Anspruch auf Sozialhilfe; Erstattung von Kosten für den Einbau eines Aufzugs
Gründe:
I
Im Streit ist die Erstattung der Kosten für den Einbau eines Aufzugs im Haus der Eltern des Klägers im Jahre 2007.
Der 2002 geborene Kläger lebt mit seinen Eltern im 1. und 2. Obergeschoss des elterlichen Hauses; er ist erheblich behindert
und leidet unter anderem an einer Teilparese beider unterer Extremitäten. Bei ihm sind seit seiner Geburt ein Grad der Behinderung
von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H anerkannt. Im Februar 2005 beantragten die Eltern des Klägers für diesen die
Übernahme der Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls zur Verbindung vom Erdgeschoss in das 1. Obergeschoss des Hauses. Die
Kosten hierfür beliefen sich nach Angaben des Vaters des Klägers im Gerichtsverfahren auf insgesamt 37 959 Euro (einschließlich
Eigenleistungen). Von der Abteilung Wohnungswesen des Beklagten hat der Vater des Klägers für den Fahrstuhleinbau 15 000 Euro
als Darlehen ("Reduzierung von Barrieren im Wohnungsbestand") erhalten, und die Pflegekasse hat dem Kläger einen Zuschuss
in Höhe von 2557 Euro bewilligt.
Der Beklagte lehnte die Gewährung von Eingliederungshilfe ab, weil die Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern der Kostenübernahme
entgegenstehe (Bescheid vom 5.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 25.1.2007). Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben
(Urteil des Sozialgerichts Münster [SG] vom 23.11.2009; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen [LSG] vom 20.4.2011).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Aufbringung der Mittel für den Einbau des Aufzugs sei den Eltern
zumindest aus dem Vermögen zuzumuten, weil das Vermögen des Vaters die Kosten für den Einbau des Personenaufzugs überstiegen
habe. Der Vater des Klägers sei Eigentümer eines Bauernhofs, in dem die Familie wohne, und weiterer Grundstücksflächen; im
Verwaltungsverfahren habe er zudem angegeben, über Vermögen von mehr als 37 726 Euro zu verfügen. § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 iVm Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), wonach bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme in der Gemeinschaft
ermöglichen solle, Vermögen unberücksichtigt bleibe, finde keine Anwendung; die in §
55 Abs
2 Nr
5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) aufgeführte Hilfe ua zum Umbau einer Wohnung werde von der Norm nicht erfasst. Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn
und Zweck der Regelung verlangten eine Förderungsmaßnahme mit unmittelbarer Investition in den behinderten Menschen selbst.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 iVm Satz 2 SGB XII, der seines Erachtens auch auf allgemeine Maßnahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach §
55 Abs
2 Nr
5 SGB IX (Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung), die den besonderen Bedürfnissen
des behinderten Menschen entsprechen, anzuwenden sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 5.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.1.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
die Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet
(§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Es fehlen ua ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG zu der Einkommens- und Vermögenssitutation und zu den
Kosten der Umbaumaßnahme.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere war nicht die Pflegekasse notwendig beizuladen.
