Ermächtigung psychiatrischer Institutsambulanzen zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung
Sicherstellung des Versorgungsbedarfs durch vorhandene Ambulanzen
Zumutbarkeit von Wegen von mehr als 25 km
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Ermächtigung zum Betrieb einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) in
einer räumlich und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angebundenen Einrichtung.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses für Psychiatrie und Neurologie nebst PIA in K und unterhält weitere PIAs ua
in L, S und W. Seit Oktober 2015 betreibt sie eine Wohneinrichtung für psychisch beeinträchtigte Menschen in B (Landkreis
G). Ihren Antrag, sie zum Betrieb einer PIA in B zu ermächtigen (§
118 Abs
4 SGB V), lehnte der Zulassungsausschuss nach Durchführung einer Bedarfsabfrage bei den in den Planungsbereichen Kreis G und L niedergelassenen
Psychiatern, Nervenärzten und Psychotherapeuten ab (Bescheid vom 19.7.2016 aus der Sitzung vom 8.6.2016). Der beklagte Berufungsausschuss
wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Bescheid vom 28.11.2016 aus der Sitzung vom 2.11.2016). Die Ermächtigung sei nicht
notwendig, da bereits entsprechende Versorgungsangebote in W, L und S bestünden. Anhaltspunkte dafür, dass die betroffenen
Patienten dort aus Kapazitätsgründen nicht behandelt werden könnten, seien nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Alle
drei PIAs lägen in zumutbarer Entfernung und die PIAs in L und W seien auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
gut erreichbar.
Die Klage der Klägerin ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 15.5.2019). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil des vom 19.11.2020). Der Bedarf der Bewohner der Wohneinrichtung
in B könne durch die bereits bestehenden PIAs sichergestellt werden. Es bestehe eine gute Verkehrsanbindung nach W und L.
Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass es den Bewohnern der Wohneinrichtung krankheitsbedingt nicht zumutbar sei,
diese PIAs alleine aufzusuchen. Ziel der Wohneinrichtung sei die Wiedereingliederung der Bewohner in das gesellschaftliche
Leben. Hierzu gehöre auch die Nutzung des ÖPNV zu PIAs, die nicht weiter als 25 km von B entfernt seien.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von §
118 Abs
4 iVm Abs
1 SGB V. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, dass der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung habe ablehnen dürfen,
weil die notwendige psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung der schwer psychisch erkrankten Menschen von Leistungserbringern
außerhalb der Gemeindegrenzen sichergestellt werde. Ob zumutbar erreichbare Versorgungsangebote bestünden, sei mit Blick auf
die zu versorgenden Patienten und deren behinderungsbedingte Bedürfnisse zu bestimmen. Hier habe der Beklagte durch den Verweis
auf die Versorgungsangebote in W, L und S die Grenzen des ihm grundsätzlich eingeräumten Beurteilungsspielraumes überschritten.
Die schweren psychischen Erkrankungen der Bewohner der Wohneinrichtung in B gingen größtenteils mit Desorientierung, Antriebs-
und Motivationslosigkeit sowie fehlendem Durchhaltevermögen einher, sodass das eigenständige Zurücklegen von längeren Fahrtstrecken
mit öffentlichen Verkehrsmitteln für sie teilweise kaum überwindbare Hindernisse darstellte. Für die Versorgung dieser Versicherten
seien die gesetzgeberischen Wertungen zur ärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. Konkrete
Vorgaben ergäben sich dabei vor allem aus Art 25 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) in Verbindung mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art
5 Abs
2 UN-BRK und dem Benachteiligungsverbot des Art
3 Abs
3 Satz 2
GG. Art
25 Satz 1 UN-BRK statuiere nach seinem Wortlaut ausdrücklich das Recht von Menschen mit Behinderungen auf ein "Höchstmaß an
Gesundheit", wobei gemäß Satz 3 Buchstabe c "Gesundheitsleistungen so gemeindenah wie möglich" anzubieten seien "auch in ländlichen
Gebieten". Soweit wie möglich seien daher Gesundheitsleistungen innerhalb der Grenzen der Gemeinde anzubieten. Dieses Normverständnis
decke sich auch mit Ziel und Zweck der UN-BRK, Menschen mit Behinderungen nicht nur die unabhängige Lebensführung und individuelle
Autonomie ihrer Person, sondern auch die volle und wirksame Teilhabe in allen Lebensbereichen der Gesellschaft und die Einbeziehung
bzw Inklusion in die Gesellschaft zu gewährleisten. Nur durch die Gemeindenähe von geeigneten Unterstützungs- und Gesundheitsleistungen
könne der in der UN-BRK niedergelegte inklusive Ansatz gewahrt werden, indem geeignete, wohnortnahe unterstützende Strukturen
geschaffen würden. Wenn es nach der Rechtsprechung des BSG Versicherten grundsätzlich nicht zuzumuten sei, zur Wahrnehmung von allgemeinen Versorgungsangeboten mehr als 25 km zurückzulegen,
sei diese Grenze mit Blick auf die Versorgung von Menschen mit Behinderungen und die in der UN-BRK zum Ausdruck kommenden
Wertungen weiter zu modifizieren.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.11.2020 und des SG Mainz vom 15.5.2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.11.2016
(Sitzung vom 2.11.2016) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Ermächtigung zum Betrieb
einer psychiatrischen Institutsambulanz am Standort B nach §
118 Abs
4 SGB V zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
§
118 Abs
4 SGB V lege nicht im Einzelnen fest, unter welchen Voraussetzungen eine Ermächtigung "notwendig" ist, um die Versorgung nach Abs
1 und 2 sicherzustellen. Die von der Klägerin vertretene enge Auslegung des §
118 Abs
4 SGB V iVm Art 25 UN-BRK liefe darauf hinaus, dass immer dann, wenn im Gemeindegebiet noch keine Außenstelle vorhanden sei, eine Ermächtigung
zu erteilen sei und kein Beurteilungsspielraum für die Zulassungsgremien mehr bestehe. Dies gehe über den Wortlaut des Art
25 Satz 3 Buchstabe c UN-BRK hinaus, der nicht zwingend ein Angebot von Gesundheitsleistungen stets und ohne Ausnahme direkt
in der Gemeinde, sondern nur "so gemeindenah wie möglich" vorschreibe.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung
der begehrten Ermächtigung revisionsrechtlich beanstandungsfrei verneint.
A. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, nachdem der Senat die notwendige
Beiladung (§
75 Abs
2 SGG) der Beigeladenen zu 7. mit deren Zustimmung im Revisionsverfahren nachgeholt hat (§
168 Satz 2 Alt 2
SGG). Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassenverbände - soweit sie nicht
schon als Kläger Verfahrensbeteiligte sind - stets beizuladen, wenn ein Beschluss des Berufungsausschusses angegriffen wird
(vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2020 - B 6 KA 18/19 R - BSGE 131, 73 = SozR 4-5520 § 24 Nr 14, RdNr 13 mwN).
B. Der Bescheid des Beklagten vom 28.11.2016 ist nicht bereits rechtswidrig, weil der Beklagte seine Entscheidung auf der
Grundlage eines unzureichend ermittelten Versorgungsbedarfs getroffen hätte (zum Bescheid des Berufungsausschusses als alleiniger
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens vgl BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 1/17 R - BSGE 126, 40 = SozR 4-2500 § 95 Nr 34, RdNr 20 mwN).
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Ermächtigung zum Betrieb einer PIA in B ist §
118 Abs
1 iVm Abs
4 SGB V (hier in der aktuell geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung [Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz
- GVWG] vom 11.7.2021, BGBl I 2754; zur maßgeblichen Rechtslage vgl BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 61/07 R - BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 31/16 R - BSGE 124, 266 = SozR 4-2500 § 95 Nr 33, RdNr 20 ff).
