Rechtzeitige Antragstellung bei Eingliederungszuschüssen an Arbeitgeber, Förderungsbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei Minderleistung
Gründe:
I. Im Streit ist die Zahlung eines Eingliederungszuschusses für die im Jahre 1949 geborene Arbeitnehmerin H. für die Zeit
ab 1. Juni 2001.
Am 28. Mai 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Eingliederungszuschuss. Zuvor hatte die Klägerin am 18. April
2001 mit der Arbeitnehmerin H. einen unbefristeten Arbeitsvertrag als "Mitarbeiterin allgemeine Verwaltung" geschlossen; die
Arbeitsaufnahme war am 1. Juni 2001 erfolgt. Die Arbeitnehmerin H., die seit Oktober 1993 arbeitslos und seitdem während dreier
Jahre in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen versicherungspflichtig beschäftigt war, absolvierte zuletzt bis 23. Mai 2001 eine weitere
einjährige, von der Beklagten geförderte Weiterbildungsmaßnahme. In den übrigen Zeiträumen bezog sie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Nach Angabe der Klägerin teilte ihr die Beklagte am 20. November 2001 telefonisch mit, dass der Zuschuss am 16. August 2001
bewilligt worden sei, die Zustellung des Bescheides sich aber wegen hohen Arbeitsanfalls noch bis Ende 2001 hinziehen werde.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Klägerin den Leistungsantrag erst nach Abschluss
des Arbeitsvertrages und damit verspätet gestellt habe. Auch ein Fall der unbilligen Härte liege nicht vor, da sie an einer
früheren Antragstellung nicht gehindert gewesen sei (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen (Urteil vom 15. Januar 2003). Der Leistungsantrag sei rechtzeitig gestellt worden,
da das leistungsbegründende Ereignis beim Eingliederungszuschuss die Aufnahme der Beschäftigung sei. Die Leistung solle Minderleistungen
ausgleichen, die erst mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses, und nicht bereits mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, aufträten.
Es liege auch eine unbillige Härte vor, sodass der Antrag noch als rechtzeitig gestellt anzusehen sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 2004). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte in
ihrem Telefonat vom 20. November 2001 weder die Bewilligung der Leistung zugesichert noch die Leistung - mangels Regelung
mit Außenwirkung - mündlich bewilligt habe. Zwar lägen die Voraussetzungen des Eingliederungszuschusses insoweit vor, als
die Arbeitnehmerin 1999 bereits das 50. Lebensjahr vollendet habe und bei Beginn der Leistung langzeitarbeitslos gewesen sei.
Mangels rechtzeitigen Antrags sei aber die Leistung zu versagen. Leistungsbegründendes Ereignis iS von §
324 Abs
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) sei die Einstellung des Arbeitnehmers, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch durch einen Arbeitsvertrag iS der §§
611 ff
Bürgerliches Gesetzbuch gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer begründe. Richtig sei zwar, dass sich
die durch den Eingliederungszuschuss auszugleichende Minderleistung erst mit der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung
auswirke. Jedoch komme es nach dem Zweck der Leistung, den Einstellungsentschluss des Arbeitgebers zu fördern, gerade nicht
darauf an, wann die Beschäftigung tatsächlich beginne. Schließlich sei auch wegen der vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke, den
Antragsteller vor schädigenden Dispositionen zu schützen und der Beklagten Gelegenheit zur Beratung und Prüfung der Maßnahme
zu geben, auf den Abschluss des Arbeitsvertrages als maßgebliches Ereignis abzustellen. Zudem liege keine "unbillige Härte"
iS von §
324 Abs
1 Satz 2
SGB III vor, um den Antrag der Klägerin trotz Verspätung zuzulassen. Soweit das Merkblatt der Beklagten als maßgebliches Ereignis
den "Abschluss des Arbeitsvertrages, spätestens Tag der Arbeitsaufnahme" bezeichnet, ergebe sich nichts anderes. Daraus werde
hinreichend deutlich, dass grundsätzlich der Abschluss des Arbeitsvertrages maßgeblich sei, es sei denn, er liege nach dem
Tag der Arbeitsaufnahme. Rechtlich unerheblich sei auch, dass die Arbeitnehmerin H. vor der Beschäftigung bei der Klägerin
ein Praktikum absolviert habe. Dies führe nicht zwingend zu einem Eingliederungszuschuss bei Einstellung der Arbeitnehmerin
H.
