Feststellung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht bei Diabetes mellitus
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht
hat.
Mit Bescheid vom 4.12.1998 stellte das beklagte Land bei dem 1972 geborenen Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigung Diabetes
mellitus einen GdB von 40 fest. Auf den Änderungsantrag vom 19.11.2004 lehnte der Beklagte nach Beiziehung von Befundberichten
und versorgungsärztlichen Stellungnahmen mit Bescheid vom 24.5.2005 die Feststellung eines höheren GdB ab, weil die Nephropathie
sowie die Blutdruckbeschwerden des Klägers keinen Einzel-GdB und die Diabetes mellitus-Erkrankung keinen höheren GdB als 40
bedingten. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005).
Die auf Feststellung eines GdB von 50 gerichtete Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle vom 24.3.2006 abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei dem Kläger seien die Voraussetzungen für
einen GdB von 50 nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem
Schwerbehindertenrecht (AHP) nicht erfüllt, weil es an den dort geforderten ausgeprägten Hypoglykämien bei Diabetes mellitus
fehle. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung Folgewirkungen von ausgeprägten Hypoglykämien nicht benennen können und
sich bei Arbeitsfähigkeit in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand befunden. Das Blutdruckleiden sei unter Therapie ohne
Befund, Folgeerkrankungen seien nicht bekannt. Bei der im Bericht des A. Kreiskrankenhauses W. vom 7.1.2005 diagnostizierten
beginnenden diabetischen Nephropathie handele es sich lediglich um eine Auswertung von Laborbefunden. Eine tatsächliche Beeinträchtigung
der Nierenfunktion im Sinne der AHP könne daraus nicht gefolgert werden. Die beim Kläger bestehende Spritzenphobie könne nicht
anerkannt werden, weil bei diesem die Insulingabe durch eine Insulinpumpe erfolge. Zwar seien einige Blutzuckerwerte grenzwertig,
eine ständige Entgleisung der Werte lasse sich jedoch aus den Unterlagen nicht entnehmen.
In dem danach vom Kläger veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) Befundberichte von
Dr. S., Krankenhaus am R. GmbH in S., vom 19.12.2006 und von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 14.5.2007
eingeholt. Mit Beschluss vom 7.8.2007 hat das LSG das Ruhen des Verfahrens angeordnet und auf Antrag des Klägers am 8.12.2010
wieder aufgenommen. Sodann hat das LSG weitere Befundberichte des Dipl.-Med. M. vom 20.2.2011 und der Fachärztin für Innere
Medizin/Diabetologie W. vom 6.4.2011 beigezogen. Ferner hat das LSG eine vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme
der Dr. W. vom 2.5.2011 zu den Akten genommen, die eine vom Kläger vorgelegte CD-ROM mit den darauf abgespeicherten Blutzuckertagebüchern
(120 Seiten) ausgewertet hat. Nach einer persönlichen Befragung des Klägers im Erörterungstermin vom 13.7.2011 hat das LSG
mit Urteil vom 26.4.2012 die Berufung zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:
Der Kläger sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 im Rahmen
der Prüfung der Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 48 Abs 1 SGB X rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien §
69 Abs
1 und Abs
3 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden des Klägers betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel"
und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten
zu berücksichtigenden Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei dem Kläger ein GdB von 40. Demgegenüber setzte ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen
pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.
Insoweit sei neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die jeweilige Dosisanpassung
eine zusätzliche Wertung erforderlich, ob aufgrund eingetretener weiterer Begleitfolgen der Erkrankung gravierende Einschnitte
in der Lebensführung vorlägen. Der Therapieaufwand von vier Insulininjektionen pro Tag und eine notwendige Insulinanpassung
mittels einer Insulinpumpe seien für sich genommen mit einer erheblichen Teilhabeeinschränkung nicht ohne Weiteres gleichzusetzen.
