege eine systematische Benachteiligung der HNO-Ärzte
vor, die bis heute fortwirke. Denn auch derzeit beruhten die Anteile der einzelnen Arztgruppen an dem fachärztlichen Vergütungstopf
mittelbar auf der Vergütung des Quartals III/2000; eine Anpassung durch die Beklagte sei auch nicht erfolgt, nachdem deren
Rechtswidrigkeit aufgrund des BSG-Beschlusses vom 22.6.2005 festgestanden habe.
Ergänzend macht die Klägerin geltend, es werde einer Manipulation der Honorarverteilung durch die KÄV Tür und Tor geöffnet,
wenn man eine Anknüpfung an Bemessungszeiträume mit rechtswidriger Honorarverteilung zulasse. Jede KÄV könne dann ohne Risiko
für die Dauer eines Quartals einen rechtswidrigen HVM mit massiven Umverteilungen beschließen und ab dem Folgequartal hierauf
Bezug nehmen. Wenn der einzelne Vertragsarzt dagegen nicht mehr vorgehen könne, sei der Rechtsschutz gegen willkürliche Honorarverteilungsmaßnahmen
unter Verstoß gegen Art
19 Abs
4 GG ausgehebelt. Allerdings müsse nicht jeder im Bemessungszeitraum geschehene Fehler in der Honorarverteilung zu einer rückwirkenden
Anpassung der Bemessungsgrundlage führen. Zunächst nicht erkennbare Fehler in der Sachverhaltsermittlung - beispielsweise
Kürzungen infolge sachlich-rechnerischer Richtigstellungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen - verpflichteten lediglich zu
Korrekturen für die Zukunft, sofern sich diese auf die Auszahlungspunktwerte auswirkten. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung,
etwa bloße Rechenfehler oder die Anwendung mit höherrangigem Recht unvereinbarer Rechtsnormen, falle hingegen in den Verantwortungsbereich
der KÄV und müsse auch bei deren subjektiver Unkenntnis zu einer rückwirkenden Anpassung führen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18.10.2006 und des Sozialgerichts Dresden vom 17.12.2003 abzuändern und
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Honorarbescheide vom 26.4.2001, 26.7.2001 und 25.10.2001 in Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 11.9.2001, 5.10.2001 und 16.1.2002 zu verpflichten, ihre Honoraransprüche für die Quartale IV/2000, I/2001 und II/2001
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu festzusetzen,
hilfsweise, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18.10.2006 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Anknüpfung an nur ein Quartal sei zulässig, zumal die Punktwertstützungsregelung
in § 5 Abs 7 HVM sicherstelle, dass keine zu großen Abweichungen entstünden. Bei Verabschiedung des HVM hätten zudem keine
Abrechnungsergebnisse für vier auf das Quartal III/2000 folgende Quartale vorgelegen. Dessen Heranziehung als Bezugszeitraum
sei aus den vom LSG aufgezeigten Gründen nicht zu beanstanden. Hierfür spreche vor allem der mit einer Ersetzung dieser Abrechnungsergebnisse
verbundene hohe Verwaltungsaufwand, zumal die Neuberechnung der Honorare jedes einzelnen Arztes im Jahr 1999 erforderlich
wäre. Dass das LSG den notwendigen Verwaltungsaufwand nicht konkret bestimmt habe, sei unschädlich, denn seiner Abwägung zwischen
dem hohen Aufwand einer Neuberechnung und den begrenzten Folgen einer weiteren Heranziehung des Quartals III/2000 als Basis
sei auch ohne konkrete Zahlen zu folgen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass bei Verabschiedung des HVM am 30.3.2001
die Rechtswidrigkeit der Arztzahlveränderungsregelung noch nicht festgestanden habe. Im Hinblick auf die damals zu treffende
Prognose sei es sachgerecht, die Regeln der Beobachtungs- und Reaktionspflicht auch auf diese Situation anzuwenden. Von einer
systematischen Benachteiligung der HNO-Ärzte könne keine Rede sein, da die Arztzahlveränderungsregelung für alle Gruppen gegolten
habe. Insgesamt habe sie - die Beklagte - das ihr Zumutbare getan und die streitige Regelung ab dem Quartal IV/2000 nicht
mehr angewandt. Dieses Vorgehen sei pragmatisch und nicht rechtswidrig.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit in ihnen die Honoraransprüche
der Klägerin unter Anwendung von Punktwerten festgesetzt wurden, die gemäß § 5 Abs 4 HVM auf der Basis des Honoraranteils
der HNO-Ärzte im Quartal III/2000 berechnet sind. Diese unmittelbare Anknüpfung an die Ergebnisse einer im Bezugszeitraum
rechtswidrigen Honorarverteilung beschwert die Klägerin in rechtswidriger Weise (§
54 Abs
2 Satz 1
SGG).
