Befugnis zur Anfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung in der vertragsärztlichen Versorgung
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der den Beigeladenen erteilten Zweigpraxisgenehmigungen (auch als "Filialtätigkeitsgenehmigung"
bezeichnet).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis (jetzt: örtliche Berufausübungsgemeinschaft), in der zwei Fachärzte für Orthopädie
und ein Arzt für rehabilitative Medizin in R. Landkreis R. (Planungsbereich R.) vertragsärztlich tätig sind. Der Planungsbereich
ist wegen Überversorgung für Fachärzte für Orthopädie gesperrt. Die Beigeladenen sind als Orthopäden in örtlicher Berufsausübungsgemeinschaft
- zunächst mit Praxissitz in der Gemeinde N., seit 16.3.2009 in S. (jeweils Planungsbereich S.) - vertragsärztlich tätig.
Mit Bescheiden vom 31.1.2007 erteilte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) den Beigeladenen zu 1. und 2. jeweils
antragsgemäß die Genehmigung zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an einem weiteren Ort, am Standort R.. Hiergegen erhob
die Klägerin Widerspruch, welcher erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 23.5.2007). Klage (Urteil des Sozialgerichts [SG]
vom 11.12.2007) und Berufung sind ebenfalls erfolglos geblieben.
Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht berechtigt, im Wege der defensiven Konkurrentenklage
die den Beigeladenen erteilten Zweigpraxisgenehmigungen anzufechten, da die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für
das Vorliegen einer Anfechtungsberechtigung aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Zwar erbrächten Klägerin und
Konkurrenten im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen, jedoch liege keine "Eröffnung der Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung" vor, da die Beigeladenen bereits einen Versorgungsauftrag in einem anderen Planungsbereich wahrnähmen. Die Zweigpraxisgenehmigung
erweitere das Recht zur Leistungserbringung weder hinsichtlich des Umfangs noch der Zahl der Leistungen; auch liege nicht
die Einräumung eines Zugangs zu einem Teilmarkt vor. Vielmehr würden nur die Leistungsorte, an denen eine Betriebsstättentätigkeit
entfaltet werden dürfe, verlagert bzw erweitert, und ein besserer Zugang zu den nicht am Vertragsarztsitz wohnenden (potentiellen)
Patienten - nicht aber hinsichtlich der abrechnungsfähigen Honorarsumme - geschaffen. Der an einem Vertragsarztsitz zugelassene
Vertragsarzt besitze kein Erstzugriffsrecht kraft seines Status auf die in seiner Nähe wohnenden Patienten, in das entfernter
residierende Ärzte aufgrund eines Nachrangs nicht eingreifen dürften.
Zwar sei unabhängig hiervon dem im örtlichen Umfeld niedergelassenen Vertragsarzt ausnahmsweise auch dann eine Anfechtungsberechtigung
zuzusprechen, wenn die Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung auf einer willkürlichen oder rechtsmissbräuchlichen Fehlentscheidung
beruhe, doch sei dies vorliegend nicht der Fall. Allerdings hätte die Genehmigung bei sachgerechter Anwendung nicht erteilt
werden dürfen, da es an einer "Verbesserung" der Versorgung fehle. Der neue Begriff der Verbesserung sei grundsätzlich losgelöst
von den Kriterien der Bedarfsprüfung zu interpretieren; alles, was in der gesamten Breite eines Facharztspektrums oder nur
in einem mehr oder minder großen Teil die Versorgungsdichte oder -qualität steigere, erfülle zunächst den Begriff der Verbesserung.
Allerdings dürfe sich die Bestimmung und Reichweite des Merkmals nicht zur Bedarfsplanung in Widerspruch setzen. Eine Verbesserung
des Leistungsangebots sei dann zu verneinen, wenn eine Überversorgung an Leistungen bestehe, es sei denn, die bedarfsplanerisch-rechnerische
Feststellung der Überversorgung stehe in greifbarem Widerspruch zur tatsächlichen Versorgungssituation. Trotz der Fehlerhaftigkeit
liege jedoch weder eine willkürliche noch eine rechtsmissbräuchliche Entscheidung vor, da sich die Beklagte mit der Rechtslage
auseinandergesetzt habe und die von ihr vertretene Auffassung angesichts der weitgehenden Ungeklärtheit der Bedeutung der
Normmerkmale und dem erkennbaren Bemühen um Auseinandersetzung nicht jeden sachlichen Argumentes entbehre (Urteil vom 23.7.2008
- MedR 2009, 56-59).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Ihre Anfechtungsberechtigung ergebe sich unmittelbar
aus § 24 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), da dieser Regelung ein Gebot der Rücksichtnahme auf
die Interessen der am Ort zugelassenen Ärzte zu entnehmen sei. Es handele sich um ein redaktionelles Versehen, wenn in der
Norm ein Anfechtungsrecht Dritter expressis verbis nicht vorgesehen sei. Der Gesetzgeber habe gerade durch die Einflechtung
von Versorgungsaspekten in die Norm keine bedarfsunabhängige, sondern eine bedarfsabhängige Entscheidung über die jeweilige
Genehmigung gewollt. Bei der Verlegung der Praxistätigkeit in einen weiteren Planungsbereich handele es sich um eine gravierende
Änderung des zu ihren - der Klägerin - Gunsten wirkenden Bestandsschutzes. Für sie - die Klägerin - sei die von den Beigeladenen
beabsichtigte Tätigkeit in R. nicht zumutbar, da sie bereits eine unterdurchschnittliche Fallzahl aufweise und eine Abwanderung
von Patienten drohe.
Es treffe nicht zu, dass ein Drittschutz nur unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Bundessozialgericht
(BSG) entwickelten Voraussetzungen bejaht werden könne. Zum einen handele es sich bei einer Zweigpraxisgenehmigung um eine
qualifikationsunabhängige Genehmigung der KÄV, für die andere Maßstäbe gelten müssten. Zum anderen könnten die Grundsätze
lediglich auf die in den entschiedenen Verfahren benannten Fälle und die bis zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage angewandt
werden; seinerzeit habe es die Regelung über Zweigpraxen (§ 24 Abs 3 Ärzte-ZV) in der jetzigen Form aber noch nicht gegeben.
Im Übrigen lägen diese Voraussetzungen auch vor. Für eine Zweigpraxisgenehmigung sei nur Raum, wenn kein im Planungsbereich
niedergelassener Arzt unter dem Betrieb der Zweigpraxis leide und dessen wirtschaftliche Existenz durch den Verlust von Patienten
bei bereits unterdurchschnittlicher Fallzahl gefährdet sei. Die Genehmigung der Zweigpraxis stelle ebenso wie die Zulassung
einen konstitutiven Verwaltungsakt dar; diese Statusgewährung besitze eine erhebliche Grundrechtsrelevanz. Die Berücksichtigung
bedarfsplanungsrechtlicher Aspekte lasse eine Vergleichbarkeit der Genehmigungserteilung mit der Erteilung einer Sonderbedarfszulassung
zu; zudem werde durch die Genehmigung eine Erweiterung der Tätigkeit vorgenommen, die der Ermächtigungserweiterung gleichstehe.
Durch die Zweigpraxisgenehmigung eröffne sich für die Beigeladenen der Zugang zu einem neuen und für diese bisher gesperrten
Planungsbereich. Diese "erweiterte" vertragsärztliche Tätigkeit gehe über die eigentliche Zulassung hinaus, da diese ausschließlich
auf einen Planungsbereich gerichtet erteilt worden sei. Wenn die Zweigpraxis in einem neuen und wegen Überversorgung gesperrten
Planungsbereich liege, sei sogar der Erwerb eines neuen Basis-Status für den weiteren Planungsbereich zu erkennen.
