Parallelentscheidung zu BSG B 8 SO 73/21 B v. 14.06.2022
Gründe
I
Im Streit steht der Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Dem Kläger wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt. Er erhält von der Deutschen Rentenversicherung eine
Erwerbsminderungsrente und steht bei dem Beklagten seit 2011 im fortwährenden ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB XII. Am 10.2.2016 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Eingliederung. Dies lehnte
der Beklagte ab (Bescheid vom 6.7.2016). Nach Einholung eines Gutachtens des sozialpsychiatrischen Dienstes über den Gesundheitszustand des Klägers und Ablehnung
des Klägers der empfohlenen Wohnform in Form des betreuten Einzelwohnens wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück
(Widerspruchsbescheid vom 15.6.2018).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage gerichtet auf Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Hilfeleistungen sowie die Feststellung, dass
die Nichtgewährung der Eingliederungshilfe rechtswidrig gewesen sei sowie die Feststellung, dass er bereits am 6.6.2011 Mehrbedarf
wie Eingliederungshilfe beantragt habe sowie dass die Regelsätze unterhalb des Existenzminimums lägen durch Gerichtsbescheid
abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.1.2019). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 19.11.2021). Die Klage sei bereits unzulässig, soweit es dem Kläger um grundsicherungsrechtliche Feststellungen gehe, da ihm hierzu das
Feststellungsinteresse fehle. Die Klage sei auch hinsichtlich der völkerrechtlichen Begehren unzulässig sowie soweit der Kläger
die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen für den Zeitraum von Februar 2016 bis einschließlich 21.12.2017 begehre, weil
für die Vergangenheit diese Leistungen nicht mehr erbracht werden könnten und damit dem Kläger hierfür das Rechtsschutzbedürfnis
fehle. Die Klage sei auch unbegründet, soweit der Kläger die Erstattung der selbst beschafften Hilfeleistung begehre. Ein
derartiger Kostenerstattungsanspruch setze voraus, dass der Betroffene seinen Bedarf selbst gedeckt habe ohne entsprechende
Geldleistungen erhalten zu haben. Hierfür trage der Kläger die objektive Beweislast, wobei dieser weder substantiiert dargelegt
noch belegt habe, dass er Ausgaben gehabt hätte, die vom bewilligten persönlichen Budget nicht abgedeckt waren. Soweit der
Kläger im Übrigen eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung erhoben habe, dass der angefochtene Bescheid
rechtswidrig sei, sei dieser ebenfalls unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe. Zudem
habe der Beklagte erklärt, zur Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Eingliederungshilfeleistungen bereit zu sein,
weshalb Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Für amtshaftungsrechtliche Ansprüche sei der Rechtsweg zu den SGen nicht gegeben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt
zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin. Die Tatsachenfeststellung des
LSG sei unvollständig. Insbesondere sei kein Beweis erhoben worden um das Bestehen von Leistungsansprüchen.
II
PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen hinsichtlich der Zulässigkeit einer Feststellungsklage und deren Subsidiarität gegenüber
Gestaltungs- und Leistungsklagen bestehen nicht (Bundessozialgericht <BSG> vom 8.3.2017 - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 14). Dies gilt auch bezüglich der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage (BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 21).
Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung
entscheiden, da er ordnungsgemäß in der Terminmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (PZU 20.9.2021 Bl 496 ff LSG-Akte). Das LSG konnte auch in der Besetzung der Berichterstatterin als Vorsitzende mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem
ehrenamtlichen Richter entscheiden. Gemäß §
153 Abs
5 SGG kann der Senat in den Fällen, in denen erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, durch Beschluss dem berufenen
Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Dies ist vorliegend durch Beschluss
vom 19.5.2021 (Bl 481 LSG-Akte) geschehen. Der Beschluss wurde dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Der Kläger wurde zuvor angehört (Bl 382 LSG-Akte).
Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 Grundgesetz <GG>) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung
(§
176 Abs
1 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), voraussichtlich wegen der andauernden SARS-CoV2- bzw COVID19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen
zu müssen, wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet
ist, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - MDR 2020, 1523; Mayer in Kissel/Mayer,
GVG, 10. Aufl 2021, §
176 RdNr 15a; Metz, Deutsche Richterzeitung 2020, 256); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in §
176 Abs
2 Satz 1
GVG normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen
und der Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu prüfen, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung
insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands wurde der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen.
Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet
worden, um Terminverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder aus Art
2 Abs
1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden.
Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag
in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.
Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich
vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen,
folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach §
73 Abs
4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht
eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 3
SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.