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Zahlung höherer vertragsärztlicher Vergütung ist §
85 Abs
4 Satz 1 bis
3 SGB V (hier anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999 - BGBl I 2626).
Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen an seine KÄV entrichteten Gesamtvergütungen
entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen
im HVM zu. Die KÄV hat die Gesamtvergütungen gemäß §
85 Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGB V getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung zu verteilen. Vertragsärzte, die - wie die
Klägerin - an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, können die leistungsproportionale Teilhabe am Honorarkontingent der
Fachärzte beanspruchen (zum Vorstehenden s BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 10, mwN).
Bei der Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen ist der KÄV ein Gestaltungsspielraum eröffnet (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 30, 50; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 15). Die Gestaltungsfreiheit ist eine Ausprägung
des mit Rechtsetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Dieses wird erst dann rechtswidrig
ausgeübt, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig
ist. Allerdings hat die KÄV bei der Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums die gesetzlichen Vorgaben - insbesondere in §
85 Abs
4 ff
SGB V - sowie die Anforderungen des Verfassungsrechts zu beachten, die vor allem in dem aus Art
12 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit konkretisiert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 9 f).
Die revisionsgerichtliche Beurteilung von Regelungen eines HVM ist auf der Grundlage ihrer Auslegung durch das LSG vorzunehmen.
Der HVM enthält satzungsrechtliche Bestimmungen des Landesrechts zur Umsetzung und Ergänzung der Vorschriften in §
85 Abs
4 SGB V, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Für die Auslegung solchen Landesrechts
ist das LSG zuständig, und dessen Ergebnis ist für das BSG grundsätzlich bindend (§§
162,
202 SGG iVm §
560 ZPO, vgl BSG SozR 4-2500 §
75 Nr 4 RdNr 13 sowie §
85 Nr 28 RdNr 27). Die Bindungswirkung entfällt, wenn entweder die Art und Weise der Auslegung durch das Berufungsgericht mit
allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar und deshalb nicht mehr vertretbar (willkürlich) ist oder
wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt (BSG, aaO, mwN); das Revisionsgericht entscheidet dann
an Stelle des LSG in der Sache. Ergibt die Überprüfung allerdings, dass auslegungsrelevante Sachverhaltsumstände vom Berufungsgericht
nicht vollständig ermittelt wurden, so kann das Revisionsgericht entsprechende Tatsachen nicht selbst feststellen; der Rechtsstreit
muss in einem solchen Falle zur Nachholung dieser Feststellungen an das LSG zurückverwiesen werden (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Regelung in § 5 Abs 4 des hier maßgeblichen HVM der Beklagten vom 30.3.2001,
der gemäß § 9 HVM rückwirkend zum 1.10.2000 in Kraft trat, als rechtswidrig.