Vergleiche man die Teilhabebeeinträchtigungen für einen GdB von 50 bei einer Colitis ulcerosa, einer Lungenerkrankung, einer
psychischen Erkrankung oder einer Herzerkrankung, die häufig auch eine teilweise oder vollständige Erwerbsunfähigkeit nach
sich zögen, könne das Merkmal "gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung" nicht ausschließlich therapiebezogen
verstanden werden. Daher seien die Stoffwechsellage und die konkreten krankheitsbedingten Auswirkungen bei der Teilhabeeinschränkung
zu berücksichtigen.
Dieses Maß der Beeinträchtigung erreiche der Kläger nicht. Es fehlten erhebliche Einschnitte, die so gravierend auf seine
Lebensführung einwirkten, dass die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Der Kläger
werde trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität
in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Es komme zwar zu hypoglykämischen
Zuständen, nicht jedoch zu einem hypoglykämischen Schock. Fremdhilfe sei bisher nicht erforderlich gewesen. Es sei eine gute,
wenn auch nicht optimale Einstellung gelungen. Der Kläger sei seit Februar 2005 mit einer Insulinpumpe versorgt, mit der er
die häufiger auftretenden Hypoglykämien sehr gut ausgleiche, ohne dass Bewusstseinseinschränkungen einträten. Die laut CD-ROM
aus der Insulinpumpe ausgelesenen Werte lägen entsprechend den Berichten der behandelnden Ärzte weder in einem besonders niedrigen
noch in einem überhöhten Bereich. Dies bestätigten auch die eigenen Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG vom 13.7.2011. Danach sei es seit 2003 nicht zu schweren Hypoglykämien
gekommen, der Kläger benötige vier bis fünf Insulindosen am Tag, die über die Insulinpumpe abgegeben würden. Er müsse alle
drei Tage das Reservoir für die Insulinpumpe wechseln.
Soweit der Kläger angegeben habe, es werde ihm bei der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde
oder Treppen schnell hoch und runter laufe, folge hieraus keine andere Bewertung. Solche Zustände seien zum einen nicht ungewöhnlich,
zum anderen folge hieraus keine behandlungsbedürftige schwere Auswirkung des Diabetes mellitus. Dass der Kläger die Insulinpumpe
ablegen und anschließend wieder neu aktivieren müsse, wenn er zB mit Freunden baden gehe, erschwere zwar die Teilhabe an dieser
Freizeitmöglichkeit. Es bleibe ihm jedoch mit einem gewissen zusätzlichen zeitlichen Aufwand möglich, diese Freizeitaktivitäten
ebenfalls wahrzunehmen. Die Insulinpumpe als solche habe bei dem Kläger nach der Bewertung seiner Ärzte zu einer wesentlichen
Verbesserung der gesundheitlichen Situation beigetragen. Dass bei deren Handhabung während des alltäglichen Lebens gegenüber
einem Zuckerkranken, der über Insulinspritzen ausgleiche, andere Schwierigkeiten aufträten, begründe keine Einschränkungen,
die einen GdB von 50 bedingten. Dies gelte auch für das besondere Zeiterfordernis bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Der
Kläger sei nach eigenen Angaben während eines Drittels seiner vollschichtigen Arbeitszeit im gesamten Betriebsgelände unterwegs,
ua auf Rohrbrücken und vielen Treppen. Die von ihm angegebenen Nachteile durch seine Stoffwechselerkrankung, die er auch in
seinem letzten Schriftsatz vom 25.4.2012 in Form einer stichwortartigen Übersicht dargelegt habe, seien zwar einschränkend
und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der VersMedV. Wesentliche Folgeschäden und beachtliche Mobilitätseinschränkungen seien noch nicht eingetreten.
Aus den weiteren Erkrankungen folgten keine Funktionsbeeinträchtigungen, die einen GdB von mehr als 10 bedingten, sodass eine
Erhöhung des Gesamt-GdB nicht in Betracht komme. Die beginnende Nephropathie begründe derzeit keine Einschränkungen, bei der
Hypertonie handele es sich um eine leichte Form mit keiner oder geringer Leistungsbeeinträchtigung, die medikamentös kontrolliert
werden könne.
Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Materiell-rechtlich habe das LSG §
69 Abs
1 und
3 SGB IX verletzt. Das LSG habe die vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - aufgestellten Grundsätze missachtet, was zu einer Fehlerhaftigkeit der gesamten Entscheidung führe. Denn das LSG habe seiner
Entscheidung allein die VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl auch die Höhe des GdB in dem Zeitraum vom 19.11.2004
bis zum 21.7.2010 streitig sei. Für diesen Zeitraum sei die vorläufige Neufassung der Nr 26.15 AHP unter Beachtung der im
Urteil des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - dargelegten Grundsätze rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden, die vor deren Einführung
durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 22.9.2008 lägen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R -). Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch
der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig
auswirke. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.
Auf der Grundlage der durchgeführten Ermittlungen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Die dem Bescheid vom 4.12.1998
zugrunde liegenden Funktionseinschränkungen aufgrund des Diabetes mellitus Typ I hätten sich wesentlich geändert, weil bereits
der unmittelbare Therapieaufwand erheblich sei. Die instabile Blutzuckerstoffwechsellage mit häufigen stärkeren Hyper- und
Hypoglykämien habe den Einsatz einer Insulinpumpentherapie erforderlich gemacht. Dies bedinge einen hohen Therapieaufwand,
um eine akzeptable Stoffwechsellage zu erreichen. Gleiches gelte insbesondere für die zeitweise durchgeführte intensivierte
Insulintherapie mit einem erforderlichen hohen Maß an Selbstmanagement bei der Berücksichtigung der Kohlenhydrataufnahme aufgrund
der Zusammensetzung der jeweiligen Mahlzeiten unter Berücksichtigung von Fetten und Proteinen. Gerade seine hohe Disziplin
und vorausschauende Planung sowie seine bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes mellitus ohne schwere
Hypoglykämien geblieben seien. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen.
Völlig unberücksichtigt gelassen habe das LSG den Umstand, dass seine Bauchspeicheldrüse auf Dauer durch den Diabetes mellitus
irreparabel geschädigt werde und mittlerweile ein Dawn-Phänomen vorliege, welches zwischen drei Uhr und acht Uhr morgens auftrete
und eine strengere Überwachung der Insulinpumpentherapie erforderlich mache. Bei der Berücksichtigung von Mobilitätseinschränkungen
stelle das LSG unrichtigerweise nur auf die Gehfähigkeit und nicht auch auf die Schwindelanfälle ab, die durch Insulinmangel,
wie er bei einer Insulinpumpentherapie entstehen könne, einträten. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes mellitus
auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen, wie zB einer chronischen Darmerkrankung Colitis ulcerosa,
gemessen, die mit seiner Erkrankung nicht vergleichbar seien.
Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtigerweise Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe
jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Nr 15.1, nach der der GdB 50 betrage. Diese Variante beinhalte den
Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit
vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Hier
habe der Verordnungsgeber aufgrund des Therapieaufwandes von vornherein vorausgesetzt, dass gerade diese Fallgruppe mit täglich
mindestens vier Insulininjektionen durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt und der GdB
mit 50 festzusetzen sei. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte
in die Lebensführung.
Die Intensität der Einschnitte in die Lebensführung und der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft sei davon abhängig, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und
Weise festgelegt sei, mit einem Vernachlässigen der Maßnahmen gravierende gesundheitliche Folgen einhergingen oder die Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt
werde. Hierzu fehlten ausreichende Feststellungen insbesondere zu den therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung
bzw bei der Gestaltung des Tagesablaufs. Hier habe das LSG nicht berücksichtigt, dass Unterzuckerungen erhebliche Beeinträchtigungen
des Kräfte- und Geisteszustandes bedingten. Gerade bei der Insulinpumpentherapie, die keine Insulindepots schaffe, leide er
teilweise tagelang an diesen Beeinträchtigungen. Die somit erforderliche sorgfältige Planung des Tagesablaufs schränke ihn
in seiner Mobilität im Straßenverkehr sowie bei der Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen und bei der Berufsausübung ein.
