Einkommenanrechnung bei der Berufsausbildungsbeihilfe
Gründe:
I
Im Streit ist die Zahlung höherer Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1. August 1999 bis 31. Juli 2000.
Der am 5. Oktober 1980 geborene, nach den Ausführungen des Landessozialgerichts (LSG) bei seinen Eltern in Brandenburg lebende,
unverheiratete Kläger absolvierte vom 1. August 1999 bis 31. Juli 2002 eine Ausbildung zum Dachdecker in Oberhausen, weil
er eine Lehrstelle in Brandenburg nicht gefunden hatte. Im ersten Lehrjahr erhielt er eine Bruttoausbildungsvergütung von
989,-- DM monatlich. Für eine in Oberhausen angemietete Wohnung musste er nach den Ausführungen des LSG ab 1. September 1999
700,-- DM monatlich "aufwenden".
Am 10. Juni 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von BAB. Diese bewilligte die Leistung in folgender
Höhe: 741,-- DM für August 1999, 816,-- DM für September bis 14. November 1999, 1.257,-- DM für die Zeit vom 15. November
bis 12. Dezember 1999, 816,-- DM für die Zeit vom 13. Dezember 1999 bis 1. Mai 2000, 1.255,-- DM für die Zeit vom 2. Mai bis
28. Mai 2000 und 816,-- DM für die Zeit vom 29. Mai bis 31. Juli 2000 (Bescheid vom 9. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 10. Februar 2000, beide in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21. März 2000 und 16. Juni 2000). Dabei ist die Beklagte
von einem Bedarf für den Lebensunterhalt im August 1999 in Höhe von 815,-- DM und danach (wegen der auswärtigen Unterbringung)
von 890,-- DM sowie einer Kleiderkostenpauschale in Höhe von 20,-- DM sowie von unterschiedlich hohen Fahrkosten für Fahrten
zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten) sowie für Familienheimfahrten ausgegangen, die auf
den Angaben des Klägers (zwölf Kilometer Entfernung zwischen der Wohnung in Oberhausen und der Ausbildungsstätte, 670 Kilometer
Entfernung zur "elterlichen Wohnung") beruhten. Auf den jeweiligen Bedarf wurden ein aus der Ausbildungsvergütung errechnetes
Einkommen des Klägers in Höhe von 680,43 DM monatlich angerechnet sowie ein Einkommen der Mutter in Höhe von 20,78 DM monatlich
und ein Einkommen des (leiblichen) Vaters in Höhe von 102,56 DM monatlich, wobei diese Beträge auf den Angaben der Eltern
beruhten. Bei dem Einkommen des Klägers wurden keine Werbungskosten einkommensmindernd berücksichtigt.
Die hiergegen erhobene Klage auf Zahlung höherer BAB - ohne Anrechnung eigenen Einkommens, weil die zu berücksichtigenden
Werbungskosten den von der Beklagten berücksichtigten Anrechnungsbetrag überstiegen - blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos
(Urteil des Sozialgerichts >SG< vom 17. November 2002; Urteil des LSG vom 25. Juni 2004). Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ausgeführt, der Kläger erfülle die Grundvoraussetzungen für die Gewährung von BAB. Die Berechnungen der Beklagten
zum erforderlichen Bedarf und zum anzurechnenden Einkommen der Eltern ließen keine Fehler erkennen. Die Beklagte habe auch
in zutreffender Höhe Einkommen des Klägers auf seinen Gesamtbedarf gemäß §
71 Abs
1 und
2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) angerechnet. Für die Ermittlung dieses Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gälten
nach §
71 Abs
2 Satz 1
SGB III die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (
BAföG) mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Nach §
21 Abs
1 BAföG gelte als Einkommen die Summe der positiven Einkünfte iS des §
2 Abs
1 und
2 Einkommensteuergesetz (
EStG). Danach komme es bei nichtselbstständiger Arbeit auf den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten an (§
2 Abs
1 Nr
4 iVm Abs
2 Nr
2 EStG und §§
8 bis
9a EStG). Die Beklagte gehe im Ergebnis zutreffend davon aus, dass Werbungskosten für Auszubildende von der Ausbildungsvergütung
jedenfalls dann nicht abzusetzen seien, wenn solche bereits - unabhängig von ihrer konkreten Höhe - dem Grunde nach beim Gesamtbedarf
erfasst worden seien. Dies gelte vorliegend für die vom Kläger angeführten Werbungskosten. Zwar existiere für die Handhabung
der Beklagten keine ausdrückliche Gesetzesgrundlage mehr, wie dies bis zum 31. Dezember 1997 in § 18 Abs 4 der zu § 40 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erlassenen Ausbildungsanordnung der Fall gewesen sei; jedoch seien die Regelungen über die Einkommensanrechnung im
BAföG iVm dem
EStG im Rahmen des
SGB III nur "entsprechend" anzuwenden. Diese bedeute, dass die Vorschriften des
BAföG und des
EStG nicht wortgetreu, sondern modifiziert entsprechend den Vorgaben des Rechts der BAB angewandt werden müssten. Da bei der BAB
bestimmte Positionen bereits bedarfserhöhend berücksichtigt würden, dürften berufsbedingte Aufwendungen überhaupt nicht mehr
als das anzurechnende Einkommen mindernde Werbungskosten (Fahrkosten, Kosten der Unterkunft etc) Berücksichtigung finden.
Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen §
71 Abs
2 SGB III. Er ist der Ansicht, darin sei ausdrücklich geregelt, dass für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung die Vorschriften
des Vierten Abschnitts des
BAföG entsprechend gelten sollten. In §
21 Abs
1 BAföG werde auf §
2 Abs
1 und
2 EStG verwiesen. Hieraus ergebe sich unzweifelhaft die Notwendigkeit, alle Werbungskosten im Sinne des Steuerrechts als einkommensmindernde
Positionen zu berücksichtigen. Allenfalls sei erwägenswert, Werbungskosten nur in der Höhe nicht abzusetzen, in der diese
bereits konkret beim Gesamtbedarf erfasst würden, um eine doppelte Berücksichtigung von Werbungskosten zu verhindern.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG und Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 9. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar
2000, sowie in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21. März 2000 und 16. Juni 2000 zu verurteilen, ihm höhere BAB ohne
Anrechnung von eigenem Einkommen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Ausführungen im Urteil des LSG. Sie trägt vor, der Kläger habe im Übrigen
ohnedies keine Steuern zahlen müssen.
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG (§
163 SGG) für eine abschließende Entscheidung des Senats. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Werbungskosten des Klägers
grundsätzlich nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Vielmehr ist §
71 Abs
2 SGB III (idF, die §
71 durch das 1. Gesetz zur Änderung des
SGB III und anderer Gesetze >1.
SGB III-ÄndG< vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 2970 - erhalten hat) teleologisch dahin einzuschränken, dass nur die Kosten, die bereits
im Einzelnen bedarfserhöhend (§§
65,
67,
68,
69 SGB III) berücksichtigt worden sind, nicht zusätzlich als Werbungskosten abzugsfähig sind, weil ansonsten eine doppelte Begünstigung
des Auszubildenden eintreten würde.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind nur die im Tatbestand bezeichneten Bescheide. Selbst wenn §
96 SGG entsprechende Anwendung auf Leistungsbescheide im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses finden kann, wenn sich die gleichen
Rechtsfragen für einen neuen Bewilligungszeitraum stellen (vgl nur Bundessozialgericht >BSG<, Beschluss vom 26. März 1998
- B 11 AL 11/98 B - mwN; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 40 RdNr 9 mwN), so gilt dies hier jedoch deshalb nicht,
weil die Rechtshängigkeit entsprechender Folgebescheide dann wieder entfällt, wenn sie - wie vorliegend - zum Gegenstand einer
gesonderten Klage gemacht geworden sind (BSG SozR 1500 § 96 Nr 13 und 18; BSG, Beschluss vom 16. August 1989 - 11 BAr 53/89); insoweit stand dem Kläger ein Wahlrecht zu.
Der Kläger erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von BAB nach §
59 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes >AFRG< vom 24. März 1997 - BGBl I 594). Die berufliche Ausbildung ist förderungsfähig
iS des §
60 Abs
1 SGB III (idF des AFRG); für den Förderungsausschluss nach §
60 Abs
2 SGB III liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Kläger gehört als Deutscher auch zum förderungsfähigen Personenkreis (§
63 Abs
1 Nr
1 SGB III idF des AFRG). Schließlich erfüllt der Kläger die sonstigen persönlichen Voraussetzungen des §
64 SGB III (idF des AFRG); er ist über 18 Jahre alt und wohnt außerhalb des Haushalts seiner Eltern (§
64 Abs
1 Satz 1 Nr
1 iVm Satz 2 Nr
1 SGB III).
Die Beklagte hat auch zu Recht den Bedarf für den Lebensunterhalt gemäß §
65 SGB III (hier idF, die die Norm durch das 20. Gesetz zur Änderung des
BAföG vom 7. Mai 1999 - BGBl I 850 - erhalten hat) im August mit 815,-- DM und ab September mit 890,-- DM angesetzt. Allerdings
ist der Bedarf für die Fahrkosten nach §
67 SGB III (hier idF des AFRG) auf Grund fehlender Tatsachenfeststellungen des LSG im Einzelnen nicht nachprüfbar. Bedarfserhöhend hat die Beklagte indes
zu Recht gemäß §
68 Abs
3 Satz 1
SGB III (hier idF des AFRG) eine Arbeitskleidungspauschale in Höhe von 20,-- DM zu Grunde gelegt.
Nicht in vollem Umfang nachprüfbar ist die Einkommensanrechnung gemäß §
71 SGB III (idF, die die Norm durch das 1.
SGB III-ÄndG erhalten hat). Nach Abs 1 dieser Vorschrift werden auf den Gesamtbedarf, soweit vorliegend einschlägig, das Einkommen
des Auszubildenden und seiner Eltern in dieser Reihenfolge angerechnet. Hinsichtlich der Anrechnung von Elterneinkommen fehlt
es völlig an rechtlich nachprüfbaren Tatsachenfeststellungen des LSG. Insoweit hat das LSG ausschließlich auf Berechnungen
der Beklagten verwiesen, die den Bewilligungsbescheiden als Anhänge beigefügt sind. In diesen Anhängen sind jedoch nur die
einzelnen Berechnungsschritte wiedergegeben. Dies genügt weder für die Überprüfung der Höhe des maßgeblichen Einkommens noch
der zugrundegelegten Freibeträge oder Abzüge. Insbesondere ist nicht geprüft, ob vorliegend erhöhte Freibeträge nach §
71 Abs
2 Satz 2 Nr
2 SGB III in Betracht kommen, weil die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden
außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich war. Hierfür könnte sprechen, dass er in Brandenburg eine
Lehrstelle nicht gefunden hat.
Letztlich nicht in vollem Umfang nachprüfbar ist auch, in welcher Höhe bzw ob überhaupt Einkommen des Klägers selbst auf den
Bedarf anzurechnen ist. Hierzu verweist §
71 Abs
2 SGB III auf die Vorschriften des Vierten Abschnitts des
BAföG. Dort ist in §
21 Abs
1 geregelt, dass als Einkommen - vorbehaltlich der Sätze 3 und 4, der Abs 2a, 3 und 4 - die Summe der positiven Einkünfte iS
des §
2 Abs
1 und
2 EStG gelten. Nach §
2 Abs
1 Satz 1 Nr
4 EStG iVm Abs
2 Nr
2 EStG ist dies der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§
8 bis
9a EStG). Welche Werbungskosten im Sinne des Einkommensteuerrechts der Kläger geltend machen kann, hat das LSG nicht festgestellt.
Vielmehr hat es sich im Hinblick auf eine frühere Entscheidung des BSG zu § 40 AFG iVm § 18 der Ausbildungsanordnung berechtigt gesehen, eine in § 18 Abs 4 der Ausbildungsanordnung vorgesehene Regelung der Sache nach über das Jahr 1997 hinaus auch nach Inkrafttreten des
SGB III weiterhin anzuwenden. Diesen Ausführungen des LSG kann jedoch nicht gefolgt werden. In § 40 AFG war die Höhe der BAB selbst nicht geregelt; vielmehr war diese den Regelungen in der Ausbildungsanordnung vorbehalten. §
18 Abs 4 der Ausbildungsanordnung ordnete generell an, Werbungskosten des Auszubildenden seien nicht zu berücksichtigen. Das
BSG hat in einer Entscheidung vom 3. Juli 1991 (SozR 3-4100 § 40 Nr 5) hierzu ausgeführt, dies sei in der Sache nicht zu beanstanden,
weil der Einkommensbegriff des Ausbildungsförderungsrechts im AFG weder identisch sei mit dem des
EStG noch identisch sein müsse und einzelne Werbungskosten zumindest in Form eines zusätzlichen Bedarfs berücksichtigt würden.
Das BSG hat die Regelung der Ausbildungsanordnung damit gebilligt, nicht aber für zwingend erachtet. Die Ausbildungsanordnung
ist indes mit Wirkung ab 1. Januar 1998 durch das AFRG aufgehoben worden (Art 82 Abs 1 Nr 7) und damit nicht mehr anwendbar.