Ob die Rechtswidrigkeit von § 5 Abs 4 HVM bereits daraus folgt, dass nach dieser Regelung das Volumen des Fachgruppentopfs
der HNO-Ärzte gleichfalls auf der Grundlage von deren Honoraranteil im Quartal III/2000 und damit ohne Rücksicht auf angeblich
besonders starke jahreszeitliche Schwankungen in dieser Arztgruppe ausschließlich nach Maßgabe der Verhältnisse in einem Sommerquartal
zu bestimmen ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Klägerin hat diesen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
der HVM-Regelung im Hinblick auf Art
3 Abs
1 GG möglicherweise bedeutsamen Einwand erstmals im Revisionsverfahren vorgebracht. Das aus Art
3 Abs
1 GG folgende Gebot, wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl BVerfGE 112, 268, 279; BVerfG NJW 2007, 2098, 2102 - zur Veröffentlichung in BVerfGE 118, 1 vorgesehen), ist im Falle der Gleichbehandlung von Personengruppen verletzt, wenn zwischen diesen Gruppen wesentliche Unterschiede
bestehen und keine Gründe solcher Art und solchen Gewichts ersichtlich sind, die eine dennoch erfolgende Gleichbehandlung
rechtfertigen können. Die von der Klägerin angeführten Abrechnungsdaten können allerdings einen wesentlichen und ins Gewicht
fallenden Unterschied im Ausmaß der jahreszeitlichen Schwankungen des Leistungsbedarfs bei HNO-Ärzten und anderen Facharztgruppen
nicht belegen. Nach ihren Angaben rechneten die sächsischen HNO-Ärzte im Quartal III/2000 90,8 % der von ihnen im Durchschnitt
des Jahres 2000 pro Quartal angesetzten Leistungen ab, während dieser Wert im Durchschnitt aller Leistungserbringer bei 95,1
% lag. Der Durchschnitt aller Leistungserbringer ist jedoch für einen Vergleich im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
kein geeigneter Bezugspunkt; vielmehr wären die jahreszeitlichen Schwankungen des Leistungsbedarfs der HNO-Ärzte mit den Verhältnissen
in denjenigen Arztgruppen zu vergleichen, die ebenfalls aus dem fachärztlichen Vergütungsanteil honoriert werden (vgl § 5
Abs 3 HVM). Auch das Urteil des LSG enthält - nachdem diese Frage in den Vorinstanzen noch nicht im Streit gewesen ist - keine
Feststellungen zum Umfang der jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Leistungsanforderungen der einzelnen Facharztgruppen
im Bezirk der Beklagten, die der Senat einer rechtlichen Beurteilung zugrunde legen könnte. Gleichwohl ist eine Zurückverweisung
des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur Ermittlung und Feststellung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht
erforderlich. Denn die Rechtswidrigkeit der Regelung in § 5 Abs 4 HVM und daraus folgend die vom Revisionsgericht auszusprechende
Verpflichtung der Beklagten zu erneuter Bescheidung der Honoraransprüche der Klägerin (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG) ergibt sich - wie sogleich dargelegt wird - bereits aus einem anderen Grund.
Die Regelung in § 5 Abs 4 HVM in der Auslegung, die das LSG vorgenommen hat, überschreitet den einer KÄV bei der Ausgestaltung
ihrer Honorarverteilungsregelungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum. Sie ist mithin rechtswidrig und führt auch
zur Rechtswidrigkeit der darauf aufbauenden, an die Klägerin gerichteten Honorarbescheide für die hier streitbefangenen Quartale
IV/2000 bis II/2001.
Das LSG hat die genannte Vorschrift in der Weise ausgelegt, dass für die Dotierung der einzelnen Fachgruppentöpfe im Zeitraum
ab Quartal IV/2000 die Anteile der einzelnen Honorargruppen an der Gesamtvergütung im Quartal III/2000 maßgeblich seien, und
zwar "ohne Rücksicht darauf, ob diese rechtmäßig oder rechtswidrig berechnet worden sind". Entscheidend seien allein die Summen
der tatsächlich an die einzelnen Arztgruppen "im Rahmen der Honorarverteilung für das Quartal III/2000 ausbezahlten Vergütungen"
(LSG-Urteil S 12 oben - juris RdNr 26). Die letztgenannte Aussage präzisiert das Berufungsgericht dahingehend, dass eine nachträgliche
Korrektur der Gesamtvergütungsanteile des Quartals III/2000 um zunächst rechtsfehlerhaft versagte oder gewährte Honorare nicht
erfolgen solle. Nach dieser Interpretation der Bestimmung richtet sich somit die Höhe des Anteils einer Facharztgruppe an
den - nach Vorwegabzügen - zu verteilenden Gesamtvergütungen ab dem Quartal IV/2000 ausschließlich nach dem prozentualen Anteil,
den die Mitglieder dieser Fachgruppe bei der ersten Verteilung und Bewilligung von Honoraren für das Quartal III/2000 zugewiesen
erhielten - und zwar auch dann, wenn die Festlegung der Honoraranteile der einzelnen Fachgruppen in diesem Quartal in rechtswidriger
Weise erfolgt war. Diese Auslegung nicht revisiblen Landesrechts (§
162 SGG) hat der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen; ob sie zwingend erscheint oder auch anders hätte vorgenommen
werden können, ist unerheblich. Anhaltspunkte dafür, dass die Interpretation des LSG gegen allgemein anerkannte Grundsätze
zur Methodik der Auslegung verstoßen könnte und deshalb unbeachtlich wäre, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin macht
dies nicht geltend; sie rügt vielmehr, dass dieses Auslegungsergebnis wegen des Rückgriffs auf rechtswidrige Honorarverteilungen
gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße.
