Anspruch auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens gemäß § 7a SGB IV
Sperrwirkung einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens für seine bei A. Bildungszentrum K. ausgeübte Tätigkeit.
Der 1971 geborene Kläger war von Oktober 2011 bis Juli 2016 bei A. Bildungszentrum K. als Dozent auf Honorarbasis tätig. Im
Rahmen einer Betriebsprüfung (Prüfzeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2012) überprüfte die Beklagte den sozialversicherungsrechtlichen
Status der auf Honorarbasis bei A. Bildungszentrum tätigen Dozenten und stellte mit Bescheid vom 02.09.2014 - nachgehend zum
Prüfbescheid vom 10.12.2013 - fest, dass die vom Arbeitgeber getroffene Beurteilung als selbstständige Tätigkeit für diesen
Personenkreis zutreffend sei. Zur grundsätzlichen Klärung seien stichprobenhaft zehn Dozenten befragt worden. Mit allen Dozenten
sei der gleiche standardisierte Dozentenvertrag geschlossen worden. Bei den auf Honorarbasis tätigen Dozenten habe keine arbeitnehmertypische
Weisungsgebundenheit bestanden, ihre Pflichten seien begrenzt auf zeitlich und sachlich befristete Lehraufträge. Dem Bescheid
war eine Liste mit den Namen der auf Honorarbasis tätigen Dozenten beigefügt, darunter auch der Kläger.
Die Ergebnisse des Betriebsprüfungsverfahrens wurden an die für die einzelnen Dozenten zuständigen Rentenversicherungsträger
weitergegeben zur Prüfung der Versicherungspflicht. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 21.10.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2016 die Versicherungspflicht als Lehrer nach §
2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung fest und forderte ab 24.10.2011 den halben, ab 01.01.2015 den vollen Regelbeitrag
(insgesamt für die Zeit vom 24.10.2011 bis zunächst 31.10.2015 15.156,37 EUR). Der Kläger führte deswegen ein Verfahren vor
dem Sozialgericht Mannheim (S 6 R 740/16). Einen Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs
1a Satz 1 Nr
1 SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2016 ab. Das dagegen eingeleitete
Klageverfahren (S 6 R 1929/16) wurde vom SG Mannheim mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden. Beide Verfahren endeten durch Vergleich: Die Beklagte
erklärte sich bereit, Beiträge erst ab 01.01.2012 zu erheben, bis 31.12.2015 zunächst mit dem halben, ab 01.01.2016 mit dem
vollen Regelbeitrag, auf Antrag einkommensgerechte Beiträge. Im Übrigen nahm der Kläger die Klagen zurück und stellte im Termin
vom 13.10.2016 zu Protokoll des Gerichts einen Antrag auf Statusfeststellung für seine Tätigkeit bei A. Bildungszentrum. Für
den Fall, dass im Statusfeststellungsverfahren eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, sollten die Bescheide nach
§
2 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI aufgehoben werden.
Mit Bescheid vom 02.02.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab und verwies darauf, dass ein Statusfeststellungsverfahren nach
§
7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) entfalle, wenn bereits eine Entscheidung über den Status getroffen worden sei. Dies sei im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens
mit Bescheid vom 02.09.2014 bereits erfolgt. Änderungen in der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit
seien nicht ersichtlich. Für weitere Tätigkeitszeiträume außerhalb des Prüfzeitraums gelte daher die mit Bescheid vom 02.09.2014
vorgenommene Beurteilung. Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres Statusfeststellungsverfahren sei nicht gegeben.
Mit seinem am 03.03.2017 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei der Bescheid vom 02.09.2014 nicht zugegangen,
er sei auch bei der Betriebsprüfung nicht befragt oder hierüber informiert worden. Mit Schreiben vom 07.04.2017 übersandte
die Beklagte dem Kläger den Bescheid vom 02.09.2014. Der Kläger antwortete hierauf am 27.04.2017, er lege "zur Fristwahrung
zu dem Schreiben der DRV Statusfeststellungsverfahren vom 07.04.2017 Widerspruch ein". Er halte seinen Widerspruch aufrecht,
da keine Einzelfallprüfung zu seiner Person stattgefunden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die Betriebsprüfung sei bereits über
den sozialversicherungsrechtlichen Status entschieden und eine selbstständige Tätigkeit festgestellt worden. Ein Statusfeststellungsverfahren
sei daher nicht durchzuführen.