a) Nach §
118 Abs
1 SGB V sind psychiatrische Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung
der Versicherten zu ermächtigen. Diese Ermächtigung setzt nicht das Vorliegen eines Versorgungsbedarfs voraus; die in §
118 Abs
1 Satz 2
SGB V enthaltene Ausrichtung auf solche Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder zu großer Entfernung
zu geeigneten Ärzten auf die Behandlung durch ein Krankenhaus angewiesen sind, stellt kein Erfordernis eines Versorgungsbedarfs,
sondern lediglich eine inhaltliche Beschränkung der Ermächtigung dar (BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 61/07 R - BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1, RdNr 13 sowie bereits zum früheren Recht BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 1/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 2 und 3 f = juris RdNr 12; BSG Urteile vom 21.6.1995 - 6 RKa 49/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 2 S 7 f = juris RdNr 18 und 6 RKa 3/95 - USK 9589 S 488). Daneben sind Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen, fachärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen
mit regionaler Versorgungsverpflichtung von Gesetzes wegen zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung
ermächtigt (§
118 Abs
2 Satz 1
SGB V; vgl auch BSG Urteil vom 28.1.2009 aaO). Die geplante PIA in B, bei der es sich nicht um ein Krankenhaus im Sinne des §
107 Abs
1 SGB V handelt (vgl hierzu BSG Urteil vom 28.1.2009 aaO RdNr 14 ff) und bei der auch kein räumlicher Zusammenhang mit dem Klinikum in K oder einer der von
der Klägerin betriebenen Tageskliniken besteht (vgl BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 49/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 2 S 8 = juris RdNr 18), erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Ermächtigung gemäß §
118 Abs
1 Satz 1
SGB V. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
b) Als Anspruchsgrundlage kommt somit nur §
118 Abs
4 SGB V in Betracht, der mit Wirkung vom 23.7.2015 durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) angefügt wurde. Danach sind die in den Abs 1 und 2
genannten Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung
zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolgt,
soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine Versorgung nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 sicherzustellen. Diese
Anforderung setzt eine Bedarfsprüfung zwingend voraus. Dagegen wird im Rahmen des Abs 4 nicht vorausgesetzt, dass an dem geplanten
Standort in B bereits eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene (teil-)stationäre Einrichtung betrieben und der Standort
entsprechend in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen wurde (vgl hierzu BSG Urteil vom 29.6.2022 - B 6 KA 13/21 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
2. Bei der Prüfung und Feststellung des für die Erteilung einer Ermächtigung nach §
118 Abs
4 SGB V notwendigen Versorgungsbedarfs steht den Zulassungsgremien ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher
Beurteilungsspielraum zu. Dies ist im Bereich des Sonderbedarfs und der Ermächtigung stRspr des Senats (vgl zuletzt BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 24 mwN zum Sonderbedarf; zu Ermächtigungen vgl BSG Urteil vom 19.7.2006 - B 6 KA 14/05 R - SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 16 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 6/15 R - BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 33 zum sozialpädiatrischen Zentrum [SPZ]). Ausschlaggebend für die Zuerkennung dieses Beurteilungsspielraums
ist der Umstand, dass es sich bei den Zulassungs- und Berufungsausschüssen um sachverständige, gruppenplural zusammengesetzte
Gremien handelt, die bei der Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Vielzahl unterschiedlicher
Faktoren zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen haben, für deren Beurteilung die besondere Fachkunde und Ortsnähe
der Mitglieder in den Zulassungsinstanzen erforderlich ist (BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr 19, RdNr
21 mwN). Dies trifft auch auf die Ermächtigung nach §
118 Abs
4 SGB V zu (vgl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 26.5.2021 - L 3 KA 22/20 - juris RdNr 55; LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 1.6.2021 - L 4 KA 3/20 - juris RdNr 20; SG Nürnberg Urteile vom 27.10.2021 - S 13 KA 9/17, S 13 KA 8/19 - jeweils juris RdNr 35; zum Gestaltungsspielraum bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Ermächtigung nach Abs 2 Satz 2:
BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 61/07 R - BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1, RdNr 30 f).
3. Welche konkreten Kriterien bei der Versorgungsbedarfsprüfung nach §
118 Abs
4 SGB V anzulegen sind, ist nicht gesetzlich geregelt (kritisch hierzu Gamperl in Kasseler Kommentar,
SGB V, Werkstand Dezember 2021, §
118 RdNr 11; zum Sonderbedarf vgl §§
36, 37 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses [GBA] über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von
Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung [BedarfsplRL]). Den Gesetzesmaterialien lässt sich
lediglich entnehmen, dass - anders etwa als bei der Ermächtigung von Krankenhausärzten nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) - ein Feststellungsbeschluss über eine Unterversorgung oder eine drohende Unterversorgung (vgl §
100 Abs
1 Satz 1
SGB V; §§
28 ff BedarfsplRL) nicht erforderlich ist (Beschlussempfehlung und Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/5123 S 133 zu Nr 53a [§ 118 SGB V]; zur ambulanten Behandlung durch Krankenhäuser
bei Unterversorgung vgl §
116a SGB V).
a) Jedoch ergibt sich aus dem Wortlaut des §
118 Abs
4 SGB V (notwendig, "um eine Versorgung nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 sicherzustellen"), dass es um den Bedarf der Versicherten
geht, die auf eine ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung durch die in §
118 Abs
1 und
2 SGB V genannten Institutsambulanzen der Krankenhäuser angewiesen sind (Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2017, §
118 SGB V RdNr 26; Rademacker in Hauck/Noftz,
SGB V, Werkstand 2022, §
118 RdNr 23). Dabei unterscheidet die Vorschrift zwischen zwei Gruppen von Versicherten, (1.) solchen, die wegen Art, Schwere
oder Dauer ihrer Erkrankung auf die ambulante Behandlung durch psychiatrische Krankenhäusern oder durch selbstständige psychiatrische
Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern mit regionaler Versorgungsverpflichtung angewiesen sind (§
118 Abs
1 Satz 2 Alt 1, Abs
2 Satz 2
SGB V), sowie (2.) Versicherten, die solche schweren psychischen Krankheitsbilder nicht aufweisen, aber wegen zu großer Entfernung
zu geeigneten Ärzten die Behandlung durch Institutsambulanzen in einem psychiatrischen Krankenhaus benötigen (§
118 Abs
1 Satz 2 Alt 2
SGB V).
aa) Auf die zweite Patientengruppe ("zu große Entfernung") bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht. Eine solche Bedarfsprüfung
unterscheidet sich im Grunde nicht von der Prüfung der Versorgungslage, wie sie bei einem Antrag auf eine Sonderbedarfszulassung
im betroffenen Planungsbereich vorzunehmen ist. Denn diese Patientengruppe könnte grundsätzlich auch durch niedergelassene
Ärzte behandelt werden und ist lediglich wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf das besondere Angebot eines psychiatrischen
Krankenhauses angewiesen. Wenn unzumutbare Entfernungen geltend gemacht werden, müssen die Zulassungsgremien - wie bei der
Prüfung von Sonderbedarf - letztlich ermitteln, welche psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen Leistungen in welchem
Umfang im Planungsbereich erforderlich sind, von den dort zugelassenen Ärzten aber nicht - bzw nicht in zumutbarer Entfernung
- angeboten werden. Zur Ermittlung der konkreten Bedarfssituation ist es dabei regelmäßig geboten, die niedergelassenen Ärzte
nach ihrem Leistungsangebot und der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen (vgl BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 26 mwN). Im Falle des §
118 Abs
1 Satz 2 Alt 2 iVm Abs
4 SGB V ist ferner ergänzend zu ermitteln, inwieweit andere PIAs im Umkreis bereits den Versorgungsbedarf decken. Zudem wäre in diesem
Fall vorrangig die Erteilung einer Zulassung im Wege des Sonderbedarfs ins Auge zu fassen, sollte hierfür ein entsprechender
Antrag vorliegen (zum Vorrang der niedergelassenen Ärzte und MVZ vor einer [individuellen] Ermächtigung vgl BSG Urteil vom 19.7.2006 - B 6 KA 14/05 R - SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 16 mwN).
bb) Andere Anforderungen sind an die Bedarfsprüfung für die von der Klägerin beantragte Patientengruppe psychisch Kranker
und behinderter Menschen mit schweren Krankheitsbildern (§
118 Abs
1 Satz 2 Alt 1, Abs
2 Satz 2
SGB V) zu stellen, die nicht wegen zu großer Entfernung zu einem geeigneten Vertragsarzt oftmals nur unzureichend oder gar nicht
ambulant medizinisch versorgt sind, sondern weil sie - krankheitsbedingt - nicht bereit sind, einen niedergelassenen Nervenarzt
aufzusuchen, oder durch das Leistungsspektrum der Vertragsärzte - zB wegen eines ungenügenden multiprofessionellen Angebots,
begrenzter Flexibilität des Personaleinsatzes - nicht ausreichend behandelt werden können (vgl Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Gesetzes zur Reform
der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreform 2000], BT-Drucks 14/1977 S 167 zu Art 1 Nr 67a - neu - [§ 118] zu Abs 2; BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 1/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 3 = juris RdNr 13; vgl auch Wiegand, Psychiat Praxis 2022, 118, 119 zur Konkurrenz um Therapieplätze bei der psychotherapeutischen
Weiterbehandlung nach stationärem Aufenthalt).
Da diese schwer psychisch erkrankten Patienten von dem Angebot der niedergelassenen Ärzte regelmäßig nicht erreicht werden,
kann die Erteilung einer Ermächtigung grundsätzlich auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die niedergelassenen
Psychiater, Nervenärzte und Psychotherapeuten im Einzugsbereich der geplanten PIA noch freie Behandlungskapazitäten haben.
