Gründe:
I
Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über einen Anspruch auf Rücküberweisung überzahlter Rente.
Die klagende Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund überwies der Rentenberechtigten G. monatlich Witwenrente auf deren bei
der beklagten Bank bestehendes Girokonto (im Folgenden: Empfängerkonto). G. verstarb am 19.11.2009. Die Beklagte erhielt am
24.11.2009 hiervon Kenntnis. Die Klägerin überwies jeweils 363,54 Euro Rente für Dezember 2009 (30.11.2009) und für Januar
2010 (30.12.2009) auf das Empfängerkonto. Am 27.1.2010 zahlte die Beklagte den positiven Saldo dieses Kontos von 1138,52 Euro
den Erbinnen der G. aus und löschte das Konto. Die Beklagte lehnte die am 26.3.2010 erhobene Forderung der Klägerin ab, 727,08
Euro zurückzuüberweisen, da das Empfängerkonto bereits aufgelöst worden sei. Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 727,08 Euro zu zahlen (Urteil vom 4.4.2011). Das LSG hat dieses Urteil auf die
Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen: Bei Eingang der Rückforderung sei durch Auszahlung des Guthabens
bereits anderweitig verfügt worden. Der Zeitpunkt, zu dem das Geldinstitut anderweitig Kenntnis von dem Tod eines Kontoinhabers
erlangt habe, sei für den Anspruch auf Rücküberweisung ohne Bedeutung (Urteil vom 1.7.2014).
Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des SG-Urteils. Der 5. Senat des BSG beabsichtigt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen: Zwar hätten die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch
aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI zunächst vorgelegen, weil sich das Geldinstitut nicht auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Vornahme anderweitiger Verfügungen
noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens berufen könne, wenn es bei deren Ausführung Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten
gehabt habe. Die Erfüllung des Anspruchs aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI sei aber - wie ua aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2009 - B 5 R 120/07 R (BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10) folge - durch Auflösung des Empfängerkontos "unmöglich geworden". Der 5. Senat sieht sich jedoch
durch das Urteil des 13. Senats des BSG vom 24.2.2016 - B 13 R 22/15 R (BSGE 121, 18 = SozR 4-2600 § 118 Nr 14) an einer Zurückweisung der Revision gehindert. Diesem Urteil zufolge erlösche der Anspruch aus
§
118 Abs
3 S 2
SGB VI nicht durch Auflösung des Empfängerkontos. Auf Anfrage (Beschluss vom 7.4.2016 - B 5 R 26/14 R) hat der 13. Senat an seiner Rechtsauffassung festgehalten (Beschluss vom 14.12.2016 - B 13 R 20/16 S). Der 5. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt (Beschluss vom 17.8.2017),
ob ein Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut nach §
118 Abs
3 S 2
SGB VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, die weitere
Existenz des Kontos des Rentenempfängers voraussetzt.
II
Die zulässige Vorlage des 5. Senats (dazu 1.) beantwortet der Große Senat im Sinne des Tenors (dazu 2.).
1. Die Vorlage ist zulässig (§
41 Abs
2 und
3 SGG); insbesondere umschreibt die vom 5. Senat aufgeworfene Frage die entscheidungserhebliche Divergenz.
Der 5. Senat ist übereinstimmend mit dem 13. Senat allerdings der Rechtsansicht, dass sich das Geldinstitut auf den anspruchsvernichtenden
Einwand der Vornahme anderweitiger Verfügungen noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens nach §
118 Abs
3 S 3 Halbs 1
SGB VI dann nicht berufen kann, wenn es bei deren Ausführung bereits Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten hatte (vgl BSG Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 R - RdNr 24; [13. Senat] BSGE 121, 18 = SozR 4-2600 § 118 Nr 14, RdNr 18 mwN). Insoweit besteht keine Divergenz. Der Große Senat beantwortet die Vorlagefrage lediglich
für Konstellationen der Kenntnis des angegangenen Geldinstituts vom Tod des Kontoinhabers zum genannten Zeitpunkt. Hierbei
zielt die Frage darauf ab zu klären, ob der Anspruch eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gegen das Geldinstitut
nach §
118 Abs
3 S 2
SGB VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesen wurden, durch die Auflösung
des Kontos des Rentenempfängers erlischt.
