Verbot rückwirkender belastender Gesetze im Fremdrentenrecht
Gründe:
I
Streitig ist, ob die Klägerin einen Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres im September 1925
geborenen und im Mai 2002 verstorbenen Ehemannes F. W. (Versicherter) hat.
Die Eheleute waren am 19. August 1997 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, hatten ihren gemeinsamen Wohnsitz in Berlin
genommen und das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben hatte mit Bescheinigung vom 31. Oktober 1997 bestätigt, dass beide
den Status eines Spätaussiedlers nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) besitzen. Dem Versicherten und der Klägerin wurde Altersruhegeld allein auf Grund von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewilligt, wobei beide Renten nach § 22b Abs 1 FRG auf je 25 Entgeltpunkte (EP) begrenzt und für die Dauer des Zusammenlebens bis zum Tod des Versicherten nach § 22b Abs 3 FRG noch weiter auf insgesamt 40 EP abgesenkt wurden.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin nach dem Tod des Versicherten mit Bescheid vom 23. Juli 2002 dem Grunde nach große Witwenrente,
verweigerte aber jegliche Zahlung, weil die Klägerin (nach der Aufhebung der weiteren Absenkung nach § 22b Abs 3 FRG) bereits eine Rente aus eigener Versicherung beziehe, berechnet mit der nach § 22b Abs 1 FRG höchstmöglichen Zahl von 25 EP. Jene Begrenzungsregelung sei auch bei Zusammentreffen mit einer Hinterbliebenenrente anzuwenden,
die allein auf Grund nach dem FRG anrechenbarer Zeiten zu gewähren sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober
2002 und Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2004 zurück.
Mit Urteil vom 11. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Klage, mit der begehrt wurde, die Hinterbliebenenrente ausgehend von 26,9851 der knappschaftlichen und 2,7531 der Angestelltenversicherung
zugeordneten EP des Versicherten, hilfsweise von 15 EP, zu gewähren, zurückgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die
Beklagte habe zu Recht entschieden, dass für das Recht der Klägerin auf große Witwenrente gemäß § 22b FRG kein Geldwert festzusetzen sei, weil bereits für deren eigene Rente 25 (einfache) EP zu Grunde gelegt worden seien. § 22b FRG sei eindeutig und auch schon vor seiner Änderung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 dahin zu verstehen, dass er Anspruchsinhaber
aus abgeleitetem Recht nicht ausschließe, und zwar durch Verwendung des Begriffs des Berechtigten, der unabhängig vom Ursprung
des Rechts den Inhaber eines Rechts bezeichne und schon in § 22b FRG aF keinen anderen Inhalt habe als zB in § 14 FRG und §§
110 ff Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI), wo er auch Hinterbliebene erfasse. Der mit § 22b FRG beabsichtigte Systemwechsel wäre andernfalls gegenüber Hinterbliebenen (mit Ausnahme des § 22 Abs 4 FRG) rechtspraktisch nicht vollzogen, die damit verbundene Ungleichbehandlung zwischen berechtigten Hinterbliebenen und lebenden
Verheirateten auch verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) gefundene Auslegung überzeuge
auch im Hinblick auf die Funktion der Hinterbliebenenrente nicht, das von der Klägerin zitierte Urteil lasse zudem - wie auch
die weiteren Urteile des BSG vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) zeigten - völlig offen, auf welcher Grundlage der Rentenversicherungsträger die dem Grunde nach anerkannte Witwenrente der
Höhe nach sonst berechnen solle. Mit Rücksicht auf die dem Gesetz widersprechende und uneinheitliche Rechtsprechung des BSG
und auf die dem BSG widersprechenden zahlreichen instanzgerichtlichen Entscheidungen bewirke die Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz keine andere Betrachtungsweise, sondern lediglich eine Klarstellung. Das Eigentumsrecht
der Klägerin aus Art
14 Grundgesetz (
GG) sei nicht verletzt, weil ihr Anspruch keine eigentumsrechtliche Position im Sinne des Art
14 GG darstelle; es handele sich bei einer FRG-Witwenrente nicht um durch Beitragsleistungen erbrachte Sozialversicherungspositionen im Sinne der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Auch die dem Grunde nach erfolgte Bewilligung der Rente begründe kein Eigentumsrecht,
weil gerade bei abgeleiteten Ansprüchen die Anrechnung eigenen Einkommens die Auszahlung verhindern könne. Die Anerkennung
eines Rentenanspruchs dem Grunde nach schaffe schon vom Regelungsgehalt des Verwaltungsakts her keine eigentumsrechtliche
Position.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung von § 22b FRG alter und neuer Fassung sowie die Verletzung von Art
3 und
14 GG. Sie trägt vor, unabhängig, ob § 22b FRG idF des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (§ 22b FRG nF) im Übrigen verfassungsmäßig sei, sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb ein deutscher Staatsangehöriger bzw ein Vertriebener
oder Spätaussiedler als Deutscher iS des Art
116 GG hinsichtlich der Zuerkennung einer Hinterbliebenenrente anders behandelt werden dürfe als die übrigen in Deutschland lebenden
Deutschen. Die Zuerkennung der Hinterbliebenenrente ergebe sich aus dem Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten, der
sich nach dem Tode des einen Ehegatten fortsetze. Solange der Gesetzgeber die Hinterbliebenenrentenregelungen nicht ganz abschaffe,
dürfe nach Art
3 GG keine Diskriminierung von dem Personenkreis der Vertriebenen/Spätaussiedler angehörenden deutschen Staatsangehörigen stattfinden.
Des Weiteren habe die Klägerin eine von Art
14 GG geschützte, verfestigte Rechtsposition erworben. Witwe oder Witwer müssten nicht zwangsläufig auch dem Personenkreis des
FRG zuzuordnen sein. Die vom SG behauptete sachwidrige Privilegierung bei Nichtanwendung des § 22b FRG aF auf Hinterbliebene sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon sei das Inkrafttreten des § 22b FRG nF rückwirkend zum 7. Mai 1996 verfassungswidrig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23.
Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2004 zu verurteilen, ihr Witwenrente auf der Grundlage von
höchstens 25 für ihren verstorbenen Ehemann zu berücksichtigenden Entgeltpunkten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG jedenfalls im Ergebnis für zutreffend und führt ergänzend - und im Weiteren in näherer Erläuterung eines von ihr vorgelegten
Rechenwerks des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) - aus, die Klägerin werde nicht wegen ihrer Herkunft anders
behandelt als eine hiesige Witwe. Der Grund dafür beruhe vielmehr in dem anderen Rechtscharakter der anrechenbaren fremdstaatlichen
Zeiten, deren Anrechnung und Bewertung im weitestgehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege. Begrenzt werde dabei
nur die Anrechnung von nach dem FRG anrechenbaren Zeiten. Insoweit sei die Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG durch die bisherige Rechtsprechung auch nicht in Frage gestellt, die betont habe, dass der Gesetzgeber damit für Spätaussiedler
eine Sozialrente geschaffen habe, die als Fürsorgeleistung nur dem äußeren Schein nach noch dem System der gesetzlichen Rentenversicherung
zuzuordnen sei. Im Fall der Klägerin sei § 22b FRG nF anzuwenden. Diese Vorschrift sei rückwirkend zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten und daher ab sofort auch von den Gerichten
zu beachten. Der Gesetzgeber habe damit lediglich klargestellt, dass auch für den einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf
eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten auf insgesamt 25 EP begrenzt
werde; dies habe auch dem objektiven Normverständnis des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF entsprochen. Durch das rückwirkende Inkrafttreten habe der Gesetzgeber sichergestellt, dass alleinstehende Berechtigte
mit mehreren Renten weiterhin eine Rentensumme höchstens in einer Höhe erhielten, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe
orientiere. Es handele sich dabei um eine authentische Interpretation, mit der der Gesetzgeber angeordnet habe, wie die bisherige
Bestimmung zu verstehen gewesen sei. Eine solche rückwirkende Klarstellung sei nach der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG
von den Gerichten in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer rückwirkenden Gesetzesänderung auch bei einer zusätzlichen Belastung
des Bürgers zu beachten, wenn das Vertrauen auf die zuvor bestehende Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht
schutzwürdig gewesen sei, insbesondere, wenn das durch die Norm veränderte geltende Recht unklar und verworren gewesen sei
oder sich der Bürger ohnedies nicht auf den von der Norm erzeugten Rechtsschein habe verlassen können. Hier sei die Rechtslage
durch die Entscheidung des 4. Senats des BSG unklar und verworren geworden. Dies ergebe sich aus zahlreichen gegensätzlichen
obergerichtlichen Entscheidungen sowie der differierenden Rechtsprechung des BSG zu der Frage, in welcher Anzahl die EP beim
Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen seien. Allen Beteiligten seien im Übrigen die
deutlichen Verschlechterungen der Rentenleistungen für die nach dem 6. Mai 1996 zuziehenden Personen bekannt gewesen; die
Betroffenen hätten gewusst, dass sich der pauschal zugebilligte Bedarf nach der Zahl der Berechtigten richte, wobei ein(e)
Alleinstehende(r) generell nur eine Leistung aus maximal 25 EP habe erhalten können. Hierauf hätten sie sich eingerichtet
und insbesondere die Entscheidungen der Rentenversicherungsträger über diese Begrenzung und über die Nichtzahlung einer ggf
dem Grunde nach bestehenden Hinterbliebenrente bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des 4. Senats in der Regel auch akzeptiert.
§ 22b FRG nF sei aber auch dann verfassungskonform, falls § 22b FRG aF nach seinem Wortlaut tatsächlich nicht eindeutig der beabsichtigten Regelung entsprochen haben sollte. Denn insoweit handele
es sich dann um eine zulässige echte Rückwirkung, weil die Betroffenen nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf
den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen werde, wegen des allen Beteiligten bewussten Gesetzeszwecks damit
hätten rechnen müssen, dass der Gesetzgeber die Regelung wie geschehen neu fassen werde, und die Rückwirkung im Sinne der
Rechtsprechung des BVerfG auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes übergeordneten zwingenden Gründen
des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Diese Gründe lägen hier in den großen finanziellen Belastungen, die der Bund zusätzlich
tragen müsse, wenn die RV-Träger mit Inkrafttreten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) ab 7. Mai 1996
die Renten an die Hinterbliebenen beim Zusammentreffen mit Renten aus eigener Versicherung so gewährt hätten, wie sie nach
dem Verständnis des BSG von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF hätten geleistet werden müssen. Ausgehend von den entsprechenden Rentenanträgen ab dem 7. Mai 1996 bis zum Inkrafttreten
des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes und dem Finanzvolumen für die Rentenzugänge aus den Jahren 1997 bis 2003 hätte sich in diesem
Fall unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsdauer einer Hinterbliebenenrente von 8,8 Jahren nach Ermittlungen des VDR
bereits eine finanzielle Mehrbelastung der RV-Träger von 243.673.767 EUR ergeben; unter Berücksichtigung auch der Zeiträume
vom 7. Mai bis 31. Dezember 1996 sowie vom 1. Januar bis 31. Juli 2004 dürfte sich ein Mehrbedarf von rund 270 Millionen EUR
ergeben. Auch wenn diese zusätzlichen Belastungen in Relation zum insgesamt für FRG-Leistungen zu tragenden Bundeszuschuss nicht als überragend hoch angesehen werden könnten, reiche ihr Umfang gleichwohl aus,
um ihnen bei Abwägung mit der Position der Klägerin Vorrang zu geben. Vertrauen in die Rechtslage vor Verabschiedung des WFG
habe bei der im August 1997 in die Bundesrepublik eingereisten Klägerin überhaupt nicht entstehen können. Das Verständnis
von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF, wie es vom Gesetzgeber des WFG 1996 beabsichtigt und den Beteiligten bekannt gewesen sowie von der Beklagten durchgehend
und auch im Fall der Klägerin im Bescheid vom 23. Juli 2002 praktiziert worden sei, habe durch die Entscheidung des 4. Senats
des BSG vom 30. August 2001 nicht so nachhaltig erschüttert werden können, dass nunmehr sogleich ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand
in die vom 4. Senat gefundene Gesetzesauslegung geschaffen worden sei. Die in der Folgezeit erlassenen vielfältigen obergerichtlichen
Entscheidungen hätten vielmehr gezeigt, dass dieses Normverständnis nicht akzeptiert worden sei. Auch unter Berücksichtigung
der im Grundsatz der Auffassung des 4. Senats zustimmenden Entscheidungen des 13. Senats vom 11. März 2004 und des 8. Senats
vom 7. Juli 2004 könne noch nicht von einem schutzwürdigen Vertrauen ausgegangen werden, weil diese Entscheidungen zumindest
bezüglich der Anzahl der beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrente maximal zu berücksichtigenden EP
differierten.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Hinterbliebenenrente sind im vorliegenden Fall dem Grunde nach unstreitig und von der
Beklagten mit insoweit bestandskräftigem Bescheid anerkannt. Der Ehemann der Klägerin hat zwar in der Bundesrepublik Deutschland
keine Versicherungszeiten zurückgelegt, gehört aber als anerkannter Spätaussiedler iS von § 4 BVFG zum Kreis der Berechtigten iS des § 1 FRG, insbesondere nach § 1 Buchst a FRG in der hier maßgeblichen Fassung durch Art 12 Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2094).
