Gründe
I
Die Klägerin begehrt Leistungen der Opferentschädigung wegen eines sexuellen Übergriffs durch ihren leiblichen Vater im Jahr
2004.
Die 1981 geborene Klägerin beantragte im Juli 2009 Entschädigungsleistungen nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) mit der Begründung, ihr leiblicher Vater habe sie im Jahr 2004 während eines gemeinsamen Hotelaufenthalts vergewaltigt.
Der Beklagte lehnte den Antrag nach Ermittlungen ab (Bescheid vom 21.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.12.2011). Nach den Schilderungen der Klägerin habe es sich um einen gewaltlosen sexuellen Missbrauch einer Erwachsenen gehandelt,
der keine Gewalttat iS des §
1 OEG darstelle. Die dagegen erhobene Klage wies das SG ab. Das geschilderte Verhalten verwirkliche keinen Straftatbestand. Das Strafrecht schütze die sexuelle Selbstbestimmung
nicht lückenlos. Sexuelle Handlungen unter Verwandten stelle es - mit Ausnahme des vollzogenen Beischlafs - nicht unter Strafe
(Gerichtsbescheid vom 20.6.2016).
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin den Berichterstatter (RiLSG W) ebenso wie im Parallelverfahren L 2 VG 66/18 als befangen abgelehnt. Nachdem der Berichterstatter auf dem Weg über das Parallelverfahren von einer schweren gesundheitlichen
Krise der Klägerin erfahren habe, habe er im Dezember 2019 unvermittelt im hiesigen Verfahren zu einer mündlichen Verhandlung
bereits im Februar 2020 geladen und daran festgehalten. Damit habe er sich rücksichtslos über die mitgeteilten gesundheitlichen
Belange der Klägerin hinweggesetzt. Im Parallelverfahren habe er trotz der ihm bekannten Verhandlungsunfähigkeit und der gesundheitsbedingten
Unfähigkeit der Klägerin zur Wahrnehmung ihrer Rechte und zur Abgabe von Prozesserklärungen eine Frist zur Abgabe prozessentscheidender
Erklärungen gesetzt. Aussagen zur ihrer Gesundheit und fachärztlich mitgeteilte Bedenken und Erforderlichkeiten habe der Berichterstatter
aufgrund reiner Sturheit und Voreingenommenheit abgetan. Das LSG hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 4.6.2020 ohne
Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen (L 2 SF 9/20 AB). Der jedenfalls der Klägerin am 8.6.2020 zugegangene Beschluss führt zur Begründung aus, die Prozessführung des abgelehnten
Richters sei vom Verfahrensrecht gedeckt und insbesondere weder willkürlich noch unsachlich. Ebenso wenig unsachlich sei seine
dienstliche Stellungnahme und die darin enthaltene entschiedene Zurückweisung des Vorwurfs, er nehme körperliche Schäden und
sogar den Tod der Klägerin in Kauf. Die Anhörungsrüge der Klägerin hat das LSG - ebenfalls ohne Mitwirkung des abgelehnten
Richters - mit Beschluss vom 11.6.2020 zurückgewiesen (L 2 SF 85/20 RG). Den Beschluss hat es den Beteiligten zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 12.6.2020 ausgehändigt.
In der Sache hat das LSG den geltend gemachten Entschädigungsanspruch der Klägerin verneint. Nach der maßgeblichen Rechtslage
im Jahr 2004 sei die angeschuldigte Tat nicht strafbar gewesen. Nach ihren eigenen Schilderungen habe die Klägerin keine Ablehnung
der sexuellen Handlungen ihres Vaters geäußert. Selbst wenn sie widerstandsunfähig gewesen sein sollte, fehle es jedenfalls
an einem korrespondierenden Vorsatz des Täters, diesen Zustand auszunutzen (Urteil vom 12.6.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und verfahrensfehlerhaft gehandelt. Es habe
insbesondere ihr rechtliches Gehör verletzt sowie Bedeutung und Tragweite des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter verkannt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behaupteten
Verfahrensmängel noch eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen deshalb zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Diese Anforderungen verfehlt der Vortrag der
Klägerin in der Beschwerdebegründung.
a) Die Klägerin hat keinen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters wegen Mitwirkung eines abgelehnten Richters dargelegt.