Es besteht eine entscheidungserhebliche Divergenz in den tragenden Rechtssätzen zweier Senate des BSG. Wäre der Entscheidung des 13. Senats zu folgen, so müsste die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils
und der Zurückweisung der Berufung gegen das der Klage stattgebende SG-Urteil erfolgreich sein. Wäre die Rechtsfrage dagegen im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 5. Senat die Revision
der Klägerin zurückweisen. Die Abweichung betrifft eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§
162 SGG), nämlich vornehmlich die Auslegung des Begriffs "zurückzuüberweisen" in der bundesrechtlichen Vorschrift des §
118 Abs
3 S 2
SGB VI (in der seit dem 1.1.2002 unverändert geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des
SGB VI vom 19.2.2002, BGBl I 754).
2. Der Große Senat beantwortet die Vorlagefrage dahin, dass der Anspruch eines Trägers der GRV gegen das Geldinstitut nach
§
118 Abs
3 S 2
SGB VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, nicht durch
die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt.
§
118 Abs
3 S 2
SGB VI begründet bei seiner Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Regelungszweck sowie Entstehungsgeschichte einen eigenständigen
öffentlich-rechtlichen Anspruch des Trägers der GRV gegen Geldinstitute auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die
Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind (dazu a bis d). Dieser Anspruch überlagert die zivilrechtlichen
Beziehungen zwischen den Kontoinhabern bzw deren Erben einerseits und den Geldinstituten andererseits. Er begründet insoweit
iS von § 675o Abs 2
BGB das Recht von Geldinstituten als Zahlungsdienstleister, die Ausführung eines ihnen erteilten autorisierten Zahlungsauftrags
abzulehnen. Der Anspruch ist dahin einzuhegen, dass Geldinstituten als Zahlungsdienstleister bei der Ausführung autorisierter
Zahlungsaufträge im Rahmen des § 675o Abs 2
BGB ein auf Rentenzahlungen begrenztes Zurückbehaltungsrecht bei Verfügungen über das Konto bereits vor Eingang von Rückzahlungsverlangen,
insbesondere bei einer Auflösung des betroffenen Kontos eingeräumt ist (dazu e).
a) Der Wortlaut des §
118 Abs
3 S 2
SGB VI lässt die Antwort des Großen Senats zu. Die Gesamtregelung des §
118 Abs
3 SGB VI lautete in der hier maßgebenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des
SGB VI und anderer Gesetze vom 27.12.2003 (BGBl I 3019) wie folgt:
"1Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen
wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht.
2Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie
als zu Unrecht erbracht zurückfordern.
3Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung
bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann.
4Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden."
Die Verpflichtung eines Geldinstituts, Geldleistungen "zurückzuüberweisen", die auf ein Konto eines Empfängers bei ihm überwiesen
wurden, setzt mit diesem Begriff und dem Wortlaut "Rücküberweisung" nicht zwingend den Fortbestand des Empfängerkontos beim
Geldinstitut voraus. Der Gesetzestext ermöglicht rein sprachlich vielmehr auch (nur) die Annahme, dass im Wege der "Zurück"-Überweisung
eine Zuleitung wieder an denjenigen zu erfolgen hat, der die Überweisung ursprünglich veranlasste. Der Wortlaut lautet nicht,
es sei "zulasten des in §
118 Abs
3 S 1
SGB VI genannten Kontos" zurückzuüberweisen und enthält - anders als §
118 Abs
5 SGB VI ("Sind laufende Geldleistungen ... auf das bisherige Empfängerkonto ... überwiesen worden, ...") keine explizite Hervorhebung
eines ganz bestimmten Kontos. Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ist es für eine "Zurücküberweisung" letztlich nur entscheidend,
dass dem Gläubiger ein zu Unrecht von ihm überwiesener Geldbetrag überhaupt wieder per Überweisung zurückfließt (vgl auch
Escher-Weingart, WM 2018, 1577, 1584).