Für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ergibt sich aber kein Zahlbetrag, weil die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren EP bereits durch ihre Regelaltersrente ausgeschöpft ist. Dies folgt zwar nicht schon aus § 22b FRG aF, sondern ist erst aus § 22b FRG nF abzuleiten (1.). Die letztgenannte Vorschrift ist hier indes anzuwenden (2. und 3.). Verfassungsmäßige Rechte der Klägerin
werden dadurch nicht verletzt (4. und 5.). Einer weiteren Aufklärung und Entscheidung, welche Zahl von EP der Hinterbliebenenrente
der Klägerin bei Anwendung von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF zu Grunde zu legen wären, bedarf es daher nicht.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des SG hat § 22b FRG, eingefügt durch Art 3 Nr 5 WFG vom 25. September 1996 (BGBl I, 1461) und in Kraft getreten am 7. Mai 1996 (Art 12 Abs 2 WFG), die einer Rente für FRG-Zeiten zu Grunde zu legenden EP nicht in der Weise begrenzt, dass die Höchstgrenze nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF von 25 EP ("Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung
der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt") auch für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung
mit einer Hinterbliebenenrente gilt, wenn für beide Renten FRG-Zeiten berücksichtigt sind, für die § 22b Abs 1 FRG anzuwenden ist. Der Senat hat dies bereits mit Urteil vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) im Anschluss an das Urteil des 4. Senats vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R - BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) und die Urteile des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R, jeweils nicht veröffentlicht) entschieden und hält nach erneuter Prüfung daran fest. Der Hinweis der Beklagten auf die
Absicht des Gesetzgebers des WFG, Hinterbliebenenrenten in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF einzubeziehen, ändert nichts daran, dass diese Absicht darin nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen ist (Senatsurteil
aaO, BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2 jeweils RdNr 15 ff). Denn ungeachtet des Fürsorgecharakters und der darauf beruhenden Orientierung
an der Höhe der Eingliederungshilfe nach dem Arbeitsförderungsrecht handelt es sich auch bei den auf FRG-Zeiten beruhenden Renten oder Rentenanteilen um eine "echte", dh in das System des allgemeinen Rentenrechts eingeordnete
Rentenleistung, die nicht dem für die Sozialhilfe geltenden Bedürftigkeitsprinzip unterliegt (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli
2002 - B 5 RJ 22/01 R - SozR 3-5050 § 22b Nr 3 S 25, 33). Mit der von der Beklagten unterstellten Deutlichkeit lässt sich im Übrigen auch den
Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, entgegen dieser Systematik sei die Höchstgrenze auch für eine Kumulierung von eigenen
begrenzten EP für FRG-Zeiten mit den der Hinterbliebenenrente zu Grunde liegenden begrenzten EP für FRG-Zeiten gewollt.
In der Begründung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurfs des WFG (BT-Drucks 13/4610), der
insoweit textgleich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
und anderer Gesetze (BT-Drucks 13/4814) ist, welcher in den parlamentarischen Beratungen mit dem erstgenannten Gesetzentwurf
verbunden wurde (vgl Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks 13/5088), ist
zu den Änderungen des FRG allgemein ausgeführt: "Das mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge
der Auswirkungen des 2. Weltkriegs ihre soziale Sicherung in den Herkunftsgebieten verloren haben, in das Rentenversicherungssystem
der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern, ist weitgehend erreicht. Über 50 Jahre nach Kriegsende ist eine unveränderte
Beibehaltung der für einen Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Rentenniveau sichernden Regelungen sachlich nicht mehr
zu rechtfertigen. Einschränkende Regelungen sind auch zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem Fremdrentengesetz erforderlich. Deshalb sollen bei allen künftigen Rentenzugängen unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzugs die für den einzelnen
Berechtigten maßgeblichen Tabellenwerte des Fremdrentengesetzes um 40 % abgesenkt werden. Im Gegensatz zum bisherigen Recht,
nach dem die Höhe der Rente vom Zeitpunkt des Zuzugs abhängt, sollen künftig alle Rentenzugänge gleich behandelt werden. Außerdem
soll die Rente nach dem Fremdrentengesetz für Personen, die erst künftig in die Bundesrepublik zuziehen, höchstens in Orientierung an der Höhe der Eingliederungshilfe
geleistet werden" (BT-Drucks 13/4610 S 19; BT-Drucks 13/4814 S 9). Hiervon bezieht sich allein der letzte Satz auf die Regelungen
des § 22b FRG, und die Rede ist von "der" Rente, nicht allen Renten einer Person, die künftig zuzieht. Nicht wesentlich anders lautet insoweit
die besondere Begründung zur Einfügung von § 22b FRG; dort ist ausgeführt: "Durch die Vorschrift wird der Rentenanteil aus Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) für Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ab dem 15. Mai 1996 (gemeint ist: 7. Mai 1996 - vgl die Übergangsregelung
in § 4b Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz) in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben oder noch nehmen,
an der Höhe der Eingliederungshilfe, bei Ehepaaren und Berechtigten, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, am 1,6
fachen der Eingliederungshilfe orientiert," (BT-Drucks 13/4610 S 28 zu Art 3 Nr 4; BT-Drucks 13/4814 S 8 zu Art 2 Nr 3). Im Bericht des federführenden Ausschusses ist auf den Fall, dass der FRG-Berechtigte eine eigene Rente und eine Hinterbliebenenrente bezieht, ebenfalls nicht eingegangen; die Erläuterungen zu §
22b FRG beschränken sich auf die vom Ausschuss empfohlene Ergänzung hinsichtlich der der knappschaftlichen Versicherung zuzuordnenden
EP, die sicherstellen solle, dass auch für diese EP "die angestrebte Begrenzung auf den Wert von maximal 25 Entgeltpunkten
der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erreicht wird" (BT-Drucks 13/5108 S 15).
2. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ist jedoch durch Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 7. Mai 1996 durch § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF ersetzt worden, der lautet: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für Renten aus eigener Versicherung und
wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten
zu Grunde gelegt". Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass sie erst nach Erlass des angefochtenen Bescheids
verkündet worden ist. Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch auf Zahlung von Witwenrente mit einer kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage, nach welchem Recht die Begründetheit
des Anspruchs zu prüfen ist, grundsätzlich die mündliche Verhandlung; somit sind vom Gericht Rechtsänderungen, die nach Erlass
der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreits eintreten, zu beachten, wenn - wie hier nach Art 9 Nr
2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz - das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst (stRspr
vgl BSG, Urteile vom 14. Juli 1993 - 6 RKa 71/91 - BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26 und vom 2. Juli 1997 - 9 RVs 9/96 - veröffentlicht in JURIS, jeweils mwN; Senatsurteil und Vorlagebeschluss vom 28. Mai 1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 f; Senatsurteil vom 26. Februar 2003 - B 8 KN 11/02 R - SozR 4-2600 § 93 Nr 4 RdNr 7 und Senatsbeschluss vom 18. August 2004 - B 8 KN 18/03 B - veröffentlicht in JURIS).
3. Eine gesetzliche Bestimmung, welche die Anwendung des neuen Rechts im vorliegenden Fall ausschließen könnte, existiert
nicht. Der Ausschluss lässt sich insbesondere nicht aus §
300 Abs
2 SGB VI herleiten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob §
300 SGB VI in Bezug auf Änderungen des FRG generell - etwa auf Grund des allgemeinen Verweises in § 14 FRG (so BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 13) oder speziell für die hier in Rede stehende Rechtsänderung grundsätzlich anwendbar ist.
Nach §
300 Abs
1 SGB VI sind die Vorschriften "dieses Gesetzbuchs" von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch
auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme davon bestimmt
§
300 Abs
2 SGB VI, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt
ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten
nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Ungeachtet, ob aus §
300 Abs
1 SGB VI eine "Vorwirkung" für Zeiträume vor Inkrafttreten neuen Rechts abgeleitet werden kann (BSG, Urteile vom 8. November 1995
- 13 RJ 5/95 - SozR 3-2600 § 300 Nr 5 S 10 und vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 - SozR 3-2600 § 300 Nr 11 S 47) oder sich die Anwendung neuen Rechts nur auf nach seinem Inkrafttreten liegende Zeiträume
beschränkt (so BSG, Urteile vom 18. Juli 1996 - 4 RA 108/94 - SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 28 und vom 30. Januar 1997 - 4 RA 55/95 - SozR 3-2600 §
300 Nr
10 S 38), ist Voraussetzung der den Grundsatz des §
300 Abs
1 SGB VI einschränkenden Regelung in §
300 Abs
2 SGB VI, dass der Anspruch während der Geltung des alten Rechts entstanden und bis zum Inkrafttreten neuen Rechts (hier: bis zum
6. Mai 1996) bestanden hat. Das war hier eindeutig nicht der Fall. Denn der Rentenanspruch der Klägerin konnte erst nach diesem
Zeitpunkt, nämlich mit ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland, entstehen. Im Verhältnis von §
300 Abs
1 zu Abs
2 SGB VI bezeichnet der Begriff "Aufhebung" in §
300 Abs
2 SGB VI nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung im Sinne der Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten
des alten Rechts, wie er durch Gesetz ausdrücklich oder durch den Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem altes Recht ersetzende neue
Vorschriften iS von Art
82 Abs
2 GG in Kraft treten (BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 19); dieser Zeitpunkt - hier der 7. Mai 1996 - ist dann nach §
300 Abs
2 SGB VI auch maßgeblich für den Beginn der dreimonatigen Frist (zum Inkrafttretenszeitpunkt als maßgeblichem Zeitpunkt für den Fristbeginn
iS des §
300 Abs
2 SGB VI vgl auch BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 28/98 R - SozR 3-2600 § 300 Nr 14 S 63 mwN).
4. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung
des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF einzubeziehen.
a) Das BSG hat die Begrenzungsregelungen in § 22b Abs 1 FRG aF und § 22b Abs 3 FRG bereits für verfassungsmäßig erachtet (Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 87/00 R - BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1 >zu § 22b Abs 1 FRG aF<; Urteile vom 3. Juli 2002 - B 5 RJ 22/01 R - SozR 3-5050 § 22b Nr 3 und vom 19. Mai 2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 sowie Senatsurteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 28 >zu § 22b Abs 1 und Abs 3 FRG<). Der in weitgehender Abkehr von dem das frühere
Fremdrentenrecht beherrschenden Eingliederungsprinzip erfolgte Systemwechsel hin zu an der Höhe der Eingliederungshilfe orientierten
Rentenleistungen für neu zuziehende Spätaussiedler ist sowohl mit Art
116 als auch mit Art
14 und Art
3 GG vereinbar; der Senat verweist insoweit auf die eingehenden Begründungen in den Urteilen des BSG vom 3. Juli 2002 (B 5 RJ 22/01 R - SozR 3-5050 § 22b Nr 3 S 26 ff) und vom 19. Mai 2004 (B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 23 ff). Die Abkehr vom Eingliederungsprinzip in der Rentenversicherung spiegelt letztlich die Änderungen des BVFG durch das KfbG im Hinblick auf die ab 1. Januar 1993 zugezogenen Spätaussiedler. Der frühere § 90 BVFG, wonach Vertriebene in der Sozialversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des Gesetzes gleichgestellt waren, entfiel
(Art 1 Nr 30 Buchst b KfbG); nach § 7 Abs 1 BVFG idF des KfbG ist ihnen die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik nur noch "zu
erleichtern", durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind "zu mildern".
b) § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF führt den mit Einfügung des § 22b FRG durch das WFG vorgenommenen Systemwechsel in dem Sinne fort, dass einem Berechtigten durch eine Rente wegen Todes Leistungen
der Rentenversicherung für FRG-Zeiten nur noch gewährt werden, soweit die FRG-Anteile in seiner eigenen Rente den Wert der Eingliederungshilfe noch nicht erreichen. Daher ist die Erweiterung der Begrenzungsregelung
durch Einbeziehung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht anders zu beurteilen als
die bisherige Regelung. Im Übrigen fällt auch der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach einem ausschließlich in der bundesdeutschen
Rentenversicherung Versicherten nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht unter den Eigentumsschutz des Art
14 Abs
1 GG (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1). Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine EP für FRG-Zeiten zu Grunde liegen, beruht wie die übrigen Begrenzungen des § 22b FRG darauf, dass dem FRG-Anteil ihrer Renten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, die entsprechenden Leistungen
vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt werden; dies ist ein sachgerechtes Kriterium. Wenn der Gesetzgeber bei seiner
Wahl, Rentenleistungen an Spätaussiedler höchstens nur noch zur Deckung eines (pauschalierten) Bedarfs zu erbringen, frei
war, verstößt es auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, durch Einbeziehung des Hinterbliebenenrentenanspruchs zu verhindern,
dass die Berechtigten infolge des Tods ihres Ehegatten weitergehende Rentenleistungen erhalten. Die Klägerin wird damit gegenüber
deutschen hinterbliebenen Ehefrauen, deren Ehemänner ihr Berufsleben in Deutschland verbracht haben, und bei denen ein durch
eigene Beiträge erworbener Rentenanspruch lediglich als sonstiges Einkommen gemäß §
97 SGB VI angerechnet wird, nicht ungerechtfertigt benachteiligt.
5. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF ist auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor Verkündung dieser Vorschrift bestehenden Anspruch der Klägerin
vom Zeitpunkt seines Entstehens an erfasst. Zwar handelt es sich dabei im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG um eine verfassungsrechtlich
grundsätzlich verbotene sog echte Rückwirkung bzw Rückbewirkung von Rechtsfolgen (zur Unterscheidung von echter und unechter
Rückwirkung BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 242, 255, 257). Sie ist hier jedoch ausnahmsweise zulässig.
a) Die rückwirkende Anwendung rechtfertigt sich allerdings nicht wegen einer "authentischen Interpretation" des früheren Rechts
durch den Gesetzgeber. Ungeachtet, welche Vorstellungen mit diesem Begriff verbunden werden und ob er für die Gesetzgebung
im demokratischen Rechtsstaat überhaupt Sinn macht (vgl dazu Meyer in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 221 ff), ist
bei Anwendung eines Gesetzes, das ein bestehendes Gesetz rückwirkend aufhebt, stets von Verfassungs wegen zu prüfen, ob sich
die Rechtslage objektiv geändert hat, und wenn ja, ob dem verfassungsmäßige Rechte der Betroffenen entgegenstehen (BVerfG,
Beschluss vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429, 436 ff = SozR Nr 5 zu Art
28 GG); denn der Deutsche Bundestag ist bei allen seinen legislativen Akten an die Verfassung gebunden. Der erkennende Senat versteht
auch die Verwendung des genannten Begriffs im Sinne einer rückwirkenden Inhaltsbestimmung in der bisherigen Rechtsprechung
der anderen Senate des BSG (vgl Urteile vom 11. Juli 1985 - 5b/1 RJ 92/84 - BSGE 58, 243, 246 = SozR 2200 § 182 Nr 98 S 208, vom 27. September 1989 - 11 RAr 53/88 - SozR 4100 § 168 Nr 22, vom 23. März 1994 - 5 RJ 40/92 - BSGE 74, 112 = SozR 2200 § 1259 Nr 15, vom 16. Oktober 2002 - B 10 LW 10/02 R - veröffentlicht in JURIS, vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 18/02 R - SozR 3-4300 § 202 Nr 3 S 6 und vom 11. Dezember 2003 - B 10 LW 17/02 R - SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 13) nicht dahin, dass ein nachfolgendes, nach der Behauptung des Gesetzgebers nur interpretierendes
Gesetz bereits aus diesem Grund verfassungsrechtlich geringeren Anforderungen unterworfen wäre.
Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber des in der laufenden Legislaturperiode erlassenen RV-Nachhaltigkeitsgesetzes wegen der
personellen Diskontinuität nicht identisch ist mit dem Gesetzgeber des WFG, das in der vorvergangenen Legislaturperiode erlassen
wurde, kommt im demokratischen, auf Gewaltenteilung beruhenden Rechtsstaat eine Kompetenz zur verbindlichen Interpretation
des Gesetzes durch den Gesetzgeber selbst nicht in Betracht. Der Bundestag kann seinen Gesetzesbeschluss nicht einmal innerhalb
einer Legislaturperiode und vor der Gesetzesverkündung "zurückholen". Änderungen in der vom Bundestag angenommenen Fassung
eines Gesetzes sind ohne eine neue Gesetzesinitiative nur bei Feststellung offenbarer Unrichtigkeiten möglich (BVerfG, Beschlüsse
vom 25. Juli 1962 - 2 BvL 4/62 - BVerfGE 14, 245, 250 und vom 15. Februar 1978 - 2 BvL 8/74 - BVerfGE 48, 1, 18 f; zum Berichtigungsverfahren s § 122 Abs 3 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags idF der Bekanntmachung vom 2. Juli
1980 - BGBl I, 1237, § 61 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien idF der Bekanntmachung der Neufassung vom 9. August
2000 - GMBl S 526); ansonsten sind die Gesetzesbeschlüsse des jeweiligen Bundestags unverrückbar (vgl Trossmann, Parlamentsrecht
des Deutschen Bundestags, 2. Aufl 1977, Anhang A 1, 4.2 zu § 54 und Anhang A 10 zu § 88 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags; Stettner in Dreier,
GG-Komm, 1998, Art
77 RdNr 9; Rubel in Umbach/Clemens,
GG-Komm, 2002, Art
77 RdNr 18; Pieroth in Jarass/Pieroth,
GG-Komm, 7. Aufl 2004, Art
77 RdNr 3). Im Übrigen steht aber der Wille des Gesetzgebers auch nicht neben dem Gesetzesbeschluss; er manifestiert sich in
ihm und kann nur durch Gesetzesauslegung erschlossen werden (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 1963 - 2 BvL 8/63 - BVerfGE 16, 82, 88 und vom 27. Mai 1964 - 1 BvL 4/59 - BVerfGE 18, 38, 45 = SozR Nr 54 zu Art
3 GG). Letztere ist nach Verkündung eines Gesetzes indes Aufgabe der Rechtsprechung, wobei die Rechtsprechung des zuständigen
höchsten Fachgerichts (ggf des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung
bewirken soll. Die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmte Rechtslage - hier § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF in der Auslegung durch das BSG - kann daher vom Gesetzgeber nur in den durch die Verfassung gezogenen Grenzen rückwirkend
geändert werden (vgl BSG, Urteil vom 27. September 1989 - 11 RAr 53/88 - SozR 4100 § 168 Nr 22 S 55 f; BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art
28 GG). Hiervon ist im Blick auf das seinerzeit noch nicht verkündete RV-Nachhaltigkeitsgesetz der Senat in seinem Urteil vom 7.
Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 24) auch ausgegangen (ebenso der 13. Senat im Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1 RdNr 25 ff). Allerdings gibt eine vermeintlich "authentische Interpretation" des bisherigen Rechts
durch eine beabsichtigte oder bereits erlassene Neuregelung immer Anlass, die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu erwägen
und dabei die Überlegungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Wie oben unter 1. dargelegt, führt diese Prüfung hier aber
nicht zu einer anderen Gesetzesauslegung.
b) Das Verbot rückwirkender belastender Gesetze folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Rechtsstaatsgebot des
GG. Zu dessen wesentlichen Elementen gehört die Rechtssicherheit, der auf Seiten des Einzelnen das Vertrauen in den Bestand
von Rechtsnormen und Rechtsakten bis zu ihrer ordnungsgemäßen Aufhebung entspricht (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 257 f; stRspr).
Das Verbot der echten Rückwirkung kann nach dieser Rechtsprechung allerdings ausnahmsweise durchbrochen werden; die echte
Rückwirkung ist zulässig, (1) wenn es sich um eine Bagatelle handelt (BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua - BVerfGE 30, 367, 388, vom 8. Juni 1977 - 2 BvR 499/74, 1042/75 - BVerfGE 45, 142, 173 und vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 259), (2) wenn das geltende Recht in einem Maß systemwidrig und unbillig ist, dass ernsthafte Zweifel an dessen Verfassungsmäßigkeit
bestehen (Beschlüsse vom 14. November 1961 - 2 BvR 345/60 - BVerfGE 13, 215, 224, vom 16. November 1965 - 2 BvL 8/64 - BVerfGE 19, 187, 197 und vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua - BVerfGE 30, 367, 388), oder wenn sich die Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist (Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261, 272), (3) wenn der Betroffene zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz bezogen wird, mit der Neuregelung
rechnen musste (Beschlüsse vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art
28 GG, vom 25. Juni 1974 - 2 BvF 2, 3/73 - BVerfGE 37, 363, 397 = SozR 5724 Allg Nr 1 S 14, vom 8. Juni 1977 - 2 BvR 499/74, 1042/75 - BVerfGE 45, 142, 173, vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509, 1648/91 - BVerfGE 88, 384, 404 und vom 23. Juni 1993 - 1 BvR 133/89 - BVerfGE 89, 48, 67), (4) wenn das geltende Recht unklar und verworren war, sodass eine baldige Klärung erwartet werden musste (Beschlüsse
vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua - BVerfGE 30, 367, 388, vom 8. Juni 1977 - 2 BvR 499/74, 1042/75 - BVerfGE 45, 142, 173, vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446, 1174/77 - BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 25 und vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 259), und schließlich (5) wenn zwingende Belange des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind,
eine echte Rückwirkung rechtfertigen (Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261, 272; Beschlüsse vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66, 2 BvR 168/66 ua - BVerfGE 30, 367, 390 f, vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 260 und vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509, 1648/91 - BVerfGE 88, 384, 404).
Abgesehen von dem Bagatellvorbehalt sind diese vom BVerfG falltypisch und nicht abschließend (vgl Beschluss vom 14. Mai 1986
- 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 258) entwickelten Gründe für eine zulässige echte Rückwirkung sämtlich Ausprägungen des Grundgedankens, dass allein zwingende
Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung
des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern
können (BVerfG aaO, BVerfGE 72, 200, 258). Normativer Anknüpfungspunkt für das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot ist mithin die Existenz einer Vertrauensgrundlage
und eine schützenswerte Vertrauensbildung (vgl auch Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S 295 f, 302).
Das BVerfG hat dazu im Beschluss vom 25. Mai 1993 (1 BvR 1509, 1648/91 - BVerfGE 88, 384, 404) ausgeführt: "Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das Rückwirkungsverbot aber nicht nur seinen Grund, sondern
auch seine Grenze. Es gilt dort nicht, wo sich ausnahmsweise kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts
bilden konnte." Letzteres war hier der Fall, und zwar auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die mit § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF gegebene Rechtslage bei Verkündung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes geklärt war. Denn schutzwürdiges Vertrauen in diese
ihnen günstige Rechtslage hat sich bei den Betroffenen nicht bilden können. Das gilt auch unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes,
aus dem das BVerfG Bedenken gegen die nachträgliche Besteuerung bereits steuerfrei zugeflossener Einkünfte hergeleitet hat
(vgl Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 258, 263 f). Solange umstritten ist, ob eine Norm einen Rentenanspruch begründet, und darüber zahlreiche Prozesse anhängig
sind, greifen Gesichtspunkte des Eigentumsschutzes nicht ein, die bei einer unstreitig zuzusprechenden Rente ähnlich wie bei
unstreitig steuerfrei zugeflossenen Einkünften zu beachten wären (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 11. Dezember 2003 -
B 10 LW 17/02 R - SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 12). Mangels schutzwürdigen Vertrauens kann dahinstehen, inwieweit zwingende Belange des Gemeinwohls
die Einbeziehung der Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG erfordern könnten.
aa) Schutzwürdiges Vertrauen auf einen bestimmten Gesetzesinhalt kann sich nur bilden, wenn er für die Betroffenen auch erkennbar
ist. Daran fehlt es bei einer unklaren oder verworrenen Rechtslage (vgl nochmals BVerfG aaO, BVerfGE 72, 200, 259; in diesem Sinne bereits BSG vom 11. Dezember 2003 - B 10 LW 17/02 R - SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 13; der Senat misst der Formulierung "unklar und verworren" ua im Beschluss vom 25. Mai 1993
- 1 BvR 1509, 1648/91 - BVerfGE 88, 384, 404 keinen wesentlich anderen Inhalt bei). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt, wenn die
ursprüngliche Norm von vornherein Anlass zu Auslegungsproblemen gibt, "deren Lösung nur in einer Zusammenschau von Wortlaut,
Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung" möglich ist (Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446, 1174/77 - BVerfGE 50, 177, 194 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8). In diesem Fall entsteht Rechtssicherheit hinsichtlich des Norminhalts erst durch die Rechtsprechung,
insbesondere die des zuständigen höchsten Fachgerichts und/oder eine ständige Praxis der Gesetzesanwendung, die dann Grundlage
für eine schutzwürdige Vertrauensbildung wird. Schutzwürdiges Vertrauen kann sich zudem immer nur in einer konkreten Situation
bilden. Der Regelungsinhalt einer Vorschrift bestimmt sich zwar nach dem objektiven Normverständnis, repräsentiert durch die
das Gesetz auslegende Rechtsprechung (vgl dazu BSG, Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, jeweils RdNr 26), nicht erst ab dem Zeitpunkt einer höchstrichterlichen Entscheidung, sondern auch
für den vergangenen Zeitraum, in dem nach diesem Normverständnis Ansprüche begründet worden sind (vgl BSG, Urteile vom 21.