Ebenso sei ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis anzunehmen, da die Genehmigung normativ vom Bestehen eines qualitativen und quantitativen
Versorgungsdefizits im Sinne eines noch nicht gedeckten Versorgungsbedarfs abhängig sei. Der Nachrang der Zweigpraxisgenehmigung
folge bereits aus der Formulierung "wenn und soweit". Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis meine ausschließlich, dass die Genehmigungserteilung
davon abhängig sei, dass die bereits im Planungsbereich tätige Klägerin die fachärztlichen Leistungen nicht im Umfang des
üblichen Leistungsspektrums des Fachgebietes erbrächten. Ohne die drittschützende Wirkung der Norm würde die bestehende Bedarfsplanung
gänzlich überflüssig und unterlaufen werden.
Ein Anfechtungsrecht ergebe sich zudem daraus, dass die angefochtene Entscheidung auf so schweren Rechtsfehlern beruhe, dass
sie sich als Willkürentscheidung darstelle. Die Beklagte habe die Genehmigung erteilt, ohne den Bedarf - vor allem den Vorrang
der in dem Ort bereits niedergelassenen Klägerin - sowie den Tätigkeitsumfang der Beigeladenen und den in der Zweigpraxis
geplanten Leistungsumfang berücksichtigt zu haben. Sie habe die Genehmigung rechtsmissbräuchlich ohne Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen
erteilt; eine Auseinandersetzung mit der Rechtslage habe nicht stattgefunden. Die von der Beklagten vorgetragene fehlende
Rechtssicherheit sei nicht geeignet, ihr rechtsmissbräuchliches Handeln zu entschuldigen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.7.2008 und des Sozialgerichts München vom 11.12.2007 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 31.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.5.2007 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine Anfechtungsberechtigung scheitere bereits daran, dass
den Beigeladenen durch die streitgegenständlichen Zweigpraxisgenehmigungen kein Basis-Status gewährt werde, der ihnen im Sinne
der Rechtsprechung des BSG den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung eröffne, weil sie diesen als zugelassene Vertragsärzte
bereits inne hätten. Dass dieser Basis-Status durch eine Zweigpraxisgenehmigung nicht erweitert oder gar neu geschaffen werde,
lasse sich auch daran erkennen, dass es gesetzlich Krankenversicherten nicht verwehrt sei, einen Vertragsarzt in seiner "Stammpraxis"
aufzusuchen, unabhängig davon, ob dieser eine zum Wohnort des Versicherten näher gelegene Zweigpraxis betreibe. Dagegen spreche
auch, dass eine Zweigpraxisgenehmigung nicht "isoliert" erteilt werden könne, sondern bereits eine Zulassung voraussetze.
Zudem habe der Gesetzgeber die Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung nicht den Zulassungsgremien, sondern der Beklagten zugewiesen.
Zu Recht habe das LSG auch ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis verneint, denn die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung setze
gerade keine Bedarfsprüfung voraus.
Eine Anfechtungsberechtigung ergebe sich auch nicht aus dem Willkürverbot. Sie - die Beklagte - habe ausgehend von der Annahme,
dass es für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "Verbesserung der Versorgung" gerade nicht auf eine Bedarfsprüfung ankomme,
ihre Entscheidung auf Erwägungen - wie die Verkürzung von Wartezeiten, die angekündigte "24 Stunden-rund um die Uhr-Notfallversorgung"
und das Angebot spezieller ärztlicher Leistungen - gestützt, die sie zu der Annahme hätten berechtigen dürfen, dass die beantragten
Zweigpraxisgenehmigungen zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen würden. Sie habe bei der Auslegung der unbestimmten
Rechtsbegriffe "ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz" und "Verbesserung der Versorgung" nicht ermessensfehlerhaft
gehandelt, sondern Informationen eingeholt, anhand derer eine Verbesserung der Versorgung habe geprüft werden können, und
ihre Erwägungen verdeutlicht.
Nach Auffassung der Beigeladenen argumentiere die Klägerin vom Ergebnis her und versuche, die bisherige Rechtsprechung von
BVerfG und BSG zum Drittschutz bei defensiven Konkurrentenklagen zu umgehen. § 24 Abs 3 Ärzte-ZV lasse gerade nicht erkennen,
dass den im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsärzten ein Vorrang vor den dort in einer Zweigpraxis tätig werden
wollenden Vertragsärzten gewährt werden solle. Die Regelung verhalte sich in dieser Hinsicht völlig neutral, ganz im Gegensatz
zu der Formulierung in §
116 SGB V. Die Beklagte habe sich in ihrem Bescheid auch mit dem Tatbestandsmerkmal "Verbesserung der Versorgung" auseinandergesetzt.
Eine Berücksichtigung der Bedarfsplanung sei zwar in der Tat nicht erfolgt, doch sei dies aus damaliger Sicht der Beklagten
auch nicht notwendig gewesen. Nichts anderes gelte für die fehlende Gegenüberstellung der Leistungsangebote. Bei der Prüfung
von Willkürgesichtspunkten sei zudem zu beachten, dass es sich bei den erst zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Bestimmungen
um juristisches Neuland gehandelt habe.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet, denn sie ist nicht berechtigt, die den Beigeladenen erteilten Zweigpraxisgenehmigungen
anzufechten. Eine derartige Anfechtungsberechtigung steht Vertragsärzten oder Berufsausübungsgemeinschaften, die ihre Praxis
an dem Ort oder in dem räumlichen Umfeld betreiben, in dem die anderen Ärzte ihre Zweigpraxis eröffnen wollen, nicht zu.
1. Durchgreifende Bedenken schon gegen die Zulässigkeit der Revision oder der damit verfolgten Klage unter dem Gesichtspunkt
der Drittanfechtung bestehen allerdings nicht. Das Rechtsschutzinteresse für die Durchführung eines Revisionsverfahrens ist
gegeben, wenn das angefochtene Urteil den Revisionsführer beschwert (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG SozR 3-1500 § 54 Nr
40 S 82 f mwN; BSGE 86, 126, 129 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 289). Dies ist hier der Fall, denn das LSG hat der Klägerin die Befugnis zur Anfechtung der
Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung abgesprochen. Auch sonstige Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Die von der Klägerin
mit ihrer Revision weiter verfolgte Klage wäre nur unzulässig, wenn ihre Rechte durch die hier in Rede stehende Zweigpraxisgenehmigung
offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (s hierzu BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 14, 17 - zur Anfechtung einer Dialysegenehmigung - mwN aus der Rspr von BVerfG, Bundesverwaltungsgericht
[BVerwG] und BSG; zur sog Möglichkeitstheorie siehe zB auch BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, jeweils RdNr 17, BSG, Urteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr 5 RdNr 13 ff und B 6 KA 25/08 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 16 RdNr 16 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen, sowie BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 4 C 3.08 - unter II., vor 1.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Denn ob und inwieweit bereits zugelassene Vertragsärzte berechtigt
sind, anderen Ärzten erteilte Zweigpraxisgenehmigungen anzufechten, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Dementsprechend
ist die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage zulässig.
2. Die Prüfung der Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten erfolgt nach der Rechtsprechung des
Senats zweistufig (s zB BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, jeweils RdNr 22 ff und 26 ff). Zunächst ist zu klären, ob der Vertragsarzt oder die Berufsausübungsgemeinschaft
berechtigt ist, die dem konkurrierenden Arzt erteilte Begünstigung (zB Zulassung, Ermächtigung) anzufechten. Ist das zu bejahen,
muss geprüft werden, ob die den Dritten begünstigende Entscheidung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist.
