Anspruch auf Sozialhilfe; Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung; Leistungen für die Unterkunftskosten; Abzug einer
Möblierungspauschale
Gründe:
I
Im Streit ist (nach Abschluss eines Teilvergleichs nur noch) eine um 27,76 Euro monatlich höhere Regelsatzleistung der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.10.2007 bis zum 31.12.2009.
Der 1949 geborene Kläger ist einkommens- und vermögenslos und bezieht seit Jahren Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung. Seit dem 1.10.2007 bewohnt er ein möbliertes Zimmer in P . Mit dem Vermieter wurde im "Nutzungsvertrag"
eine Inklusivmiete von 245,19 Euro vereinbart. Sie umfasst neben der Überlassung des Zimmers auch die Nutzung von Gemeinschaftsräumen
sowie sämtliche Nebenkosten. Der Beklagte bewilligte für die Zeit ab Oktober 2007 Grundsicherungsleistungen; den individuellen
Bedarf legte er dabei abweichend vom Regelsatz in Höhe von 347 Euro ua unter Abzug einer Möblierungspauschale in Höhe von
27,76 Euro fest, weil als Kosten der Unterkunft (schon) die Höhe der Inklusivmiete von monatlich 245,19 Euro gewährt wurde
(Bescheide vom 11.12.2007, 14.12.2007, 15.1.2008, 8.2.2008 und 24.4.2008; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2008; Änderungsbescheid
vom 14.1.2009).
Das Sozialgericht Dresden (SG) hat den Beklagten verurteilt, "dem Kläger monatlich Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe
von 704,78 Euro im Zeitraum 1.10.2007 bis 31.12.2007, in Höhe von 706,70 Euro im Zeitraum 1.1.2008 bis 30.06.2008, in Höhe
von 712,76 Euro im Zeitraum 1.7.2008 bis 31.12.2008, in Höhe von 718,08 Euro im Zeitraum 1.1.2009 bis 28.2.2009, in Höhe von
717,72 Euro im Zeitraum 1.3.2009 bis 30.6.2009 und in Höhe von 720,53 Euro im Zeitraum 1.7.2009 bis 31.12.2009 zu zahlen".
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der nach § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt SGB XII vom Regelsatz vorgenommene Abzug einer Möblierungspauschale sei unzulässig. Diese Regelung solle Doppelleistungen im Rahmen
der Sozialhilfe verhindern. Ihre Anwendung setze voraus, dass der Bedarf des Leistungsempfängers durch andere Sozialhilfeleistungen
ganz oder teilweise gedeckt sei. Gemeint seien dabei andere Leistungen als die der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
etwa nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII, die der Kläger jedoch nicht erhalte. Auch eine Berücksichtigung der in den Kosten der Unterkunft enthaltenen Möblierungspauschale
als Einkommen scheide aus. Hierdurch werde der Kläger gegenüber unmöbliert wohnenden Leistungsempfängern nicht privilegiert.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Danach seien die Bedarfe abweichend vom Eckregelsatz festzulegen, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise durch
andere Sozialhilfeleistungen gedeckt sei. Dies bedeute aber nicht, dass es sich um Sozialhilfeleistungen handeln müsse, die
nach anderen Kapiteln des SGB XII gewährt würden. Der Abzug einer im Regelsatz enthaltenen Möblierungspauschale sei vorzunehmen, weil in dem vom Kläger zu
zahlenden und von dem Beklagten vollständig übernommenen Nutzungsentgelt bereits ein Anteil für die Nutzung der Möbel enthalten
sei. Der Kläger benötige keine eigenen Möbel und müsse auch keine Beträge für die Wiederbeschaffung oder den Erhalt der Möbel
ansparen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Dresden aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen und darin den Streitgegenstand
zeitlich auf den 1.10.2007 bis 31.12.2007 sowie inhaltlich auf die Regelsatzleistung beschränkt. Daneben haben sie sich darüber
geeinigt, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum dauerhaft erwerbsunfähig war und vom dem Kläger zustehenden Regelbedarf
in Höhe von 347 Euro 6,53 Euro als Warmwasserpauschale und 15,22 Euro als Stromkostenpauschale abzuziehen sind.