März 1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 114 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 115 und vom 28. April 1999 - B 9 V 16/98 R - veröffentlicht in JURIS, jeweils mwN). Bei einer unklaren Rechtslage, die erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung
geklärt wird, ist Rechtssicherheit hinsichtlich des Normverständnisses aber bis zu dieser Klärung nicht vorhanden, und dementsprechend
kann sich berechtigtes Vertrauen der Betroffenen als Gegenstück der Rechtssicherheit erst mit und ab dieser Klärung bilden
(vgl BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1968 - 1 BvR 537/65 - BVerfGE 24, 75, 98). Nicht anders ist im Ergebnis die Situation zu beurteilen, wenn erst durch die Rechtsprechung ein Norminhalt erschlossen
wird, der zuvor wegen der besonderen Auslegungsprobleme nicht erkannt wurde (vgl BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1986 - 2 BvL 5/80, 17/82 und 2 BvR 635/80 - BVerfGE 72, 302, 325 f). Die an anderer Stelle getroffene Aussage des BVerfG, der Gesetzgeber dürfe die höchstrichterliche Rechtsprechung
nicht ins Unrecht setzen und korrigieren (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art
28 GG, Blatt A b 2), bezieht sich auf eine "völlig klare" Rechtslage bzw ein "zutreffend angewandtes Gesetz" und nicht auf die
hier erörterten Fallgestaltungen (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - B 10 LW 17/02 R - SozR 4-5868 § 92 Nr 2).
Die Bildung schutzwürdigen Vertrauens ist des Weiteren nicht (mehr) möglich, wenn mit der Änderung einer Rechtslage gerechnet
werden muss. Letzteres ist - wie der Senat bereits zur rückwirkenden Änderung von §
93 Abs
5 SGB VI durch Art 1 Nr
17 iVm Art 12 Abs 8 WFG ausgeführt hat - regelmäßig ab dem Gesetzesbeschluss über eine Rechtsänderung der Fall, hier ab 11. März 2004, an dem
das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde (s BR-Drucks 191/04); damit entfällt dann auch ein
zu dem Zeitpunkt bereits vorhandenes berechtigtes Vertrauen in die alte Rechtslage (Teilurteil und Vorlagebeschluss vom 28.
Mai 1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 sowie Senatsurteile vom 13. März 2002 - B 8 KN 4/00 R - SozR 3-2600 § 93 Nr 11 S 106 und vom 26. Februar 2003 - B 8 KN 11/02 R - SozR 4-2600 § 93 RdNr 10 mwN; vgl auch BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 1971 - 2 BvL 3/68 - BVerfGE 30, 272, 287 mwN, vom 25. Juni 1974 - 2 BvF 2, 3/73 - BVerfGE 37, 363, 397 = SozR 5724 Allg Nr 1 S 14 und vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200, 260 ff).
bb) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das RV-Nachhaltigkeitsgesetz schutzwürdiges Vertrauen in den für die Betroffenen
günstigen Norminhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF nicht verletzt; denn ein solches Vertrauen konnte sich vor dem Gesetzesbeschluss nicht bilden. Es bedurfte daher auch
keiner Übergangsregelung.
Bis zum Urteil des 4. Senats vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R - BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) wurde die Vorschrift von den Rentenversicherungsträgern durchgehend dahin verstanden, dass der
Höchstwert von 25 EP alle für FRG-Zeiten ermittelten EP erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten, also auch beim Zusammentreffen einer
eigenen mit einer Rente wegen Todes (vgl Heller in DAngVers 1997, 1, 7; Bönisch in MittLVA Oberfr 2000, 149, 153; Moser in
Kompass 1996, 499, 500; Spegel in MittLVA Württemberg 1996, 384, 385; Silber in MittLVA Württemberg 1997, 11, 12; Stockhaus
in AmtlMittLVA Rheinprovinz 1997, 325, 327; Krohm in Kompass 1998, 212; Polster in DRV 1998, 97, 99; Verbandskomm § 22b FRG Anm 4.5, Stand Januar 1998), und dieses Verständnis wurde, soweit ersichtlich, von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz
und den Betroffenen nicht in Frage gestellt. Auch in dem Fall, der dem Urteil des 4. Senats zu Grunde liegt, war es nach den
Ausführungen des Berufungsgerichts zwischen den Beteiligten unstreitig (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2000
- L 12 RA 2663/99 - veröffentlicht in JURIS); gestritten wurde darüber, ob die Begrenzung verfassungsgemäß sei. Der objektive Regelungsinhalt
der Norm, wie ihn das BSG festgestellt hat, war mithin den Betroffenen zunächst nicht erkennbar. Das BSG hat ihn auch nur
mit einem erheblichen Interpretationsaufwand unter rechtssystematischen und übergeordneten Gesichtspunkten der Rechtsklarheit
bestimmen können (vgl BSG, Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, jeweils RdNr 7 ff und Senatsurteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2, jeweils RdNr 11 ff). Die Auslegung des 4. Senats überraschte daher und stieß auf erhebliche Kritik.