Im vorliegenden Fall besteht schon keine Berechtigung der Klägerin, die den Beigeladenen ereilten Zweigpraxisgenehmigungen
anzufechten (ebenso Reiter/Spiegel, ZMGR 2008, 247, 254; aA: Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte,
Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 7. Aufl 2009, § 24 Ärzte-ZV RdNr 128; Liebold/Zalewski,
Kassenarztrecht, Stand Juni 2007, § 24 Ärzte-ZV, RdNr E 24-8; bei Zweigpraxen außerhalb der Mitglieds-KÄV: Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß,
Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 24 Ärzte-ZV RdNr 63 sowie Wollersheim,
GesR 2008, 281, 287; ebenso wohl auch Schwar in AZR 2008, 68, 71; unklar Steinhilper, MedR 2007, 469, 474; ebenfalls nicht eindeutig Orlowski/Halbe/Karch, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, 2. Aufl 2008, S 102 f).
Unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen anzufechten
(sog defensive Konkurrentenklage), hat das BSG in seinem Urteil vom 7.2.2007 - im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG
vom 17.8.2004 (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4) - im Einzelnen dargestellt (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; fortgeführt in den Urteilen vom 17.10.2007, BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, sowie vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr 5 und B 6 KA 25/08 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 16 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Danach besteht eine Anfechtungsberechtigung eines
Vertragsarztes nur dann, wenn (1.) der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten
(BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 19, 21; dies weiterführend BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, jeweils RdNr 17 f, 20, 22-24) und (2.) dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung eröffnet oder erweitert wird und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 23 iVm 32; ebenso die Urteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 17 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 19), sowie (3.) der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist.
Letzteres ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt,
der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 19-21; ebenso die Urteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 17 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 19).
Das BVerfG hat jüngst an diese Rechtsprechung angeknüpft (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 23.4.2009 - 1 BvR 3405/08 - GesR 2009, 376 = NVwZ 2009, 977). Es hat ausgeführt, dass eine unter dem Aspekt der Berufsfreiheit nach Rechtsschutz verlangende Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse
dann in Frage steht, wenn den bereits zum Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber den auf
den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist (BVerfG, aaO unter II.1.a unter Bezugnahme auf seinen früheren Beschluss
vom 17.8.2004). Da die von der Rechtsprechung des Senats aufgestellten Grundsätze für alle Fallgruppen von defensiven Konkurrentenklagen
Geltung beanspruchen, ist es - entgegen der Auffassung der Klägerin - ohne Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt die zur Beurteilung
anstehende Norm in Kraft getreten ist.
a) Von den genannten Voraussetzungen erfüllt ist diejenige, dass die Klägerin und die mit ihr konkurrierenden Beigeladenen
im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten. Zu diesen Merkmalen hat der Senat bereits in seinen Urteilen
vom 7.2.2007 und vom 17.10.2007 (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 19, 21 und BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, jeweils RdNr 17 f, 20, 22-24) Stellung genommen. Bereits in der Konstellation, die dem Urteil vom
17.10.2007 zugrunde lag (vgl BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, insbesondere RdNr 22-24), hat der Senat hervorgehoben, dass für die Anfechtungsberechtigung ein
faktisches Konkurrenzverhältnis vorliegen muss, durch das plausibel wird, dass der bereits zugelassene Arzt eine nicht nur
geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat. Dementsprechend bedarf es der Überprüfung und Feststellung,
dass es in den Leistungsspektren und Einzugsbereichen vom anfechtenden und begünstigten Arzt ins Gewicht fallende Überschneidungen
gibt (Senatsurteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 23 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 25).
Nach der Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 24 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 26) ist im Regelfall zunächst die Darlegung des anfechtenden Arztes erforderlich, welche Leistungen er anbietet
und wie viele Patienten und welcher prozentuale Anteil seiner Patienten aus dem Einzugsbereich des dem Konkurrenten zugedachten
Praxissitzes kommen (zum Erfordernis plausiblen Vortrags siehe BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, jeweils RdNr 20). Hat er dies substantiiert vorgetragen, so obliegt es der zur Entscheidung berufenen
Behörde, ihrerseits tätig zu werden und die erforderlichen weiteren Informationen über das (voraussichtliche) Leistungsspektrum
und den (voraussichtlichen) Patientenkreis des Konkurrenten zu erheben. Näherer Darlegungen und Feststellungen zu den Leistungsspektren
vom anfechtenden und konkurrierenden Arzt bedarf es indessen dann nicht, wenn das Vorliegen ins Gewicht fallender Überschneidungen
ohne Weiteres auf der Hand liegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Praxen der beiden Ärzte in derselben Stadt gelegen
sind - jedenfalls soweit es sich nicht um eine so weitläufige handelt, wie es sehr große Städte sein können - und wenn beide
Ärzte in einem eng umgrenzten Fachgebiet tätig sind, wie dies zB bei der Augenheilkunde (Senatsurteile vom 17.6.2009, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 25 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 27) oder bei Internisten mit demselben Schwerpunkt oder derselben fakultativen Weiterbildung oder besonderer
Fachkunde im Sinne von § 24 Satz 1 Buchst b Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte [ÄBedarfsplRL] (s dazu BSG, Urteil vom 28.1.2009,
B 6 KA 50/07 R, SozR 4-2500 § 87 Nr 17 RdNr 19) der Fall ist. In solchen Fällen eines eng umgrenzten Tätigkeitsbereichs sind im Regelfall
sowohl nähere Darlegungen des Drittanfechtenden als auch weitere Ermittlungen der zur Entscheidung berufenen Behörde zur Frage
gleicher Leistungsspektren der Konkurrenten entbehrlich.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist danach vorliegend eine räumliche Überschneidung der Einzugsbereiche ohne weiteres zu
bejahen, da die Beigeladenen ihre Filialtätigkeit am Niederlassungsort der Klägerin ausüben wollen. Nichts anderes gilt letztlich
für eine (fachliche) Überschneidung der Leistungsspektren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch bei Orthopäden (zumindest
im Regelfall) ein - die Darlegungsanforderungen reduzierendes - ausreichend eng umgrenztes Fachgebiet anzunehmen wäre. Allerdings
besteht eine gewisse Vermutung dafür, dass alle Orthopäden mehr oder weniger die gesamte Bandbreite ihres Fachgebiets abdecken,
weil der Grad bzw das Ausmaß der Spezialisierung bei Orthopäden - selbst im Vergleich solcher mit und ohne Schwerpunkt (vgl
hierzu Senatsurteil vom 28.1.2009, B 6 KA 50/07 R, SozR 4-2500 § 87 Nr 17 RdNr 32) - nicht besonders ausgeprägt sein dürfte. Denn die Darlegungsanforderungen dürfen nicht
überspannt werden. Es genügt, wenn - wie vorliegend - ein Kläger unwidersprochen vorträgt, dass es sich sowohl bei seiner
wie auch der konkurrierenden Praxis um solche mit durchschnittlichem allgemeinorthopädischem Leistungsspektrum handelt. Für
ein reales Konkurrenzverhältnis zwischen der Klägerin und den Beigeladenen spricht zudem, dass es sich um im ländlichen Bereich
angesiedelte fachärztliche Praxen handelt und dieser Umstand zu der Annahme berechtigt, dass der von den Praxen notwendigerweise
abzudeckende allgemeinorthopädische Behandlungsbedarf - anders als bei Praxen in größeren Städten mit besserer Verkehrsanbindung
- einer ausgeprägten Spezialisierung entgegensteht. Im Ergebnis ist daher sowohl den Darlegungsanforderungen genügt als auch
ein tatsächliches Konkurrenzverhältnis zu bejahen.
b) Nicht erfüllt wird hingegen die Voraussetzung, dass durch eine Zweigpraxisgenehmigung dem Konkurrenten die Teilnahme an
der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet (oder zumindest erweitert) wird (ebenso Reiter/Spiegel, aaO, S 254; bejahend Schwar,
aaO, S 71). Während der Senat dies zuletzt im Falle einer Sonderbedarfszulassung angenommen hat (BSG, Urteile vom 17.6.2009,
B 6 KA 38/08 R, SozR aaO und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO), hat er es bei einer Dialysegenehmigung verneint, weil durch diese lediglich ein weiterer Leistungsbereich genehmigt
wurde (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 23 iVm 32).