Vielmehr ist in erster Linie entscheidend, ob das Angebot der bereits nach Abs 1 und 2 oder nach Abs 4 ermächtigten PIA ausreicht,
einen bestehenden Bedarf bei den wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung auf die Behandlung durch ein Krankenhaus angewiesenen
Versicherten zu decken (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 26.5.2021 - L 3 KA 22/20 - juris RdNr 57; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 4. Aufl 2021, RdNr 1227; Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV,
2017, §
118 SGB V RdNr 26: es gehe "nicht um die psychiatrische Versorgung schlechthin"; Rademacker in Hauck/Noftz,
SGB V, Werkstand 2022, § 118 RdNr 23; vgl auch BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 6/15 R - BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 28 mwN zu SPZ).
b) Die Gesetzesentwicklung der Teilnahmevoraussetzungen für psychiatrische Krankenhäuser und Allgemeinkrankenhäuser bestätigt
diese Auslegung. Bereits seit dem Jahr 2000 setzt die Ermächtigung sowohl für psychiatrische Krankenhäuser (Abs 1) als auch
für Allgemeinkrankenhäuser (Abs 2) keine Bedarfsprüfung mehr voraus, wie sie zuvor noch für Allgemeinkrankenhäuser erforderlich
gewesen war (zur Historie vgl §
118 Abs
1 Satz 1
SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20.12.1988, BGBl I 2477; BSG Urteil vom 15.4.1986 - 6 RKa 30/83 - SozR 2200 § 386n Nr 41; BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 49/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 2 S 8 = juris RdNr 18). Dass es zu keinen Doppelstrukturen und damit zu keinen Interessenkollisionen mit den niedergelassenen
Ärzten komme, sah der Gesetzgeber durch die gesetzliche Ermächtigung zur Behandlung nur der in dem dreiseitigen Vertrag nach
§
118 Abs
2 Satz 2
SGB V näher definierten Kranken, die in den Vertragsarztpraxen nicht behandelbar sind, als sichergestellt an (vgl Beschlussempfehlung
und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf einer GKV-Gesundheitsreform 2000, BT-Drucks 14/1977 S 167 f). Sowohl
für die Versorgung nach §
118 Abs
1 SGB V als auch nach Abs
2 geht der Gesetzgeber somit - typisierend - davon aus, dass eine Versorgung der schwer psychisch erkrankten Versicherten in
den Praxen niedergelassenen Psychiater, Nervenärzte und Psychotherapeuten nicht ausreichend möglich ist. Folglich kann es
bei der Bedarfsprüfung in Bezug auf die Gruppe der Versicherten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung auf die
ambulante Behandlung durch Krankenhäuser nach Abs 1 oder 2 angewiesen sind, in der Regel auf die allgemeine Versorgungssituation
bei den Vertragsärzten (Wartezeiten, freie Behandlungskapazitäten) nicht ankommen (ähnlich LSG Niedersachsen-Bremen Urteil
vom 26.5.2021 - L 3 KA 22/20 - juris RdNr 58, vgl aber auch RdNr 59: evtl begleitende Auskünfte der niedergelassenen Ärzte und Therapeuten etwa über Kenntnisse
von Wartezeiten in den PIAs). Etwas anderes gilt allerdings, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in der Umgebung
der geplanten PIA der Bedarf der schwer psychisch Erkrankten durch die Praxen niedergelassener Ärzte oder MVZ bereits tatsächlich
gedeckt wird oder gedeckt werden könnte, etwa weil dieses Mitglied in einem Netzverbund nach § 3 Abs 2 der Richtlinie über
die berufsübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit
komplexem psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL) sind (vgl hierzu auch unten C. 2. b) aa)
[3], RdNr 47) oder aus anderen Gründen ein den Leistungen einer PIA ähnliches Angebot anbieten. Dann sind auch diese in die
Bedarfsermittlung miteinzubeziehen (aA wohl Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2017, §
118 SGB V RdNr
26, der allgemein von einem Nachrang einer Ermächtigung nach Abs 4 gegenüber niedergelassenen Ärzten ausgeht).
4. Vorliegend erfolgte eine Bedarfsabfrage lediglich bei den niedergelassenen Vertragsärzten. Zudem hat der Beklagte auf Behandlungsmöglichkeiten
in den anderen regionalen PIAs verwiesen, ohne zu erfragen, ob dort tatsächlich Behandlungskapazitäten bestehen. Dies ist
angesichts der Stellung der Klägerin als alleinige Anbieterin von psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen in
stationären Einrichtungen oder durch Institutsambulanzen für den Kreis der schwer psychisch Erkrankten in der Region jedoch
im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Der Beklagte stellt grundsätzlich nicht in Frage, dass bei den Bewohnern der Wohneinrichtung sowie den Versicherten aus
G ein Bedarf für psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen besteht. Soweit er sich insoweit auf die Angaben der Klägerin
stützt, ist dies nicht zu beanstanden. Die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche
Maß ausschöpfen, dh sich so weit erstrecken, wie sich Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (§ 21 Abs 1 Satz 1 SGB X). In diesem Bereich ist kein Raum für die Annahme eines Beurteilungsspielraums (vgl BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 16; BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 25 zum Sonderbedarf). Weitere Ermittlungen, welcher konkreter Versorgungsbedarf im räumlichen
Einzugsbereich der geplanten PIA in B besteht, mussten sich nicht als erforderlich aufdrängen. Der Beklagte durfte davon ausgehen,
dass die Klägerin als Trägerin sowohl des P klinikums als auch sämtlicher PIAs im Umkreis (ua in der Klinik selbst sowie in
L, W und S) den Bedarf kennt und als Antragstellerin die ihr bekannten Tatsachen korrekt und vollständig angibt. Ohne konkrete
Anhaltspunkte für einen über die Angaben der Klägerin hinausgehenden Bedarf sind die Zulassungsgremien jedenfalls nicht verpflichtet
"ins Blaue" zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr 19, RdNr 27).
b) Ein Versorgungsbedarf am Standort B allein begründet indes noch keine Notwendigkeit für eine Ermächtigung nach §
118 Abs
4 SGB V. Entscheidend ist, ob dieser nicht durch andere (zumutbar erreichbare) Versorgungsangebote namentlich von anderen PIAs gedeckt
werden kann. Insofern wäre es im Grunde erforderlich gewesen, dass der Beklagte bei den PIAs im Umfeld, auf die er verweist
(W und S), nachfragt, ob freie Kapazitäten bestehen oder zumindest die Möglichkeit gegeben ist, das Behandlungsangebot auszuweiten.
Denn grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des Senats zur Deckung eines bestehenden Bedarfs nur reale, nicht dagegen
potenzielle Versorgungsangebote zu berücksichtigen, die tatsächlich nicht zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 27, jeweils mwN; zur Pflicht der Zulassungsgremien, die Antworten kritisch zu würdigen, zu
objektivieren und zu verifizieren vgl BSG Urteil vom 5.11.2008 - B 6 KA 56/07 R - BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr 3, RdNr 19, 22, 28; BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 28 mwN). Etwas anderes gilt allerdings, wenn eine Situation vorliegt, in der die Zulassungsgremien
keinen Anlass haben müssen, an der Richtigkeit der ihnen vorgelegten Angaben zu zweifeln. Dann müssen die Zulassungsgremien
dem auch nicht durch weitere Ermittlungen nachgehen (vgl BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 28 f zu SPZ).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass die Sachverhaltsermittlungen
der Zulassungsgremien unzureichend gewesen wären. Denn die Klägerin, die allein über alle nötigen Informationen verfügt, hat
zu keinem Zeitpunkt eingewandt, dass die PIA in W oder die PIA in S die Bewohner der Einrichtung in B oder weitere Patienten
aus G mangels freier Kapazitäten nicht behandeln könnten. Sie hat sich nur darauf gestützt, dass dieser Patientenkreis eine
PIA außerhalb von B krankheitsbedingt nicht zumutbar erreichen könne. Stellt die antragstellende Trägerin eines Krankenhauses
aber sämtliche in Frage kommenden alternativen regionalen Behandlungsangebote durch eigene Einrichtungen zur Verfügung, so
kann von ihr grundsätzlich verlangt werden, offensichtlich für eine Ermächtigung sprechende Informationen wie Wartezeiten,
fehlende Behandlungskapazitäten in den bereits ermächtigten Einrichtungen schon im Verwaltungsverfahren vorzutragen und zwar
auch dann, wenn sie sich - wie hier - auf einen anderen (rechtlichen oder tatsächlichen) Aspekt stützen will. Tut sie dies
nicht, dürfen die Zulassungsgremien ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass hinreichende Kapazitäten in den eigenen
Einrichtungen der Klägerin vorhanden sind (zur Mitwirkungspflicht des Antragstellers in Bezug auf ihm bekannte Tatsachen vgl
BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr 19, RdNr 27 zum Sonderbedarf). Im Übrigen hat die Klägerin auch den Ausführungen des LSG, dass der
Versorgungsbedarf der Bewohner der Wohneinrichtung in B durch die bereits bestehenden von ihr betriebenen PIAs sichergestellt
werden könne (Urteilsumdruck S 14), nicht widersprochen.