Nach §
557 Abs
2 ZPO (iVm §
202 Satz 1
SGG) ist das Revisionsgericht an Entscheidungen, die dem Endurteil des LSG vorausgegangen sind, gebunden, sofern sie unanfechtbar
sind. Dies gilt grundsätzlich auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung
einfachen Rechts zurückgewiesen haben (§
60 Abs
1, §
177 SGG). Diese Bindung entfällt nur in engen Ausnahmen, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen
Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung
des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG grundlegend verkannt hat (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 5, jeweils mwN). Entsprechende substantiierte Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.
b) In dieser Hinsicht rügt die Klägerin zunächst eine Reihe von vermeintlichen formellen Fehlern bei der Behandlung ihres
Ablehnungsgesuchs.
aa) So meint sie, der Beschluss vom 4.6.2020, mit dem das LSG ihr Ablehnungsgesuch gegen den RiLSG W abgelehnt hat, sei zu
Unrecht nur ihr und nicht ihrem (damaligen) Prozessbevollmächtigten zugestellt worden; deshalb sei über das Ablehnungsgesuch
nicht wirksam entschieden worden. Einen Verfahrensmangel hat sie damit aber nicht aufgezeigt. Selbst wenn die Zustellung des
Beschlusses nach §
73 Abs
6 Satz 6
SGG iVm §
172 Abs
1 Satz 1
ZPO allein an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu richten war, obwohl er ihre Vertretung erst nach Einreichung
des Ablehnungsgesuchs durch ihren Ehemann und jetzigen Prozessbevollmächtigten übernommen hatte, hätte §
189 ZPO iVm §
63 Abs
2 SGG eine Heilung der fehlerhaften Zustellung ermöglicht. Ist demnach ein Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften
zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, indem es der Person, an die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet
werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Anhörungsrüge gegen den Zurückweisungsbeschluss
vom 4.6.2020 erhoben hat, hätte es der Darlegung bedurft, warum der Beschluss ihm trotzdem zuvor nicht zugegangen und dadurch
nach §
189 ZPO eventuelle Zustellungsmängel geheilt waren. Im Übrigen kann eine im schriftlichen Verfahren getroffene Entscheidung auch
durch anderweitige Verlautbarung rechtliche Existenz annehmen (vgl Senatsbeschluss vom 27.5.2019 - B 9 SB 6/19 B - juris RdNr 4 mwN).
bb) Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, das LSG habe nicht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters verhandeln dürfen,
weil ihre Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 4.6.2020 noch nicht erledigt gewesen sei. Zwar
sei der Beschluss des LSG vom 11.6.2020 über die Anhörungsrüge ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung
vom 12.6.2020 übergeben worden. Die Vorsitzende habe dem Bevollmächtigten aber keine Gelegenheit zur Lektüre eingeräumt, weshalb
der Beschluss nicht wirksam zugegangen sei. Indes geht die Klägerin mit diesem Vortrag nicht auf §
63 Abs
2 SGG iVm §
173 ZPO ein. Danach kann die Zustellung durch Aushändigung in der mündlichen Verhandlung erfolgen, wenn der Empfänger zur Annahme
bereit ist (vgl BSG Beschluss vom 3.9.2020 - B 14 AS 393/19 B - juris RdNr 5 mwN). Eine Lektüre des übergebenen Schriftstücks setzt §
173 ZPO dagegen ebenso wenig voraus wie die Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses (Schultzky in Zöller,
ZPO, 33. Aufl 2020, §
173 RdNr 6). Ohnehin erscheint es fraglich und hätte näherer Ausführungen bedurft, warum allein die Erhebung einer Anhörungsrüge die
Wirksamkeit des unanfechtbaren Beschlusses über ein Ablehnungsgesuch berühren könnte (vgl dazu Flint in jurisPK-
SGG, 1. Aufl 2017, §
60 SGG RdNr 158 ff mwN, Stand der Einzelkommentierung 15.3.2021).
cc) Schließlich meint die Klägerin, RiLSG W habe jedenfalls bis zur Übergabe des Beschlusses über die Anhörungsrüge unter
Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot des §
60 Abs
1 SGG iVm §
47 ZPO an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Indes erfolgte hier die Aushändigung des Beschlusses über die Anhörungsrüge zu
Beginn der mündlichen Verhandlung. Unabhängig davon hätte die Klägerin sich damit auseinandersetzen müssen, dass ein Verstoß
gegen §
47 ZPO unschädlich ist, wenn das Ablehnungsgesuch erfolglos bleibt (Senatsbeschluss vom 1.8.2000 - B 9 SB 24/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 29 S 54 f = juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 3.2.2020 - B 14 AS 302/19 B - juris RdNr 3 ff).
