Leistungen nach dem SGB XII
Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge einer Gehörsverletzung
Gründe
I
Im Streit steht die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum 1.10.2017 bis 30.6.2018.
Der Kläger bezieht seit 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend von dem Beklagten Grundsicherungsleistungen.
Der Beklagte gewährte dem Kläger für den Zeitraum 1.7.2017 bis 30.6.2018 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
iHv monatlich 646,83 Euro (Bescheid vom 15.6.2017). Der Antrag auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Finanzierung eines separaten Stromzählers für das Bad des Klägers
lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 16.6.2017). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Aufgrund eines Betriebs- und Heizkostenguthabens für das Wirtschaftsjahr 2016
änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1.10.2017 bis 30.6.2018 ab (Bescheid vom 5.9.2017). Hiergegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Wegen Änderung des Rentenbetrags ab September 2017 und der Grundmiete
der vom Kläger bewohnten Wohnung änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1.9.2017 bis 30.6.2018 (Bescheide vom 12.10.2017 und vom 13.10.2017). Hiergegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 15.6.2017 und
16.6.2017 wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 4.1.2018). Weitere Widersprüche wies der Beklagte als unzulässig zurück. Des Weiteren hat der Kläger die Kostenübernahme für eine Monatskarte
für den öffentlichen Nahverkehr für August 2017, September 2017 sowie für April 2018 und Mai 2018 abgelehnt (Bescheid vom 6.11.2019). Gegen den Widerspruchsbescheid vom 4.1.2018 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin am 19.1.2018 (S 88 SO 105/18).
Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 12.10.2017 und 13.10.2017 durch Gerichtsbescheid abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 21.1.2021 - S 146 SO 1131/18). Die angefochtenen Bescheide seien gemäß §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kraft Gesetzes Gegenstand des gegen die Bescheide vom 15.6.2017 und 16.7.2017 geführten Widerspruchsverfahrens geworden,
welches durch Widerspruchsbescheid vom 4.1.2018 abgeschlossen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.11.2021). Die vom Kläger gegen die Bescheide vom 15.6.2017 und 16.6.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 27.7.2018
erhobene Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten
Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter
Beiordnung einer Rechtsanwältin. Die Tatsachenfeststellung des LSG sei unvollständig. Das LSG habe ihm rechtliches Gehör nicht
gewährt.
II
PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Hinblick auf die Unzulässigkeit einer Klage bei doppelter Rechtshängigkeit wegen laufender
Widerspruchsverfahren bestehen nicht.
Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung
entscheiden, da er ordnungsgemäß in der Terminmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (PZU 14.9.2021 Bl 80 ff LSG-Akte). Das LSG konnte auch in der Besetzung der Berichterstatterin als Vorsitzende mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem
ehrenamtlichen Richter entscheiden. Gemäß §
153 Abs
5 SGG kann der Senat in den Fällen, in denen erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, durch Beschluss dem berufenen
Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Dies ist vorliegend durch Beschluss
vom 15.3.2021 (Bl 72 LSG-Akte) geschehen. Der Beschluss wurde dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Der Kläger wurde zuvor angehört (Bl 68 LSG-Akte).
Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 Grundgesetz <GG>) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung
(§
176 Abs
1 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), voraussichtlich wegen der andauernden SARS-CoV2- bzw COVID19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen
zu müssen, wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet
ist, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - MDR 2020, 1523; Mayer in Kissel/Mayer,
GVG, 10. Aufl 2021, §
176 RdNr 15a; Metz, Deutsche Richterzeitung 2020, 256); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in §
176 Abs
2 Satz 1
GVG normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger trotz eines vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten
ärztlichen Attests, in welchem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Atemschutzmaske attestiert wird, gar nicht an der mündlichen
Verhandlung teilgenommen und der Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu prüfen, ob die sitzungspolizeiliche
Anordnung insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands wurde der Kläger ordnungsgemäß
hingewiesen. Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches Erscheinen war nicht
angeordnet worden, um Terminverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
oder aus Art
2 Abs
1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden.
Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag
in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.
Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich
vor dem Bundessozialgericht (BSG) gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen,
folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach §
73 Abs
4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht
eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.