II
Die Sprungrevision ist zulässig, sie ist insbesondere formgerecht erhoben. Zwar hat der Beklagte als Revisionskläger in seiner
fristgerechten Revisionsbegründung entgegen §
164 Abs
2 Satz 3
SGG keinen förmlichen und oder genau formulierten Antrag gestellt; dem Antragserfordernis wird aber ausreichend Rechnung getragen,
wenn das mit der Revision erstrebte prozessuale Ziel aus dem Inhalt rechtzeitig eingereichter Schriftsätze erkennbar ist (BSG SozR 1500 § 164 Nr 8 S 8 und Nr 10 S 15; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX RdNr 312). Der Beklagte
hat mit hinreichender Deutlichkeit in der Revisionsbegründung dargetan, dass er die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils
erstrebt. Er widerspricht nämlich in seiner Revisionsbegründung dem Ergebnis und der Begründung des Urteils des SG; er ist der Auffassung, dass der Regelsatz um eine Möblierungspauschale zu kürzen sei.
Gegenstand des Verfahrens ist nach Abschluss des Teilvergleichs allein noch die Höhe der Regelsatzleistung für die Zeit von
Oktober bis Dezember 2007, soweit sie im Änderungsbescheid vom 14.1.2009 um die Möblierungspauschale in Höhe von 27,27 Euro
vermindert wurde. Der Änderungsbescheid vom 14.1.2009 ist dabei nach §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden und hat alle zuvor ergangenen Bescheide, soweit der streitbefangene Zeitraum betroffen
ist, ersetzt (vgl § 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X]).
Die Beteiligten durften den Streitgegenstand - wie geschehen - durch Teilvergleich beschränken; ein solcher Vergleich ist
möglich und zulässig. Soweit es die zeitliche und inhaltliche Beschränkung auf den Regelsatz betrifft, ist der Abschluss eines
Teilvergleichs nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schon deshalb möglich, weil in zeitlicher Hinsicht lediglich eine Begrenzung erfolgt, die auch im Rahmen einer Bewilligung
zulässigerweise vorgenommen werden könnte (BSG, Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - RdNr 11; BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 32/07 R - RdNr 16) und es sich bei der Beschränkung auf den Regelsatz um einen rechtlich abtrennbaren Streitgegenstand handelt
(BSGE 103, 181 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 42 Nr 2; zum Recht des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - [SGB
II]: BSGE 97, 217 ff RdNr 18 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSGE 104, 41 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, und BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 10). Der Bescheid vom 14.1.2009 enthält insoweit auch abtrennbare Verfügungssätze.
Soweit in einem Teilvergleich einzelne Berechnungselemente - wie hier - konkret bezeichnet und beziffert werden, gilt nichts
anderes (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 14; BSGE 97, 217 ff RdNr 22 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSG, Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 36/01 R - RdNr 15). Während ein Teilanerkenntnis zu Berechnungselementen ausgeschlossen ist, weil nach §
101 Abs
2 SGG nur (Teil-)Ansprüche anerkannt werden können (BSGE 103, 153 ff RdNr
12 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13; BSGE 108, 241 ff RdNr 22 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8; BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 12), trifft dies für einen Teilvergleich nicht zu. Ein Rechtssatz, der einen
Vergleich über Berechnungselemente ausschließen würde, existiert nicht (vgl § 54 Abs 1 SGB X). Dessen Zulässigkeit folgt nicht zuletzt daraus, dass nach der Rechtsprechung des BSG im Einzelfall auch eine Elementenfeststellungsklage erhoben werden kann, wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der Streit
der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (BSGE 31, 235, 240 = SozR Nr 14 zu §
141 SGG Da 8, und BSGE 43, 134, 137 = SozR 4100 § 34 Nr 6 S 8; SozR 3-2500 §
124 Nr 9 S 58; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
55 RdNr 9a). Insoweit besteht - ebenso wie beim Teilvergleich (vgl Diering in Lehr- und Praxiskommentar SGB X, 3. Aufl 2011, § 54 RdNr 11) über Berechnungselemente - nur eine Teilbindungswirkung. Anders als in der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - (SozR 4-4200 § 11 Nr 43 RdNr 16) haben die Beteiligten bei Abschluss des Vergleichs auch gegenseitig nachgegeben (vgl
zur weiten Auslegung dieses Kriteriums: Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, §
54 RdNr 8; Sprau in Palandt,
BGB, 71. Aufl 2012, §
779 RdNr 9 mwN), weil der Kläger einerseits die Kürzung des Regelsatzes um die Energie- und Warmwasserkostenpauschale billigt,
andererseits die Kosten der Unterkunft aus dem Verfahren herausgebrochen und vom Beklagten in voller Höhe (Inklusivmiete)
erbracht werden. Der Teilvergleich ermöglicht vorliegend eine abschließende Entscheidung, weil sich die Beteiligten in allen
Punkten - außer dem streitigen - geeinigt haben; weder wird der Rechtsschutz des Leistungsempfängers verkompliziert noch der
Verwaltung zusätzliche Arbeit auferlegt (zum Ganzen Coseriu in juris Praxiskommentar [jurisPK] SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.3).