c) In der Sache wirft die Klägerin dem als befangen abgelehnten RiLSG W vor allem vor, seine Verfahrensführung sei rechtlich
und medizinisch unvertretbar, weil er sich im vorliegenden und im Parallelverfahren insbesondere durch seine unvermittelte
Terminsladung, den Verzicht auf weitere Beweiserhebung und die an sie gerichtete Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb
kurzer Frist rücksichtslos über ihre gesundheitlichen Belange hinweggesetzt habe. Insoweit meint sie auch, der Richter hätte
wegen ihrer schweren Traumatisierung einer Begutachtung in ihrem häuslichen Umfeld zustimmen müssen. Darüber hinaus hält sie
ihm diverse verfahrensrechtliche Unzulänglichkeiten und inhaltliche Fehler im Verfahren über das Ablehnungsgesuch vor. So
seien Telefonate des abgelehnten Richters mit ihrem Ehemann (und jetzigem Bevollmächtigten) nicht dokumentiert worden. Zudem
habe der Richter den Sachverhalt in seiner dienstlichen Stellungnahme "zumindest verzerrt" wiedergegeben.
Weiterhin rügt sie: Das LSG habe trotz ihres Antrags keine weitere dienstliche Äußerung des als befangen abgelehnten Richters
eingeholt, Verfahrensakten nicht vollständig übersandt, verschiedene Schriftsätze und den Vortrag des Prozessbevollmächtigten
sowie ihres Ehemanns übergegangen. Die Entscheidungen über das Ablehnungsgesuch und die Anhörungsrüge seien im Übrigen unverständlich
und offensichtlich unhaltbar; sie beruhten auf rechtsfernen Erwägungen.
Mit diesem Vortrag hat die Klägerin jedoch nicht substantiiert dargelegt, warum der ausführlich begründete Beschluss des LSG
vom 4.6.2020 auf manipulativen Erwägungen beruhen oder das Recht auf den gesetzlichen Richter grundsätzlich verkannt haben
sollte. Nur dann könnte sie - wie oben bereits aufgezeigt - den nach §
177 SGG grundsätzlich unanfechtbaren Beschluss ausnahmsweise im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg angreifen. Das
LSG hat darin im Einzelnen dargelegt, warum die Prozessleitung des als befangen abgelehnten Richters der Prozessordnung entsprach,
nicht von Willkür oder Unsachlichkeit geprägt war und warum auch dessen dienstliche Äußerung keine Besorgnis der Befangenheit
begründete. Das LSG hat ua ausgeführt, wann RiLSG W von der behaupteten Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin
erfahren und mit welcher Berechtigung er daraus welche Schlüsse - auch im Parallelverfahren - für die Verfahrensführung, insbesondere
für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gezogen und warum er - schon mangels Zustimmung des Beklagten - kein Ruhen
des Verfahrens angeordnet hat. Schließlich hat das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 11.6.2020 über die Anhörungsrüge
der Klägerin begründet, warum es den (damaligen) Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht in das von ihrem Ehemann (und
jetzigem Prozessbevollmächtigten) begonnene und fortgeführte Ablehnungsverfahren einbezogen hat.