b) Das Regelungssystem des §
118 Abs
3 SGB VI verdeutlicht, dass der Anspruch auf Rücküberweisung gegen das Geldinstitut (§
118 Abs
3 S 2
SGB VI) nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt.
Der Anspruch auf Rücküberweisung gründet abschließend und eigenständig im
SGB VI, ohne sich bürgerlich-rechtlicher Normen im Sinne einer Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung zu bedienen. Das "Geldinstitut"
hat als Schuldner Geldleistungen iS von §
118 Abs
3 S 2 iVm S 1
SGB VI ("sie") "der überweisenden Stelle" oder dem "Träger der Rentenversicherung" "zurückzuüberweisen", wenn diese "sie als zu
Unrecht erbracht zurückfordern" als Gläubiger des Anspruchs. Die Regelung geht insoweit dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz
vor, dass Rückabwicklungen von rechtsgrundlos erfolgten Geldflüssen (ungerechtfertigte Bereicherung) grundsätzlich im Leistungsverhältnis
zu erfolgen haben (Vorrang von §
812 Abs
1 S 1 Fall 1
BGB [Leistungskondiktion] gegenüber §
812 Abs
1 S 1 Fall 2
BGB [Nichtleistungs- bzw Eingriffskondiktion]; stRspr, vgl dazu allgemein zB BGH Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - Juris RdNr 16 ff mwN = NJW 2018, 1079 RdNr 16 ff). Mit anderen Worten: Der Anspruch aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI richtet sich nicht gegen den Rechtsnachfolger des verstorbenen Berechtigten als Leistungsempfänger, sondern unmittelbar gegen
den Leistungsmittler "Geldinstitut".
Der Gesetzgeber wollte mit der Begründung dieses Anspruchs - soweit hier rechtssystematisch von Interesse - bei Schaffung
des §
118 Abs
3 SGB VI Fallgestaltungen, in denen das Geldinstitut positive Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hat, nicht nur dem Risikobereich
der Rentenversicherungsträger zuweisen, sondern ua auch jenem des kontoführenden Geldinstituts. Er wollte nicht allein den
Rentenversicherungsträgern das Risiko dafür auferlegen, dass die Geldinstitute "Rentenzahlungen stets auch zugunsten der Erben
gutschreiben, und zwar auch dann, wenn sie von dem Tod des Rentners positiv Kenntnis haben" (vgl Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung [11. Ausschuss] zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/5530 S 46 - zu § 119 Abs 3 iVm Ausschuss-Drucks 11/1303 Anl 10 S 66, s ferner dort S 65 und 67).