Die Klägerin rügt eine Verletzung des §
324 SGB III. Sie habe nach der telefonischen Auskunft vom 20. November 2001 von einer Bewilligung des Eingliederungszuschusses, zumindest
von einer verbindlichen Ankündigung einer Bewilligung mit Außenwirkung ausgehen können. Unabhängig davon sei der Antrag rechtzeitig
gestellt worden, da nach herrschender Meinung in der Literatur und weit überwiegender Meinung in der Rechtsprechung das leistungsbegründende
Ereignis der Dienstantritt sei, weil hierdurch der Leistungsfall ausgelöst werde. So müsse auch das Merkblatt der Beklagten
aus Sicht des Arbeitgebers ausgelegt werden. Zudem habe das LSG den Begriff der "unbilligen Härte" iS von §
324 Abs
1 Satz 2
SGB III verkannt. Nach dem ganzen Verhalten der Beklagten im Verwaltungsverfahren habe sie (die Klägerin) von einer Bewilligung ausgehen
können. Sie habe daher die Arbeitnehmerin einstellen können, das Risiko sei für sie als gemeinnütziger Träger im sozialpädagogischen
Bereich zumindest kalkulierbar gewesen. Ihre Tätigkeit werde aber massiv beeinträchtigt, wenn der beantragte Zuschuss dann
tatsächlich entgegen aller Zusagen Monate nach Antragstellung überraschend verweigert werde. Jedenfalls habe sie die verspätete
Antragstellung - eine solche unterstellt - in Anbetracht der Vorgeschichte nur in geringem Umfang verschuldet.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2003 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2004 als unbegründet zurückzuweisen.
Sie stützt sich insbesondere auf die Entscheidung des LSG. Ebenso wenig liege eine unbillige Härte iS von §
324 Abs
1 Satz 2
SGB III vor. Bei Zubilligung der Leistung erhielte der Eingliederungszuschuss zweckwidrig den Charakter eines Lohnkostenzuschusses.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
II. Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das
LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Es fehlen ua tatsächliche Feststellungen (§
163 SGG) des LSG dazu, ob eine Eingliederung auch ohne einen Eingliederungszuschuss erfolgt wäre.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die
Berufung zulässig; der Beschwerdewert von 500,00 EUR (§
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG) war überschritten (vgl nur § 220
SGB III idF, die die Norm durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz [AFRG] vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat, sowie §§
221 und 222
SGB III, jeweils in der Fassung des Ersten
SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970). Im Revisionsverfahren ist nur noch über die Verurteilung der Beklagten
zur Zahlung eines Eingliederungszuschusses anlässlich der Beschäftigung der Arbeitnehmerin H. im Zeitraum ab 1. Juni 2001
auf Grund einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§
54 Abs
1,
56 SGG) zu entscheiden. Denn das SG hat nur zur Bescheidung verurteilt. Wie zu entscheiden wäre, wenn auf Grund des behaupteten Telefonats vom 20. November 2001
schon eine Leistungsverfügung vorliegen würde, kann dahinstehen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin lag eine (wirksame)
Bewilligung gerade noch nicht vor, weil der entsprechende Bescheid erst angekündigt worden war.
2. Dem geltend gemachten Anspruch steht jedenfalls eine verspätete Antragstellung nicht entgegen. Nach §
323 Abs
1 SGB III bedarf jede Leistung der Arbeitsförderung eines Antrags bzw eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung (dazu §
3 Abs
4 SGB III), die - wie hier allerdings nicht geschehen - auch von Amts wegen erbracht werden kann, einer Zustimmung, die als Antrag
gilt. Dabei kann die Frage, ob wegen der Gleichsetzung der Zustimmung mit der Antragstellung nur die Zustimmung des Arbeitgebers
vor Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses genügt (so Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 16
Rz 109h), offen bleiben.
