Beschlussverfahren nach § 158 SGG, Anhörung der Beteiligten
Gründe:
Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat durch Beschluss vom 13.9.2007 die Restitutionsklage des Klägers, die auf Wiederaufnahme
des durch rechtskräftiges Urteil des LSG vom 27.9.2006 abgeschlossenen Verfahrens L 4 SB 7/05 gerichtet ist, als unzulässig verworfen. Der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass er ohne Verschulden außerstande
gewesen sei, den geltend gemachten Restitutionsgrund - Auffinden einer Urkunde (§
580 Nr 7 Buchstabe b
ZPO) - im früheren Verfahren geltend zu machen. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Er macht Divergenz und Verfahrensfehler geltend.
Die Beschwerde ist begründet.
Allerdings ergibt sich die Begründetheit nicht schon aus der vom Kläger behaupteten Abweichung des Berufungsurteils von Rechtsprechung
des BSG (Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 22). Der Kläger zitiert aus dieser Entscheidung folgende Ausführungen:
"Der Senat hat schließlich auch Bedenken, ob das LSG - wenn es schon in unzutreffender Weise davon ausging, dass es sich um
eine Wiederaufnahmeklage gemäß §
179 SGG handelte - über diese Klage durch Beschluss gemäß §
158 SGG - ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter - entscheiden durfte. Insofern könnte das LSG - auch von seinem eigenen Ansatz
her - nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sein. Denn nach §
158 SGG kann lediglich die "Berufung" durch Beschluss als unzulässig verworfen werden."
Er legt aber nicht dar, weshalb das genannte Urteil des BSG auf dieser ausdrücklich nur als "Bedenken" geäußerten Meinung
beruhen soll.
Soweit der Kläger das Vorgehen des LSG nach §
158 SGG als Verfahrensmangel rügen will, lässt der Senat offen, ob ein solcher Fehler vorliegt. Immerhin ist zu berücksichtigen,
dass §
179 Abs
1 SGG auf die Vorschriften des Vierten Buches der
ZPO (§§
578 ff
ZPO) verweist. Da nach §
585 ZPO für die Erhebung der Restitutionsklage und das weitere Verfahren grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften entsprechend
gelten, kommt auf diesem Wege wohl auch eine Anwendung des §
158 SGG in Betracht (vgl dazu Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
158 RdNr 6 mwN; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, §
158 SGG, RdNr
18 mwN; zur Parallelvorschrift des §
125 Abs
2 VwGO siehe auch BVerwG, Beschluss vom 31.10.1995 - 5 B 176/95 -juris RdNr 9).
Der Kläger hat formgerecht (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) gerügt, vom LSG nicht ausreichend rechtlich gehört worden zu sein. Er macht geltend, das LSG habe ihn vor der Entscheidung
vom 13.9.2007 verfahrensfehlerhaft nicht dazu gehört, dass es nach §
158 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden beabsichtige.
Der behauptete Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) liegt vor. Das LSG hat gegen §
62 SGG verstoßen. Es hat dem Kläger lediglich den Eingang seiner Restitutionsklage bestätigt und dann - ohne ihn von der Beiziehung
der Verwaltungsakten und von der Klagebeantwortung des Beklagten zu unterrichten - nach §
158 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Berufsrichter entschieden. Zu diesem Verfahren hat es den Kläger zuvor nicht
gehört und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
§
158 SGG schreibt zwar im Unterschied zu §
153 Abs
4 Satz 2
SGG nicht ausdrücklich vor, die Beteiligten zu dem beabsichtigten Beschlussverfahren vorher zu hören. Diese Verpflichtung ergibt
sich aber aus §
62 SGG, der fordert, den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Wie die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks
12/1217, S 53, dort zu Nr 10 letzter Absatz) zeigen, ist eine ausdrückliche Anhörungspflicht im Unterschied zur Parallelregelung
des §
125 Abs
2 Satz 3
Verwaltungsgerichtsordnung, wonach die Beteiligten "vorher" (vor der Entscheidung durch Beschluss) zu hören sind, ins
SGG nicht übernommen worden, weil §
62 SGG generell bestimmt, dass den Beteiligten vor einer Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren ist.
Nicht anders als bei §
153 Abs
4 Satz 1
SGG führt die Verletzung des §
158 Satz 2
SGG - wie vom Kläger gerügt - zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nur mit den Berufsrichtern und damit zum
Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß §
202 SGG iVm §
547 Nr 1
ZPO (BSG SozR 4-1500 §
158 Nr 2 RdNr 10 und SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10).
Nach §
160a Abs
5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist.
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.