Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
Anerkennung eines höheren Regelbedarfs
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit steht die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.7.2015 bis zum 30.6.2016 sowie diverse Feststellungen und andere Leistungen.
Der Kläger bezieht seit 1.12.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Der Beklagte gewährte dem Kläger laufende Leistungen der Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.7.2015
bis zum 30.6.2016 in monatlicher Höhe von 642,60 Euro unter Zugrundelegung eines gesetzlichen Regelbedarfs von 399 Euro, eines
Bedarfs für Unterkunft und Heizung iHv 321,76 Euro sowie unter Anrechnung des Renteneinkommens iHv 78,16 Euro (Bescheid vom 9.6.2015). Nach Erhöhung des Zahlbetrags der Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.7.2015 verringerte der Beklagte den für den streitgegenständlichen
Zeitraum gewährten Betrag auf 640,94 Euro (Änderungsbescheid vom 23.6.2015). Der Kläger erhob gegen beide Bescheide Widerspruch. Es folgten weitere Änderungsbescheide für die Zeit ab 1.10.2015 im Hinblick
auf die Anrechnung von Nebenkostengutschriften (Änderungsbescheid vom 14.9.2015). Mit weiterem Änderungsbescheid erhöhte der Beklagte nach Erhöhung des gesetzlichen Regelbedarfs die Leistungen ab 1.1.2016
auf 646,11 Euro (Änderungsbescheid vom 21.12.2015). Mit weiterem Änderungsbescheid setzte der Beklagte ab 1.1.2015 bis 30.6.2016 5 Euro im Hinblick auf den Beitrag des Klägers
zu seinem Altersvorsorgevertrag ab (Änderungsbescheid vom 6.6.2016). Zudem setzte der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid den Beitrag des Klägers zur Riesterrente im Umfang von 60 Euro
monatlich vom Einkommen ab und gewährte Leistungen iHv 706,11 Euro für Januar 2016 (Änderungsbescheid vom 21.10.2016). Die Widersprüche des Klägers gegen den Bescheid vom 23.6.2015 sowie gegen den Bescheid vom 9.6.2015 wies der Beklagte zurück
(Widerspruchsbescheide vom 14.12.2016).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat der Klage gerichtet auf Anerkennung eines höheren Regelbedarfs sowie eines Mehrbedarfs wegen des Merkzeichens
"G" sowie eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen bei Eingliederungshilfe und eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger
Ernährung sowie eines höheren Bedarfs für die Heizung teilweise stattgegeben, indem es den Beklagten unter Änderung der angefochtenen
Bescheide verurteilt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.10.2015 bis zum 30.4.2016 höhere Leistungen der Grundsicherung bei
voller Erwerbsminderung zu zahlen. Für den Betrieb des Badheizstrahlers seien in der Heizperiode zusätzliche Bedarfe für die
Heizung iHv monatlich 9,03 Euro für die Zeit ab 1.10.2015 sowie weitere 8,96 Euro ab 1.1.2016 bis 30.4.2016 zu berücksichtigen.
Insgesamt ergebe sich für die Zeit vom 1.10.2015 unter Berücksichtigung des täglichen Stromverbrauchs ein monatlicher Leistungsanspruch
iHv 650,14 Euro, für den Januar 2016 iHv 715,07 Euro und für die Zeit ab 1.2.2016 bis zum 30.4.2016 iHv monatlich 655,07 Euro.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.6.2019). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Sie sei im Hinblick auf die
Gewährung von Eingliederungsleistungen mangels entsprechender Verfügungssätze der angefochtenen Bescheide sowie im Hinblick
auf beantragte Feststellungen und die vom Kläger geäußerten völkerrechtlichen Begehren unzulässig. Im Übrigen sei die Klage,
soweit sie abgewiesen worden sei, unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung bei
voller Erwerbsminderung habe. Insbesondere habe der Kläger weder einen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen des Merkzeichens
"G", weil hierfür der Zeitpunkt der Zuerkennung des Merkzeichens entscheidend sei, was erst durch Bescheid vom 24.9.2019 erfolgt
sei. Ebenso sei ein Mehrbedarf für behinderte Menschen bei Leistungen von Eingliederungshilfe abzulehnen, weil dem Kläger
im streitgegenständlichen Zeitraum keine Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zugeflossen sei. Ebenso wenig habe der Kläger einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, weil es
an entsprechendem Nachweis fehle. Auch seien die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zutreffend in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
berücksichtigt worden. Die Schätzung des SG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend sei auch das Renteneinkommen des Klägers gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII auf den Bedarf angerechnet worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt
zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin. Die Sachermittlung des LSG sei
fehlerhaft gewesen, weil bei ihm eine dauerhafte Unterversorgung bestehe, da er dauerhaft seine Ernährung nicht habe sicherstellen
können. Zudem sei kein Beweis erhoben worden über die monatlich entstehenden Stromheizkosten für den genutzten Badheizstrahler.
II
PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen auf die Voraussetzungen der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen des Merkzeichens "G" bestehen
nicht (siehe zum maßgeblichen Zeitpunkt Bundessozialgericht <BSG> vom 25.4.2018 - B 8 SO 25/16 R - SozR 4-3500 § 30 Nr 5 RdNr 17). Ebenso wenig bestehen klärungsbedürftige Rechtsfragen wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (vgl nur BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - FEVS 63, 294 sowie BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 24). Klärungsbedürftige Rechtsfragen bestehen auch nicht im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs für behinderte
Menschen bei Leistungen von Eingliederungshilfe, sofern eine solche nicht gezahlt wird (siehe Wortlaut § 30 Abs 4 Satz 1 SGB XII alter Fassung <aF>). Klärungsbedürftige Rechtsfragen bestehen auch nicht im Hinblick auf die Berechnung der Bedarfe des Klägers für Unterkunft
und Heizung gemäß § 42 Nr 4 SGB XII iVm § 35 Abs 1 und 4 SGB XII, insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit von realitätsnahen Schätzungen des Energieanteils, der auf die Heizung entfällt
(siehe BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 47/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 87 RdNr 21).
Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) zulässig begründet werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden,
da er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (PZU vom 3.8.2021, Bl 652 LSG-Akte).
Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 Grundgesetz <GG>) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung
(§
176 Abs
1 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), voraussichtlich wegen der andauernden COVID 19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen zu müssen,
wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet ist, mögliche
Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - MDR 2020, 1523; Mayer in Kissel/Mayer,
GVG, 10. Aufl 2021, §
176 RdNr 15a; Metz, Deutsche Richterzeitung 2020, 256); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in §
176 Abs
2 Satz 1
GVG normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger trotz eines kurz vor der mündlichen Verhandlung
vorgelegten ärztlichen Attests, in welchem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Atmungsschutzmaske attestiert wird, gar nicht
an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dem Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu
prüfen, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands
wurde der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen. Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches
Erscheinen war nicht angeordnet worden, um Terminsverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör oder aus Art
2 Abs
1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden.
Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag
in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.
Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich
vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen,
folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach §
73 Abs
4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht
eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.