Im Falle einer Zweigpraxisgenehmigung besteht gegenüber den bislang entschiedenen Fällen, in denen die durch eine Ermächtigung
bzw Sonderbedarfszulassung bewirkte Öffnung des Zugangs zur vertragsärztlichen Versorgung in Frage stand, die Besonderheit,
dass der Konkurrent bereits über einen - durch die Zulassung an seinem Vertragsarztsitz vermittelten - Status verfügt, ihm
der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung also bereits grundsätzlich eröffnet ist. Daher ließe sich die Erfüllung des Merkmals
der Teilnahmeeröffnung allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Erweiterung der Teilnahme begründen, wie dies der Senat für
den Fall einer Ermächtigungserweiterung in Erwägung gezogen hat (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 24; vgl zu dieser Fallgestaltung auch BSGE 90, 207 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47). Das Merkmal einer Erweiterung der Teilnahmemöglichkeit setzt voraus, dass die Erweiterung auf
einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen beruht, also nicht allein faktische Folge einer geänderten Situation - wie
etwa die Eröffnung einer die Verkehrsanbindung der Praxis deutlich verbessernden U-Bahnhaltestelle in Praxisnähe - ist.
Eine Zweigpraxisgenehmigung führt jedoch zu keiner rechtlichen Erweiterung des Kreises der Patienten, die ein Vertragsarzt
behandeln darf. Zwar ist die Zulassung auf den jeweiligen Planungsbereich bezogen und wird für den Ort der Niederlassung als
Arzt (Vertragsarztsitz) erteilt (§
95 Abs
1 Satz 7
SGB V, §
24 Abs
1 Ärzte-ZV); zudem ist der Vertragsarzt gemäß § 24 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV verpflichtet, seine Sprechstunde am Vertragsarztsitz
zu halten. Damit resultiert aus der Zulassung jedoch allein eine grundsätzliche Beschränkung des Tätigkeitsortes im Sinne
einer Bindung der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an den Vertragsarztsitz. Eine Beschränkung des Kreises der möglichen
Patienten - etwa auf solche, die am Praxissitz wohnen oder arbeiten - ist damit nicht verbunden. Das Recht der Versicherten
auf freie Arztwahl (§
76 Abs
1 Satz 1
SGB V) ist nicht eingeschränkt; vielmehr steht es ihnen frei, Ärzte auch außerhalb ihres Wohn- oder Beschäftigungsortes in Anspruch
zu nehmen. Dass Versicherte nach §
76 Abs
2 Satz 1
SGB V etwaige Mehrkosten zu tragen haben, wenn sie nicht den nächsterreichbaren Vertragsarzt in Anspruch nehmen, führt zu keiner
rechtlichen Beschränkung des Behandlerkreises. Spiegelbildlich zum Wahlrecht der Versicherten sind die Vertragsärzte nicht
gehindert, alle Versicherten, die sie als Behandler gewählt haben, auch dann zu behandeln, wenn diese von auswärts kommen
(s hierzu schon BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 28).
Erst recht kann dem Vertragsarztrecht bzw dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein Grundsatz der Art entnommen
werden, dass dem bereits vor Ort tätigen Vertragsarzt kraft seiner Zulassung ein "Erstzugriffsrecht" auf die dort (bzw im
Planungsbereich) wohnenden oder arbeitenden gesetzlich krankenversicherten Patienten zusteht. Soweit die Klägerin auf ein
solches "Erstzugriffsrecht" abhebt, beschreibt sie damit eine feste Patienten-Arzt-Zuordnung, wie sie faktisch unter der -
vom BVerfG als verfassungswidrig beurteilten (vgl Kassenarzturteil des BVerfG vom 23.3.1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 30 = SozR Nr 15 zu § 368a
RVO) - Geltung einer Zulassung nach Verhältniszahlen bestanden haben mag. Solche Verhältnisse bestehen jedoch nicht mehr. Potentielle
Patienten einer Zweigpraxis sind rechtlich nicht gehindert, den Filialarzt schon vor Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung
an seinem Stammsitz in Anspruch zu nehmen, etwa weil er einen besonders guten Ruf hat oder der Stammsitz verkehrsgünstig gelegen
ist. Ebenso ist umgekehrt kein Versicherter verpflichtet, den nunmehr an seinem Wohn- oder Beschäftigungsort partiell praktizierenden
Filialarzt in Anspruch zu nehmen. Die Zweigpraxisgenehmigung bewirkt somit keine rechtliche Erweiterung des Kreises der für
eine Behandlung in Frage kommenden Versicherten, sondern allein eine faktische Verbesserung des Marktzugangs.
Das Vorliegen einer Erweiterung der Teilnahme könnte allenfalls insoweit erwogen werden, als aufgrund der Zweigpraxisgenehmigung
die strikte Bindung an den Vertragsarztsitz entfällt, mithin der Kreis der Orte, an denen der Vertragsarzt zulässigerweise
seine Tätigkeit entfalten darf, erweitert wird (wie dies auch durch die Definition der "Zweigpraxis" als "genehmigter weiterer
Tätigkeitsort des Vertragsarztes oder Nebenbetriebsstätte eines Medizinischen Versorgungszentrums" in § 1a Nr 19 Bundesmantelvertrag-Ärzte
[BMV-Ä] deutlich wird). Dieser Umstand allein reicht jedoch nicht aus, um das Merkmal einer Teilnahmeeröffnung bzw -erweiterung
zu erfüllen.
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es - zur Abgrenzung von der für eine Anfechtungsberechtigung irrelevanten Erschließung
eines weiteren Leistungsbereichs - entscheidend darauf an, ob das in Rede stehende Recht mit einer Statusgewährung verbunden
ist, der im Sinne der Stufentheorie des BVerfG besondere Grundrechtsrelevanz zukommt (BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 23 f). Eine Zweigpraxisgenehmigung führt jedoch nicht zu einer Statusgewährung in
diesem Sinne (aA Schallen aaO, § 24 Ärzte-ZV RdNr 104), denn die eigentliche Statusgewährung wird durch die Zulassung vermittelt.
Die Zweigpraxisgenehmigung ist akzessorisch und untrennbar mit dem Zulassungsstatus verbunden und entfällt mit dem Ende der
Zulassung (s auch Schallen, aaO RdNr 119).