Nach §
75 Abs
2 Satz 1 1. Alt
SGG (echte notwendige Beiladung) sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass
die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine notwendige Beiladung der Pflegekasse unter diesem
Gesichtspunkt käme überhaupt nur im Hinblick auf §
14 SGB IX in Betracht, wenn sie, nicht der Beklagte, der eigentlich zuständige Rehabilitationsträger wäre und der Beklagte den bei
ihm gestellten Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet hätte (siehe dazu nur grundlegend BSGE 93, 283 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1) oder sie selbst der erstangegangene Leistungsträger wäre (vgl BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 10 ff). Allerdings ist die Pflegekasse kein Rehabilitationsträger iS des §
6 Abs
1 SGB IX; deshalb wäre sie auch nicht nach §
14 SGB IX für die Eingliederungshilfe mangels Weiterleitung eines zuerst bei ihr gestellten Antrags an den Sozialhilfeträger (§
14 Abs
6, 1 und 2
SGB IX) zuständig geworden. Ihrer eigenen Leistungspflicht gemäß §
40 Abs
4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI) ist die Pflegekasse jedenfalls nachgekommen. Eine notwendige Beiladung der zuständigen Krankenkasse als Rehabilitationsträger
(iVm §
14 SGB IX) scheidet schon deshalb aus, weil der Aufzug als fester Einbau in das Wohngebäude kein Hilfsmittel iS des §
33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) ist (vgl: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 30; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 1) und andere Leistungen der Krankenkasse nicht in Betracht kommen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob es sich
bei einem Hilfsmittel überhaupt um eine Leistung der Teilhabe im Rahmen des §
14 SGB IX handelt (vgl dazu das Senatsurteil vom 2.2.2012 - B 8 SO 9/10 R - RdNr 15). Über die Erforderlichkeit einer unechten notwendigen
Beiladung (§
75 Abs
2 Satz 1 2. Alt
SGG) wäre ohnedies mangels Rüge (siehe zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
75 RdNr 13b mwN) im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 5.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.1.2007
(§
95 SGG), soweit darin der Antrag auf Übernahme der Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet
sich der Kläger mit einer auf den Erlass eines Grundurteils (§
130 Abs
1 SGG) gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 und Abs
3, §
56 SGG).
Der Beklagte war und ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe für die Leistungserbringung sachlich und örtlich zuständig (§
97 Abs 1 und 2, § 98 Abs 1, § 3 Abs 2 SGB XII iVm § 1 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl] 816 - und § 2 Abs 1 Nr 2 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes Nordrhein-Westfalen - GVBl 816). Zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels dessen Berücksichtigung
durch das LSG befugt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Kostenübernahme für den Einbau eines Fahrstuhls in das elterliche Haus als Maßnahme der
Eingliederungshilfe nach § 19 Abs 3 iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII (alle idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) iVm §
55 Abs
2 Nr
5 SGB IX allenfalls unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens, weil es sich nicht um eine privilegierte Maßnahme nach §
92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII (ebenfalls idF des Gesetzes vom 27.12.2003) handelt. Dieser mögliche Anspruch ist gemäß § 10 Abs 3 SGB XII ein originärer Geldleistungsanspruch (vgl zu dieser Problematik das Senatsurteil vom 2.2.2012 - B 8 SO 9/10 R - RdNr
20), sodass §
15 Abs
1 Satz 4
SGB IX (Erstattung bei selbstbeschaffter Sachleistung) nicht anwendbar ist. Auf eine zusätzliche Eilbedürftigkeit bei Bedarfsdeckung
auf eigene Rechnung kommt es nicht an (BSG, aaO, RdNr 21).
Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Danach werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung
iS des §
2 Abs
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht
besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil der Kläger bereits
durch die Teilparese beider unterer Extremitäten in seiner körperlichen Funktion derart beeinträchtigt ist (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 1 Verordnung nach § 60 SGB XII [Eingliederungshilfeverordnung] idF, die diese durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat), dass er sich nicht ohne fremde
Hilfe bewegen kann (s insoweit zum Erfordernis einer wertenden Betrachtung das Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R
- RdNr 19).