Schließlich habe sich das LSG auch insoweit nicht mit der VersMedV nF ausreichend auseinandergesetzt, als außergewöhnlich schwer zu regulierende Stoffwechsellagen höhere GdB-Werte bedingen
könnten. Eine solche liege aber bei ihm vor, da die Therapie eine Hypoglykämie auslösen könne.
Schließlich habe das LSG die psychologischen Auswirkungen seiner Erkrankung gar nicht und die Nephropathie nicht ausreichend
berücksichtigt. Die insoweit erforderliche Diät mit eingeschränkter Eiweißaufnahme führe zu einer weiteren Einschränkung der
Teilhabe an der Gesellschaft aufgrund einer mangelhaften Regenerationsfähigkeit der Muskulatur. Daher könne Sport nicht intensiv
betrieben werden, Erholungsphasen dauerten länger und es träten schneller Erschöpfungszustände ein, was neben der Freizeitgestaltung
auch die Berufsausübung beeinträchtige. Bei entsprechender Aufklärung des Therapieaufwandes und richtiger Einschätzung der
Erheblichkeit der aus der Erkrankung resultierenden Einschnitte, wäre das LSG ohne Weiteres zu dem Ergebnis gelangt, dass
der GdB mit mindestens 50 festzusetzen sei.
Das LSG habe zudem sein Recht auf rechtliches Gehör (§
62 SGG) dadurch verletzt, dass es seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe.
Das LSG habe ohne richterlichen Hinweis auf eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachvortrags die vorliegenden Tatsachen- und
Beweisergebnisse im Zusammenhang mit dem Therapieaufwand bei der Gesamt-GdB-Bewertung gewürdigt. Die Bewertung des Therapieaufwands
im Urteil des LSG stelle folglich eine Überraschungsentscheidung dar. Hätte man ihn vorab auf eine Ergänzungsbedürftigkeit
im Zusammenhang mit dem erforderlichen Therapieaufwand hingewiesen, so hätte er hierzu weiteren Vortrag gebracht.
Auch habe das LSG seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach §
103 SGG verletzt. Das Gericht hätte von Amts wegen ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm, dem
Kläger, vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben,
tatsächlich eingetreten seien. Dies hätte ua ergeben, dass inzwischen eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung durch Angst
vor einer Hypoglykämie vorliege, die unruhige Nächte und Schlafstörungen verursache. Ferner sei eine sorgfältigere Planung
des Tagesablaufs erforderlich, die auch die Mobilität im Straßenverkehr sowie die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen
betreffe. Es beständen Konzentrationsstörungen mit Auswirkungen auf die Berufsausübung. Trotz Insulinpumpentherapie sei daher
eine ständige Kontrolle erforderlich.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.4.2012 und des SG Halle vom 24.3.2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.5.2005
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm für die Zeit
ab dem 19.11.2004 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor: Das LSG habe hinsichtlich des zentralen Leidens des Klägers - Diabetes mellitus - zu Recht auch
für die Zeit vor dem 22.7.2010 die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010, welche am 22.7.2010 in Kraft getreten sei, angewandt. Eine rechtsfehlerhafte Anwendung des §
69 Abs
1 und
3 SGB IX liege nicht vor. Die Bemessung des GdB bei Diabetes mellitus mit 40 sei vorliegend korrekt. Die Lebensführung im Sinne der
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei bei dem Kläger nicht erheblich beeinträchtigt. Dieser gehe einer Tätigkeit in einem
großen Industriebetrieb nach und es sei ihm möglich, an Freizeitaktivitäten wie Baden teilzunehmen. Trotz eines erhöhten Maßes
an Planung könne die Therapie den unterschiedlichsten Ansprüchen in Beruf und Alltag angepasst werden. Schwere hypoglykämische
Entgleisungen seien bisher nicht aufgetreten. Auch sei der Auslegung der VersMedV durch das LSG zu folgen, wonach für die Feststellung eines GdB von 50 zusätzlich zum eigentlichen Therapieaufwand durch die
notwendigen Insulininjektionen und Dosisanpassungen die Feststellung einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung
erforderlich sei, welche beim Kläger derzeit nicht vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs
2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen
eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des §
164 Abs
2 S 3
SGG, jedenfalls soweit der Kläger eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts geltend macht.