Der Senat weicht damit nicht von den vom 14. Senat des BSG im Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 148/11 R - dargelegten Grundsätzen ab. Diese Entscheidung betraf eine Teilvereinbarung, wonach die Bedarfsberechnung in den angefochtenen
Bescheiden zutreffend erfolgt sei. Insoweit haben die Beteiligten keine Einigung über einzelne Berechnungselemente erzielt,
sondern im Ergebnis nur erklärt, dass sie hinsichtlich der Berechnung des Bedarfs keine Einwände erhöben. Die Erklärung der
Beteiligten, dass sie übereinstimmend von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen, suspendiert die Amtsermittlungspflicht des
Gerichts nicht (vgl §
103 Abs
2 SGG); sie entbindet allenfalls Behörden und Gerichte, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen
noch sonstige Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. Erklärungen der Beteiligten in einem "Teilvergleich", dass die
tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits aus ihrer Sicht geklärt seien, beeinflussen also nur die Amtsermittlung des Gerichts.
Wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind,
muss es nach §
103 SGG in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen (BSGE 103, 153 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13; BSGE 102, 258 ff RdNr 10 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1). Ein solcher "Teilvergleich" entfaltet deshalb auch nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats keine Teilbindungswirkung.
Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1 und Abs
4 iVm §
56 SGG). Dies gilt auch dann, wenn die Leistung ab 1.10.2007 in Abänderung einer früheren Leistungsbewilligung um den Betrag der
Möblierungspauschale verringert wurde, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sich also an § 48 Abs 1 SGB X misst. Zwar soll nach der Rechtsprechung des BSG für eine Klage auf Leistung in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, soweit die ausgesprochene (abgeänderte) Bewilligung
reicht, weil diese schon dann wiederhergestellt wird, wenn der abändernde Verwaltungsakt aufgehoben wird (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19 S 54; BSGE 49, 197 ff, 198 f = SozR 4100 § 119 Nr 11 S 45; BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 2 S 8; BSG SozR 4100 § 113 Nr 9 S 52).
Diese Rechtsprechung verkennt aber die Reichweite des verfassungsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes aus Art
19 Abs
4 Satz 1
Grundgesetz (
GG). Art
19 Abs
4 Satz 1
GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt
(stRspr des BVerfG; zB: BVerfGE 96, 27, 39; 67, 43, 58; 51, 268, 284) und erschöpft sich nicht darin, demjenigen den Rechtsweg zu eröffnen, der geltend macht, durch
die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein; es garantiert auch wirksamen Rechtsschutz im Sinne einer im Tatsächlichen
gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle (BVerfGE 84, 34, 49; 61, 82, 111; 51, 268, 284; 40, 272, 275; 35, 382, 401). Die Ausgestaltung des Rechtswegs und die Intensität der gerichtlichen
Kontrolle müssen auch der Durchsetzung des materiellen Rechts wirkungsvoll dienen, für diesen Zweck also geeignet und angemessen
sein (BVerfGE 84, 34, 49; 60, 253, 269). Damit das materielle Recht umfassend und in angemessener Zeit auch tatsächlich verwirklicht (durchgesetzt)
werden kann, muss eine richterliche Entscheidung nicht nur der Rechtskraft fähig, sondern (gleich bedeutsam) auch vollstreckbar
sein (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1 S 5 f mwN). Diesem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz liefe es zuwider, wenn die gerichtliche Entscheidung, sofern
sie nicht schon - wie etwa Gestaltungsurteile nach der isolierten Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG) - ihre Wirkung mit der Rechtskraft aus sich selbst entfaltet, nicht erzwingbar wäre. Im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit
ist eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand nicht vorgesehen. Ohne eine Vollstreckungsmöglichkeit
wäre die Rechtsschutzgarantie damit unvollständig (lückenhaft), weil die richterliche Entscheidung bloße Feststellung, dh
folgenlos, bliebe oder ihre Umsetzung - hier eine Leistungsklage aus dem wiederauflebenden Bescheid - für den Berechtigten
mit iS von Art
19 Abs
4 Satz 1
GG unzumutbarem Aufwand verbunden sein könnte (BSG aaO; BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23).