Tatsächlich war die von der Beklagten im Basisquartal III/2000 ursprünglich vorgenommene Verteilung der für den fachärztlichen
Versorgungsbereich zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen auf die einzelnen Facharzttöpfe rechtswidrig. Dies folgt daraus,
dass in diesem Quartal gemäß § 5 Abs 5 HVM (idF vom 24.6.2000) die Anpassung der Honorarkontingente ausschließlich nach Maßgabe
der Änderungen der Arztzahlen in den einzelnen Facharztgruppen seit dem Bezugsjahr 1999 vorgenommen wurde, ohne dass von der
Beklagten geprüft worden wäre, ob damit entsprechende bedarfsbedingte Veränderungen im medizinischen Leistungsgeschehen einhergingen
(vgl zu den Vorgängerquartalen III/1997 bis II/1998 das Urteil des Sächsischen LSG vom 31.3.2004 - L 1 KA 8/00 - und hierzu Senatsbeschluss vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B -, jeweils in juris dokumentiert; s auch Senatsbeschluss vom 23.5.2007 - B 6 KA 85/06 B - juris, sowie das Urteil B 6 KA 36/06 R vom heutigen Tage, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Auch die Rechtswidrigkeit der im hier maßgeblichen Bezugsquartal
III/2000 vorgenommenen Aufteilung der fachärztlichen Gesamtvergütungen auf die einzelnen Facharzttöpfe steht mittlerweile
zwischen den Beteiligten verbindlich fest. Denn insoweit ist die der Klage stattgebende Entscheidung des SG nach Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Berufung rechtskräftig geworden (§
141 Abs
1 Nr
1 SGG).
Die Beklagte hat hierauf Nachzahlungen auch an alle HNO-Ärzte geleistet, die ihren Honorarbescheid für das Quartal III/2000
angefochten hatten. Dabei hat sie nicht den ihr im Rahmen der Neubescheidung eröffneten Weg gewählt, in ihrem HVM einen am
medizinischen Behandlungsbedarf ausgerichteten neuen Zuschnitt der Fachgruppenanteile für das Quartal III/2000 festzulegen.
Sie hat es vielmehr bei der Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse des Jahres 1999 belassen und lediglich die insoweit
für HNO-Ärzte negativen Folgen der automatisierten Arztzahlveränderungsregelung herausgerechnet. Die Beklagte hat mit dieser
Vorgehensweise dokumentiert, dass sie in Kenntnis der Rechtsprechung des Berufungsgerichts und des Senats davon ausgeht, dass
jedenfalls auch noch für das Quartal III/2000 die Honoraranteile der einzelnen Facharztgruppen des Jahres 1999 den tatsächlichen
medizinischen Versorgungsbedarf zutreffend abbilden. Nach den Feststellungen des LSG ergaben sich hierdurch bereits für diejenigen
HNO-Ärzte, die ihren Honorarbescheid angefochten hatten, für das Quartal III/2000 Nachvergütungen in Höhe von zusammen 294.789,50
DM zusätzlich zu den ursprünglich in dieser Arztgruppe verteilten 13,5 Mio DM. Für die Honorarverteilung in den nachfolgenden
- hier streitbefangenen - Quartalen blieb die nachträgliche Erhöhung des Honoraranteils der HNO-Ärzte in dem genannten Bezugsquartal
jedoch unberücksichtigt.