Die Revision ist unbegründet.
Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, Klage und Berufung sind zulässig.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende
Urteil des SG zurückgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt, unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 24.5.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 (§
95 SGG) bei ihm ab dem 19.11.2004 den GdB mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit
der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 S 1
SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11). Die Revision ist jedoch nicht erfolgreich.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 50 für die Zeit ab 19.11.2004 ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X iVm §
69 Abs
1 und
3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; alter Fassung [aF]) und für die Zeit ab dem 21.12.2007
idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF).
Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (eingehend hierzu für das Schwerbehindertenrecht
Senatsurteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Von einer solchen ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Änderung im Gesundheitszustand
des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - Juris RdNr 12), während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung
auf den Gesamt-GdB bleibt (BSG Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - Juris). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) ist mangels wesentlicher Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50
nicht festzustellen.
Nach §
69 Abs
1 S 1
SGB IX (in den genannten Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung
und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach §
69 Abs
1 S 4
SGB IX (in beiden Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt.
Gemäß §
69 Abs
1 S 5
SGB IX aF gelten die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Durch diesen Verweis auf die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe stellt §
69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl
erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesem leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. Gemäß §
69 Abs
1 S 5
SGB IX nF wird zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) Bezug genommen, sodass ab 1.1.2009 die VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die durch die Verordnungen vom 14.7.2010 (BGBl I 928) und zuletzt 11.10.2012 (BGBl I 2122)
geändert worden ist, anstelle der AHP Grundlage für die Feststellung des GdB ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (AnlVersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung
des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung der GdB maßgebend (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV).
Die AHP und die zum 1.1.2009 in Kraft getretene AnlVersMedV stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten
dar (stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 §
3 Nr 6 S 11 f), die nicht nur die Regelung des §
69 SGB IX konkretisieren, sondern auch den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung"
(deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems
berücksichtigen, auch wenn dieses Klassifikationsmodell in den AHP und der AnlVersMedV bislang nicht überall konsequent umgesetzt
worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft
relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der
rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß §
69 Abs
3 S 1
SGB IX (beider genannten Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer
wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur
vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s §
2 Abs
1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt
sind diese dann den in den AHP/der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten.
In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19
Abs 1 AHP und Teil A Nr 3 Buchst a AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen
der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen
ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind
bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der AHP/AnlVersMedV feste
Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 18).
Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10. 1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung
ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher
Ausgangspunkt sind stets §
2 Abs
1, §
69 Abs
1 und
3 SGB IX (vgl BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.
Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus - der zentralen Gesundheitsstörung des Klägers - hat der Senat bereits in mehreren
Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen
der früheren Nr 26.15 AHP (Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - Juris) hat er
sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009
(- B 9 SB 3/08 R - Juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 AnlVersMedV vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen
Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt
worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit §
69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann (aaO RdNr 30 ff
insbesondere 38). Diese Rechtsprechung hat der Senat nochmals mit Urteil vom 25.10.2012 (- B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 29 f) bestätigt.
Im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X der Zeitraum ab der letztmaligen Feststellung des Gesamt-GdB mit Bescheid vom 4.12.1998 zu beurteilen. Formal betrachtet
sind ab Stellung des Verschlimmerungsantrages durch den Kläger im November 2004 für die Zeit vom 1.11.2004 bis zum Ende des
Jahres 2008 die AHP (Ausgaben 1996, 2004, 2005 und 2008) und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009, 2.12.2010 und 25.10.2012
(jeweils aaO) sind diese Vorschriften jedoch nicht zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus Erkrankungen geeignet. Insoweit
kann entgegen der Auffassung des Klägers auf die Neufassung der Vorschrift Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen
werden. Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die Regelung in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus
unmittelbar anzuwenden.