Angesichts dessen konnte sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer Darlegungsobliegenheiten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
nicht darauf beschränken, ihre Argumente aus dem Ablehnungsverfahren lediglich zu wiederholen, deren Abhandlung durch das
LSG als "rechtsfern und abwegig" sowie vermeintliche oder wirkliche Verfahrensfehler, insbesondere bei der Zustellung von
Beschlüssen und das Fehlen einer Gesamtwürdigung aller Umstände durch das LSG zu kritisieren. Damit rügt sie im Ergebnis lediglich
eine aus ihrer Sicht falsche Anwendung der Vorschriften über die Ablehnung von Gerichtspersonen (§
60 Abs
1 SGG iVm §§
41 ff
ZPO), legt aber weder eine grundsätzliche Verkennung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter und erst recht keine manipulativen
Erwägungen des LSG bei der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs dar.
d) Ohnehin ist der Senat außerstande, die zur Begründung des Befangenheitsvorwurfs geäußerten, gravierenden Vorwürfe der Klägerin
gegen die Prozessleitung des RiLSG W im vorliegenden und im Parallelverfahren, wie es erforderlich wäre, allein auf der Grundlage
der Beschwerdebegründung und den beigefügten Unterlagen nachzuvollziehen. Insbesondere legt die Klägerin den Verfahrensablauf
nicht in strukturierter, objektiver und vollständiger Art und Weise, sondern erkennbar nur bruchstückhaft dar. Substantiierte
Darlegungen fehlen insbesondere zu den nachgewiesenen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und deren Auswirkungen
auf ihre Verhandlungsfähigkeit, die sie im Parallelverfahren geltend gemacht hat. Denn die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung
weder Verlauf und Stand jenes Verfahrens noch die darin getroffenen medizinischen Feststellungen vollständig und nachvollziehbar
mitgeteilt. Dafür genügt weder die Wiedergabe eines einzelnen Attests noch die ansonsten pauschale Angabe, die gesundheitlichen
Beeinträchtigungen seien in den beiden Verfahren aktenkundig. Es ist nicht Aufgabe des BSG als Beschwerdegericht, sich die erforderlichen Tatsachen aus der angefochtenen Entscheidung des LSG und erst recht nicht
aus den Verfahrensakten herauszusuchen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 28.6.2018 - B 9 SB 53/17 B - juris RdNr 5 mwN).
An substantiierten Darlegungen fehlt es auch hinsichtlich der von der Klägerin ausführlich zitierten Vermerke über Telefongespräche
ihres Ehemanns mit dem für befangen angesehenen Richter aus dem Parallelverfahren. Wie das LSG in seinem Beschluss über die
Anhörungsrüge vom 11.6.2020 ausgeführt hat, waren die darin thematisierten Untersuchungsbedingungen für eine mögliche Begutachtung
- Hausbesuch - Gegenstand des Ablehnungsverfahrens (L 2 SF 10/20 AB) im Parallelverfahren. Auch den dort ergangenen Beschluss hat die Klägerin indes nicht vorgelegt oder inhaltlich wiedergegeben.
Deshalb lassen sich der Beschwerdebegründung auch keine schlüssigen Ausführungen darüber entnehmen, ob und wie das LSG bei
der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch im Parallelverfahren die von der Klägerin kritisierte Verfügung des als befangen
angesehenen Richters sowie seine angeblichen telefonischen Äußerungen gewürdigt und ob es damit dem Anspruch der Klägerin
auf den gesetzlichen Richter insgesamt ausreichend Rechnung getragen hat.
e) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters rügt, weil ein ehrenamtlicher Richter mehrfach
eingeschlafen sei , hat sie diesen Verstoß ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Um die nicht ordnungsgemäße Besetzung wegen eines "schlafenden Richters" im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu rügen,
müssen konkrete Tatsachen - Dauer, Zeitpunkt und Einzelheiten zum Verhalten des Richters - vorgetragen werden, welche seine
Konzentration auf wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung ausschließen (vgl BSG Beschluss vom 12.4.2017 - B 13 R 289/16 B - SozR 4-1750 § 547 Nr 3 RdNr 7; BSG Beschluss vom 29.8.2012 - B 13 R 41/12 B - juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 8.4.2005 - B 2 U 414/04 B - juris RdNr 4). Zeichen einer großen Ermüdung, Neigung zum Schlaf, das Kämpfen mit der Müdigkeit, das Schließen der Augen und das - nicht
nur auf wenige Minuten beschränkte - Senken des Kopfes auf die Brust sind noch kein sicherer Beweis dafür, dass der Richter
die Vorgänge in der Verhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte; erst wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise
tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung,
kann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise "abwesend" ist (BSG Beschluss vom 12.4.2017 - B 13 R 289/16 B - SozR 4-1750 § 547 Nr 3 RdNr 10). Weiterhin hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist und welche
für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter nicht hat erfassen können (BSG aaO RdNr 7).