Das Ergebnis der Auslegung von § 5 Abs 4 HVM durch das LSG, wonach auch ein im Bezugsquartal zunächst rechtswidrig bestimmter
Anteil der einzelnen Fachgruppentöpfe an den Gesamtvergütungen für Honorarverteilungen künftiger Quartale weiterhin maßgeblich
sein soll, ist mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art
12 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 GG) nicht vereinbar. Es widerspricht den grundlegenden Prinzipien, die bei einer Honorarverteilung auf der Basis von Fachgruppentöpfen
zu beachten sind.
Die Zulässigkeit einer Honorarverteilung unter Bildung von Honorartöpfen bzw Honorarkontingenten für einzelne Fachgruppen
und/oder Leistungsbereiche, wie sie auch für die hier streitbefangenen Quartale in § 5 Abs 3 HVM vorgesehen war, ist in der
Rechtsprechung des Senats seit langem anerkannt. Die darin liegende Abweichung vom Grundsatz leistungsproportionaler Verteilung
(§
85 Abs
4 Satz 3
SGB V) wird vor allem durch das Ziel sachlich gerechtfertigt, die Folgen der gesetzlichen Festlegung von Obergrenzen für die Erhöhung
der Gesamtvergütungen in den unterschiedlichen Arztgruppen bzw Leistungsbereichen gleichmäßig umzusetzen. Es soll dadurch
verhindert werden, dass sich der Anteil einer Arztgruppe an den Gesamtvergütungen trotz konstant bleibenden Behandlungsbedarfs
ihrer Patienten nur deshalb verringert, weil andere Arztgruppen mit Hilfe medizinisch nicht gerechtfertigter Mengenausweitungen
ihre Anteile am insgesamt abgerechneten Leistungsvolumen erhöhen (zusammenfassend BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 408 f, mwN;
BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 50; s auch Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 43/06 R, dort RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Anteile der einzelnen Fachgruppentöpfe an den Gesamtvergütungen
müssen deshalb auf der Grundlage des tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarfs der Patienten in den jeweiligen Fachgebieten
bzw Leistungsbereichen bemessen werden (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48, aaO; s auch Senatsbeschlüsse vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B - und vom 23.5.2007 - B 6 KA 85/06 B, jeweils in juris dokumentiert). Dabei kann auch an die in einem früheren Zeitraum ausbezahlten Abrechnungsvolumina und die
sich daraus errechnenden Vergütungsanteile der einzelnen Fachgruppen angeknüpft werden (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409;
BSGE 90, 111, 117 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 421). Ein Rückgriff auf länger zurückliegende Jahre ist jedoch nur zulässig, wenn es Gründe
für die Annahme gibt, dass das Leistungs- und Abrechnungsverhalten der Vertragsärzte damals mehr als später den tatsächlichen
medizinischen Bedarf widerspiegelt (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409).
Besteht mithin die notwendige innere Rechtfertigung für die von einer rein leistungsproportionalen Verteilung abweichende
Vergütung nach Fachgruppentöpfen darin, dass damit unabhängig von unterschiedlichen Mengenentwicklungen eine Gleichbehandlung
der Arztgruppen nach Maßgabe des von ihnen sicherzustellenden realen medizinischen Versorgungsbedarfs gewährleistet wird,
so folgt daraus zugleich, dass die Anknüpfung an Ergebnisse einer in einem früheren Zeitraum unter Außerachtlassung des medizinischen
Versorgungsbedarfs materiell rechtswidrig vorgenommenen Honorarverteilung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Mit der Zugrundelegung
eines materiell rechtswidrigen - den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit missachtenden - Verteilungsergebnisses
würde im späteren Quartal die Topfbildung ihrer Funktion und Legitimation beraubt. Sie wäre nur noch eine Fortführung des
status quo unter Besitzstandswahrung für die im Basisquartal rechtswidrig Begünstigten bei gleichzeitiger Fortschreibung der