C. Hinsichtlich der hier im Vordergrund stehenden Frage, wann eine PIA für den von §
118 Abs
1 Satz 2 Alt 1, Abs
2 Satz 2
SGB V erfassten Personenkreis mit schweren psychischen Erkrankungen zumutbar erreichbar ist, ist auf die Rechtsprechung des Senats
zur zumutbaren Erreichbarkeit anderer Versorgungsangebote im Rahmen des Sonderbedarfs bzw individueller Ermächtigungen von
Krankenhausärzten zurückzugreifen (dazu 1.). Besonderheiten im Hinblick auf die schweren Krankheitsbilder der von §
118 SGB V erfassten Versicherten bestehen nur insoweit, als hier regelmäßig darauf abzustellen ist, ob die bereits bestehenden Einrichtungen
zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind (dazu 2.). Weitere Einschränkungen auch im Hinblick auf die Anforderungen
der UN-BRK oder das auf das Diskriminierungsverbot des Art
3 Abs
3 Satz 2
GG sind nicht vorzunehmen (dazu 3.). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben durfte der Beklagte die Erteilung der Ermächtigung
für die geplante PIA in B unter Verweis auf die Versorgungsangebote in W bzw S ablehnen (dazu 4.).
1. Die Zulassungsgremien überschreiten - soweit auch die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sichergestellt ist (vgl hierzu sogleich
unter 2.) - ihren Beurteilungsspielraum im Regelfall nicht, wenn sie die Ablehnung einer Ermächtigung nach §
118 Abs
4 SGB V damit begründen, dass Behandlungsmöglichkeiten in anderen, weniger als 25 km vom Wohnort der potentiellen Patienten entfernten
Institutsambulanzen bestehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind für allgemeine Leistungen Wege von mehr als 25
km zu Ärzten in aller Regel nicht zumutbar (vgl BSG Urteil vom 19.7.2006 - B 6 KA 14/05 R - SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 19 - Ermächtigung für MRT-Leistungen; BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 22/09 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 8 RdNr 24 - Sonderbedarfszulassung für psychotherapeutische Leistungen; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 36/09 R - BSGE 107, 147 = SozR 4-2500 § 101 Nr 9, RdNr 20). Hieran hat der Senat auch nach der Änderung des Zuschnitts der Planungsbereiche durch
den Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2013 (vgl §
101 Abs
1 Satz 6
SGB V idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetz [GKV-VStG] vom 22.12.2011, BGBl I 2983, mWv 1.1.2012, sowie § 36 Abs 4 Satz 4 BedarfsplRL
in der Neufassung durch den Beschluss des GBA vom 16.5.2013, BAnz AT vom 3.7.2013 B5) in Bezug auf die hausärztliche Versorgung
und für die allgemeine fachärztliche Versorgung, bei der der Landkreis weiterhin Planungsbereich ist, festgehalten (vgl BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 35, vgl auch RdNr 42 ff zur Berücksichtigung von Versorgungsangeboten aus angrenzenden Planungsbereichen).
Zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung gehören auch Nervenärzte und Psychotherapeuten einschließlich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
(§ 12 Abs 1 Nr 6 und 7, Abs 2 Nr 7 Satz 1 BedarfsplRL). Kinder- und Jugendpsychiater gehören demgegenüber zur spezialisierten
fachärztlichen Versorgung nach § 13 Abs 1 Nr 3 BedarfsplRL. Dabei lässt der Senat ausdrücklich offen, wie - allgemeine fachärztliche/spezialisierte
fachärztliche Versorgung - das multiprofessionelle Angebot der PIAs in diesem Kontext einzuordnen ist und ob dementsprechend
wie bei der allgemeinen fachärztlichen Versorgung Wege von mehr als 25 km regelmäßig nicht zumutbar sind (vgl etwa SG Nürnberg
Urteil vom 27.10.2021 - S 13 KA 8/19 - juris RdNr 48: spezialisierte fachärztliche Versorgung).
2. Die Besonderheiten des hier betroffenen Patientenkreises mit schweren psychischen Krankheitsbildern machen es allerdings
erforderlich, über die reine Distanz von 25 km hinaus zu überprüfen, ob die alternativen Behandlungseinrichtungen für diese
auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar erreichbar sind (dazu a). Darüber hinaus sind keine weiteren Einschränkungen
notwendig im Hinblick darauf, dass die betroffenen Versicherten häufig krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, auch kürzere
Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, etwa weil ihnen bedingt durch ihre psychische Erkrankung der Antrieb
hierfür fehlt (dazu b).
a) Grundsätzlich kommt es nach der Rechtsprechung des Senats zum Sonderbedarf bei der Beurteilung der zumutbaren Erreichbarkeit
einer Praxis oder anderer ärztlichen Einrichtung im ländlichen Raum - wie er ersichtlich auch hier gegeben ist - auf Entfernungen
mit dem PKW und damit auf die Zeit an, die man mit dem PKW benötigt. Auf die Zeitdauer bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
kann wegen der generell schlechteren Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln dort nicht abgestellt werden (vgl BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 21 RdNr 34, ausdrücklich offenlassend, ob dies auch in städtischen Bereichen gilt). Dies lässt sich
auf den Kreis der Patienten mit schweren psychischen Krankheitsbildern nicht ohne Weiteres übertragen.
aa) Das Gesetz konkretisiert die Patientengruppe, die wegen der Art, Schwere und Dauer der Erkrankung auf die Behandlung durch
die Institutsambulanzen von Krankenhäusern angewiesen ist (§
118 Abs
1 Satz 2, Abs
2 Satz 2
SGB V), nicht selbst. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers gehören hierzu aber insbesondere schwere Verläufe psychischer Krankheiten,
zB bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, schweren Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen sowie geriatropsychiatrische
Erkrankungen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf einer GKV-Gesundheitsreform 2000,
BT-Drucks 14/1977 S 167 f zu Art 1 Nr 67a - neu - [§ 118] zu Abs 2; vgl hierzu auch bereits den Bericht über die Lage der
Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland - Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der
Bevölkerung - die sog Psychiatrie-Enquête 1975, BT-Drucks 7/4200 S 209: "schizophrene Psychosen, Alkohol- und sonstige Suchtkranke
sowie psychisch Alterskranke").
bb) Für Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen psychiatrischen Abteilungen haben der GKV-Spitzenverband, die Deutsche
Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) in einem dreiseitigen Vertrag die Gruppe psychisch
Kranker festzulegen, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung der ambulanten Behandlung durch eine der psychiatrischen
Abteilung eines Allgemeinkrankenhauses nach Abs 2 Satz 1 angeschlossenen PIA bedürfen (§
118 Abs
2 Satz 2
SGB V). Jedoch überschreiten die Zulassungsgremien ihren Beurteilungsspielraum nicht, wenn sie sich auch für psychiatrische Krankenhäuser
im Rahmen des §
118 Abs
1 Satz 2
SGB V an der Vereinbarung nach Abs 2 Satz 2 orientieren (vgl BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 61/07 R - BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 §
118 Nr 1, RdNr 31; Grühn/Seifert in Eichenhofer/v Koppenfels-Spies/Wenner,
SGB V, 3. Aufl 2018, § 118 RdNr 5; vgl auch BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 3/95 - USK 9589 S 488 = juris RdNr 19 zur Rechtslage vor der GKV-Gesundheitsreform sowie Bogan in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.3.2022,
SGB V §
118 RdNr 7, 17: Kriterien identisch).
Nach ihrer Systematik geht die vom GKV-Spitzenverband, der DKG und der KÄBV mit Wirkung vom 1.7.2010 geschlossenen "Vereinbarung
zu Psychiatrischen Institutsambulanzen gemäß §
118 Abs.
2 SGB V" vom 30.4.2010 (DÄ 2010, 329, zuletzt geändert durch Änderungsvereinbarung vom 19.9.2019, DÄ 2019, A-2261, mit Wirkung vom
1.10.2019; im Folgenden: PIA-Vereinbarung) von einer Diagnosen-Positivliste ergänzt um Kriterien für die Schwere und/oder
Dauer der Erkrankung aus (§ 3 iVm Anlage 1 Nr 1 PIA-Vereinbarung). Diese Diagnosen-Positivliste (Anlage 1 PIA-Vereinbarung)
stützt sich auf die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen deutschen Fassung ([ICD-10-GM]) und umfasst ua Demenzerkrankungen, psychische
und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Formen der Schizophrenie sowie schizotyper und wahnhafter Störungen,
bestimmte affektive Störungen wie Manie mit/ohne psychotischen Symtomen oder bipolare affektive Störungen mit gegenwärtig
manischer oder depressiver Episode, schwere depressive Episoden bzw rezidivierende depressive Störungen mit gegenwärtig schwerer
Episode, Angst-, Zwangs- und Posttraumatische Belastungsstörungen, schwere Formen der Essstörung sowie bestimmte schwere Störungen
der Persönlichkeit (etwa paranoide oder schizoide Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ) bzw der Geschlechtsidentität. Eine
Vielzahl dieser Erkrankungen geht mit kognitiven Beeinträchtigungen einher, depressive Episoden auch mit einer Verminderung
von Antrieb und Aktivität.
cc) Auch wenn nicht bei allen Krankheitsbildern - etwa bei Essstörungen - eine Fahrt mit dem eigenen Kfz von vorneherein ausgeschlossen
scheint, kann bei dem so umrissenen Patientenkreis psychisch Kranker typisierend davon ausgegangen werden, dass diese häufig
krankheitsbedingt nicht in der Lage sein werden, zur ambulanten Behandlung mit dem Auto anzureisen und daher auf öffentliche
Verkehrsmittel angewiesen sind. Auch ein im Nahbereich von 25 km liegendes Behandlungsangebot kann daher für Versicherte mit
schweren psychischen Krankheitsbildern ausscheiden, wenn dieses mit dem ÖPNV nur unter unzumutbaren Bedingungen, etwa mit
mehreren Umstiegen oder mit langen Fahrzeiten, zu erreichen ist. Insofern kann der grundsätzlich auch bei der Beurteilung
der Zumutbarkeit von Entfernungen bestehende Beurteilungsspielraum des Beklagten (BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 34/10 R - SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 18 mwN; BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 12/12 B - juris RdNr 8) eingeschränkt sein.