Diese Form der Indienstnahme von Geldinstituten durch das Gesetz soll deren Zugriffs- und Sicherungsmöglichkeiten bei Geldeingängen
auf Konten, die sie verwalten, Rechnung tragen. Die Geldinstitute dürfen nämlich die Empfängerkonten bei Rückforderung der
betroffenen Geldleistungen durch Rentenversicherungsträger mit den Rückforderungsbeträgen belasten und bis zur Rückforderung
ein Zurückbehaltungsrecht in entsprechender Höhe gegenüber den Kontoführungsberechtigten geltend machen. Auf diesem Wege kann
sich das Geldinstitut auch nach Buchung des Überweisungsbetrags des Rentenversicherungsträgers auf dem Empfängerkonto und
auch nach dessen Saldierung auf einfachem Wege davor schützen, den Anspruch auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Geldleistungen
befriedigen zu müssen, ohne dass ihm der Rückgriff auf eine realisierbare Sicherheit offensteht. Die Sicherungsmöglichkeiten
der Geldinstitute bestehen unabhängig davon, in welcher Zeitphase der Geldüberweisung vom Rentenversicherungsträger sie Kenntnis
vom Tod des Empfängers erlangen. Das Geldinstitut kann diese Kenntnis vor oder bei Eingang der Überweisung bei ihm, nach Gutschrift
der Überweisung auf dem Empfängerkonto oder nach Saldierung der Einzelposten des Kontos erlangen. Das Geldinstitut hat in
all diesen Fällen Möglichkeiten, sich entweder mittels eines Guthabens auf dem Empfängerkonto oder - falls das Konto im Soll
ist - mittels Verweigerung einer Verringerung des Solls zu sichern. §
118 Abs
3 S 1
SGB VI regelt dies mit dem Normbefehl, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem
Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als "unter Vorbehalt erbracht" gelten. Das Geldinstitut kann die Sicherung mittels
Zurückbehaltungsrechts und Kontobelastung den ihm erteilten Anweisungen der Kontoführungsberechtigten, insbesondere der Kontoauflösung
entgegenhalten. Insoweit ist das Geldinstitut berechtigt, die Ausführung des (Auflösungs-)Auftrags abzulehnen (vgl § 675o
Abs 2
BGB).
Die rechtlichen Möglichkeiten der Geldinstitute, sich vor Vermögensverlusten in Folge der Erfüllung der Rücküberweisungsansprüche
der Rentenversicherungsträger in Konstellationen der vorliegenden Art zu schützen, bestimmen auch den weiteren Regelungskanon
des §
118 Abs
3 SGB VI. So besteht keine Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang
der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers - in Unkenntnis des Todes des Rentenempfängers (vgl oben) - bereits anderweitig
verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (vgl §
118 Abs
3 S 3
SGB VI).
Diese Grundsätze, die die Reichweite des Anspruchs auf Rücküberweisung eines Rentenversicherungsträgers bestimmen, sind nicht
auf die Fälle der Existenz bzw des Fortbestehens des Empfängerkontos beschränkt, sondern gelten gleichermaßen im Falle seiner
Auflösung. Das Geldinstitut, welches das Empfängerkonto führt, darf vom Kontoinhaber (bzw seinem Rechtsnachfolger), der die
Auskehrung eines Restguthabens zu seinen Gunsten und die Auflösung des Kontos begehrt, für den Fall des Eingangs der Rückforderung
von Leistungen durch den Rentenversicherungsträger vielmehr eine vergleichbare Sicherung verlangen, wie sie dem bisher bestehenden
Zurückbehaltungsrecht der Bank entspricht. Alternativ kann das Geldinstitut sein Zurückbehaltungsrecht dem Anspruch auf Auskehrung
des Guthabens entgegensetzen. Der Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung (§
118 Abs
3 S 2
SGB VI) erlischt aber auch nicht, wenn das Geldinstitut das Konto auflöst, ohne von seinen Sicherungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
Die Rücküberweisung erfolgt vielmehr in diesen Fällen zB über ein Eigenkonto der Bank. Das Geldinstitut trifft insoweit das
wirtschaftliche Risiko, nach einer Rücküberweisung keinen Rückgriff bei den Begünstigten mehr nehmen zu können. Die im Vorlagebeschluss
des 5. Senats angesprochene Problematik der Unmöglichkeit der Rücküberweisung von Geldleistungen wegen der Auflösung des Kontos
stellt sich nicht, wenn die Existenz des Kontos des verstorbenen Rentenberechtigten keine Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs
ist.