Hiergegen richtet sich die am 04.07.2017 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass die stichprobenartige Betriebsprüfung bei über 100 zu prüfenden Sachverhalten
nicht repräsentativ sei. Seine Belange seien in der Betriebsprüfung nicht berücksichtigt worden. Bei einer Einzelfallprüfung
wäre die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass er abhängig beschäftigt gewesen sei. Er fühle sich durch das frühere Gerichtsverfahren
getäuscht. Wenn er gewusst hätte, dass ein erneutes Statusfeststellungsverfahren abgelehnt würde, hätte er der Schlichtung
so nicht zugestimmt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Durchführung einer Statusfeststellung betreffend seine Tätigkeit
bei A. Bildungszentrum. Dies ergebe sich aus der Sperrwirkung der durchgeführten Betriebsprüfung. Hierbei sei das angegebene
Auftragsverhältnis versicherungsrechtlich beurteilt worden. Nach § 11 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) könne die Prüfung auf Stichproben beschränkt werden. Wie sich aus der dem Bescheid vom 02.09.2014 beigefügten Liste entnehmen
lasse, sei der Kläger von der Betriebsprüfung umfasst gewesen. Eine Überprüfung jedes einzelnen Dozenten - hier über 100 -
sei bei einer zulässigen Stichprobenprüfung nicht erforderlich. Die Sperrwirkung trete auch bei einer auf dieser Grundlage
erfolgten Prüfung ein. Das Ergebnis der Betriebsprüfung sei dem Kläger auch bekanntgegeben worden. Darüber hinaus hätte er
zu Beginn der Tätigkeit bzw vor Einleitung der Betriebsprüfung einen Antrag auf Statusfeststellung stellen können, wenn er
mit der Einstufung seiner Tätigkeit als Selbstständiger nicht konformgegangen wäre.
Gegen den ihm am 28.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25.09.2018 eingelegte Berufung des Klägers.
Er macht geltend, dass ihm vom Sozialgericht Mannheim in der Verhandlung am 13.10.2016 die Durchführung einer Statusprüfung
zugesichert worden sei. Es sei unzutreffend, dass er der Betriebsprüfung und deren Ergebnissen nicht widersprochen habe. Er
habe in mehreren Schreiben darauf hingewiesen, dass er nicht eingebunden gewesen sei. Die Fragenkataloge etc seien ihm auf
mehrfache Nachfrage unkommentiert verweigert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.08.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Statusfeststellungsverfahren bezogen
auf die Tätigkeit bei A. Bildungszentrum durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge, die Akte des SG Mannheim S 6 R 740/16 und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und statthafte (§§
143,
144 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 08.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung
eines Statusfeststellungsverfahrens durch die Beklagte hinsichtlich seiner bei A. K. ausgeübten Tätigkeit als Dozent.
Nach §
7a Abs
1 Satz 1
SGB IV können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei
denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur
Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Sperrwirkung durch ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung"
betrifft von der jeweiligen Zielrichtung her letztlich nur das Einzugsstellenverfahren nach §
28h SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p
SGB IV (BSG 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, BeckRS 2016, 74221). Eine Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach §
7a SGB IV dabei nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg
28.3.2017, L 11 R 1310/16, DStR 2017, 1540).
Dies ist hier der Fall. Mit Bescheid vom 02.09.2014 hat die Beklagte ausdrücklich im Rahmen der Betriebsprüfung die Tätigkeit
der bei A. Bildungszentrum K. tätigen Dozenten gemäß der beigefügten Namensliste als selbstständige Tätigkeit beurteilt. Der
hierdurch eingetretenen Sperrwirkung für das Statusfeststellungsverfahren nach §
7a SGB IV steht weder entgegen, dass lediglich eine Stichprobenprüfung erfolgt ist (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, Stand 01.10.2018, §
7a SGB IV Rn 16), noch dass der Prüfzeitraum auf die Zeit bis 31.12.2012 beschränkt war, der Kläger jedoch seine Dozententätigkeit
bis Juli 2016 ausübte.