Entsprechende substantiierte Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin macht geltend, der ehrenamtliche
Richter H sei während der mündlichen Verhandlung "mehrfach eingeschlafen". Sie räumt allerdings selbst ein, weder sie, ihr
Ehemann noch ihr (damaliger) Prozessbevollmächtigter hätten davon etwas bemerkt. Zum Beleg für ihre Behauptung beruft sie
sich lediglich auf eine schriftliche "eidesstattliche Versicherung" des "Zeugen" A K. Die Klägerin gibt an, diese sei im Rahmen
eines Richterablehnungsverfahrens im Parallelverfahren eingereicht worden. Damit wird aber bereits schon nicht eindeutig klar,
ob sich die Erklärung des vermeintlichen Zeugen - unbeschadet der für eine eidesstattliche Versicherung mit Blick auf §
156 StGB nötigen formellen Voraussetzungen (vgl zB § 23 Abs 4 SGB X) - auf die mündliche Verhandlung im vorliegenden Verfahren bezieht. Die Klägerin teilt mit, das Verfahren sei als sechste Verhandlung
an einem Freitagnachmittag terminiert gewesen. Damit bleibt offen, ob sich die Äußerung nicht auch auf die mündliche Verhandlung
in einem anderen Verfahren beziehen könnte.
Unabhängig davon behauptet die schriftliche Äußerung lediglich pauschal, der ehrenamtliche Richter sei "mehrfach eingeschlafen",
ohne eindeutig die von der Rechtsprechung geforderten sicheren Anzeichen für eine "geistige Abwesenheit" des Richters mitzuteilen,
die eine Konzentration auf die mündliche Verhandlung ausschließen. Dabei weckt die schriftliche Erklärung durch ihre Bewertung
der Verfahrensführung des Gerichts als "einschüchternd, missachtend und böse" Zweifel an der erforderlichen Tatsachenbezogenheit
und dem Fehlen von Belastungstendenzen. Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten, seine rechtlichen Ausführungen und die
Erörterungen der Klageanträge kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung "dürften vom ehrenamtlichen Beisitzer verschlafen
worden sein", bewegt sich mangels eigener Wahrnehmung auf der Ebene einer bloßen Spekulation. Der Senat sieht sich daher nicht
gehalten, die von der Klägerin erbetenen dienstlichen Stellungnahmen des entscheidenden LSG-Senats und des nichtrichterlichen
Dienstes einzuholen.
f) Ebenso wenig dargelegt hat die Klägerin eine anderweitige Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG). Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen,
Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s §
128 Abs
2 SGG), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird. Das
Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung
von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt, zB wenn ein Gericht
das Gegenteil des Vorgebrachten - ohne entsprechende Beweisaufnahme - annimmt, oder den Vortrag eines Beteiligten als nicht
existent behandelt oder wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren
von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern der Tatsachenvortrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht unerheblich
ist. Art
103 Abs
1 GG schützt indes nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 9 mwN). Entsprechende substantiierte Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin trotz der Behauptung systematischer
Gehörsverletzungen nicht. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welchen wesentlichen Kern des auch nach der allein maßgeblichen
Rechtsauffassung des Gerichts erheblichen Tatsachenvorbringens das LSG übergangen haben sollte.
aa) Soweit die Klägerin kritisiert, der Berichterstatter habe das Verfahren ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand betrieben
und sich dienstlich unsachlich geäußert, ist das LSG - wie sich auch aus der Beschwerdebegründung ergibt - auf diesen Vorwurf
eingegangen und hat sich mit den diesbezüglichen Äußerungen der Klägerin auseinandergesetzt. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör verpflichtete das LSG dabei nicht, der Sichtweise der Klägerin zu folgen.