c) Es entspricht auch dem - bereits unter b) mit angesprochenen - Regelungszweck des Gesetzes, dass der Anspruch auf Rücküberweisung
gegen das Geldinstitut (§
118 Abs
3 S 2
SGB VI) nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt. Der Anspruch dient auf der Grundlage des gesetzlich
normierten Vorbehalts (§
118 Abs
3 S 1
SGB VI) dazu, nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht weitergezahlte Geldleistungen schnell, effektiv und vollständig dem Rentenversicherungsträger
zurückzuerstatten, um die Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Verlusten zu bewahren (BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, RdNr 34; BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 10 S 69). Zu diesem Zweck sollte eine effektive Rückführung überzahlter Leistungen gewährleistet werden. Dieses Ziel würde
verfehlt, könnte das Geldinstitut als in §
118 Abs
3 S 2
SGB VI ausdrücklich benannter Schuldner den Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung zum Erlöschen bringen, indem
es das Konto etwa im Auftrag des Berechtigten auflöst. Könnte sich ein Geldinstitut seiner Pflicht, den Rücküberweisungsanspruch
eines Rentenversicherungsträgers aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI zu erfüllen, dadurch entziehen, dass es in Kenntnis des Todes des Berechtigten dessen Konto auflöst und das Guthaben an die
Erben auszahlt, läge darin eine von der Rechtsordnung - auch im Bereich des Sozialrechts - nicht gebilligte unzulässige Rechtsausübung
iS des §
242 BGB (Fallgruppe des venire contra factum proprium; vgl dazu allgemein nur zB Grüneberg in Palandt,
BGB, 78. Aufl 2019, §
242 RdNr 55 mwN). Für das Eingreifen dieses Rechtsinstituts reicht es regelmäßig aus, dass objektiv - verschuldensunabhängig
- das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegt, weil nach den Umständen ein früheres Verhalten (hier: Kontoauflösung
durch das beklagte Geldinstitut) als mit einem späteren Verhalten (hier: Berufen der Beklagten auf die fehlende Fortexistenz
des Empfängerkontos gegenüber dem Verlangen der klagenden DRV Bund auf Zurücküberweisung) unvereinbar anzusehen ist und die
Interessen des Anspruchsgegners (hier: der Klägerin bzw deren Versichertengemeinschaft) im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig
sind (Grüneberg, ebenda; zur unzulässigen Rechtsausübung allgemein vgl zB BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512, RdNr 42 ff).
d) Die Gesetzesmaterialien zu §
118 Abs
3 S 2
SGB VI stehen dem aufgezeigten Auslegungsergebnis des Großen Senats nicht entgegen. Sie unterstreichen vielmehr den vorstehend dargelegten
Regelungszweck einer vereinfachten Rücküberweisung von Rentenleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Rentners überwiesen
worden sind (vgl Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestags, Ausschuss-Drucks 11/1303, Anl 10 S 65).
Die Materialien verdeutlichen, dass es um einen gesetzlichen Eingriff in schuldrechtliche Ansprüche ging (vgl ebenda, Ausschuss-Drucks
11/1303, Anl 10 S 67). Nach den Materialien ist klar, dass das Gesetz einerseits eine neue, die bis dahin maßgebende rechtliche
Konstruktion modifizierende Rechtsgrundlage schuf, die insgesamt zu mehr Transparenz für die Erben des Rentenberechtigten,
andererseits aber auch zu vergleichbaren Ergebnissen wie nach der vorangegangenen Regelungstechnik führen sollte. An die Stelle
von zwischen Geldinstituten und Rentenberechtigten geschlossenen Individualvereinbarungen, die - formularmäßig - in die Rücküberweisung
zulasten ihres Empfängerkontos von nach ihrem Tod überwiesenen Renten einwilligten (vgl ebenda, Ausschuss-Drucks 11/1303,
Anl 10 S 66), trat ein gesetzlich angeordneter Vorbehalt der Rückforderung überwiesener Geldbeträge durch den Rentenversicherungsträger
(vgl ebenda, Ausschuss-Drucks 11/1303, Anl 10 S 67). Die Materialien geben aber nichts dafür her, dass die Neuregelung konkret
zur Folge haben sollte, die Geldinstitute von ihrer Pflicht zur Rücküberweisung vom Rentenversicherungsträger zu Unrecht gezahlter
Geldleistungen durch Auflösung der Empfängerkonten zu befreien.