Belastungen für die benachteiligten Arztgruppen. Dies gilt entgegen der Ansicht des LSG auch für den Fall, dass die Honorarbescheide
im Basiszeitraum sämtlich bestandskräftig geworden sind und damit die Honorarbeziehungen innerhalb einer KÄV für dieses Quartal
verbindlich ausgestaltet haben. Denn allein das formale Kriterium der Bestandskraft einer Honorarverteilung für ein bestimmtes
Quartal bietet bei feststehender materieller Rechtswidrigkeit der angewandten Verteilungsregelungen keine Gewähr dafür, dass
die auf diese Weise erzielten Honoraranteile den für die Ausgestaltung von Honorartöpfen entscheidenden tatsächlichen medizinischen
Leistungsbedarf in den einzelnen Facharztgruppen zuverlässig abbilden.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Danach dürfen im Rahmen zukunftsbezogener
Regelungen, die an tatsächlich erzielte Umsätze in der Vergangenheit anknüpfen, grundsätzlich nur solche Umsätze zugrunde
gelegt werden, die das Resultat einer materiell rechtmäßigen Honorarverteilung sind, weil andernfalls rechtswidrige Verhältnisse
perpetuiert würden (vgl BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 22, zu den ebenfalls verteilungswirksamen Regelungen des Bewertungsausschusses gemäß
§
85 Abs
4 Satz 4
SGB V). Dem widerspricht nicht, dass im Urteil vom 22.6.2005 für die Berechnung regionalisierter Praxisbudgets eine Anknüpfung
an die Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 gebilligt wurde, obgleich diese in Anwendung der später für rechtswidrig
erachteten rückwirkenden Teilbudgetierung ermittelt worden waren (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 15), und dass auch im Urteil
vom 6.9.2006 die Zugrundelegung der Verhältnisse des Jahres 1996 für die Aufteilung der Gesamtvergütungen in einen hausärztlichen
und einen fachärztlichen Vergütungsanteil nicht beanstandet wurde (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 23-25). In beiden Fällen
war es durch billigenswerte Ziele der Honorarverteilung sachlich gerechtfertigt, die teilbudgetierten Abrechnungswerte des
ersten Halbjahres 1996 im Interesse einer inhaltlich zutreffenden Erfassung des tatsächlichen medizinischen Leistungsbedarfs
- dh bereinigt um die in diesem Zeitraum beobachteten, medizinisch nicht erklärbaren Leistungsausweitungen - zugrunde zu legen,
auch wenn die rückwirkende Inkraftsetzung der Teilbudgetierung rechtswidrig war. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu
der hier zu beurteilenden Fallgestaltung, in der die Beklagte mittlerweile selbst von einer materiell rechtswidrigen Honoraraufteilung
im Basisquartal III/2000 ausgeht, an die sie lediglich im Sinne einer "pragmatischen" Vorgehensweise auch für die folgenden
Quartale weiterhin anknüpfen will. Der Senat hat entgegen der Annahme des LSG auch im Urteil vom 26.6.2002 (SozR 3-2500 §
85 Nr 47) die Zugrundelegung rechtswidriger Honorarverteilungsergebnisse für die Festlegung der künftigen Honoraranteile einzelner
Facharztgruppen nicht gebilligt. Vielmehr geht die genannte Entscheidung gleichfalls von einer Verpflichtung der KÄV zur Korrektur
im Falle eines erheblichen Anteils arztgruppenfremd honorierter Leistungen aus, weil andernfalls die Ziele einer Honorarverteilung
nach festen arztgruppenbezogenen Kontingenten im Ansatz verfehlt würden (BSG, aaO, S 395). Es wurde allerdings als vom Gestaltungsspielraum
der KÄV gedeckt angesehen, dass diese unter mehreren denkbaren Vorgehensweisen für eine im Zusammenhang mit der erstmaligen
Festlegung der Honorartöpfe tatsächlich vorgenommene Korrektur der Honorarzuordnung bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen,
die sämtlich mit gewissen Vorteilen und Schwierigkeiten verbunden waren, eine bestimmte Lösung gewählt hatte (BSG, aaO, S
398 ff). Hieraus kann nicht hergeleitet werden, dass materiell als rechtswidrig erkannte Honorarverteilungen unverändert die
Grundlage für künftige Verteilungsregelungen bilden dürfen.