Die Rentenversicherungsträger verabredeten, ihr nicht zu folgen (vgl Göhde in MittLVA Rheinprovinz 2002, 316, 317 mwN). Die
Gerichte der unteren Instanzen schlossen sich der Auslegung des 4. Senats nur zum Teil an, so: LSG Baden-Württemberg (Urteile
vom 1. Juli 2003 - L 11 RJ 511/03 und vom 15. Juli 2003 - L 13 KN 974/03 - jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 26. August 2003 - L 2 RJ 78/03 - veröffentlicht in JURIS), LSG Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 26. August 2003 - L 18 KN 27/03 - und vom 13. Oktober 2004 - L 8 RJ 68/03 - jeweils veröffentlicht in JURIS sowie vom 13. Oktober 2004 - L 8 RA 58/03 und L 8 RJ 107/04 - jeweils nicht veröffentlicht), ferner SG Detmold (Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2003 - S 2 RA 46/03 - nicht veröffentlicht), SG Frankfurt/Oder (Urteil vom 26. März 2003 - S 9 RJ 273/02 - nicht veröffentlicht), SG Freiburg (Urteil vom 30. Januar 2003 - S 2 KN 440/02 - nicht veröffentlicht), SG Gelsenkirchen (Gerichtsbescheid vom 25. August 2004 - S 14 RJ 57/04 - nicht veröffentlicht), SG Heilbronn (Urteil vom 5. Juni 2003 - S 5 RJ 2780/02 - nicht veröffentlicht), SG Karlsruhe (Urteil vom 11. Februar 2003 - S 2 RA 4039/02 - veröffentlicht in JURIS), SG Kiel (Urteile vom 25. März 2002 - S 4 KN 26/99 - und vom 4. Juni 2003 - S 4 KN 8/02 - jeweils nicht veröffentlicht), SG Köln (Urteile vom 13. Februar 2003 - S 15 KN 55/02 -, vom 21. März 2003 - S 11 RJ 237/02 - und vom 27. März 2003 - S 15 KN 43/02 - jeweils nicht veröffentlicht) und SG Saarbrücken (Urteil vom 5. November 2002 - S 15 RJ 418/02 und Gerichtsbescheid vom 2. April 2003 - S 15 RJ 596/02 - jeweils nicht veröffentlicht).
Wie das SG Berlin im vorliegenden Fall (und ebenso in seinen Urteilen vom 24. Juli 2003 - S 30 RJ 526/03 -, vom 8. Januar 2004 - S 30 RJ 824/03 -, vom 29. März 2004 - S 18 KN 25/03 - und vom 11. Oktober 2004 - S 18 KN 18/04 und 21/04 - jeweils veröffentlicht in JURIS sowie vom 28. Juli 2003 - S 3 RA 5529/02 -, vom 11. März 2004 - S 30 RJ 323/03 - und vom 22. Juni 2004 - S 26 RJ 737/04 - jeweils nicht veröffentlicht) widersprachen hingegen andere Gerichte der Auslegung des 4. Senats und hielten an ihrem Widerspruch
teilweise auch noch nach Bestätigung dieser Auslegung durch die Urteile des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1; B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R - jeweils nicht veröffentlicht) und des erkennenden Senats vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) fest; so: LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 29. Oktober 2003 - L 3 RJ 2485/03 - und L 3 RJ 2585/03 - jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG Berlin (Urteil vom 17. September 2004 - L 5 RJ 23/04 - veröffentlicht in JURIS), Hessisches LSG (Urteil vom 16. Dezember 2004 - L 8 KN 13/04 - veröffentlicht in JURIS), LSG Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03 - und vom 26. Februar 2004 - L 2 KN 42/03 - jeweils veröffentlicht in JURIS), LSG für das Saarland (Urteile vom 29. Oktober 2004 - L 7 RJ 199/03 - und L 7 RJ 155/03 - veröffentlicht in JURIS) und Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteile vom 12. Dezember 2002 - L 5 KN 2/02 - und vom 12. August 2004 - L 5 KN 5/03, jeweils veröffentlicht in JURIS); ferner SG Altenburg (Urteil vom 2. September 2003 - S 17 RJ 2055/02 - veröffentlicht in JURIS), SG Düsseldorf (Urteile vom 27. März 2003 - S 15 RJ 209/02 - nicht veröffentlicht und vom 9. September 2003 - S 15 RJ 275/02 - veröffentlicht in JURIS), SG Freiburg (Urteil vom 29. April 2003 - S 9 RJ 2625/02 - veröffentlicht in JURIS), SG Gießen (Urteil vom 25. Mai 2004 - S 6 KN 5/04 - nicht veröffentlicht) und SG Mannheim (Urteil vom 27. November 2002 - S 9 RJ 2074/02 - veröffentlicht in JURIS).
Hinzu kommt, dass die Entscheidung des 4. Senats noch keine Antwort darauf gab, welche Begrenzung der EP für FRG-Zeiten bei der Hinterbliebenenrente gilt, wenn sich § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF nicht auf das Zusammentreffen einer eigenen Rente mit einer Hinterbliebenenrente bezieht. Wie die nachfolgenden Urteile
des 13. und des erkennenden Senats zeigen, ergeben sich insoweit Unterschiede, je nachdem, ob der verstorbene Ehegatte bereits
vor oder nach der Übersiedlung verstorben ist bzw die Ehegatten zu Lebzeiten bereits Renten auf der Grundlage von nach § 22b Abs 1 Satz 1 und Abs 3 FRG begrenzten EP bezogen haben. Im Hinblick auf den bedeutsamen Widerspruch gegen die Auslegung des 4. Senats und die damit
verbundenen weiteren Fragen war das Ergebnis der ausstehenden Prüfung durch die anderen Rentensenate des BSG offen. Auf eine
entsprechende Beschwerde hin hätte zB die Revision auch durch das BSG zugelassen werden müssen (zur Klärungsbedürftigkeit
einer Rechtsfrage, die höchstrichterlich bereits entschieden ist, vgl BSG, Beschlüsse vom 21. November 1983 - 9a BVi 7/83
- SozR 1500 § 160 Nr 51 und vom 30. September 1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1; BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 - 5 B 155/96 - Buchholz 310 §
132 Abs
2 Ziff 1
VwGO Nr
15; Fichte in NzS 1998, 1 ff). Von der Entscheidung des 4. Senats konnte daher noch keine Rechtssicherheit ausgehen. Erst mit
den bereits erwähnten Urteilen des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R - BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1, B 13 RJ 52/03 R und B 13 RJ 56/03 R - jeweils nicht veröffentlicht) und des erkennenden Senats vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R - BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) konnte erwartet werden, dass es bei dieser Auslegung bleiben werde. Ein berechtigtes Vertrauen
in den ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF konnte sich daher bei den Betroffenen vor dem Gesetzesbeschluss über das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 11. März 2004 nicht
bilden. Ob wegen des anhaltenden Widerspruchs gegen die Rechtsprechung des BSG auch nach dem Urteil des 13. Senats noch Klärungsbedarf
bestand, kann deshalb dahinstehen.