Die Vorschrift in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS
bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV):
15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung
kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines
GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung
beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte
Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind,
erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung.
Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen,
wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig
variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund
dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise
Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.
Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben
seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür,
dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind
(Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26 und Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 33).
Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV nF seinem Wortlaut
nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in
Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche
Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils
gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern
(BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).
Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird.
Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen
pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil
vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringem
Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem
Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl
die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR-Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des
BSG erklärtermaßen folgen (s BR-Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1
AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 35).
Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation in der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der
Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der
körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein
auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 36).
Entgegen der Ansicht des Klägers reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien
nicht aus, um den GdB mit 50 festzustellen. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus
auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV durch
die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen
ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je
nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die
Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon
ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1
Abs 3 AnlVersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals
(gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende
Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund
persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien
versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also
an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 37).
Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es in Satz 1 im letzten Teilsatz des Abs
4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar
sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissen Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert
jedoch nichts an der durch §
69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber
habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB
von 50 ausreichen lassen wollen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 38).
Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts
der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung gewonnen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 39). Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt
werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund ist vorliegend eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats
beim BMAS nicht erforderlich.
Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die
alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien, ist
das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50,
weder allein wegen des bei ihm bestehenden Diabetes mellitus noch unter Berücksichtigung weiterer Gesundheitsstörungen.
Nach den Feststellungen des LSG führt der Kläger eine Insulinpumpentherapie durch mit bis zu fünf Insulininjektionen am Tag
und einer ständigen Dosisanpassung. Der Kläger wird trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht
noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit
am Leben erheblich beeinträchtigt. Betrachtet man die therapiebedingten und auch erkrankungsbedingten Einschränkungen in der
konkreten Lebensführung des Klägers, so lässt sich nach den Feststellungen des LSG eine gravierende Einschränkung der Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft (Beruf, Freizeitgestaltung) noch nicht erkennen. Trotz des Entstehens von hypoglykämischen Zuständen
ist es bisher noch nie zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Der Kläger gleicht
die unterschiedlichen Stoffwechsellagen mit der Insulinpumpe sehr gut aus.
Soweit der Kläger die Feststellungen des LSG zum Therapieaufwand und zu den der GesamtGdB-Bewertung zugrundeliegenden gesundheitlichen
Einschränkungen mit der Begründung angreift, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es insoweit
seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe, dringt er damit nicht durch.
Der in §§
62,
128 Abs
2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder
Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (s §
128 Abs
2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird
(BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage,
noch die Pflicht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung
darzulegen; denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden
werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten
vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung
möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art
103 Abs
1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter
und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190).
Die Bewertung des Therapieaufwands sowie des Gesamt-GdB ist grundsätzlich eine tatrichterliche Aufgabe, die eine Auswertung
der im Verfahren insgesamt vorliegenden Tatsachen und Beweise einschließt. Hierbei handelt es sich nicht um einen komplizierten
tatsächlichen Umstand; der dem Kläger insgesamt bekannte Sachverhalt ist ohne juristische oder anderweitige besondere Kenntnisse
zu erfassen gewesen. Insofern waren dazu Hinweise des LSG an den rechtskundig vertretenen Kläger nicht erforderlich. Auch
sonst war entgegen der Darstellung des Klägers eine Sachlage, bei der er nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG den
Therapieaufwand im Rahmen der Feststellung des Gesamt-GdB anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben.