Von der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung der KÄV, im Falle einer Bestimmung der Honorarkontingente der einzelnen Arztgruppen
nach Maßgabe ihrer Anteile in einem vorangegangenen Zeitraum möglicherweise später festgestellten materiellen Fehlern im Zuschnitt
der Honoraranteile des Basisquartals durch entsprechende Korrekturen Rechnung zu tragen und nur die korrigierte Basis den
weiteren Honorarverteilungen zugrunde zu legen, kann im vorliegenden Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgesehen werden,
dass die Auswirkungen der tatsächlich unterlassenen Korrektur nur geringfügig und damit im Sinne einer Bagatelle zu vernachlässigen
sind (vgl BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28). Zwar wohnt Honorarverteilungsregelungen stets eine gewisse Pauschalierung und Schematisierung
inne, die im Interesse einfacher Handhabung insbesondere auch die Rundung vorgefundener Bruchteilswerte gestattet. Hiervon
hat die Beklagte aber nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht, indem sie die Honoraranteile der einzelnen Arztgruppen nach
den Feststellungen des SG mit Prozentwerten berechnete, die bis zur vierten Stelle hinter dem Komma definiert waren. Doch auch wenn die Anwendung der
rechtswidrigen Arztzahlveränderungsregelung den Anteil der HNO-Ärzte an der Gesamtvergütung lediglich im Promille-Bereich
- etwa bei den Primärkassen von 7,0768 % auf 6,8772 % - reduzierte, kann angesichts des Volumens der zu verteilenden Honorare
von lediglich geringfügigen und insgesamt vernachlässigbaren Auswirkungen nicht die Rede sein. Immerhin bewirkte dies eine
Reduzierung des HNO-Honorartopfes um ca 403.000 DM und damit für den einzelnen HNO-Arzt eine durchschnittliche Honorarminderung
um ca 1.865 DM im Quartal. Das übersteigt die Größenordnung vernachlässigbarer Geringfügigkeiten bei Weitem.
Auch der Gesichtspunkt des Verwaltungsaufwands vermag das Unterlassen einer prinzipiell aus Gründen der Honorarverteilungsgerechtigkeit
erforderlichen Korrektur materiell rechtswidriger Honoraranteile für daran anknüpfende spätere Zeiträume nicht zu rechtfertigen.
Das LSG hat die Dimension des wegen dieser Korrektur bei der Beklagten entstehenden Verwaltungsaufwands nicht konkret und
unter Berücksichtigung der Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung zur Unterstützung einer Vielzahl gleichförmiger
Berechnungen abgeschätzt, sondern ihn lediglich auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen als "immens" und "unangemessen" bewertet.
Die Beklagte selbst hat den "Aufwand für das gesamte Prozedere mit einer kompletten Arbeitskraft über mehrere Monate veranschlagt"
(Schriftsatz vom 7.8.2006). Unabhängig von der Frage, ob ein mit der Korrektur rechtswidrigen Verwaltungshandelns verbundener
Arbeitsaufwand überhaupt das Absehen von einer rechtmäßigen Vorgehensweise rechtfertigen kann - dies dürfte allenfalls in
extremen Konstellationen in Frage kommen, wenn Aufwand und Ertrag völlig außer Verhältnis stehen -, ist selbst bei Zugrundelegung
der Angaben der Beklagten ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand nicht festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
die Klägerin von ihren Honoraren auch Verwaltungskostenbeiträge zu entrichten hat. Sie kann deshalb als Gegenleistung von
ihrer Körperschaft erwarten, dass der Aufwand für Honorarneuberechnungen und Bescheidkorrekturen infolge nachträglicher Änderungen
nicht nur zu ihren Lasten - wie etwa nach den Feststellungen des LSG zunächst hinsichtlich des Quartals III/2000 geschehen
-, sondern gegebenenfalls auch zu ihren Gunsten betrieben wird.