Bereits in seinem Urteil vom 20.12.1995 (BSGE 77, 188, 190 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 27) hatte der Senat - zu der für Zweigpraxen nach altem Recht geltenden Regelung - ausgeführt,
dass die üblicherweise mit einer Übertragung von Kompetenzen auf die Zulassungsgremien verbundenen Gesichtspunkte im Falle
einer Zweigpraxisgenehmigung nicht gegeben seien. Den von Zulassungsgremien zu treffenden Entscheidungen sei gemeinsam, dass
sie statusbegründenden bzw -beendenden Charakter hätten und dass durch sie der Kreis der an der vertragsärztlichen Versorgung
beteiligten Personen und Institutionen sowie die Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit festgelegt würden. Diese
Gesichtspunkte träfen für die Genehmigung zur Abhaltung von Sprechstunden außerhalb des Praxissitzes nicht zu, weil dadurch
der Kreis der Vertragsärzte nicht erweitert und der Status des Vertragsarztes nicht berührt werde. Dies gilt auch für Zweigpraxisgenehmigungen
nach neuem Recht, die im Regelfall - wenn Stammsitz und Zweigpraxis im Bezirk derselben KÄV liegen - ebenfalls nicht von den
Zulassungsgremien, sondern von den KÄVen erteilt werden.
c) Ebenfalls nicht erfüllt wird die nach der Senatsrechtsprechung erforderliche dritte Voraussetzung, dass der dem Konkurrenten
eingeräumte Status gegenüber dem Status des Anfechtenden nachrangig ist (so wohl auch Reiter/Spiegel aaO, S 254; aA LSG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 47/08 - MedR 2009, 361; Schallen, aaO, § 24 Ärzte-ZV RdNr 128 [bei Filialen in anderen Planungsbereichen]).
aa) Einen derartigen Nachrang hat der Senat bislang bei Ermächtigungen (siehe hierzu BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 19-21) sowie bei Sonderbedarfszulassungen bejaht (BSG, Urteile vom 17.6.2008, B 6 KA 38/08 R, SozR aaO RdNr 19 und B 6 KA 25/08 R, SozR aaO RdNr 21). Im Falle einer Zweigpraxisgenehmigung besteht - wie dargelegt - gegenüber den bislang entschiedenen Fällen
die Besonderheit, dass der Konkurrent bereits über einen - durch die Zulassung an seinem Vertragsarztsitz vermittelten - Status
verfügt, ihm der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung mithin auch ohne die Genehmigung bereits eröffnet ist. Daher ist
nicht der aus der Zulassung resultierende Status zur Gegenüberstellung geeignet. Vielmehr bedarf es - da auch das Konkurrenzverhältnis
allein aus der Zweigpraxisgenehmigung resultiert - der Prüfung, ob die durch diese Genehmigung eingeräumte Rechtsposition
gegenüber derjenigen der am Ort der beabsichtigten Zweigpraxis zugelassenen Vertragsärzte nachrangig ist. Dies ist zu verneinen.
Ein etwaiges Vorrang-Nachrang-Verhältnis muss sich dabei wegen des damit verbundenen Eingriffes in die grundsätzlich bestehende
Wettbewerbsfreiheit aus dem Gesetz selbst ergeben; auch das BVerfG spricht in seinen bereits erwähnten Beschlüssen von einem
"gesetzlich angeordneten" (SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 15) bzw "gesetzlichen" (Beschluss vom 23.4.2009 - 1 BvR 3405/08, GesR 2009, 376 = NVwZ 2009, 977, juris RdNr 9) Vorrang. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie des BSG gewährt die Rechtsordnung bei der Ausübung beruflicher
Tätigkeiten grundsätzlich keinen aus Art
12 Abs
1 GG herzuleitenden Schutz vor Konkurrenz (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 19 mwN; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 23.4.2009, aaO; BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 15 mwN und 23). Die Wettbewerbsposition und die Erträge unterliegen grundsätzlich
dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen (BVerfG, aaO). Demgemäß haben Marktteilnehmer regelmäßig keinen
Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben, insbesondere nicht darauf, dass Konkurrenten vom
Markt fernbleiben (BSG, aaO mwN). Etwas anderes gilt (nur) dann, wenn eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt erhebliche
Konkurrenznachteile zur Folge hat (vgl BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 19), und diese im Zusammenhang mit staatlicher
Planung und Verteilung der Mittel steht (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 19 mwN; BVerfG [Kammer], Beschluss vom
23.4.2009 aaO, juris RdNr 19).
bb) Maßstab für die Frage des Nachrangs ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie des Senats - ausgehend vom Verhältnis der
einem Krankenhausarzt erteilten Ermächtigung zur Zulassung - der Umstand, ob der konkurrierende Status nur bei Vorliegen eines
noch bestehenden Versorgungsbedarfs erteilt wird und die Erteilung somit im allgemeinen Interesse an einer ordnungsgemäßen
und lückenlosen Versorgung erfolgt (vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 20). Dies kommt im Gesetz bei der Ermächtigung eines Krankenhausarztes nach §
116 Satz 2
SGB V durch die Formulierung "soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten" ohne diese "nicht sichergestellt"
ist und bei Sonderbedarfszulassungen durch die Wendung zum Ausdruck, dass diese "zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen
Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind" (§
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V). Nichts anderes gilt für Ermächtigungen nach §
31 Abs
1 Buchst a Ärzte-ZV, die nur erteilt werden dürfen, sofern sie notwendig sind, um eine bestehende oder unmittelbar drohende
Unterversorgung abzuwenden. Ermächtigungen wie auch Sonderbedarfszulassungen kommen somit - vom Sonderfall des § 31 Abs 1
Buchst b Ärzte-ZV abgesehen - nur dann in Betracht, wenn die ambulante Versorgung von den niedergelassenen Ärzten nicht gewährleistet
ist, also ein quantitativer oder qualitativer Versorgungsbedarf besteht (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 16).
In § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV in der Fassung des zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom
22.12.2006 (BGBl I 3439), der die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung normiert, findet sich keine
dem auch nur annähernd gleichwertige Aussage. Danach setzt eine Zweigpraxisgenehmigung nur voraus, dass ("wenn und soweit")
die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert (Nr 1 aaO) und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten
am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird (Nr 2 aaO). Im Gegensatz zu Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen
erfordert die Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung damit nicht zwingend das Bestehen einer ausgleichsbedürftigen Versorgungslücke,
sondern lediglich eine "Verbesserung" der Versorgung. Unabhängig davon, was konkret unter einer "Verbesserung" der Versorgung
zu verstehen ist (s dazu unten), ist dieser Begriff jedenfalls nicht in dem Sinne auszulegen, dass er eine - den Anforderungen
an Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen vergleichbare - Bedarfsprüfung erfordert (ebenso Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß,
Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 24 Ärzte-ZV RdNr 38; Orlowski/Halbe/Karch,
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, aaO, S 35, 97 f; Reiter/Spiegel, aaO, S 254; Wollersheim, GesR 2008, 281, 282). Damit ist
zugleich kein Raum für die Annahme eines Vorrangs der bereits vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte.
Bereits nach dem Wortlaut des § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV sind Zweigpraxisgenehmigungen nicht davon abhängig, ob in dem betroffenen
Planungsbereich ein den Kriterien der Bedarfsplanung vergleichbarer nicht gedeckter Versorgungsbedarf besteht. Die in § 24
Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV verwendete Formulierung "Verbesserung" der Versorgung umfasst sprachlich sowohl die Beseitigung
einer bestehenden Versorgungslücke als auch die (weitere) Verbesserung einer zumindest dem Grunde nach gedeckten oder bereits
an sich über den Bedarf hinausgehenden Versorgung. Es wäre zumindest ungewöhnlich, wenn der Gesetzgeber an Stelle der sonst
gebräuchlichen Formulierungen (siehe oben) den Begriff der "Verbesserung" verwendet hätte, um eine Bedarfsprüfung vorzugeben.