In der Begründung des §
71 SGB III im 1. AFRG-Entwuf (BT-Drucks 13/4941 S 166 f) ist zur jetzigen Regelung ausgeführt, die Neuregelung stelle die Bedürftigkeitsprüfung
grundsätzlich auf die Vorschriften des
BAföG um. Damit werde ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des Ausbildungsförderungsrechts getan. Da andererseits §
21 Abs
1 BAföG ohne jegliche Einschränkung auf §
2 Abs
1 und
2 EStG verweist, spricht dies von vornherein gegen die Auslegung des §
71 Abs
2 SGB III durch das LSG und die Beklagte. Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1998 kann mithin die Berücksichtigung von Werbungskosten
nicht generell ausgeschlossen werden; hierfür gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage (so auch Fuchsloch in Gagel,
SGB III, §
71 RdNr 60, Stand März 2002).
Allerdings ist dem LSG insoweit zu folgen, als die uneingeschränkte Übernahme der Vorschriften des
BAföG für die BAB jedenfalls zu einer nicht gerechtfertigten zusätzlichen Begünstigung des Auszubildenden führen würde. Während
die
BAföG-Leistungen gerade dadurch geprägt sind, dass sie an Leistungsempfänger erbracht werden, die kein eigenes Einkommen aus der
Ausbildung selbst erzielen, gilt für die Auszubildenden nach §
59 ff
SGB III typischerweise das Gegenteil. Wird bei diesen dann der Gesamtbedarf - wenn auch in beschränktem Umfang - wegen bestimmter
anfallender Kosten erhöht, die sich andererseits gleichzeitig einkommensmindernd als Werbungskosten der Ausbildungsvergütung
auswirken würden, so entstünde eine doppelte Begünstigung, für die ein sachlicher Grund nicht zu erkennen ist. Allenfalls
bei einer strikt formalen Betrachtungsweise könnte man darauf abstellen, dass dies in §
71 Abs
2 SGB III wegen der Verweisung auf das
BAföG angeordnet sei und eine andere Handhabung einer expliziten anderen gesetzlichen Regelung bedürfte (so Fuchsloch aaO).
Es kann dahinstehen, ob der Gesetzgeber dieses Problem gesehen hat; jedenfalls ermöglicht der Wortlaut des §
71 Abs
2 SGB III, worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat, eine modifizierende Anwendung der Regelungen des
BAföG in Form einer teleologischen Reduktion, weil dessen Vorschriften nur "entsprechend" anzuwenden sind. Dies bedeutet, dass
Regelungen, die im Rahmen der §§
59 ff
SGB III nicht systemkompatibel sind, durchaus einer einschränkenden Auslegung zugängig sind, soweit dies durch die Besonderheiten
der BAB sachlich geboten ist. Dies gilt vorliegend für die vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten: Der Kläger kann nach
Sinn und Zweck der Regelung (Harmonisierung mit
BAföG) von der Geltendmachung von Werbungskosten zwar nicht ausgeschlossen werden; bei Aufwendungen, die bei der Ermittlung der
Höhe der BAB bereits berücksichtigt worden sind, würde dies aber zu einer doppelten Begünstigung führen. Konsequenz dieser
Überlegung ist, dass bei Anwendung des §
71 Abs
2 SGB III für die Anrechnung des Einkommens, das der Auszubildende erzielt, immer geprüft werden muss, ob und in welchem Umfang steuerrechtlich
anzuerkennende Werbungskosten bereits den Bedarf nach §§
65 ff
SGB III bestimmt haben. Nur in diesem Umfang dürfen sie dann nicht mehr einkommensmindernd berücksichtigt werden. Eine weitergehende
Einschränkung der Geltendmachung von Werbungskosten wäre nur auf der vor 1998 geltenden Rechtsgrundlage möglich. Entgegen
der Ansicht der Beklagten ist ohne Bedeutung, ob der Auszubildende überhaupt Steuern bezahlt hat bzw in welcher Höhe die Finanzbehörden
Werbungskosten anerkannt haben. Eine solche Einschränkung bzw Bindung normiert das Gesetz nicht; die Bundesagentur für Arbeit
hat vielmehr in eigener Kompetenz eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Dies wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung
und der Überprüfung der vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten zu beachten haben, bevor Freibetrag und Abzüge vom Einkommen
errechnet werden. Das LSG wird außerdem ggf zu prüfen haben, ob bei der Anrechnung der Einkommen der Eltern das Einkommen
des leiblichen Vaters oder ggf eines anderen, rechtlichen Vaters heranzuziehen ist. Letztlich hat das LSG auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens zu befinden.