bb) Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung ihres Ablehnungsgesuchs durch das LSG
mit Beschluss vom 4.6.2020 rügt, hätte es der substantiierten Darlegung bedurft, warum nicht spätestens die Entscheidung des
LSG vom 11.6.2020 über ihre Anhörungsrüge die behaupteten Gehörsverstöße ausgeräumt hat. Hinsichtlich der von der Klägerin
für maßgeblich gehaltenen Frage der Bedingungen einer möglichen gutachterlichen Untersuchung - Hausbesuch - und ihrer Handhabung
durch den Berichterstatter hat das LSG auf seine Ausführungen im Ablehnungsverfahren L 2 SF 10/20 AB verwiesen. Diese teilt die Klägerin jedoch weder mit noch geht sie näher darauf ein. Der Senat kann daher nicht, wie erforderlich,
allein anhand der Beschwerdebegründung beurteilen, ob und wie das LSG einen zentralen Kritikpunkt der Klägerin, der Berichterstatter
verweigere ihr in rechtswidriger Weise eine Begutachtung im häuslichen Umfeld, abgehandelt hat. Das gilt auch für den in diesem
Zusammenhang erhobenen Vorwurf, das LSG gehe nicht auf die zwischen dem Berichterstatter und dem Ehemann der Klägerin diesbezüglich
geführten Telefongespräche ein, zumal das LSG diese Gespräche in seinem Beschluss vom 11.6.2020 über die Anhörungsrüge ausdrücklich
erwähnt.
cc) Der Schriftsatz des Ehemanns der Klägerin vom 11.6.2020, dessen Übergehen sie rügt, hat das LSG erst nach 21.00 Uhr und
damit ersichtlich nach Dienstschluss an diesem Tag erreicht. Das LSG hat den Schriftsatz an die Beteiligten in der mündlichen
Verhandlung am folgenden Tag überreicht. Schon angesichts dieses Zeitablaufs konnte die Klägerin nicht ohne Weiteres erwarten,
dass das LSG schriftlich auf die von ihr im Kern auch lediglich nochmals wiederholten und vertieften angeblichen Befangenheitsgründe
eingehen würde. Jedenfalls zeigt die Klägerin nicht auf, warum das Berufungsgericht auf diesen Schriftsatz trotz Vertretung
durch den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt M und dessen umfänglichen Vortrag überhaupt näher hätte eingehen müssen.
dd) Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, das angefochtene Urteil verletze durch seine Tatsachendarstellung ihr
rechtliches Gehör, erschließt sich bereits nicht, welche entscheidungserheblichen Punkte davon betroffen sein könnten. Die
Sachverhaltsdarstellung des LSG steht im Zusammenhang mit seiner Prüfung, ob es die Schilderung der Klägerin vom sexuellen
Übergriff ihres Vaters seinem Urteil zugrunde legen konnte. Diese Prüfung ist letztlich zugunsten der Klägerin ausgegangen,
weil das LSG ihre diesbezüglichen Schilderungen jedenfalls als glaubhaft angesehen hat. Die Klägerin legt nicht dar, welche
Relevanz vermeintliche Unrichtigkeiten in der Tatsachendarstellung des Urteils für ihre Rechtsposition haben könnten und warum
deshalb ein damit im Zusammenhang stehender (vermeintlicher) Verstoß gegen das rechtliche Gehör überhaupt entscheidungserheblich
sein könnte.
2. Ebenso wenig dargelegt hat die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen
sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder
der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer
muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten
Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die
Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen
Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung.
Die Klägerin hält es für klärungsbedürftig, ob ein rechtswidriger vorsätzlicher tätlicher Angriff im Sinne von §
1 Abs
1 Satz 1
OEG bei einem sexuellen Missbrauch einer Erwachsenen vorliegt, wenn das Einverständnis des Opfers für die sexuelle Handlung fehlt
und ein solches Einverständnis auch aus Sicht eines anzunehmenden objektiven Beobachters fehlen würde.
Sie legt aber nicht substantiiert dar, warum sich diese Frage nicht auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung
beantworten lässt. Das LSG hat die von der Klägerin geschilderten sexuellen Handlungen ihres Vaters als "moralisch eindeutig
verwerflich" bezeichnet, deren Strafbarkeit im Tatzeitpunkt 2004 aber verneint. Die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen
und die strafrechtlichen Schlussfolgerungen greift die Klägerin nicht mit zulässigen Verfahrensrügen an. Sie meint vielmehr,
das Merkmal der Rechtswidrigkeit des Angriffs iS von §
1 Abs
1 Satz 1
OEG müsse im Licht verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben weiter verstanden werden als im Sinne einer bloßen Strafrechtswidrigkeit.