Der Einbau eines Fahrstuhls zählt als Hilfe beim Umbau bzw der Ausstattung der Wohnung zu den Leistungen der Eingliederungshilfe
nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, der mit der Eingliederungshilfeverordnung § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII konkretisiert, iVm §
55 Abs
2 Nr
5 SGB IX. Mit dem Einbau eines Fahrstuhls in das elterliche Wohnhaus kann auch ein Ziel der Eingliederungshilfe erreicht werden, nämlich
den Kläger in die Gesellschaft einzugliedern, ihm insbesondere die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst zu ermöglichen
(§ 53 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 2 SGB XII). Ob die Leistungen notwendig iS des §
4 Abs
1 SGB IX sind, ist demgegenüber anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilbar. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall
jede geeignete Eingliederungsmaßnahme darauf zu untersuchen, ob sie unentbehrlich zum Erreichen der Leistungsziele ist (vgl
nur Luthe in juris Praxiskommentar [jurisPK]
SGB IX, §
4 RdNr 17 mwN). Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob nicht bereits verfügbare Möglichkeiten der Selbsthilfe (Umzug
der Familie in das Erdgeschoss) oder kostengünstigere Lösungen (etwa Treppenlifter) hätten gewählt werden können. Darauf käme
es jedoch nicht an, wenn die Leistungsgewährung bereits an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers und/oder
seiner Eltern scheitern würde.
Zu Recht hat nämlich der Beklagte die Übernahme von Kosten für den Fahrstuhleinbau von der Einkommens- und Vermögenssituation
abhängig gemacht, ohne dass der Senat jedoch abschließend beurteilen kann, ob diese tatsächlich einem Kostenerstattungsanspruch
entgegenstehen; auch die tatsächlich angefallenen Kosten sind nicht festgestellt. Nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII, der unabhängig von den Voraussetzungen des Abs 1 anzuwenden ist (Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R - RdNr 28), ist den in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen - hier dem Kläger selbst und den Eltern - bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten
Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, die Aufbringung der Mittel durch
Einkommen nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten, und Leistungen sind gänzlich ohne Berücksichtigung von vorhandenem
Vermögen zu erbringen (zu Letzterem § 92 Abs 2 Satz 2 SGB XII).
Für die Auslegung sind Historie und Entstehungsgeschichte der Norm allerdings unergiebig, weil sich der Gesetzgeber in den
einzelnen Gesetzesbegründungen nur allgemein mit der notwendigen Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Kinder befasst
hat, ohne den Katalog der Privilegierungstatbestände selbst näher zu erläutern bzw zu begründen (vgl: zur Einführung des §
43 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz [BSHG] BT-Drucks V/4429, S 3 zu Nr 15a unter Verweis auf Abschnitt A 3 Abs 3, S 2; zu Änderungen des § 43 Abs 2 BSHG BT-Drucks 7/308, S 14 zu Nr 17, und 14/5800, S 34 zu Art 15 Nr 9 [§ 43] Buchst b; zur Einführung des SGB XII BT-Drucks 15/1514, S 66 zu § 87 des Entwurfs). Demgegenüber erlaubt der Wortlaut durchaus, wenn auch nicht ausschlaggebende, Rückschlüsse für die Auslegung
des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII. Es fällt immerhin auf, das diese Norm bis auf die Bezeichnung der betroffenen Personengruppe (im SGB XII: behinderte noch nicht eingeschulte Menschen; im
SGB IX: behinderte Menschen) und die im
SGB IX enthaltene nähere Umschreibung der Hilfen ("Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten") §
55 Abs
2 Nr
3 SGB IX vergleichbar formuliert ist. Ob damit eine völlige Identität verbunden ist (so Behrend in jurisPK-SGB XII, § 92 SGB XII RdNr 29), kann offen bleiben. Jedenfalls verdeutlicht §
55 Abs
2 Nr
5 SGB IX, dass Umbaumaßnahmen, selbst wenn sie - so der Vortrag des Klägers - erst die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft an sich
ermöglichen, nicht unter die ansonsten aufgeführten Hilfemaßnahmen des §
55 SGB IX fallen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie erst den Besuch einer anderen Fördermaßnahme ermöglichen.