Ein solcher Antrag ist gemäß §
324 Abs
1 Satz 1
SGB III bereits vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen. Entgegen der Ansicht des LSG ist das leistungsbegründende
Ereignis nicht im Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem zu fördernden Arbeitnehmer, sondern erst in der Aufnahme der Beschäftigung
bzw dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu sehen (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
324 Rz 28 mwN, Stand August 2004; David in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 217 Rz 48 f, Stand August 2004; Voelzke in Hauck/Noftz,
SGB III, § 217 RdNr 49, Stand Oktober 2005; Radüge in Hauck/Noftz,
SGB III, §
324 RdNr 10, Stand September 2003; Heinz in Praxiskommentar
SGB III [PK-SGB III], 2. Auflage 2004, § 217 RdNr 58; aA Feckler in Gemeinschaftskommentar
SGB III [GK-SGB III], § 219 RdNr 10, Stand Juni 2003). Zweck der Gewährung von Eingliederungszuschüssen ist es, den Nachteil auszugleichen, den der Arbeitgeber
dadurch erleidet, dass der Arbeitnehmer während der Förderungsdauer nur eine Minderleistung erbringt. Ferner soll dadurch
eine dauerhafte Eingliederung des Arbeitnehmers in den Arbeitsmarkt erreicht werden (vgl § 217 Satz 2
SGB III). Der Eingliederungszuschuss wird somit für die Beschäftigung des Arbeitnehmers gewährt und nicht für den formalen Abschluss
des Arbeitsvertrages. Leistungsbegründendes Ereignis ist mithin der Beginn der Beschäftigung, sodass es ausreicht, wenn der
Antrag vor diesem Zeitpunkt gestellt wird.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/4941 S 212 zu § 325). Darin heißt es, dass insbesondere
die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, die an die Teilnahme an bestimmten Maßnahmen oder an bestimmte Betätigungen des
Berechtigten anknüpfen, grundsätzlich vor Beginn dieser Maßnahmen beantragt werden sollen. Der Gesetzgeber hat hier ausdrücklich
an den Beginn der Maßnahme und nicht an den formalen Abschluss von Arbeits- und Weiterbildungsverträgen angeknüpft. Es ist
kein sachlicher Grund erkennbar, warum im Fall einer Beschäftigung etwas anderes gelten sollte als bei der Teilnahme an einer
sonstigen Maßnahme (vgl zu diesem Begriff Eicher in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
327 Rz 45, Stand August 2004). Damit ist ein Antrag jedenfalls dann rechtzeitig, wenn er vor Beginn des Arbeitsverhältnisses
gestellt worden ist. Frühestens zu diesem Zeitpunkt tritt das leistungsbegründende Ereignis ein. Denn erst ab diesem Zeitpunkt
hat der Arbeitgeber Arbeitsentgelt zu zahlen, das durch die Förderung bezuschusst werden soll. Bei einer Antragstellung vor
Beginn des Arbeitsverhältnisses wird auch der weitere Gesetzeszweck nicht verhindert, dass die Beklagte den Antragsteller
berät und dieser ggf Dispositionen trifft, die sich im Nachhinein als schädlich erweisen (vgl BT-Drucks 13/4941 S 212 zu §
325). Anders als bei der Förderung der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (§
77 SGB III) sieht das Gesetz in den §§ 217 ff
SGB III eine vorherige Beratung nicht vor. Der Antragsteller trägt allerdings das Risiko von Leistungshindernissen, die bei rechtzeitiger
Beratung möglicherweise hätten ausgeräumt werden können (vgl David in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 217 Rz 50, Stand August 2004). Bei Antragstellung am 28. Mai 2001 und Arbeits- sowie Beschäftigungsbeginn am 1. Juni 2001 war
der Antrag somit rechtzeitig gestellt. Auf die Frage, ob zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung nach
§
324 Abs
1 Satz 2
SGB III zuzulassen ist oder zugelassen werden kann, kommt es nicht an.
3. a) Rechtsgrundlage für den von der Klägerin begehrten Eingliederungszuschuss ist § 217
SGB III (idF, die die Norm durch das AFRG vom 24. März 1997 - BGBl I 594 - erhalten hat) iVm § 218 Abs 1 Nr 3
SGB III (idF, die die Norm durch das 2.
SGB III-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1999 - BGBl I 1648 erhalten hat). Nach § 217
SGB III können Arbeitgeber zur Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmern Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten zum Ausgleich
von Minderleistungen erhalten. Förderungsbedürftig sind Arbeitnehmer, die ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in
den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Nach § 218 Abs 1
SGB III können Eingliederungszuschüsse ua erbracht werden, wenn
(Ziff 3) Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet haben und vor Beginn des Arbeitsverhältnisses langzeitarbeitslos oder innerhalb
der letzten zwölf Monate mindestens sechs Monate beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet waren (Eingliederungszuschuss für ältere
Arbeitnehmer).