Für die Erfassung des für eine Korrektur erforderlichen Aufwands ist zudem von Bedeutung, dass die Beklagte aufgrund der Unwirksamkeit
ihrer auf die materiell rechtswidrigen Verteilungsergebnisse des Quartals III/2000 Bezug nehmenden Honoraraufteilungsregelung
in § 5 Abs 4 HVM nicht nur die Möglichkeit hat, eine rechtmäßige Honoraraufteilung ab dem Quartal IV/2000 durch möglicherweise
zeitaufwändiges Herausrechnen der Auswirkungen der in den Jahren 1999 und 2000 praktizierten automatischen Arztzahlveränderungsregelung
unter Gegenrechnung erfolgter Punktwertstützungen - also erneut durch Anknüpfung an das Quartal III/2000, aber auf bereinigter
Basis - zu gewährleisten. Sie kann vielmehr bei der Neufassung der Aufteilungsregelung in Wahrnehmung ihres Gestaltungsspielraums
die Honoraranteile der einzelnen Facharztgruppen auch unabhängig von den Abrechnungsergebnissen jenes Quartals auf der Grundlage
ihrer fachkundigen Bewertungen des medizinischen Versorgungsbedarfs in Gestalt einer sog zahlenförmigen Norm (vgl hierzu BSG
SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 20, mwN) eigenständig festlegen. Hierdurch kann sich der Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren.
Außerdem ist zu beachten, dass sich der Aufwand für den Erlass neuer Honorarbescheide auf der Grundlage einer nunmehr in rechtmäßiger
Weise ausgestalteten Aufteilungsregelung auf diejenigen Quartale beschränkt, für welche die als rechtswidrig beanstandete
Regelung anzuwenden war - hier also auf die Quartale IV/2000 bis II/2003. Der Umstand, dass gemäß § 5 Abs 4 des für die Honorarverteilung
bei der Beklagten ab dem Quartal III/2003 anzuwendenden HVM (idF vom 11.6.2003) die Aufteilung der Gesamtvergütungen auf die
einzelnen Facharzttöpfe nach Maßgabe von deren Durchschnittsanteilen in den Quartalen III/2001 bis II/2002 zu erfolgen hatte,
erfordert es nicht, allein deshalb auch alle unter diesem Regelwerk bereits vollzogenen Honorarverteilungen zu korrigieren.
Denn die Verteilungsergebnisse in diesen neuen Basisquartalen waren nicht mehr unmittelbar durch die rechtswidrige Verteilung
auf der Grundlage einer automatisierten Arztzahlveränderungsregelung im vormaligen Bezugsquartal III/2000 beeinflusst. Weitere
maßgebliche Faktoren wie etwa die Morbiditätsentwicklung, das Leistungs- und Abrechnungsverhalten der Vertragsärzte oder Punktwertstützungsmaßnahmen
waren in den späteren Quartalen gleichfalls für das Verteilungsergebnis zwischen den einzelnen Arztgruppen von Bedeutung.
Wenn die KÄV angesichts dessen auf die tatsächlichen Umstände in einem nicht mehr unmittelbar von vorausgegangenen rechtswidrigen
Regelungen infizierten Zeitraum abstellt und diese einer neuen normativen Regelung für künftige Honorarverteilungen zugrunde
legt, ist das unter Beachtung des ihr zur Verfügung stehenden Gestaltungsermessens nicht zu beanstanden. Mithin wirken einmal
- aus welchen Gründen auch immer - geschehene Anknüpfungen an materiell rechtswidrige Verteilungslagen über den eigentlichen
Regelungszeitraum hinaus nicht ad infinitum fort; dies ist auch im Interesse der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen
Honorarverteilungssystems geboten.
Infolge der Rechtswidrigkeit und somit Nichtigkeit der Verteilungsregelung in § 5 Abs 4 des HVM vom 30.3.2001 ist die Beklagte
verpflichtet, eine neue - rechtmäßige - Aufteilungsvorschrift für die hiervon erfassten Quartale zu schaffen und auf dieser
Grundlage die Honoraransprüche der Klägerin für die hier streitigen Quartale IV/2000 bis II/2001 neu zu berechnen.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klagen bezüglich der Quartale IV/2000 bis I/2001, die noch im Jahr 2001 erhoben
wurden, auf §
193 Abs
1 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und insoweit noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff). Für
die Ende Januar 2002 erhobene Klage bezüglich des Quartals II/2001 ergibt sich die Kostenentscheidung aus §
197 Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung.