Klärungsfähigkeit und Rechtserheblichkeit einer Rechtsfrage
Konkret-individuelle Sachentscheidung
1. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist.
2. Über die aufgeworfenen Rechtsfragen müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit -
konkret-individuell sachlich entscheiden müssen.
3. Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung
des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten
Rechtsfrage notwendig macht.
Gründe:
I
Im Streit sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für "ergänzende Fördermaßnahmen in den Schulferien für behinderte Kinder".
Die Klage war erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Trier vom 10.8.2011; Urteil des Landessozialgerichts
[LSG] Rheinland-Pfalz vom 25.9.2014).
Der Kläger macht mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG die grundsätzliche Bedeutung
folgender Rechtsfragen geltend:
"1. Können für Kinder und Jugendliche, die eine Förderschule mit ganzheitlichem Förderauftrag besuchen, Fördermaßnahmen, die
in den Schulferien von Dritten durchgeführt werden mit dem Ziel, die allgemeine Teilhabe am sozialen Leben zu fördern und
dabei insbesondere auch solche Fähigkeiten zu fördern, die für den Schulbesuch wesentliche Voraussetzungen darstellen - wie
Konzentrationsfähigkeit, Motivation zur Teilhabe am sozialen Geschehen im aktuellen Umfeld, Feinmotorik und allgemeine Körperbeherrschung
-, als Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII iVm §
55 SGB IX und § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII iVm EingliederungshilfeVO § 12 Nr 1 angeboten werden?
2. Sind auch Maßnahmen, die nach dieser Rechtsfrage Nr 1 solche der Eingliederungshilfe sein können, erforderlich im Sinne
von § 54 SGB XII iVm §
55 SGB IX und § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII iVm EingliederungshilfeVO § 12 Nr 1, wenn es durch diese Maßnahme einerseits objektivierbare Fortschritte für die betroffenen Kinder und Jugendlichen gibt, diese
Wirkung jedoch andererseits nicht nachhaltig ist, da die Maßnahme während der Schulzeit nicht fortgeführt wird und die Effekte
nach 2-3 Monaten abklingen, so dass die Förderwirkung jeweils in den Schulferien durch die Wiederholung der Maßnahme neu erreicht
werden muss?
3. Reicht für die Anspruchsbegründung in den Fällen nach Ziffer 2 der Nachweis des objektivierbaren Fortschritts während der
Maßnahme aus oder bedarf es ggf des Nachweises, dass ohne die Maßnahme den Kindern und Jugendlichen die Teilnahme am Unterricht
nach den Schulferien deutlich erschwert sein würde?"
Die Beantwortung dieser Fragen sei von allgemeiner Bedeutung; das Urteil des LSG beruhe auch im Wesentlichen auf der negativen
Beantwortung dieser Rechtsfragen.
II
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach
§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn es fehlt bereits an der ausreichenden Darlegung der
Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden
Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfenen Rechtsfragen müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit
- konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg
der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich
bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung in keiner Weise, denn es fehlt bereits an der hinreichenden
Darlegung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Die Sachverhaltsdarstellung des Klägers erschöpft sich in der abstrakten
Umschreibung der Rechtsfragen; es wird nicht einmal mitgeteilt, inwieweit die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen
der Eingliederungshilfe beim Kläger überhaupt erfüllt sind, um welche konkrete Maßnahme es geht und in welcher Höhe Kosten
dafür angefallen sind. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, Streitgegenstand und Sachverhalt selbst den Akten zu entnehmen
und die Klärungsfähigkeit ohne entsprechenden Vortrag zu prüfen. Soweit die Beschwerdebegründung dahin zu verstehen ist, dass
die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sein soll, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand
der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.