Nichts anderes kann für § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII gelten (so auch: Luthe in jurisPK-
SGB IX §
55 RdNr 42; Lachwitz in Handkommentar zum
SGB IX, 3. Aufl 2010, § 55 RdNr 43a; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, 4. Aufl 2012, § 92 SGB XII RdNr 21; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 92 RdNr 14, Stand Dezember 2004). Für dieses Ergebnis ist es ohne Bedeutung, ob der Gesetzgeber mit dem Terminus der "Teilnahme"
in §
55 Abs
2 Nr
3 SGB IX und § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII ein unreflektiertes Synonym zu dem der "Teilhabe" gewählt hat oder ob es sich um reflektierte unterschiedliche Termini handelt.
Dass die vorliegende Umbaumaßnahme nicht von § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII erfasst wird, deckt sich mit der Binnensystematik des § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII, der - mit Ausnahme der zu beurteilenden Nr 3 - ausdrücklich eine spezifische Fördermaßnahme voraussetzt, die über das Ermöglichen
der reinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft hinausgeht (in Nr 1 heilpädagogische Maßnahmen für noch nicht eingeschulte
Kinder; in Nr 2 Hilfen zur angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung; in Nr 4 Hilfen zur schulischen Ausbildung
für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit; in Nr 5 iVm §
26 SGB IX Leistungen zur medizinischen Rehabilitation; in Nr 6 iVm §
33 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; in Nr 7 Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen bzw nach § 56 SGB XII vergleichbaren Beschäftigungsstätten; in Nr 8 sonstige Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten - wie etwa
in Förderstätten nach §
136 Abs
4 SGB IX). All diesen Privilegierungsfällen ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung
voraussetzen, zu dem die vermögens- und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen
muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen
und medizinischen Zielen liegt.
Demgemäß hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX, auf den § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 6 SGB XII expressis verbis verweist, entschieden, dass der Förderrahmen des §
33 Abs
3 Nr
1 und 6 iVm Abs
8 Nr
6 SGB IX (Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung in angemessenem Umfang) auf die durch die Berufsausübung
beschränkte Bedarfslage begrenzt ist, sodass Umbaumaßnahmen, die sich nur mittelbar auf die Berufsausübung auswirken, zur
persönlichen Lebensführung zählen und nicht im Rahmen der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderfähig sind (vgl BSGE
93, 283 ff RdNr 14 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1); Umbaumaßnahmen für die von Nr 6 betroffene Personengruppe mögen damit zwar generell
nach §§ 53, 54 SGB XII im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft förderfähig sein, sind jedoch nicht einkommens- und vermögensprivilegiert.
Hinzu kommt, dass die Nrn 4, 7 und 8 des § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII voraussetzen, dass Leistungen in bestimmten Einrichtungen erbracht werden, und in Nr 5 der Norm für die medizinische Rehabilitation wegen der in § 54 Abs 1 Satz 2 SGB XII angeordneten "Koppelung" an den Leistungskatalog des
SGB V Umbaumaßnahmen ausscheiden (siehe dazu oben). Auch für die von diesen gesetzlichen Regelungen betroffenen Personengruppen
sind mithin Umbaumaßnahmen nur als nicht einkommens- und vermögensprivilegierte Eingliederungshilfe denkbar.