Unzumutbar ist dabei jedoch noch nicht jede Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die mit einem Umstieg verbunden ist. Ob tatsächlich
allein auf Direktverbindungen abgestellt werden kann, hängt regelmäßig auch von den konkreten örtlichen Gegebenheiten ab und
fällt daher in den Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien (vgl BSG Beschluss vom 15.8.2012, aaO). Entsprechendes gilt für die Dauer der Anfahrt. Solange die Fahrtzeit nicht eine Stunde überschreitet,
wie es etwa von der S3-Leitlinie "Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen" (2. Aufl, Stand 2.10.2018)
für die Anfahrt zur gemeindenahen Behandlung empfohlen wird (vgl Kapitel 10.2 "Evidenzkapitel: Gemeindepsychiatrische Behandlungsansätze",
S 125 unter ergänzende Hinweise: "Die gemeindenahe Behandlung durch ein multiprofessionelles Team erfordert die Sicherstellung:
... der Erreichbarkeit des Behandlungsortes innerhalb einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Wohnort des Patienten";
ähnlich bereits die Psychiatrie-Enquête 1975, BT-Drucks 7/4200 S 204), ist nicht ersichtlich, dass die Zulassungsgremien die
Grenzen der Vertretbarkeit für die Beurteilung der zumutbaren Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln überschritten hätten (ebenso
SG Nürnberg Urteil vom 27.10.2021 - S 13 KA 8/19 - juris RdNr 49).
b) Weitergehende Einschränkungen für den Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien zur Feststellung des Versorgungsbedarfs
ergeben sich im Hinblick auf die Schwere der psychischen Erkrankungen der in Institutsambulanzen behandelten Versicherten
nicht. Auch wenn den Bewohnern der Wohneinrichtung in B krankheitsbedingt Antrieb und Motivation fehlen und sie aus diesem
Grund nicht in der Lage sein sollten, Versorgungsangebote außerhalb ihres Wohnortes oder sogar außerhalb ihres unmittelbaren
Umfeldes wahrzunehmen, verengt dies nicht den Beurteilungsspielraum des Beklagten dahingehend, dass nur eine Institutsambulanz
"vor Ort" in Betracht kommt. Dies folgt zum einen aus der Gesetzesgeschichte (dazu aa), aber auch aus dem begrenzten Aufgabenbereich
der gesetzlichen Krankenversicherung (dazu bb).
aa) Der fehlende Antrieb bzw die fehlende Motivation, einen Behandler aufzusuchen, stellt eine typische Problematik der von
§
118 SGB V erfassten Personengruppen dar, die nach der Konzeption des Gesetzes nicht durch die Ermächtigung einer Vielzahl von räumlich
und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angebundenen PIAs gelöst werden sollte. Hierfür kommen andere Maßnahmen, insbesondere
die sog aufsuchende Hilfe im Rahmen der ambulanten Behandlung einer PIA sowie ergänzende Leistungen der GKV wie etwa die Soziotherapie
(§
37a SGB V) in Betracht. Hinzu kommen unterstützende Leistungen auch anderer Sozialleistungsträger (vgl hierzu unter bb).
(1) Anlass für die Einführung von Institutsambulanzen waren die Ergebnisse der Psychiatrie-Enquête 1975 (BT-Drucks 7/4200),
die aufgezeigt hatten, dass bestimmte Gruppen psychisch Kranker und behinderter Menschen, insbesondere solche mit schweren
Krankheitsbildern, wie schizophrenen Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten, oftmals nur unzureichend
oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt wurden, weil sie nicht bereit waren, einen niedergelassenen Nervenarzt aufzusuchen
(vgl BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 1/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 3 sowie oben unter B. 3. a bb). Als eine von vier Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Umsetzung der von der Sachverständigen-Kommission
erarbeiteten Empfehlungen nannte die Enquête das Prinzip der "gemeindenahen Versorgung" (BT-Drucks 7/4200 S 36), die sich
nicht in "zu großer Entfernung" vom Lebensbereich psychisch Kranker und behinderter Menschen befinden sollte und verwies in
diesem Zusammenhang auch auf unterschiedliche Bedingungen in ländlichen Gebieten und Ballungsräumen (aaO S 17). Soweit die
Psychiatrie-Enquête 1975 insofern vorschlug, sog "Standardversorgungsgebiete" mit in der Regel 250 000 Einwohnern zu bilden
(aaO S 28, 309), empfahl später die Expertenkommission der Bundesregierung zur Reform der Versorgung im psychiatrischen und
psychotherapeutisch/psychosomatischen Bereich auf der Grundlage des Modellprogramms "Psychiatrie" der Bundesregierung von
1988 (im Folgenden: Expertenkommission 1988), von den Gebieten der kreisfreien Städte und Landkreise auszugehen und Versorgungsregionen
mit 100 000 bis 150 000 Einwohnern abzugrenzen (vgl S 33 der Zusammenfassung in BT-Drucks 11/8494 S 28 ff). Auch diese "gemeindeintegrierte"
Versorgung, in deren Mittelpunkt nicht mehr das Krankenhaus, sondern die Gemeinde steht (vgl aaO S 32), meint aber keine kleinteilige
Versorgung mit einer PIA am Wohnort des Patienten, wie sie die Klägerin wünscht.
Die Psychiatrie-Enquête 1975 ging davon aus, dass es "zu den Eigenarten eines Teiles psychisch Kranker gehört, sich aus mangelnder
Einsichtsfähigkeit der Behandlung zu entziehen" (aaO S 211 zur Nach- bzw Weiterbehandlung [Nachsorge] im Anschluss an die
Entlassung aus der stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus; vgl auch S 202 und S 208). Hierauf sollte
jedoch nicht durch ein Angebot von Institutsambulanzen reagiert werden, deren Netz sogar enger wäre als das der hausärztlichen
oder allgemeinen fachärztlichen Versorgung für die Versichertengemeinschaft insgesamt. Vielmehr hielt es die Sachverständigen-Kommission
für notwendig, dass "die offenkundige Lücke in der ambulanten Versorgung eines Teiles der psychisch Kranken durch geeignete
ambulante Aktivitäten, welche von den stationären psychiatrischen Einrichtungen ausgehen, ausgefüllt wird. Die hier erforderliche
Versorgungsform wird den Charakter einer ausgesprochen aktiv-nachgehenden, aufsuchend-ambulanten Behandlung haben müssen"
(BT-Drucks 7/4200 S 212). Auch die Empfehlungen der Expertenkommission 1988 zur Institutsambulanz als "Nachsorgeeinrichtung
für krankenhausentlassene, schwerer psychisch Gestörte und Rückfallgefährdete" betonen, dass sie diese Grundfunktion wahrnehme
"durch kontinuierliche Weiterbehandlung und aufsuchend-ambulante Aktivitäten" (vgl BT-Drucks 11/8494 S 36).
Dass diese Ausführungen nicht überholt sind, zeigen die Empfehlungen der S3-Leitlinie "Psychosoziale Therapien bei schweren
psychischen Erkrankungen", dass nicht nur (1) in allen Versorgungsregionen eine gemeindepsychiatrische, teambasierte und multiprofessionelle
Behandlung zur Versorgung von Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zur Verfügung stehen sollte, sondern auch dass
(2) Menschen mit chronischen und schweren psychischen Störungen die Möglichkeit haben sollten, auch über einen längeren Zeitraum
und über akute Krankheitsphasen hinausgehend, nachgehend aufsuchend in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandelt zu werden und
dass (3) die Möglichkeit der aufsuchenden Behandlung insbesondere für die Versorgung von wohnungslosen Menschen mit schwerer
psychischer Erkrankung sowie bei drohenden Behandlungsabbrüchen zur Verfügung stehen sollte (Empfehlungen 10, 12 und 13, Kapitel
7, S 38; vgl auch Empfehlung 17: "Schwer psychisch kranke Menschen sollen selbstbestimmt in der Gemeinde wohnen und entsprechend
ihren individuellen Bedarfen und Präferenzen mobil unterstützt werden", aaO S 39; zur aufsuchenden gemeindepsychiatrischen
Behandlung vgl zudem im Einzelnen S 113 ff).