Hätte der Gesetzgeber auch bezüglich des Ortes der Filialtätigkeit eine Berücksichtigung bedarfsplanerischer Gesichtspunkte
gewollt, so hätte er dies durch entsprechende Formulierungen oder Bezugnahmen sicherstellen können. So ist etwa die Verpflichtung
der KÄVen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern (§
105 Abs
1 Satz 1
SGB V), ausdrücklich unter den Vorbehalt "entsprechend den Bedarfsplänen" gestellt worden.
Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich ein etwaiger Wille des Gesetzgebers, den Vorrang der bereits vor Ort niedergelassenen
Vertragsärzte zu wahren, nicht entnehmen. Vielmehr dient die Gesetzesänderung ausdrücklich dem Zweck, die durch den 107. Deutschen
Ärztetag 2004 in § 17 Abs 2 Musterberufsordnung für Ärzte vorgenommene Lockerung der Bindung des Arztes an seinen Vertragsarztsitz
im Vertragsarztrecht nachzuvollziehen (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer
Gesetze - Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - [VÄndG], BT-Drucks 16/2474 S 29 zu Nr 7 Buchst a). Ausweislich der Gesetzesbegründung
(aaO) setzt der Betrieb einer Zweigpraxis lediglich voraus, dass diese mit den spezifischen Pflichten eines Vertragsarztes,
die vertragsärztliche Versorgung an seinem Vertragsarztsitz zu gewährleisten, vereinbar ist. Abgestellt wird also entscheidend
auf den Aspekt der Sicherstellung der bisherigen Versorgungsstruktur am Stammsitz. Allenfalls insoweit haben auch Bedarfsplanungsgesichtspunkte
Berücksichtigung gefunden; am Ort der Zweigpraxis spielen sie nach der Gesetzesbegründung hingegen keine Rolle. Soweit im
dortigen Klammerzusatz ("vgl §
95 Abs
1 Satz 4 und Abs
3 SGB V iVm den Regelungen zur regionalen Bedarfsplanung") auch auf die Bedarfsplanung Bezug genommen wird, betrifft auch dies erkennbar
allein die Sicherstellung der Versorgung am Stammsitz, wie sich aus den genannten Vorschriften ergibt (§
95 Abs
1 Satz 4
SGB V aF bestimmte, dass die Zulassung für den Ort der Niederlassung erfolgt, §
95 Abs
3 SGB V regelt die Wirkungen der Zulassung, insbesondere die Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung).
Dass die unterbliebene Einbeziehung bedarfsplanerischer Gesichtspunkte in den Normtext nicht auf einem gesetzgeberischen Versehen
beruht, sondern der Gesetzgeber in § 24 Abs 3 Ärzte-ZV bewusst eine "weiche" Formulierung gewählt hat, ist schon deswegen
anzunehmen, weil die Gesetzesbegründung (aaO) ausdrücklich auf die bundesmantelvertragliche Vorläuferregelung Bezug nimmt.
Nach § 15a Abs 1 Satz 2 BMV-Ä aF durfte die nach Satz 1 der Norm erforderliche Genehmigung einer Zweigpraxis nur erteilt werden,
wenn die Zweigpraxis zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich war. Nicht außer Betracht
bleiben kann auch der Umstand, dass die Fraktion DIE LINKE in einem Änderungsantrag vorgeschlagen hatte, in § 24 Abs 3 Ärzte-ZV
nach dem Passus "an den weiteren Orten" die Angabe "in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Planungsbereichen"
einzufügen, und dies ausdrücklich mit der Gefahr begründet hatte, dass die vorgesehene Flexibilisierung es ermöglichen würde,
in vollversorgten Planungsbereichen Fuß zu fassen; dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt (vgl Ausschussbericht zum VÄndG, BT-Drucks
16/3157 S 13/14 unter IV. A. Allgemeiner Teil).
Zwar erscheint es denkbar, dass die Bedarfsplanung im Wege der Gründung von Zweigpraxen unterlaufen werden kann (so ua LSG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 47/08 - MedR 2009, 361, juris RdNr 52; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte,
2008, § 24 Ärzte-ZV RdNr 63; kritisch auch Dahm/Ratzel, MedR 2006, 555, 563; vgl auch BSGE 77, 188, 190 f = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 27 f - für Zweigpraxen nach altem Recht). Ebenso mögen weiterhin Gründe dafür sprechen,
dass die (frühere) Bindung der Genehmigung einer Zweigpraxis an ein bestehendes Versorgungsdefizit geeignet war, gerade im
ländlichen Raum die Existenz kleiner Praxen zu sichern (BSGE aaO S 191 = SozR aaO S 28). Hieraus lässt sich aber nur der Schluss
ziehen, dass der Gesetzgeber diese Gesichtspunkte gegenüber anderen zurückgestellt hat; dies ist von der Rechtsprechung hinzunehmen.
Nicht zuletzt ergäbe sich die Gefahr von Wertungswidersprüchen, wenn das Merkmal einer Verbesserung an Bedarfsplanungsgesichtspunkte
geknüpft würde, denn § 24 Abs 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV enthält eine wortidentische Regelung; durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
wurde jedoch die Bedarfsplanung für Zahnärzte aufgegeben (s auch Wollersheim, GesR 2008, 281, 282).
Für den von der Klägerin behaupteten Vorrang der Vertragsärzte, die ihren Vertragsarztsitz am Ort der beabsichtigten Zweigpraxis
oder in deren räumlichen Umfeld haben, findet sich mithin im Gesetz kein Anhalt. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 20.12.1995
(BSGE 77, 188, 193 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 30) ausgeführt hat, dass die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung an Ärzte, die in einer
anderen politischen Gemeinde ihren Praxissitz haben, zu Recht als nachrangig angesehen worden sei, bezog sich diese Aussage
nicht auf die Nachrangigkeit im Sinne einer Voraussetzung für eine Anfechtungsberechtigung im Rahmen einer defensiven Konkurrentenklage
und ist im Übrigen im Kontext mit der seinerzeit auch bei Zweigpraxisgenehmigungen erforderlichen Bedarfsprüfung zu sehen.
Vielmehr spricht auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei der Zweigpraxisgenehmigung um ein aus der bestehenden Zulassung
abgeleitetes Recht handelt, dafür, den bereits am Ort zugelassenen und den an einer Filialtätigkeit interessierten Arzt als
gleichrangig zu behandeln. Daher kommt § 24 Abs 3 ÄrzteZV unter keinem Gesichtspunkt eine drittschützende Wirkung in dem Sinne
zu, dass von der Zweigpraxisgenehmigung betroffene Konkurrenten befugt sind, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten. Das
Merkmal einer Verbesserung der Versorgung lässt - ebenso wie spiegelbildlich der Gesichtspunkt, dass keine Verschlechterung
der Versorgung am Stammsitz eintreten darf - im Gegenteil erkennen, dass die Zweigpraxisgenehmigung primär den Interessen
der Versicherten zu dienen bestimmt ist.
d) Eine Anfechtungsberechtigung der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht unter Willkürgesichtspunkten, denn die Beklagte
hat jedenfalls nicht willkürlich gehandelt.