Die Prüfdienste sind bei Arbeitgeberprüfungen nicht verpflichtet eine vollständige Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse
vorzunehmen. Nach § 11 Abs 1 BVV kann die Prüfung der Aufzeichnungen des Arbeitgebers einschließlich der Beitragsnachweise unabhängig von der Betriebsgröße
auf Stichproben beschränkt werden (Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, Stand 03.01.2019, § 28p
SGB IV Rn 186). Bei hier über 100 Dozenten wäre eine Einzelfallprüfung auch praktisch in angemessener Zeit gar nicht durchführbar.
Als Ergebnis der Stichprobenprüfung hat die Beklagte die Selbstständigkeit aller (namentlich genannten) Dozenten festgestellt,
dies ist der Regelungsgehalt des Bescheids vom 02.09.2014. Ein solcher Verwaltungsakt entfaltet sowohl gegenüber dem Arbeitgeber
als auch gegenüber dem Arbeitnehmer/Auftragnehmer rechtsgestaltende Wirkung (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Auf die Bestandskraft des Bescheids zur Betriebsprüfung kommt es insoweit nicht an, denn bereits
die Einleitung eines derartigen Verfahrens mit Übersendung der Prüfankündigung nach § 7 Abs 1 Satz 1 BVV steht der Statusfeststellung entgegen (BSG 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R). Für die Frage der Sperrwirkung spielt es daher keine Rolle, dass der Kläger selbst am Verfahren der Betriebsprüfung nicht
beteiligt worden ist und ihm der entsprechende Bescheid erst im Rahmen des hiesigen Verwaltungsverfahrens im April 2017 zur
Kenntnis gebracht worden ist.
Da sich die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit des Klägers als Dozent im gesamten Zeitraum von Oktober
2011 bis Juli 2016 nicht geändert haben, bewirkt die Feststellung der Selbstständigkeit dieser Tätigkeit im Betriebsprüfungsbescheid
auch außerhalb des Prüfzeitraums eine Sperrwirkung (vgl Pietrek, aaO, Rn 80 ff). Ansonsten würde der Zweck der in §
7a Abs
1 Satz 1
SGB IV geregelten Sperrwirkung verfehlt, dass für ein identisches Auftragsverhältnis nicht verschiedene, ggf widersprüchliche sozialversicherungsrechtliche
Beurteilungen erfolgen sollen (vgl BT-Drs 14/1855 S 7). Die Feststellung, dass es sich vorliegend um ein einheitliches, unverändertes
Auftragsverhältnis gehandelt hat, stützt der Senat darauf, dass der Tätigkeit des Klägers im gesamten Zeitraum der von A.
Bildungszentrum verwendete standardisierte Dozentenvertrag als Rahmenvertrag sowie gleichartige einzelne Beauftragungen für
die jeweiligen Unterrichtszeiträume (Blatt 25-41 Akte S 6 R 740/16) zugrunde gelegen haben. Auch die Art der Vergütung erfolgte für den gesamten Zeitraum unverändert; es wurden vom Kläger
jeweils die erbrachten Stunden mit dem vereinbarten Stundensatz in Rechnung gestellt (Blatt 42-73 Akte S 6 R 740/16). Auch der Kläger selbst hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass sich hinsichtlich seiner Tätigkeit als Dozent für A. Bildungszentrum
irgendwelche Veränderungen ergeben hätten.
Eine Statusfeststellung für die hier streitige Tätigkeit nach §
7a SGB IV kommt nach alledem nicht mehr in Betracht. Nur zur Klarstellung verweist der Senat darauf, dass die sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung der Tätigkeit des Klägers im Betriebsprüfungsbescheid ihm gegenüber noch nicht bestandskräftig geworden sein dürfte.
Insoweit dürfte sich dem Schreiben des Klägers vom 26.04.2017 (Blatt 19 Verwaltungsakte) ohne Weiteres entnehmen lassen, dass
er auch gegen den ihm erst mit Schreiben der Beklagten vom 07.04.2017 bekanntgegebenen Bescheid vom 02.09.2014 Widerspruch
einlegen wollte und sich nicht nur zur Aufrechterhaltung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.02.2017 geäußert hat.
Dieser Widerspruch wäre auch noch fristgerecht gewesen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.