Vor diesem Hintergrund wäre es aus Gleichheitsgründen (Art
3 Abs
1 Grundgesetz [GG]) nicht zu rechtfertigen, dies in den Fällen der Nrn 1 bis 3 anders zu sehen. Insbesondere kann Nr 3 nicht als allgemeine
Auffangnorm für alle denkbaren gesellschaftsbezogenen Bedarfe zugunsten nicht eingeschulter behinderter Menschen verstanden
werden; Nr 1 hätte dann keine eigenständige Bedeutung mehr. Zusammenfassend verlangt mithin § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII aus systematischen und teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung dahin, dass die Regelung spezifische, an der
Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen voraussetzt, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssen. Dies macht
nicht zuletzt die Formulierung "noch nicht eingeschulte Menschen" deutlich. Es sollen also Personen erfasst werden, die (noch)
nicht unter Nr 2 fallen, denen aber Maßnahmen angeboten werden können, die ihrem Bildungsstand entsprechen (vgl BT-Drucks
14/5800 S 34 zu Art 15 Nr 9 [§ 43] Buchst b). Darüber hinaus muss der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen
liegen.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat - diesem Gedanken Rechnung tragend - die Übernahme von Taxibeförderungskosten
für ein behindertes Kind zur Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung (nur deshalb) als Leistung der Eingliederungshilfe
gewertet, die unabhängig vom elterlichen Einkommen und Vermögenseinsatz zu gewähren ist, weil die geförderte Leistung unmittelbar
mit einer konkreten (Bildungs-)Maßnahme bzw dem Schulbesuch verknüpft war und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme diente
(BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 8; vgl auch BVerwGE 25, 28 ff zum ärztlich angeordneten Transport eines Behinderten in eine Anstalt zur stationären Behandlung). Diese enge Verknüpfung
mit einer spezifischen anderen Maßnahme weist der Fahrstuhl im Elternhaus des Klägers gerade nicht auf; er erfüllt Funktionen
der Teilhabe an der Gesellschaft auch ohne solche an der Person des Klägers ansetzende Förderung, und zwar - bei der erforderlichen
wertenden Betrachtung - überwiegend. Selbst wenn der Kläger eine Maßnahme besuchen würde, verbliebe es doch objektiv bei der
basalen Funktion des Aufzugs, überhaupt die Wohnung verlassen zu können, um am über das (enge) Familienleben hinausgehenden
Gesellschaftsleben durch den Kontakt mit anderen teilnehmen zu können.
Der Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe läuft bei der gewonnenen Auslegung nicht ins Leere, denn die Begrenzung
des Anwendungsbereichs des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII auf spezifische Förderungsmaßnahmen erfolgt ausschließlich auf der Ebene des zumutbaren Einkommens- und Vermögenseinsatzes.
Die Norm zieht damit eine Trennlinie zwischen dem Verantwortungsbereich des Staates und dem der von § 19 Abs 3 SGB XII erfassten Person. Umbaumaßnahmen der vorliegenden Art werden mithin nicht generell dem Anwendungsbereich der §§ 53, 54 SGB XII entzogen, sondern es wird lediglich normativ definiert, bei welchen spezifischen Fördermaßnahmen ein erhöhtes gesellschaftliches
Allgemeininteresse und damit eine Gesamtverantwortung der Gesellschaft anzunehmen ist, die eine finanzielle Entlastung der
Familie rechtfertigt.
Ist mithin Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen, so fehlen Feststellungen des LSG dazu für eine abschließende Entscheidung.
Selbst wenn man dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts noch entnehmen könnte, dass der Kläger selbst
weder Einkommen noch Vermögen hat, enthält das angefochtene Urteil zur Situation der Mutter keine und zu der des Vaters nur
unzureichende Angaben. Einkommen des Vaters als abhängig Beschäftigten wird "für das Jahr 2004 mit 38 203,08 Euro" und "für
das Jahr 2005 voraussichtlich mit 42 069,35 Euro" angegeben. Für "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von etwa
20 000 Euro jährlich" wird lediglich auf einen Aktenvermerk verwiesen und dabei nicht einmal mitgeteilt, welches Jahr betroffen
ist. Abzustellen ist jedoch auf die Einkommenssituation zum Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen Kosten (Senatsurteil vom