aa) Nach älterer Rechtsprechung des Senats (BSGE 90, 207 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 mwN; s auch BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 40) ist eine "Anfechtungsbefugnis" bei willkürlicher Erteilung
einer Ermächtigung durch die Zulassungsgremien dem Grunde oder dem Umfang nach anzuerkennen (BSGE 90, 207, 210 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 105 mwN). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit
(Art
12 Abs
1 Satz 2
GG) des niedergelassenen Vertragsarztes gewähre diesem Schutz gegenüber Beeinträchtigungen seiner Tätigkeit durch willkürliche
behördliche Entscheidungen, auch wenn diese den Arzt nicht rechtlich, sondern nur tatsächlich (wirtschaftlich) zu beeinträchtigen
geeignet seien. Zwar biete dieses Grundrecht grundsätzlich keinen Schutz vor Konkurrenz oder vor veränderten Marktbedingungen
mit der Folge einer Verschlechterung der Erwerbsmöglichkeiten, doch müsse der Grundrechtsträger willkürliche Beeinträchtigungen
seiner Berufsausübung, die auf staatliche Verwaltungstätigkeit zurückgehen, nicht hinnehmen. Für den betroffenen Vertragsarzt
folge danach eine Klagebefugnis aus Art
12 Abs
1 GG in den Fällen, in denen er plausibel geltend machen könne, dass er durch die Erteilung der Ermächtigung willkürlich in seinen
beruflichen Chancen beeinträchtigt werde (BSGE 90, 207, 211 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 105 f). Dabei müsse für die Anerkennung einer Klagebefugnis zum einen ein fachlicher und
räumlicher Zusammenhang zwischen der vertragsärztlichen Tätigkeit des klagenden Vertragsarztes und der des Konkurrenten bestehen;
zum anderen müsse der Vertragsarzt die Willkürlichkeit der Rechtsanwendung geltend machen (BSGE aaO S 211 = SozR aaO S 106).
Allerdings hat der Senat in seinem die Drittanfechtung einer Dialysegenehmigung betreffenden Urteil vom 7.2.2007 (BSGE 98,
98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 31) ausgeführt, dass eine Berechtigung zur Anfechtung nicht allein darauf gestützt
werden könne, dass die Genehmigungserteilung nach Ansicht des Klägers gegen das sog Willkürverbot verstoße, dh auf gravierenden
Rechtsverstößen beruhe und ihn schwer beeinträchtige. Es hat dies damit begründet, dass eine inhaltliche Überprüfung auf solche
schweren Rechtsfehler schon nach der früheren Rechtsprechung des BSG stets vorausgesetzt habe, dass der angegriffenen Rechtseinräumung
ein grundsätzlicher Nachrang gegenüber der Position des Anfechtenden innewohnte. Fehle ein solcher Nachrang, sei kein Ansatz
für die Annahme einer drittschützenden Wirkung zugunsten der bereits tätigen Vertragsärzte gegeben und könne in einem Verfahren
der defensiven Konkurrentenklage auch keine inhaltliche Überprüfung stattfinden.
An diesen Erwägungen hält der Senat im Grundsatz fest. Ob sie auch auf die Drittanfechtung einer Zweigpraxisgenehmigung anwendbar
sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Zwar sprechen durchaus Gründe dafür, eine Willkürkontrolle jedenfalls
bei Genehmigungen, die - anders als die Dialysegenehmigung - konkret versorgungsbezogen erteilt werden, auch außerhalb des
für eine reguläre defensive Konkurrentenklage erforderlichen strikten rechtlichen Nachrangverhältnisses zuzulassen. Jedoch
würde sich auch hieraus für die Klägerin keine Anfechtungsberechtigung ergeben, weil ein willkürliches Handeln der Beklagten
nicht erkennbar ist.
bb) Der Maßstab für die Beurteilung behördlicher Entscheidungen in Zulassungssachen (oder vergleichbaren Genehmigungsverfahren)
als willkürlich ist dabei nach der Senatsrechtsprechung (BSGE 90, 207, 211 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 105 f, aaO) den Grundsätzen zu entnehmen, die das BVerfG aus dem allgemeinen Gleichheitssatz
(Art
3 Abs
1 GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot entwickelt und insbesondere im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle gerichtlicher
Entscheidungen näher ausgeformt hat. Danach sind gerichtliche Entscheidungen willkürlich, wenn sie unter keinem denkbaren
Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen. Das ist
anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich.
Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn gravierende Rechtsverstöße vorliegen und diese den Kläger schwer beeinträchtigen (so
die Konkretisierung des Willkürmaßstabes, siehe BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, jeweils RdNr 31).
Von einer krassen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage auseinandersetzt
und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BSGE 90, 207, 211 f = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 106 unter Hinweis auf BVerfGE 87, 273, 278f und 96, 189, 203). Diesen Anforderungen genügen die von der Beklagten erteilten Genehmigungen jedenfalls. Auch wenn
nach Aktenlage Zweifel daran bestehen mögen, dass die Filialtätigkeit der Beigeladenen zu einer Verbesserung der Versorgung
in R. führt, hat sich die Beklagte zumindest im Widerspruchsbescheid erkennbar mit der - zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung
neuen - Rechtslage auseinandergesetzt. Zudem belegen die unterschiedlichen in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Auffassungen
zu den Voraussetzungen einer Zweigpraxisgenehmigung, dass die von der Beklagten herangezogenen Gesichtspunkte jedenfalls vertretbar
sind.
cc) Was unter dem Begriff der "Verbesserung" konkret zu verstehen ist, ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Außer
Zweifel steht allein, dass die Genehmigung einer Zweigpraxis im Falle von Unterversorgung stets eine Verbesserung darstellt
(ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 47/08 - juris RdNr 52; Sächsisches LSG, Urteil vom 24.6.2009 - L 1 KA 8/09 - juris RdNr 50; Pawlita in, jurisPK -
SGB V, 2008, §
95 RdNr 238). Demgegenüber bedürfen der Begriff der "Verbesserung" und die an sein Vorliegen zu stellenden Anforderungen in
ausreichend oder gar überversorgten Planungsbereichen der Präzisierung.
Unter Hinweis darauf, dass in gesperrten Planungsbereichen jede weitere vertragsärztliche Tätigkeit grundsätzlich im Widerspruch
zu den Zielen des Bedarfsplanungsrechts stehe, wird die Auffassung vertreten, dass die Auslegung des Begriffes "Verbesserung"
unter Heranziehung der - auch für eine Sonderbedarfszulassung geltenden - Kriterien des § 24 Buchst a und b ÄBedarfsplRL zu
erfolgen habe, also ein lokaler quantitativer Versorgungsbedarf oder ein besonderer qualitativer Versorgungsbedarf vorliegen
müsse (Liebold-Zalewski, Kassenarztrecht, Stand: Juni 2007, § 24 Ärzte-ZV RdNr E 24-5; ebenso noch Schallen, Kommentar zur
Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 6. Aufl 2008,
§ 24 Ärzte-ZV RdNr 647; in diesem Sinne auch Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 32). Dem
kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dann eine - nicht erfolgte - Bezugnahme auf diese Vorschriften im Normtext zu
erwarten gewesen wäre. Im Übrigen ist eine Zweigpraxisgenehmigung - wie bereits dargelegt - nicht vom Vorliegen eines besonderen
Versorgungsbedarfs abhängig.