b) Die Förderung setzt allgemein voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Grund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt
(vgl Heinz in PK-
SGB III, 2. Auflage 2004, § 217 RdNr 24 ff; David in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 217 Rz 21, Stand August 2004; Brandts in Niesel,
SGB III, 3. Auflage 2005, § 217 RdNr 25). Diese Förderungsvoraussetzung ist nicht ausdrücklich in § 217 Satz 1
SGB III genannt. Sie folgt aber aus der Verwendung des Begriffs "Arbeitsentgelt" in § 217 Satz 1
SGB III ebenso wie aus dem Wortlaut der Regelungen über die Rückzahlungspflicht (vgl § 223 Abs 2 Satz 2 Nr 1 und Nr 2 aF). Vorliegend hat nach den Feststellungen des LSG die Klägerin mit der Arbeitnehmerin H. einen
wirksamen Arbeitsvertrag am 18. April 2001 abgeschlossen und damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen.
c) Weiterhin verlangt § 217 Satz 1
SGB III, dass der begehrte Zuschuss zum Ausgleich von Minderleistungen dient. Der Begriff der Minderleistung ist ein unbestimmter
Rechtsbegriff, der lediglich Ausdruck einer allgemeinen Zielsetzung der Eingliederungszuschüsse ist, die im Rahmen der Ermessensausübung
zu berücksichtigen ist (so Armbrust in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 16 RdNr 5 ff). Das Erfordernis
der Minderleistung ist damit keine echte Anspruchsvoraussetzung (so noch zu § 49 AFG: BSG SozR 3-4100 §
49 Nr 1 S 2; s auch Heinz in PK-
SGB III, 2. Auflage 2004, § 217 RdNr 43), bei deren Umsetzung der Beklagten uU sogar ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukäme
(dafür Feckler in GK-
SGB III, § 217 RdNr 10, Stand Juni 2003).
Nach der Gesetzesbegründung soll § 217
SGB III nur den Leistungszweck festlegen (vgl BT-Drucks 13/4941 S 192). Dies entspricht hinsichtlich der Minderleistung auch der
Systematik des Gesetzes. Denn in den Sondervorschriften der §§ 218 ff
SGB III hat der Gesetzgeber spezielle Voraussetzungen normiert, welche beim Arbeitnehmer vorliegen müssen, für den der Arbeitgeber
die Förderung begehrt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in den normierten Fällen in aller Regel eine Minderleistung des
Arbeitnehmers zu erwarten ist (vgl BT-Drucks 13/4941 S 192 zu § 215). Er hat damit selbst die Formen von Minderleistungen
typisiert. Für eine generalklauselartige Anwendung des § 217
SGB III ist daneben kein Raum. Es kommt somit im Einzelfall hinsichtlich der geminderten Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers
auf die besonderen Voraussetzungen des § 218
SGB III an, die gerichtlich voll überprüfbar sind. Weitere Überlegungen zur Minderleistungsfähigkeit sind von der Beklagten lediglich
im Rahmen des Ermessens anzustellen (vgl Armbrust, aaO, RdNr 7).
d) Nach den Feststellungen des LSG liegen die Voraussetzungen des § 218 Abs 1 Nr 3
SGB III vor. Unschädlich ist, dass die 1949 geborene Arbeitnehmerin H. zum Antragszeitpunkt (1. Juni 2001) erst 50 Jahre alt war.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) war nach § 224 Satz 2
SGB III (idF, die die Norm durch Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter [SchwbBAG] vom 29. September 2000 -
BGBl I 1394 - erhalten hat) ermächtigt, durch Rechtsverordnung beim Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer die Altersgrenze
auf bis zu 50 Jahre herabzusetzen, wenn dies nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erforderlich war. Von dieser Verordnungsermächtigung
hat das BMA durch Erlass der Eingliederungszuschussverordnung vom 30. Dezember 1997 (BGBl I 1998, 37) Gebrauch gemacht. § 1 Satz 1 der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Verordnung (§ 2) legte die Altersgrenze für Förderungen, die nach dem früheren § 97 Arbeitsförderungsgesetz erstmals begonnen worden waren, auf die Vollendung des 50. Lebensjahres fest. Die Herabsetzung der Altersgrenze ist durch
Änderungen der Eingliederungszuschussverordnung vom 6. Mai 1999 (BGBl I 937, in Kraft ab 1. August 1999) und 29. September
2000 (BGBl I 1394, in Kraft ab 1. Oktober 2000) auf Förderungen erstreckt worden, die nach dem
SGB III bis zum 31. Dezember 2001 erstmals begonnen worden waren. Damit fiele auch die Klägerin zum Antragszeitpunkt am 1. Juni 2001
unter diese Verordnung, wenn eine Förderung auszusprechen wäre. Denn die Klägerin darf dadurch keinen Nachteil erleiden, dass
die Beklagte die Leistung zunächst zu Unrecht verweigert hat. Die Klägerin muss vielmehr so gestellt werden, als wäre die
Leistung rechtzeitig bewilligt worden.