(2) Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung der PIA - damals noch auf vertraglicher Ebene - durch das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz
(KVWG) vom 28.12.1976 (BGBl I 3871) ausdrücklich von den Erkenntnissen der Psychiatrie-Enquête 1975 und deren Empfehlungen
für eine Verbesserung der ambulanten psychiatrischen Versorgung der Bevölkerung leiten lassen (vgl Bericht des Ausschusses
für Arbeit und Sozialordnung ua zu dem Entwurf eines KVWG, BT-Drucks 7/5365 S 6 zu Art 1 § 1 Nr 30 [§ 368n RVO]; vgl BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 3/95 - USK 9589 S 488 = juris RdNr 20) und auch anlässlich des GRG im Wesentlichen nur die bisherige vertragliche Regelung durch einen Ermächtigungstatbestand ersetzt (vgl BT-Drucks 11/2237
S 202; vgl BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 1/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 1 = juris RdNr 13).
Im Zuge der GKV-Gesundheitsreform 2000 hat der Gesetzgeber die Problematik derjenigen "Patienten, die einen dringenden ambulanten
Behandlungsbedarf haben, die aber auf Grund der Art, Schwere und Dauer der Verläufe ihrer Erkrankungen von sich aus Vertragsärzte
nicht aufsuchen bzw. durch das Leistungsspektrum der Vertragsärzte nicht ausreichend behandelt werden können (z. B. ungenügendes
multiprofessionelles Angebot, begrenzte Flexibilität des Personaleinsatzes)" im Zusammenhang mit der Ermächtigung nach §
118 SGB V erneut aufgegriffen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf einer GKV-Gesundheitsreform
2000, BT-Drucks 14/1977 S 167), aber trotz der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines räumlichen
Zusammenhangs der Institutsambulanz mit dem psychiatrischen Krankenhaus (vgl BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 49/94 - SozR 3-2500 § 118 Nr 2 S 7 f = juris RdNr 17 f), es zunächst nicht für erforderlich gehalten, eine Ermächtigung auch von räumlich und organisatorisch
von dem Krankenhaus getrennten Einrichtungen einzuführen (zu dem zeitgleich mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 eingeführten
Anspruch auf Soziotherapie nach §
37a SGB V, der ebenfalls auf den von §
118 SGB V erfassten Personenkreis abzielt, vgl unten [3]).
Erst 20 Jahre später hat er mit dem GKV-VSG vom 16.7.2015 unter Hinweis auf die besondere Bedeutung der psychiatrischen Versorgung
insbesondere auch für Kinder und Jugendliche (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Entwurf
eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/5123 S 133 zu Nr
53a) in §
118 Abs
4 SGB V eine gesetzliche Grundlage für die Ermächtigung von räumlich und organisatorisch nicht angebundenen Einrichtungen der Krankenhäuser
nach Abs 1 und Abs 2 geschaffen. Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber des
GKV-VSG nunmehr für die Gruppe der Versicherten mit schweren psychischen Krankheitsbildern ein ambulantes Versorgungsangebot
am jeweiligen Wohnort schaffen wollte.
(3) Hiergegen spricht im Übrigen auch die Gesetzesentwicklung in Bezug auf den von §
118 SGB V erfassten Personenkreis außerhalb der Ermächtigung von Institutsambulanzen. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich verschiedene
Maßnahmen ergriffen, um die Situation gerade der schwer psychisch erkrankten Versicherten, die von den niedergelassenen Ärzten
nicht ausreichend versorgt werden, zu verbessern. So hat er im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000 für Versicherte, die
wegen schwerer psychischer Erkrankungen nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig
in Anspruch zu nehmen, einen Anspruch auf Soziotherapie eingeführt (§
37a Abs
1 Satz 1
SGB V). Diese umfasst ua die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation
zu deren Inanspruchnahme (§
37a Abs
1 Satz 2
SGB V; zum erfassten Personenkreis und zum konkreten Leistungsinhalt vgl §§
2 und
3 der Richtlinie des GBA über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung [Soziotherapie-RL] idF
vom 22.1.2015, BAnz AT 14.4.2015 B5, zuletzt geändert am 18.3.2021, BAnz AT 15.4.2021 B3; vgl auch § 4 Abs 3 Satz 1 Soziotherapie-RL,
wonach eine PIA oder die dort tätigen Fachärzte und Psychotherapeuten Soziotherapie verordnen können).
Die Einführung der Soziotherapie hat der Gesetzgeber ausdrücklich damit begründet, dass schwer psychisch Kranke häufig nicht
in der Lage seien, Leistungen, auf die an sich ein Anspruch besteht, selbstständig in Anspruch zu nehmen, woraus wiederkehrende
stationäre Aufenthalte resultieren können (sog "Drehtüreffekt"). Kern des Leistungsanspruchs auf Soziotherapie ist ein vom
Verordnenden unter Beteiligung des Leistungserbringers der Soziotherapie und des Patienten erarbeiteter Behandlungsplan, der
verschiedene Behandlungselemente (zB Heilmittel, häusliche Krankenpflege) zu einer Komplexleistung zusammenfasst. Ziel der
Soziotherapie ist die selbstständige Inanspruchnahme der Leistungen (vgl Entwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zur GKV-Gesundheitsreform 2000, BT-Drucks 14/1245 S 66 zu Nummer 20 [§ 37a] zu Abs 1).
Neben dem Anspruch auf Soziotherapie sieht seit dem 1.7.2005 die Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege (Häusliche
Krankenpflege-Richtlinie - HKP-RL - idF vom 16.2.2000, BAnz 2000 Nr 91, S 8 878, in Kraft getreten am 14.5.2000, zuletzt geändert
am 15.2.2005, BAnz 2005 Nr 96, S 7 969, in Kraft getreten am 1.7.2005) in seiner Anlage 1 Nr 27a beim Vorliegen bestimmter
psychischen Erkrankungen und hieraus resultierenden definierten Funktionsstörungen Leistungen der psychiatrischen häuslichen
Krankenpflege vor (Erarbeiten der Pflegeakzeptanz [Beziehungsaufbau], Durchführen von Maßnahmen zur Bewältigung von Krisensituationen,
Entwickeln kompensatorischer Hilfen bei krankheitsbedingten Beeinträchtigungen der Aktivitäten [Fähigkeitsstörungen], vgl
aktuell HKP-RL idF vom 17.9.2009, BAnz Nr 21a [Beilage] vom 9.2.2010, in Kraft getreten am 10.2.2010, zuletzt geändert am
19.11.2021, BAnz AT 25.3.2022 B1, in Kraft getreten am 26.3.2022: § 4 [Besonderheiten der Verordnung der psychiatrischen Krankenpflege]
und Anlage Nr 27a; zu Leistungen der häusliche Krankenpflege neben Leistungen der PIA vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom
20.7.2010 - L 11 KR 1960/09 - PflR 2010, 634). Zuvor waren - als Bestandsschutzregelung - spezifische Leistungen der häuslichen Krankenpflege für psychisch
Kranke nur verordnungsfähig, soweit diese vertraglich vereinbart waren (vgl etwa der HKP-RL idF vom 16.2.2000, aaO unter I
[Grundlagen] Nr 3).
Mit Wirkung vom 1.1.2017 hat der Gesetzgeber zudem mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für
psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) vom 19.12.2016 (BGBl I 2986) als neue Behandlungsform die stationsäquivalente
Behandlung eingeführt. Diese umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle
Behandlungsteams und entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären
Behandlung (§
39 Abs
1 Satz 1, 4 und 5
SGB V). Ihr Ziel ist es, psychisch schwer kranken Menschen eine Behandlung im gewohnten Lebensumfeld zu ermöglichen. Die Gesetzesbegründung
verweist insofern darauf, dass insbesondere Patienten mit kompliziertem Krankheitsverlauf und psychosozialen Beeinträchtigungen
häufig nicht in der Lage seien, die vorhandenen Behandlungsangebote aktiv aufzusuchen (Entwurf eines PsychVVG, BT-Drucks 18/9528
S 46 zu Nr
2 [§ 39]). §
115d Abs
1 Satz 1
SGB V begrenzt die Berechtigung zur Erbringung stationsäquivalenter psychiatrischer Behandlung im häuslichen Umfeld auf psychiatrische
Krankenhäuser mit regionaler Versorgungsverpflichtung sowie Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen fachärztlich geleiteten
psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung. Insofern betont der Gesetzgeber, dass die stationsäquivalente
Behandlung im häuslichen Umfeld strukturell über die aufsuchende Behandlung hinausgehe, die an der ambulanten Versorgung teilnehmende
Leistungserbringer, wie etwa niedergelassene Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren oder psychiatrische Institutsambulanzen
ausüben (BT-Drucks 18/9528 S 48 zu Nr 5 [§ 115d]). In geeigneten Fällen, insbesondere wenn dies der Behandlungskontinuität
dient oder aus Gründen der Wohnortnähe sachgerecht ist, kann das Krankenhaus aber an der ambulanten psychiatrischen Versorgung
teilnehmende Leistungserbringer mit der Durchführung von Teilen der Behandlung beauftragen (§
115d Abs
1 Satz 1 und
3 SGB V). Der Gesetzgeber setzt die stationsäquivalente Behandlung letztlich ein, um Versorgungslücken für schwer psychisch kranke
Versicherte zu schließen, die krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, ein (hier: teilstationäres) Behandlungsangebot wahrzunehmen.