Es bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung, wie die Rechtsprechung des BSG zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage in diesen Fällen zu verstehen ist; jedenfalls vorliegend könnte der Kläger
sein Ziel (höhere Leistungen) ohnedies nicht ohne Weiteres allein mit der Anfechtungsklage verwirklichen. Angesichts unzähliger
Ausgangs- und Änderungsbescheide, eines Vergleichs in einem Eilverfahren und des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung
wäre bei einer bloßen Aufhebung des Bescheids vom 14.1.2009 die Bescheidlage so unübersichtlich, dass ein Streit über den
dann maßgebenden Bescheid nicht auszuschließen wäre. Die Verurteilung zur Leistung ist jedenfalls in einem solchen Fall sachgerecht
und erforderlich.
Mangels Anordnung einer Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§
70 Nr 3
SGG) im Land Sachsen (Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen vom 24.11.2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.6.2012
- Gesetz- und Verordnungsblatt - [GVBl] 308, 318) richtet sich die Klage zu Recht gegen den Beklagten als Rechtsträger, der
als Landkreis auch der für die Leistung örtlich (§ 10 des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches [SächsAGSGB]
vom 6.6.2002 - GVBl 168 - zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.1.2012 - GVBl 130) und sachlich (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII, § 13 SächsAGSGB) zuständige Träger der Sozialhilfe ist. Sozial erfahrene Dritte waren gemäß § 21 SächsAGSGB vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht nach § 116 Abs 2 SGB XII zu beteiligen.
Ob die Rechtmäßigkeit des durch den angegriffenen Bescheid ersetzten Bescheids an § 48 Abs 1 SGB X oder ob bzw inwieweit der ersetzende Bescheid selbst an §§ 44 ff SGB X zu messen ist oder für die Zeit ab 1.10.2007 ein neuer Bewilligungsabschnitt begann und deshalb die Höhe des Regelsatzes
als Neubewilligung allein unter Anwendung der Vorschriften des SGB XII zu prüfen ist, kann hier dahinstehen; denn sieht man von der nach dem Teilvergleich nicht mehr in Streit stehenden Warmwasser-
und Stromkostenpauschale ab, steht dem Kläger in jedem Fall der ungekürzte Regelsatz zu. Der Kläger hat einen Anspruch auf
(höhere) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs 2 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) iVm
§ 41 SGB XII (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 - erhalten hat). Danach werden Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland,
die ihren Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gewährt, wenn sie das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben,
unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von §
43 Abs
2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) sind und bei ihnen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Er war im streitbefangenen Zeitraum dauerhaft voll erwerbsgemindert sowie einkommens-
und vermögenslos. Für diesen Zeitraum steht ihm entgegen der Auffassung des Beklagten eine um 27,76 Euro höhere Regelsatzleistung
(§ 28 Abs 2 Satz 1, § 40 SGB XII iVm § 3 Regelsatzverordnung [RSV] in der Fassung vom 3.6.2004 - BGBl I 1067) zu, weil die Regelsatzleistung bei der Leistungsbewilligung zu Unrecht um
diesen Betrag als "Möblierungspauschale" gekürzt wurde.
Nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB XII (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz vom 2.12.2006 erhalten hat), der über § 42 SGB XII (ebenfalls in der Fassung dieses Gesetzes) auch bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anwendung
findet (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3), wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen
mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht. Die Bedarfe können aber gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist (1. Alt) oder unabweisbar
seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (2. Alt).