Die Klägerin war auch vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 1. Juni 2001 langzeitarbeitslos. Nach §
18 Abs
1 SGB III ist langzeitarbeitslos ein Arbeitsloser, der ein Jahr und länger arbeitslos ist. Nach §
18 Abs
2 SGB III bleiben allerdings für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (§
3 Abs
4 SGB III) - hierzu zählt auch der Eingliederungszuschuss - Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit wie Zeiten einer aktiven Arbeitsförderung
(§
18 Abs
2 Nr
1 SGB III) innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren (hier: 1. Juni 1996 - 31. Mai 2001) unberücksichtigt. Damit werden nach den Feststellungen
des LSG die Zeiten der Weiterbildung (24. Mai 2000 - 23. Mai 2001) sowie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (22. Juni 1998 -
21. Juni 1999) nicht berücksichtigt. Durch die weiter festgestellte Arbeitslosigkeit (24. Mai 2001 - 31. Mai 2001, 22. Juni
1999 - 23. Mai 2000 sowie 16. Dezember 1997 - 21. Juni 1998) wird die erforderliche Dauer von einem Jahr Arbeitslosigkeit
jedoch überschritten.
e) Ob die Arbeitnehmerin H. förderungsbedürftig iS des § 217 Satz 2
SGB III ist, kann allerdings nicht entschieden werden. Danach sind nur Arbeitnehmer förderungsbedürftig, die ohne Leistung nicht
oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Das LSG hat - von seiner Rechtsansicht ausgehend zu
Recht - darüber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Ua muss insoweit zwischen der Förderung
und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang bestehen. Ein solcher besteht nicht, wenn die Arbeitnehmerin
H. auch ohne Zuschuss eingestellt worden wäre und somit die Eingliederung ohne Förderung erfolgt wäre. Hier könnten an der
Kausalität deshalb Zweifel bestehen, weil der Förderungsantrag erst wenige Tage vor der Arbeitsaufnahme gestellt worden ist.
Wäre die Förderung aus der Sicht der Klägerin unabdingbare Voraussetzung der Einstellung der H. gewesen, hätte es nahe gelegen,
den Antrag möglichst frühzeitig zu stellen.
Die Beklagte hat bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitnehmer ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt
eingegliedert werden kann, neben dieser Kausalitätsprüfung eine Prognoseentscheidung zu treffen. Dabei sind nicht nur die
in der Person des Arbeitnehmers liegenden Umstände, sondern auch der Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Die Beklagte hat die
Abhängigkeit der angestrebten Eingliederung von der Förderleistung vorausschauend zu beurteilen. Die von ihr geforderte hypothetische
Betrachtung unterliegt einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Ein Beurteilungsspielraum, der von den Gerichten nur
darauf überprüft werden kann, ob der Verwaltungsentscheidung ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde
liegt, die durch Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet worden
sind und die Verwaltung ihre Subsumtionsgedanken in einer Art und Weise zum Ausdruck gebracht und begründet hat, dass die
Berücksichtigung der Beurteilungsmaßstäbe ersichtlich und nachvollziehbar ist (vgl BSGE 79, 269, 272 = SozR 3-4460 § 10 Nr 2, in Fortführung von BSGE 67, 228, 231 = SozR 3-4100 § 36 Nr 1), ist der Beklagten dagegen nicht eingeräumt (vgl David in Eicher/Schlegel, aaO, § 217 Rz 35, Stand August 2004; Heinz in PK-
SGB III, aaO, § 217 RdNr 47; aA Voelzke in Hauck/Noftz,
SGB III, § 217 RdNr 37, Stand Oktober 2005). Die Prognose umfasst zwar nicht nur die derzeitige Lage des Arbeitsmarktes, sondern auch das
weitere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers. Auch wenn sie auf diese Weise durch die gegenwärtige und zukünftige Arbeitsmarktsituation
mitbestimmt wird, ist die Förderung doch nicht von einer arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit abhängig. Damit ist die prognostische
Einzelbeurteilung tatsächlichen Feststellungen im gerichtlichen Verfahren mit gleicher Sicherheit zugänglich wie im Verwaltungsverfahren.
Weder rechtliche noch faktische Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von der nach Art
19 Abs
4 Grundgesetz prinzipiell gewährleisteten vollständigen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen (vgl BVerfGE 64, 261, 279; 78, 214, 226; 84, 34, 49 ff; 84, 59, 77 ff; BVerfG JZ 1993, 784, 788), sind hier gegeben.