e) Der Anspruch aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI überlagert nach alledem die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Kontoinhabern bzw deren Erben oder anderen Verfügungsberechtigten
einerseits und den Geldinstituten andererseits insoweit, als er iS von § 675o Abs 2
BGB das Recht von Geldinstituten als Zahlungsdienstleister begründet, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen
(vgl bereits zum alten Recht - zB BSG [jeweils 4. Senat] E 82, 239, 248 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3 S 24 und SozR 4-2600 § 118 Nr 2 RdNr 16; ferner Vorlagebeschluss des 5. Senats vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 - RdNr 56; Pflüger in jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl 2013, § 118 RdNr 67 f, Kommentierungsstand 21.6.2018; Ruland in GK-
SGB VI, §
118 RdNr 24, Stand September 2013).
Das geltende Zahlungsdiensterecht der §§ 675c bis 676c
BGB geht ursprünglich auf die Umsetzung von EU-Recht zurück, namentlich das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie,
des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht
vom 29.7.2009 (BGBl I 2355), und steht der dargestellten rechtlichen Würdigung des Großen Senats nicht entgegen. Der in §
118 Abs
3 S 1
SGB VI geregelte Vorbehalt ist mit den Regelungen des Zahlungsdiensterechts vereinbar. § 675o Abs 2
BGB bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht berechtigt ist, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags
abzulehnen, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht
gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt (zu Letzteren beispielhaft Graf von Westphalen in Erman,
BGB, Bd 1, 15. Aufl 2017, § 675o RdNr
8, in RdNr
2 aber auch hinweisend auf §
118 Abs
3 S 1
SGB VI). Daraus folgt, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers (= Geldinstitut des Zahlungsempfängers, hier: die Beklagte) berechtigt
ist, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags (zB Kontoauflösung durch Erben und Auszahlung des Kontoguthabens
an sie) abzulehnen, wenn und soweit gesetzlich begründete Gegenrechte einer hinreichenden Deckung des Auftrags entgegenstehen.
Bestätigt wird dies durch Art
228 Abs
3 EGBGB, wonach inländische Überweisungen der Rentenversicherungsträger im Rahmen des Rentenzahlverfahrens von der Anwendung der
allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der §§ 676a ff
BGB generell ausgenommen waren, da diese vom Regelfall üblicher Überweisungen so stark abweichen, dass die Vorschriften des allgemeinen
Überweisungsverkehrs hierfür nicht passen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Überweisungsgesetzes, BT-Drucks 14/745
S 28 - Zu Art
228 Abs
3 EGBGB; vgl dazu BSG Beschluss vom 14.12.2016 - B 13 R 20/16 S - Juris RdNr 22). Diese Regelung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, dass öffentlich-rechtliche Verpflichtungen
eines Geldinstituts im Verhältnis zB zum Rentenversicherungsträger durch die Regelungen des Verbraucherschutzes im Zahlungsdiensterecht
im Verhältnis der Geldinstitute zu seinen Kunden nicht ausgeschlossen werden. Damit das Geldinstitut seinen öffentlich-rechtlichen
Verpflichtungen aus §
118 Abs
3 S 2
SGB VI nachkommen kann, ohne eigenes Vermögen einsetzen zu müssen, haben Geldinstitute als Zahlungsdienstleister ab Kenntnis vom
Tod des Empfängers (Versicherter/Rentner) bei der Ausführung autorisierter Zahlungsaufträge der Rechtsnachfolger des Empfängers
im Rahmen des § 675o Abs 2
BGB ein auf Rentenzahlungen für die Zeit nach dem Tod des Empfängers begrenztes Zurückbehaltungsrecht bei Verfügungen über das
Konto.