Eine abweichende Festlegung des Regelsatzes wegen der Möblierungspauschale - hier nach § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt SGB XII - ist nicht vorzunehmen. Die Vorschrift soll verhindern, dass Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Sozialhilfeleistungen
gegenüber dem Leistungsempfänger Leistungen doppelt erbringen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist deshalb zur Vermeidung
solcher Doppelleistungen nur dann eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen (vgl dazu grundlegend BSGE
102, 126 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 3) zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB XII pauschal abgegoltenen tatsächlichen Bedarfen kommt. Einer solchen Überschneidung kann nicht im Rahmen der Einkommensberücksichtigung,
sondern allein durch Minderung des Bedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII begegnet werden, soweit die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Absenkung des Regelsatzes vorliegen (BSGE 106, 62 ff RdNr 36 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; BSGE 99, 252 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).
Für eine Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt SGB XII ist es zwar schon ausreichend, dass überhaupt eine Doppelzahlung aus Mitteln der Sozialhilfe erfolgt. Nicht erforderlich
ist demgegenüber, dass unterschiedliche Sozialhilfeleistungen - etwa Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie
Eingliederungshilfe - aufeinandertreffen. Lediglich Leistungen anderer Sozialleistungsträger schließen eine Anwendung des
§ 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt SGB XII aus, weil diese anders als Sozialhilfeleistungen nicht bei der (vorrangig zu erfolgenden) Berücksichtigung als Einkommen
nach § 82 Abs 1 SGB XII ausgeschlossen sind (vgl BSGE 106, 62 ff RdNr 36 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6).
Der Regelsatz kann aber nur in dem Umfang abgesenkt werden, in dem der Bedarf des Leistungsberechtigten durch eine anderweitige
Leistung tatsächlich ("im Einzelfall") gedeckt wird (BSGE 99, 252 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3). Nur hypothetisch anfallende Bedarfe rechtfertigen hingegen keine Absenkung des Regelsatzes,
weil dann eine konkrete Bestimmung ersparter Aufwendungen nicht möglich ist (BSG, aaO, RdNr 28); so liegt der Fall hier. Die vom Beklagten angenommenen Ersparnisse des Klägers sind bereits tatsächlich ungewiss
und von der individuellen Lebensgestaltung des Klägers abhängig. Ersparte Aufwendungen können noch nicht einmal im Wege der
Schätzung (§
287 Zivilprozessordnung) ermittelt werden. Selbst wenn ihm Möbel in der Wohnung zur Verfügung gestellt wurden, bleibt es ihm überlassen, ob er neben
den vorhandenen Gegenständen weitere anschafft, existierende Einrichtungsgegenstände - ggf mit Einverständnis des Vermieters
- seinen persönlichen Wünschen entsprechend mit den vorhandenen austauscht oder funktionsuntüchtige bzw verbrauchte Gegenstände
ersetzt. Zudem fallen Ausgaben für Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und deren Instandhaltungskosten
nicht typischerweise monatlich an. Der in der Regelleistung enthaltene Anteil muss vielmehr angespart werden, um gegebenenfalls
Ersatzbeschaffungen von Einrichtungsgegenständen zu ermöglichen. Daher ist auch bei Leistungsempfängern nach dem SGB XII, die in einer unmöblierten Wohnung wohnen, nicht sicher, ob sie den Anteil, welcher für die Beschaffung von Möbeln im Regelsatz
enthalten ist, bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug tatsächlich einsetzen müssen. Letztlich ist es dem Einzelnen
überlassen, ob und wann er eine Ersatzbeschaffung für abgenutztes Mobiliar oder Ergänzungskäufe tätigt oder hierauf auch gänzlich
verzichtet. Unterliegt das "Ob" der Deckung eines Bedarfs also der individuellen Entscheidung des Leistungsempfängers, ist
aber auch aus rechtlichen Gründen eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nicht möglich (Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 27a SGB XII RdNr 98; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 27a SGB XII RdNr 31). Derartigen Unwägbarkeiten soll die Pauschalierung des Regelsatzes gerade Rechnung tragen (so schon BSGE 99, 252 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs
1 Satz 1
SGG.