4. Das LSG wird des Weiteren festzustellen haben, ob Ausschlussgründe vorliegen, die ggf neben den Tatbestandsvoraussetzungen
der §§ 217 ff
SGB III zu beachten wären. Gemäß § 223 Abs 1 Nr 1
SGB III (idF, die die Norm durch das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilnahme behinderter Menschen - [SGB IX]
vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046 - erhalten hat) ist eine Förderung etwa ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber
die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss zu erhalten. Da das LSG -
aus seiner Sicht zu Recht - dazu keine Feststellungen getroffen hat, sind diese nunmehr nachzuholen.
Im Rahmen der Zurückverweisung wird das LSG gegebenenfalls auch § 235a Abs 3
SGB III (idF, die die Norm durch das SchwbBAG erhalten hat) zu beachten haben. Danach kann bei Übernahme Schwerbehinderter in ein Arbeitsverhältnis durch den ausbildenden
oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Aus- oder Weiterbildung ein Eingliederungszuschuss in Höhe
von bis zu 70 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts (§ 218
SGB III) für die Dauer von einem Jahr erbracht werden, sofern während der Aus- oder Weiterbildung Zuschüsse erbracht wurden. Nach
der Widerspruchsbegründung soll die Arbeitnehmerin "schwerbeschädigt" gewesen sein. Ob sie damit schwerbehindert mit einem
Grad der Behinderung von wenigstens 50 (§ 1 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und
Gesellschaft - Schwerbehindertengesetz - [SchwbG] vom 26. August 1986 - BGBl I 1421 - Fassung bis 30. Juni 2001) oder gegebenenfalls
nach § 2 Abs 1 SchwbG (Fassung bis 30. Juni 2001) gleichgestellte Behinderte war, wird ggf ebenso zu prüfen sein wie die Frage, ob die weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen des § 235a Abs 3
SGB III vorliegen. Denn nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Meistbegünstigungsprinzip (vgl dazu nur Eicher in Kasseler Handbuch
des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 16 mwN zur Rechtsprechung) ist bei der Auslegung des Klagebegehrens unabhängig
vom Wortlaut der wirkliche Wille zu erforschen. Das Gericht wird grundsätzlich von der für den Kläger günstigsten Leistung
ausgehen müssen, weil bzw wenn jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei sachgerechter Beratung entsprechend
anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; SozR 3-4100 § 104
Nr 11 S 47 mwN). Dies wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten und mit der Klägerin zu klären haben, ob diese
ggf auch - hilfsweise - einen Zuschuss bei Übernahme Schwerbehinderter in ein Arbeitsverhältnis (§ 235a Abs 3
SGB III) begehrt.
5. Sollten alle Voraussetzungen für einen Eingliederungszuschuss oder eine Leistung zur beruflichen Eingliederung Behinderter
vorliegen, wäre im Rahmen des dann von der Beklagten auszuübenden Ermessens vom LSG weiter zu prüfen, ob nicht eine Ermessensreduzierung
"auf Null" eingetreten ist. Dafür wäre allerdings das Rechtsmittel der Anschlussberufung einzulegen (§
202 SGG iVm §
524 Zivilprozessordnung). Eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin wäre anzunehmen, wenn ihr am 20. November 2001 bereits fernmündlich eine
Förderung bezogen auf die Arbeitnehmerin H. zugesagt worden wäre. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine Zusicherung
nach § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) setze Schriftlichkeit voraus, und eine mündliche Zusage könne deshalb keine rechtlichen Wirkungen nach sich ziehen. Der
Unterschied zur Zusicherung liegt darin, dass eine mündliche Zusage nur bei der Ausübung des Ermessens bindet, während die
den Voraussetzungen des § 34 SGB X entsprechende Zusicherung eine Bindung auch im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen erzeugt. Auch ohne schriftliche Zusicherung
bindet mithin eine mündliche Zusage das Ermessen im Rahmen dessen, was zugesagt ist (vgl Urteil des Senats vom 18. August
2005 - B 7a/7 AL 66/04 R - sowie Grosser, SGb 1994, 610 ff). Sollte bei Vorliegen aller Förderungsvoraussetzungen eine mündliche Zusage nicht ausgesprochen worden oder nachweisbar
sein, wäre die Beklagte (nur) zur Neubescheidung der Klägerin zu verurteilen.
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.