Eine derartige Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung erfülle auch ohne Strafbarkeit den Tatbestand des §
1 OEG. Insoweit hätte sich die Klägerin aber näher mit der ständigen, von ihr lediglich zitierten Rechtsprechung des Senats auseinandersetzen
müssen. Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff iS des §
1 Abs
1 Satz 1
OEG setzt danach - über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus - eine "feindselige Willensrichtung"
voraus. Für diese ist nicht die innere Einstellung des Täters maßgebend, sondern die Rechtsfeindlichkeit des Täterhandelns,
die vor allem als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz verstanden wird (vgl zuletzt Senatsurteil vom 24.9.2020 - B 9 V 3/18 R - juris RdNr 23, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Senatsurteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 23). Dieses Tatbestandsmerkmal schließt Handlungen vom Kreis entschädigungspflichtiger Ursachen aus, die - wie der vom LSG festgestellte
sexuelle Übergriff ihres Vaters - zwar gesellschaftlich missbilligtes Verhalten darstellen, aber die Schwelle zum kriminellen
Unrecht nicht überschreiten (Senatsurteil vom 7.4.2011 - B 9 VG 2/10 R - BSGE 108, 97 = SozR 4-3800 § 1 Nr 18, RdNr 62; Senatsurteil vom 14.2.2001 - B 9 VG 4/00 R - BSGE 87, 276, 278 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 18 S 72 f = juris RdNr 15, 19). Der Täter muss demnach gegenüber dem Opfer nicht feindselig eingestellt sein; es genügt, wenn sein Verhalten auf Rechtsbruch
gerichtet ist und dadurch seine Rechtsfeindlichkeit erkennen lässt (vgl Senatsurteil vom 28.5.1997 - 9 RVg 1/95 - juris RdNr 10). Maßgeblich ist die objektive Sicht eines vernünftigen Dritten (Senatsurteil vom 7.4.2011 - B 9 VG 2/10 R - BSGE 108, 97 = SozR 4-3800 § 1 Nr 18, RdNr 32, 38). Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit zeigt sich durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (Senatsurteil vom 7.4.2011, aaO, RdNr 52 mwN). Ohne das so verstandene Merkmal der Rechtsfeindlichkeit würden im Opferentschädigungsrecht Billigkeitserwägungen drohen und
die für die Bewertung des Täterverhaltens maßgebende normative Grenze ihre klaren Konturen verlieren (Senatsurteil vom 7.4.2011, aaO, RdNr 64). Mit diesen höchstrichterlichen Vorgaben setzt sich die Klägerin nicht ausreichend auseinander.
Soweit sie den Klärungsbedarf auf die Senatsrechtsprechung zum "gewaltlosen" Missbrauch von Kindern stützen möchte, geht sie
nicht näher darauf ein, dass in den zugrunde liegenden Konstellationen - anders als in ihrem Fall - das Handeln des Täters
an sich strafbar war. Fraglich war allein, ob dieses strafbare Handeln sich noch unter den Begriff des tätlichen Angriffs
fassen ließ. Der Senat hat den Begriff des tätlichen Angriffs in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern wegen deren
besonderer Schutzwürdigkeit erweiternd ausgelegt, die Erstreckung dieses weiteren Begriffsverständnisses auf andere Fallgruppen
aber ausdrücklich abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - BSGE 113, 205 = SozR 4-3800 § 1 Nr 20, RdNr 28 mwN).
Das LSG hat seinem Urteil die dargelegte ständige Senatsrechtsprechung zum Begriff des Angriffs iS von §
1 OEG zugrunde gelegt. Auf die abweichende Rechtsansicht der Klägerin brauchte das Berufungsgericht auf dem Boden seiner maßgeblichen
(und zutreffenden) Rechtsansicht dabei auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zwingend einzugehen.