Daneben gibt es Möglichkeiten zur Versorgung schwer psychisch Erkrankter durch Regionalbudgets im Rahmen von Modellvorhaben
zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach §
64b SGB V, die ebenfalls eine Versorgung von Patienten im häuslichen Umfeld beinhalten können (vgl Tophoven/Wessels, G+S 2013, 93,
94), und schließlich Leistungen nach der gemäß §
92 Abs
6b SGB V vom GBA erlassenen KSVPsych-RL vom 2.9.2021 (BAnz 17.12.2021 B3, in Kraft getreten am 18.12.2021), die ua eine Verbesserung
des Zugangs sowie der Koordination ("Vernetzung") der Versorgung von erwachsenen Versicherten mit schweren psychischen Erkrankungen
und deutlichen Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen (vgl § 2 KSVPsych-RL zur Definition der Patientengruppe)
zum Ziel hat. Die KSVPsych-RL soll vor allem die Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und stationären Einrichtungen
verbessern: Es sollen vertragliche Zusammenschlüsse (Netzverbunde) gebildet werden, die mindestens insgesamt zehn Fachärzte
(für Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, für Nervenheilkunde oder Neurologie
und Psychiatrie, für Neurologie vgl § 3 Abs 2 Nr 1 und 3 KSVPsych-RL) und ärztliche bzw psychologische Psychotherapeuten (§
3 Abs 2 Nr
2 KSVPsych-RL) umfassen sowie einen Kooperationsvertrag mit mindestens einem nach §
108 SGB V zugelassenes Krankenhaus mit psychiatrischen oder psychosomatischen Einrichtungen sowie mindestens einem weiteren Leistungserbringer
(etwa Ergo- oder Soziotherapeut) abschließen müssen (§ 3 Abs 3 KSVPsych-RL). Die KSVPsych-RL setzt - neben einem schnellen
Erstkontakt, einer schnellen Diagnostik (beides idR innerhalb von sieben Werktagen) und einen zeitnahen Beginn der Behandlung
(§ 6 Abs 1 Nr 2 bis 3 KSVPsych-RL) - insbesondere auf die Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person (§
5 KSVPsych-RL), die auch die Vereinbarung von Terminen bei Leistungserbringern und - sofern erforderlich - das Aufsuchen des
Patienten im häuslichen Umfeld sowie den wöchentlichen telefonischen oder persönlichen Kontakt und das Hinwirken auf Termintreue
einschließt (§ 10 Abs 1 Nr 3, 4 und 6 KSVPsych-RL).
Im Ergebnis zeigen die dargestellten Leistungen des
SGB V, die speziell für den auch in den Institutsambulanzen behandelten Personenkreis der schwer psychisch Erkrankten gelten, dass
der Gesetzgeber eine Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen zur Krankenbehandlung Versicherter getroffen hat und es nicht
allein bei der Ermächtigung von wohnortnahen PIAs belassen hat, um ansonsten schwer motivierbare Patienten zu behandeln.
bb) Daneben kommen unterstützend Leistungen anderer Träger in Betracht. So sind zB Leistungen zur Sozialen Teilhabe im Rahmen
der Eingliederungshilfe auch Leistungen zur Mobilität in der Form von Leistungen zur Beförderung möglich, insbesondere durch
einen Beförderungsdienst (§
113 Abs
2 Nr
7 iVm §
83 Abs
1 Nr
1 SGB IX) sowie Assistenzleistungen zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags insbesondere zur Sicherstellung
der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen (§
113 Abs
2 Nr
2 iVm §
78 Abs
1 Satz 2
SGB IX). Diese können als "einfache" oder "kompensatorische" Assistenz auch in der vollständigen oder teilweisen Übernahme von Handlungen
zur Alltagsbewältigung oder in der Begleitung des Leistungsberechtigten bestehen (§
78 Abs
2 Satz 2 Nr
1 SGB IX; vgl Zinsmeister in LPK-
SGB IX, 6. Aufl 2022, §
113 RdNr 3). Nach dem Landesrecht setzt der Betrieb von Wohneinrichtungen im Übrigen voraus, dass der Träger (hier die Klägerin)
und die Leitung "im Rahmen ihrer Einwirkungsmöglichkeiten für die fachgerechte ärztliche und sonstige gesundheitliche Versorgung
unter Beteiligung von ärztlichen und anderen therapeutischen Fachkräften" Sorge tragen (§ 15 Abs 1 Nr 2 des Landesgesetzes
Rheinland-Pfalz über Wohnformen und Teilhabe vom 22.12.2009, GVBl 399, mWv 1.1.2010).
3. Weder aus Art 25 UN-BRK (dazu a) noch aus dem Diskriminierungsverbot des Art
5 Abs
2 UN-BRK oder des Art
3 Abs
3 Satz 2
GG (dazu b) folgen weitergehende Anforderungen im Hinblick auf die Versorgung des von §
118 SGB V erfassten Patientenkreises.
a) Nach Art 25 Satz 1 UN-BRK erkennen die Vertragsstaaten an, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf das erreichbare
Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund der Behinderung haben. Zudem haben die Vertragsstaaten alle geeigneten
Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten,
einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation haben (Art 25 Satz 2 UN-BRK). "Insbesondere
a) stellen die Vertragsparteien Menschen mit Behinderungen eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in
derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen, einschließlich
sexual- und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungen und der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehender Programme
des öffentlichen Gesundheitswesens;
b) bieten die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen
benötigt werden, soweit angebracht, einschließlich Früherkennung und Frühintervention, sowie Leistungen, durch die, auch bei
Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen;
c) bieten die Vertragsstaaten diese Gesundheitsleistungen so gemeindenah wie möglich an, auch in ländlichen Gebieten" (Art
25 Satz 3 Buchstabe a bis c UN-BRK).
Zu den Menschen mit Behinderungen, für die die Gewährleistungen der Konvention gelten (Art 1 Abs 2 UN-BRK), gehören auch psychisch
Kranke, wenn die Beeinträchtigung längerfristig und von solcher Art ist, dass sie den Betroffenen an der vollen, wirksamen
und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern kann (vgl BVerfG Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282, 306 f = juris RdNr 53 unter Verweis auf Art 1 Abs 2 UN-BRK; vgl auch §
2 Abs 1
SGB IX).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Art 25 Satz 3 Buchstabe a und b iVm Satz 1 und 2 UN-BRK, die in Deutschland im Rang einfachen Bundesrechts gelten (BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 19, 20; BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 27; BVerfG Beschluss vom 26.7.2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313, RdNr 88), nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen der Umsetzung durch den Gesetzgeber. Konkrete Leistungsansprüche
oder Anforderungen an die Deckung des Versorgungsbedarfs lassen sich aus der Norm daher nicht herleiten. Diese ist nicht hinreichend
bestimmt, um etwa von den Krankenkassen oder den Zulassungsgremien unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf einer Ausführungsgesetzgebung
und ist non-self-executing (vgl BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 12/13 R - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 27; BSG Urteil vom 15.3.2018 - B 3 KR 4/17 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 52 RdNr 23 sowie BSG Beschluss vom 10.5.2012 - B 1 KR 78/11 B - SozR 4-2500 § 140f Nr 1 RdNr 8 für die isolierte Betrachtung des Art 25 Satz 1 und 2 UN-BRK, vgl dagegen RdNr 9 zur unmittelbaren
Anwendbarkeit von Art 25 Satz 3 Buchstabe f UN-BRK als spezielles Diskriminierungsverbot). Für Art 25 Satz 3 Buchstabe c iVm
Satz 1 und 2 UN-BRK gilt nichts anderes. Dieser nimmt schon rein sprachlich ("diese Gesundheitsleistungen") Art 25 Satz 3
Buchstabe b UN-BRK in Bezug und teilt deshalb dessen rechtliches Schicksal.
bb) Auch soweit die UN-BRK als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden
kann (BVerfG Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282, 306 = juris RdNr 52; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.11.2018 - 1 BvR 957/18 - NJW 2019, 291 = juris RdNr 3) und damit letztendlich auch Bedeutung für die Auslegung des Versorgungsbedarfs nach der einfachrechtlichen
Bestimmung von §
118 Abs
4 SGB V erlangt (vgl auch BSG Urteil vom 10.9 2020 - B 3 KR 15/19 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 55 RdNr 27), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die in Art 25 Satz 3 Buchstabe c UN-BRK formulierte
Aufforderung an die Vertragsstaaten, die Gesundheitsleistungen so gemeindenah wie möglich anzubieten, auch in ländlichen Gebieten,
zwingt insbesondere nicht dazu, Menschen mit Behinderungen, die auf Leistungen einer PIA angewiesen sind, ein Versorgungsangebot
an ihrem Wohnort zu machen. "Gemeindenah" bedeutet schon nach seinem reinen Wortlaut eben nicht "in der jeweiligen Gemeinde".