Zudem musste dem Kläger schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides, des Urteils des SG sowie seiner persönlichen Befragungen klar sein, dass es neben dem Therapieaufwand maßgeblich auch darauf ankommt, dass er
durch Auswirkungen des Diabetes mellitus insgesamt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt ist. Dieses Verständnis hat
der Kläger durch sein Vorbringen selbst erkennen lassen, mit dem er sich bemüht hat, dem LSG eine erhebliche, gravierende
Beeinträchtigung seiner Lebensführung darzulegen. Im Übrigen kommt im Berufungsurteil (s S 16 des Abdrucks) hinreichend deutlich
zum Ausdruck, dass das LSG den Schriftsatz des Klägers vom 25.4.2012 in Erwägung gezogen hat.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind weitere detaillierte Tatsachenfeststellungen, insbesondere durch Einholung eines Gutachtens,
nicht erforderlich gewesen. Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte von Amts wegen gemäß §
103 SGG ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen
Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben, wesentlich geändert hätten, greift diese Rüge nicht
durch. Denn das LSG hat den Therapieaufwand im Rahmen der beim Kläger erfolgenden Insulinpumpentherapie auf der Grundlage
der vorliegenden Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte dahin gewürdigt, dass er für sich genommen die betreffenden
Voraussetzungen in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV erfüllt. Für die Beurteilung, ob beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung
der Lebensführung durch den Diabetes mellitus vorliegt, bedarf es auf der Grundlage der getroffenen medizinischen Feststellungen
und der eigenen Angaben des Klägers keiner besonderen Sachkunde. Diese kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung
selbst vornehmen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 46). Das LSG hat sich ersichtlich neben den eigenen Angaben des Klägers auch auf die Einschätzungen
der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. M., Dr. S. und W. in deren beigezogenen Befundberichten gestützt. Dabei sind auch die von
dem Kläger diesen gegenüber geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei der Insulinpumpentherapie im Falle
hypoglykämischer Zustände) berücksichtigt worden. Zudem hat das LSG insbesondere die Angaben des Klägers in der öffentlichen
Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG am 13.7.2011 gewürdigt, wonach es bei ihm nicht zu schweren
Hypoglykämien gekommen ist und er entsprechende Folgewirkungen nicht benennen konnte.
Die benötigten vier bis fünf Insulindosen pro Tag werden über die Insulinpumpe abgegeben, deren Reservoir der Kläger alle
drei Tage wechseln muss. Die von dem Beklagten ausgewertete CD-ROM mit den aufgezeichneten Insulingaben hat weder besonders
niedrige noch besonders überhöhte Werte ergeben. Auch die im Nachhinein erweiterten Angaben des Klägers, es werde ihm bei
der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde oder Treppen schnell hoch und runter laufe, hat das
LSG in seine Feststellung miteinbezogen und keine behandlungsbedürftigen schweren Auswirkungen des Diabetes mellitus festgestellt.
Dabei hat es insbesondere das erforderliche Ablegen der Insulinpumpe beim Badengehen des Klägers mit Freunden und deren anschließend
erforderliche Aktivierung gewürdigt. Dadurch wird nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des LSG die Teilhabe
an diesen Freizeitmöglichkeiten zwar erschwert; diese können aber dennoch wahrgenommen werden. Insgesamt hat die Insulinpumpe
als solche nach der Bewertung der Ärzte des Klägers bei diesem zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation
beigetragen.
In diese Überlegungen hat das LSG auch die vom Kläger im Schriftsatz vom 25.4.2012 angegebenen Nachteile seiner Stoffwechselerkrankung
(Dawn-Phänomen) miteinbezogen und weiter festgestellt, dass diese zwar einschränkend und belastend seien, nicht jedoch gravierend
im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze. Hierzu hat der Kläger selbst mit seiner Revision dargelegt, dass aus diesen
Umständen lediglich die Notwendigkeit einer strengeren Überwachung der Insulinpumpentherapie folge. Soweit der Kläger vorträgt,
eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung ergebe sich auch dadurch, dass bei ihm Angst vor Hypoglykämien unruhige Nächte und
Schlafstörungen auslöse, handelt es sich um erst mit der Revision vorgebrachte Umstände, die nicht vom LSG festgestellt und
daher für die Revision unbeachtlich sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
163 RdNr 5). Entsprechendes gilt für die erstmals mit der Revision erfolgte Angabe weiterer diabetesbedinger Beeinträchtigungen.