Wie ausgeführt, verpflichtet Art
103 GG die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ebenso
wenig schützt die Vorschrift davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 9 mwN).
Soweit die Klägerin meint, das einschlägige Strafrecht müsse sich an der Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben messen
lassen, reißt sie die von ihr behauptete verfassungsrechtliche Problematik lediglich an, ohne sich damit in gebotenem Maße
auseinanderzusetzen. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht oder sich auf die Verfassungswidrigkeit
der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift beruft, darf sich dabei aber nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter
Rechtsgrundsätze beschränken. Vielmehr muss der Beschwerdeführer unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG
und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen und -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen
welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt
der infrage stehenden einfach gesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die
Verletzung der konkreten Regelung des
GG im Einzelnen dargelegt werden. Dabei ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit
überschritten und in willkürlicher Weise verletzt hat (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 20.12.2018 - B 9 V 13/18 B - juris RdNr 10 mwN).
Eine solche substantiierte Erörterung insbesondere der höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt
die Beschwerdebegründung vermissen. Die Klägerin legt bereits nicht dar, ob und welche verfassungsrechtlichen Bedenken im
maßgeblichen Zeitpunkt gegen die von den Tatsacheninstanzen zugrunde gelegten Strafrechtsnormen vorgebracht wurden und welche
Schlussfolgerungen die Rechtsprechung daraus gezogen hätte.
Soweit die Klägerin darüber hinaus meint, Art
3 Abs
1 GG gebiete eine Gleichbehandlung von Fällen wie ihrem mit solchen einer leichten Körperverletzung, in denen eine Entschädigung
nach dem
OEG infrage komme, versäumt sie eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Gründen für das Erfordernis einer Strafrechtswidrigkeit
eines Angriffs iS von §
1 OEG. Selbst wenn schließlich der strafrechtliche Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, wie die Klägerin meint, im Jahr 2004
verfassungsrechtlich bedenklich gewesen sei, wären solche Zweifel in einem Vorlageverfahren nach Art
100 Abs
1 GG zu §
1 OEG durch das BVerfG zu klären gewesen (Verwerfungsmonopol des BVerfG). Eine die von der Klägerin im Kern erstrebte erweiternde
Auslegung des insoweit strafrechtsakzessorischen Opferentschädigungsrechts darf diese Zuständigkeitsverteilung nicht unterlaufen.
Ebenso wenig zeigt die Klägerin auf, warum das am 1.2.2018 in Deutschland in Kraft getretene Übereinkommen des Europarats
vom 11.5.2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt - sogenannte Istanbul-Konvention -
(vgl Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11.5.2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher
Gewalt vom 17.7.2017, BGBl II 2017, 1026) sich rückwirkend auf die Anwendung des Strafrechts im Jahr 2004 und die damit zusammenhängende Auslegung von §
1 OEG auswirken sollte. Die Klägerin behauptet zwar, das Sexualstrafrecht in Deutschland habe im Jahr 2004 eine konventionswidrige
Strafbarkeitslücke in Fällen von sexuellen Übergriffen gegen den Willen des Opfers aufgewiesen (zum Streitstand vgl Renzikowski in Münchener Kommentar zum
StGB, 3. Aufl 2017, §
177 StGB RdNr 30 mwN). Sie versäumt es jedoch, dies näher zu belegen und sich dafür insbesondere mit der maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung
des zuständigen BGH in Strafsachen auseinanderzusetzen.
Soweit die Klägerin weitere Fragen für die Konstellation formuliert, dass das Opfer "objektiv widerstandsunfähig" und deshalb
der im Tatzeitpunkt 2004 geltende Straftatbestand des §
179 StGB (sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) verwirklicht war, legt sie nicht dar, warum der Senat diese Fragen -
selbst wenn man sie als Rechtsfragen iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ansehen wollte - in einem Revisionsverfahren auf der Grundlage der für ihn nach §
163 SGG bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG klären könnte. Dieses hat eine Strafbarkeit des Vaters der Klägerin nach der 2004
geltenden Rechtslage wegen des sexuellen Übergriffs zumindest mangels Vorsatzes ausdrücklich verneint. Daran ist der Senat
nach §
163 SGG gebunden.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.