Zu Recht weist die Klägerin selbst darauf hin, dass der Begriff der Gemeinde nach dem Wortlaut der verbindlichen (vgl Art
50 Abs 1 UN-BRK) englischen bzw französischen Fassung ("as close as possible to people's own communities", "près que possible
de leur communauté") nicht die Gemeinde im politischen oder administrativen Sinn meint, sondern die soziale Gemeinschaft.
Bereits die Psychiatrie-Enquête 1975 verstand unter "gemeindenah" die unmittelbare Nähe zu Arbeitsstätten, Wohngebieten, Sozialeinrichtungen
und Behörden (vgl BT-Drucks 7/4200 S 17; vgl auch die Expertenkommission 1988 zur "gemeindeintegrierten" Versorgung, BT-Drucks
11/8494 S 32). Hintergrund war die Erkenntnis, dass das psychiatrische Krankenhaus häufig dazu beitrug, den Patienten von
seinem normalen sozialen Bezugsfeld zu isolieren (BT-Drucks 7/4200 S 63). Allerdings wurde insofern in Bezug auf das Bedürfnis
nach einem Versorgungsangebot in "erreichbarer Nähe", klargestellt, dass "die Bezeichnung 'erreichbare Nähe' dadurch definiert
[wird], daß die entsprechenden Versorgungseinrichtungen in der Regel innerhalb von etwa einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln
aufgesucht werden können. Im allgemeinen entspricht das einem Gebiet mit einem Radius von 25 km" (BT-Drucks aaO S 204). Den
Begriff der Gemeindenähe in Art 25 UN-BRK hat der deutsche Gesetzgeber nicht anders verstanden und insofern in der das Ausführungsgesetz
zur UN-BRK begleitenden Denkschrift darauf verwiesen, dass eine gemeindenahe ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung,
auch in ländlichen Gebieten, durch die Regelungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§§
99 ff
SGB V) und die auf ihrer Grundlage erlassenen Bedarfsplanungs-Richtlinien erreicht werden solle (Denkschrift zu dem Übereinkommen
vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BT-Drucks 16/10808 S 59 zu Art 25 [Gesundheit]).
b) Ob Art 25 UN-BRK darüber hinaus ein spezielles Diskriminierungsverbot enthält (so BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 16 sowie BVerfG Beschluss vom 16.12.2021 - 1 BvR 1541/20 - NJW 2022, 380 = juris RdNr 103: "Die Vertragsstaaten sind nach Art. 25 BRK insbesondere verpflichtet, Menschen mit Behinderung einen in
jeder Hinsicht diskriminierungsfreien Zugang zu der für sie notwendigen Gesundheitsversorgung zu verschaffen"; offengelassen
von BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 30), welches - ebenso wie das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK (vgl hierzu BSG Urteil vom 6.3.2012, aaO RdNr 29; BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 22/14 R - SozR 4-2500 § 55 Nr 3 RdNr 23) - unmittelbar anwendbar wäre, muss der Senat nicht entscheiden. Jedenfalls entsprächen die
Folgen sowohl aus Art 25 UN-BRK als auch aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot im Wesentlichen dem Benachteiligungsverbot
aus Art
3 Abs
3 Satz 2
GG (BVerfG Beschluss vom 16.12.2021, aaO; BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 31).
Weder die Diskriminierungsverbote der UN-BRK noch das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot behinderter Menschen (Art
3 Abs
3 Satz 2
GG) gebieten jedoch, den in §
118 Abs 4
SGB V vorausgesetzten Versorgungsbedarf in der von der Klägerin gewünschten Weise auszulegen.
Das Benachteiligungsverbot des Art
3 Abs
3 Satz 2
GG ist nicht nur Grundrecht, sondern zugleich auch objektive Wertentscheidung. Aus ihm folgt - über das sich aus dem Wortlaut
unmittelbar ergebende Verbot der Benachteiligung hinaus - die besondere Verantwortung des Staates für behinderte Menschen
(vgl BVerfG Beschluss vom 30.1.2020 - 2 BvR 1005/18 - juris RdNr 37). Eine Benachteiligung kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch
die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme hinlänglich
kompensiert wird (vgl BVerfG Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288, 303; BVerfG Beschluss vom 19.1.1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341, 357; BVerfG Beschluss vom 16.12.2021 - 1 BvR 1541/20 - NJW 2022, 380 = juris RdNr
91). Der von Art
3 Abs
3 Satz 2
GG umfasste Förderauftrag vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren
finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten (vgl BVerfG Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288, 308; BVerfG Beschluss vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - BVerfGE 151, 1 RdNr 56; vgl auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses [6. Ausschuss] zu dem Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des
Grundgesetzes, BT-Drucks 12/8165 S 29 zu Art
1 Nr
1 b) - neu - Art
3 Abs
3 Satz 3
GG - neu: "bevorzugende Maßnahmen zum Ausgleich bestehender Nachteile weiterhin nicht nur zulässig, sondern geboten").
Auch nach diesen Maßstäben hält sich die angegriffene Entscheidung im aufgezeigten verfassungsrechtlichen Rahmen. Zwar erfolgt
bei einem Verständnis des Versorgungsbedarfs im Sinne des §
118 Abs
4 SGB V, der sich an der Bedarfsplanung für die allgemeine fachärztliche Versorgung der Versicherten orientiert, wie es hier der
Beklagte getan hat, nicht schon eine Gleichstellung mit Menschen ohne Behinderung. Denn wenn Versicherte behinderungsbedingt
nicht in der Lage sind, im gleichen Maße wie Versicherte ohne Behinderungen einen Arzt in der Nähe aufzusuchen, besteht -
auch bei gleicher Versorgungsdichte - zumindest eine mittelbare Benachteiligung.
Anders als die Klägerin meint, ist diese Benachteiligung jedoch nicht zwingend durch ein besonders wohnortnahes Versorgungsangebot
auszugleichen, damit die Patienten in ihrer Teilhabemöglichkeit den nichtbehinderten Patienten gleichgestellt sind. Das Benachteiligungsverbot
des Art
3 Abs
3 Satz 2
GG gilt nicht ohne jede Einschränkung, auch wenn die Rechtfertigung einer Benachteiligung einem strengen Maßstab unterliegt
(vgl BVerfG Beschluss vom 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - BVerfGE 151, 1 RdNr 57; vgl auch BVerfG Beschluss vom 19.1.1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341, 357 = juris RdNr 56). Hier wird die krankheits- und/oder behinderungsbedingte Unfähigkeit von Patienten mit schweren psychischen
Beeinträchtigungen, Behandelnde in ihrer Praxis oder in einer Institutsambulanz aufzusuchen, zumindest zu einem Teil dadurch
kompensiert, dass das gesetzliche Konzept der Versorgung durch Institutsambulanzen die Möglichkeit der aufsuchenden Behandlung
enthält. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber - wie oben unter 2. b) aa) (3) dargelegt - zahlreiche weitere gesetzliche Möglichkeiten
für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen geschaffen, die krankheits- und/oder behinderungsbedingt nicht in der Lage
sind, Versorgungsangebote außerhalb ihres unmittelbaren Wohnumfeldes wahrzunehmen.
4. Nach den dargelegten Maßstäben ist es im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die Ermächtigung
der geplanten PIA in B unter Verweis auf die bestehenden PIAs in W und S abgelehnt hat. Die Bewohner der Einrichtung in B
können die PIA in W zumutbar sowohl mit dem Kfz als auch mit dem ÖPNV erreichen bzw sind auch für Behandler der PIA W im Rahmen
der aufsuchenden Hilfe schnell erreichbar. Die Wegstrecke von Haustür zu Haustür beträgt ausgehend von den von dem Beklagten
nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Klägerin im Klageverfahren 23,6 km. Soweit das LSG in seinem Urteil von einer Entfernung
von 13,4 km ausgeht (vgl Urteilsumdruck S 14), handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln
erreicht man die PIA in W ebenfalls nach den eigenen unwidersprochenen Angaben der Klägerin im Klageverfahren mit Wegezeiten
von unter einer Stunde ("etwa 45 bis 50 Minuten" bezogen auf alle drei PIAs in der Region, vgl Urteilsumdruck S 6).
Soweit die geplante PIA in B auch auf Patienten aus G ausgerichtet ist, können diese zumutbar auf die PIA in S verwiesen werden.
Die Entfernung beträgt laut Klägerin 17,4 km. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man die PIA in S mit einer Direktverbindung
in rund 27 Minuten, wobei vom Bahnhof S bis zur PIA S ein etwas weiterer Fußweg (1,2 km) zurückzulegen ist oder ein Bus genommen
werden kann.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen eigenen Antrag gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).