Im Übrigen setzt sich der Kläger kritisch mit der Beweiswürdigung des LSG auseinander, ohne damit eine durchgreifende Verfahrensrüge
anzubringen. Er hat nicht beachtet, dass eine Verletzung des insoweit einschlägigen §
128 Abs
1 SGG grundsätzlich erst dann vorliegt, wenn das LSG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, nicht das Gesamtergebnis
des Verfahrens berücksichtigt oder andere spezifische Beweisfehler gemacht hat.
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen,
dass der GdB des Klägers in Anwendung von Teil B Nr 15.1 Abs 5 AnlVersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift
können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von
40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht
erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei dem Kläger vom LSG nicht festgestellt worden sind. Die bloße Möglichkeit,
dass zukünftig derartige schwerwiegende Stoffwechsellagen eintreten können, genügt den Anforderungen nicht.
Schließlich geht die von dem Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, er dürfe wegen seines konsequenten Therapieverhaltens
und seiner vernünftigen Lebensführung in Bezug auf seine Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht gegenüber einem behinderten
Menschen benachteiligt werden, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine
schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen einer höherer GdB als ihm zuerkannt werde. Dabei übersieht der Kläger,
dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden
Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt
(vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, §
69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar
selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei
dem Kläger haben würde (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 48).
Hinsichtlich der anderen beim Kläger vorliegenden Erkrankungen hat das LSG gemessen an den maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen
den jeweiligen Einzel-GdB des Klägers rechtsfehlerfrei festgestellt. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des
LSG liegt bei dem Kläger eine beginnende Nephropathie ohne derzeitige Einschränkungen sowie eine leichte Form der Hypertonie
ohne oder mit nur geringer Leistungsbeeinträchtigung vor, die medikamentös kontrolliert werden kann. Grundlage für die Bemessung
des Einzel-GdB sind insoweit für die Zeit ab Antragstellung im November 2004 zunächst die AHP 2004, anschließend bis zum Ende
des Jahres 2007 die AHP 2005, danach bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 2008 und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV (s jeweils die Einleitung). Bei Anwendung der für die GdB-Bewertung bei einer beginnenden Nephropathie ohne Einschränkungen
sowie bei einer leichten Form der Hypertonie maßgeblichen Tabellen in den jeweiligen Fassungen der Nr 26.12 bzw 26.9 AHP,
die zum 1.1.2009 unverändert in Teil B Nr 12.1.1 bzw Nr 9.3 AnlVersMedV übernommen worden sind, ergibt sich für Nierenschäden
ohne Einschränkung der Nierenfunktion ebenso wie für eine leichte Form der Hypertonie ohne oder mit geringen Leistungsbeeinträchtigungen
ein Einzel-GdB von 0 bis 10. Weitere mit einem Einzel-GdB festzustellende Gesundheitsstörungen, insbesondere hinsichtlich
der Bauspeicheldrüse oder des Dawn-Phänomens, hat das LSG nicht festgestellt, weil hierzu weder vom Kläger noch von den behandelnden
Ärzten Befunde oder funktionale Einschränkungen mitgeteilt worden sind.
Den Gesamt-GdB hat das LSG rechtsfehlerfrei mit 40 festgestellt. Dabei ist es nach Nr 18 und 19 der jeweiligen Fassungen der
AHP, die in Teil A Nr 2. und 3. AnlVersMedV unverändert übernommen worden sind, von der Funktionsbeeinträchtigung ausgegangen,
die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und hat dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen geprüft, ob und
inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen
um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen
abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes
der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige
leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LSG bei
dem Kläger der Fall, weil danach die neben dem mit 40 zu bewertenden Diabetes mellitus bestehenden Erkrankungen der beginnenden
Nephropathie und der leichten Form der Hypertonie jeweils nur mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 zu bewerten sind.
Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht ein Vergleich mit anderen
schwerwiegenden Erkrankungsbildern. Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter
Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle
der AHP/AnlVersMedV feste Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 18). Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen nach
den Feststellungen des LSG insgesamt noch nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen eine
Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.