2.2.2012 - B 8 SO 9/10 R - RdNr 19 mwN). Dazu fehlen indes Feststellungen des LSG; nach den im Gerichtsverfahren vorgelegten
Rechnungen war dies erst nach dem Jahr 2005 und nach Ablehnung der Leistung durch den Beklagten der Fall. Es dürfte zwar wahrscheinlich
sein, dass die Einkommensgrenze der §§ 85, 86 SGB XII überschritten war und deshalb nicht § 88 SGB XII (Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze), sondern § 87 SGB XII (Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze) zur Anwendung kommt; eine genaue Beurteilung des danach zugrunde zu legenden
Kriteriums des angemessenen Umfangs der Berücksichtigung ist jedoch nicht möglich.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für zu berücksichtigendes Vermögen des Vaters, der bislang eine genaue Auskunft darüber verweigert
hat. In diesem Punkt hat das LSG weder eine Beweislastentscheidung - zu Ungunsten des Klägers, weil die Bedürftigkeit zu den
Anspruchsvoraussetzungen zählt - getroffen, noch sein Urteil auf fehlende prozessuale Mitwirkung gestützt; vielmehr hat es
formuliert, der Vater sei Eigentümer eines Bauernhofes, in dem die Familie wohne, nebst Grundstücksflächen. Außerdem habe
er im Verwaltungsverfahren - also wohl vor Entstehung der Kosten - angegeben, Vermögen in Höhe von mehr als 37 726 Euro zu
besitzen. Abgesehen davon, dass es sich damit nicht um eine tatsächliche Feststellung zum wirklichen Wert und den vorhandenen
Gegenständen des Vermögens zum Zeitpunkt des Bedarfsanfalls handelt, ist in keiner Weise nachvollziehbar, ob bzw inwieweit
es sich um nichtprivilegiertes und verwertbares Vermögen handelt, sodass nicht einmal überschlägig angenommen werden kann,
dass das einzusetzende Vermögen mit Sicherheit den Bedarf des Klägers überstieg.
Einem denkbaren - wenn auch wenig wahrscheinlichen - Kostenerstattungsanspruch würde nicht entgegenstehen, dass oder wenn
die Eltern (bzw der Vater) des Klägers die angefallenen Kosten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom
Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe
oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren
die Hilfegewährung erst erstreiten muss (vgl nur das Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R - RdNr 26 mwN). Ob der Kläger
im Falle des Klageerfolgs seinen Eltern (bzw seinem Vater) die Auslagen erstatten müsste, ist bei vorliegender Konstellation
ohne Bedeutung (BSG, aaO, RdNr 27); eine Rückerstattung ist bei realitätsnaher Sichtweise ohnedies unüblich und kann bei Selbsthilfe im Rahmen
von Einsatzgemeinschaften des § 19 Abs 1, 2 oder 3 SGB XII auch nicht zur Voraussetzung gemacht werden; ansonsten würde die normative Wertung konterkariert (BSG aaO). Allenfalls wäre an eine als Einkommen zu berücksichtigende Zuwendung aus unterhaltsrechtlicher Sicht zu denken, was
aber im Hinblick auf den Umfang der Kosten kaum von der Unterhaltspflicht erfasst sein dürfte. Die Annahme einer Zuwendung
aus sittlicher Pflicht verbietet sich aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes; aus dem gleichen Grund ist eine besondere
Härte iS des § 84 Abs 2 SGB XII (keine Berücksichtigung von Zuwendungen Dritter ohne rechtliche bzw sittliche Pflicht) zu bejahen.
Entweder als Einkommen oder als Vermögen (zur Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen siehe nur Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 82 SGB XII RdNr 20 ff mwN) des Klägers (wenn bei Bedarfsanfall noch vorhanden) ist jedoch der von der Pflegekasse gezahlte Zuschuss
zu berücksichtigen. Dies gilt nicht in gleicher Weise für das dem Vater gewährte (Bau-)Darlehen in Höhe von 15 000 Euro; dessen
Berücksichtigung als Einkommen würde jedenfalls ausscheiden, weil diese Einnahme nicht zur endgültigen Verwendung verbleibt
(vgl nur BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 52 RdNr 17 mwN). Eine abschließende Entscheidung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt untunlich (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG), weil nicht absehbar ist, ob es auf die Beurteilung dieser Rechtsfragen überhaupt ankommen wird.
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.