Nichts anderes gilt aus den oben dargelegten Gründen auch für die in Schrifttum und Rechtsprechung - ohne Heranziehung der
Bedarfsplanungsrichtlinien - vertretene Auffassung, in gesperrten Planungsbereichen seien grundsätzlich auch bedarfsplanerische
Gesichtspunkte zu berücksichtigen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 47/08 - juris RdNr 52; SG Düsseldorf, Urteil vom 1.7.2009 - S 2 (14) KA 173/07 - juris RdNr 23; so wohl auch Schleswig-Holsteinisches
LSG, Beschluss vom 13.2.2008 - L 4 B 663/07 KA ER - juris RdNr 24; Sächsisches LSG, Urteil vom 24.6.2009 - L 1 KA 8/09 - juris RdNr 50; Schallen, aaO, 7. Aufl. 2009, § 24 Ärzte-ZV RdNr 86; Harney/Müller, NZS 2008, 286, 288 ["indizielle Wirkung"]; Dahm, MedR 2008, 175, 177). Dass den Krankenkassen und Leistungserbringern nach §
70 SGB V generell der gesetzliche Auftrag zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten und gleichmäßigen, dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Versorgung der Versicherten auferlegt ist, rechtfertigt es nicht, durch restriktive
Anforderungen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu unterlaufen, die Möglichkeit zur Gründung von Zweigpraxen zu erleichtern
(so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2008 - L 11 KA 47/08 - juris RdNr 52, unter Hinweis auf Hessisches LSG, Beschluss vom 29.11.2007 - L 4 KA 56/07 ER).
Andererseits steht außer Frage, dass ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl nicht bereits
das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers eine Verbesserung der Versorgung darstellt; dies folgt bereits daraus, dass
es andernfalls der einschränkenden Voraussetzung "Verbesserung" nicht bedurft hätte (ganz hM: Schleswig-Holsteinisches LSG,
Beschluss vom 10.7.2008 - L 4 B 405/08 KA ER - NZS 2009, 530 = MedR 2008, 683 = Breith 2008, 833 = GesR 2008, 551; SG Dortmund, Beschluss vom 22.1.2008 - S 16 KA 171/07 ER -, MedR 2008, 242; SG Marburg, Urteil vom 7.3.2007 - S 12 KA 701/06 - juris RdNr 54, ebenso Urteil vom 10.12.2008 - S 12 KA 115/08 - juris RdNr 22; Wollersheim, GesR 2008, 281, 283; Pawlita aaO, § 95 RdNr 239; unklar Orlowski/Halbe/Karch, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz,
aaO, S 97, 98). Nach der Rechtsprechung des Senats ist es im Übrigen nicht Aufgabe der KÄV, die Versorgung der Versicherten
in der Weise zu optimieren, dass sie in jedem Ort bzw Ortsteil die Auswahl zwischen mindestens zwei am Ort praktizierenden
Vertragsärzten haben (s hierzu schon BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 28); auch ein entsprechender Anspruch der Versicherten besteht ungeachtet der in §
76 Abs
1 Satz 1
SGB V verbrieften Arztwahlfreiheit nicht (BSGE aaO S 193 = SozR aaO S 30 f). Auch das mit der Tätigkeit weiterer Leistungserbringer
verbundene erhöhte Leistungsangebot stellt per se noch keine Verbesserung dar, sofern die betroffenen Leistungen bereits am
Ort angeboten werden.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dass das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten
in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Dem entspricht jedenfalls
im Kern die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Auffassung, welche eine Verbesserung ("wenigstens") dann als gegeben
ansieht, wenn eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch
Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführt
(SG Marburg, Urteil vom 7.3.2007 - S 12 KA 701/06- juris RdNr 54, ebenso ua Urteil vom 5.11.2008 - S 12 KA 519/08 - juris RdNr 19; Pawlita aaO, § 95 RdNr 236; ebenso jetzt auch Schallen aaO, 7.Aufl. 2009, § 24 Ärzte-ZV RdNr 88; Bäune in
Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 24 Ärzte-ZV RdNr
39). Allerdings erweckt diese Auffassung durch das Abstellen auf eine "Bedarfslücke" den - unzutreffenden - Eindruck, dass
Bedarfsplanungsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind; sachgerecht ist es, den Begriff "Bedarfslücke" durch den Begriff "qualifizierte
Versorgungsverbesserung" zu ersetzen (so auch Bäune aaO).
Bei der Prüfung einer Versorgungsverbesserung ist - anders als bei der Bedarfsplanung - nicht auf den Planungsbereich abzustellen,
sondern auf den "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll. Eine Versorgungsverbesserung dürfte in erster
Linie bei einer qualitativen Veränderung des Leistungsangebots gegeben sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der in der
Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere Abrechnungsgenehmigungen nach
§
135 Abs
2 SGB V verfügt oder ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet (Wollersheim, aaO, S 284); ebenso kommt dies in Betracht, wenn
er eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anbietet, die etwa besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse
liefert (Harney/Müller, aaO, S 291). Unter gewissen Umständen kann sich auch eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden
Versorgungsangebots als Verbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV darstellen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht,
wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert werden, die - etwa wegen einer ungleichmäßigen Verteilung der
Leistungserbringer im Planungsbereich - bei den bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen (so auch Wollersheim, aaO;
Orlowski/Halbe/Karch, aaO, S 98). Als Versorgungsverbesserung können auch besondere organisatorische Maßnahmen angesehen werden,
wie etwa das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden (Wollersheim, aaO). Im Einzelfall - allerdings wohl nur bei größeren
"weiteren Orten" im Sinne des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV - kann dies auch im Falle einer besseren Erreichbarkeit des Filialarztes
gelten (Orlowski/Halbe/Karch, aaO, S 98). Letztlich wird auch bei diesen "quantitativen" Veränderungen - jedenfalls aus Sicht
der Patienten - die Qualität der Versorgung verbessert.
Welches Ausmaß die Verbesserungen haben müssen, ob ihnen also ein gewisses Gewicht zukommen muss, etwa Wartezeiten deutlich
reduziert werden müssen (so Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 24 Ärzte-ZV RdNr 39; aA Harney/Müller, NZS 2008, 286, 289), lässt sich nicht abstrakt abschließend beurteilen. Sicherlich reichen weder minimale, für die Versicherten kaum spürbare
("kosmetische") Veränderungen, noch dürfen umgekehrt die Anforderungen so hoch gespannt werden, dass der beabsichtigte Zweck
einer Förderung der Filialtätigkeit verfehlt würde; dies wäre der Fall, wenn die an eine Zweigpraxisgenehmigung gestellten
Anforderungen denen der "Erforderlichkeit" nach altem Rechtszustand entsprächen (so auch Harney/Müller, aaO). Innerhalb dieser
Grenzen unterfällt die Entscheidung letztlich dem Beurteilungsspielraum der KÄVen bzw der Zulassungsgremien.
Ein solcher Beurteilungsspielraum bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "Verbesserung der Versorgung der Versicherten" steht
den mit der Entscheidung betrauten Behörden - den KÄVen im Falle des § 24 Abs 3 Satz 2 Ärzte-ZV bzw den Zulassungsgremien
im Falle des § 24 Abs 3 Satz 3 Ärzte-ZV - zu. Ein derartiger Spielraum wird den Zulassungsgremien (insbesondere) bei der Bewertung
zugebilligt, ob und inwieweit ein - für eine Ermächtigung wie für eine Sonderbedarfszulassung erforderlicher - besonderer
Versorgungsbedarf besteht (zuletzt BSG, Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 38/08 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 5, RdNr 26; zusammenfassend BSG, Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Ebenso hat das BSG der KÄV bei der Beantwortung der Frage,
ob der Betrieb einer Zweigpraxis (nach altem Recht) zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung in einer Gemeinde oder
einem Ortsteil notwendig ist, einen Beurteilungsspielraum eingeräumt (BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 29). Für die Beurteilung einer Versorgungsverbesserung gilt nichts anderes, weil die ortsnahen
fachkundigen KÄVen auch hier nur ungefähr entscheiden können, ob das Angebot der Zweigpraxis zu einer Verbesserung der Versorgung
vor Ort führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 und
3 iVm §
159 Satz 1
VwGO), einschließlich der Kosten der Beigeladenen, die sich am Verfahren beteiligt und auch Anträge gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO).