Teilaufhebung einer Altersrente für Frauen wegen Zusammentreffens mit Einkommen
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Teilaufhebung der ihr bewilligten Altersrente für Frauen für die Zeit vom 01.04.2003 bis
31.12.2007 wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze und eine daraus resultierende Reduzierung der Rente auf eine Teilrente
von 2/3 einer Vollrente sowie die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen für diesen Zeitraum iHv 14.256,11 €.
Die 1942 geborene Klägerin war als Erzieherin bis Ende 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Daneben war sie seit 1995
bei der E. GmbH in S. geringfügig beschäftigt. Zuletzt verdiente sie dort bis 31.03.2003 monatlich 325 € und ab 01.04.2003
fortlaufend 400 €.
Am 07.08.2002 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente für Frauen. Im Antragsformular verneinte sie die Frage
nach der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung (Ziffer 6.2). Unter Ziffer 10.4 gab sie an, dass sie versicherungspflichtig
bzw geringfügig beschäftigt sei, verneinte jedoch die Frage, ob sie ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt oder steuerrechtlichen
Gewinn erzielen werde. Im Oktober 2002 legte die Klägerin die Entgeltvorausbescheinigung (Formular R 250) vor, aus der sich
allein eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Landeshauptstadt S. ergab.
Mit Bescheid vom 05.11.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 01.01.2003 iHv monatlich 798,23
€. Der Bescheid enthält auf Seite 3 den Hinweis: "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten; die Altersrente kann sich bis zum
Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres mindern oder wegfallen, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst
aus Beschäftigung bzw Gewinn aus selbständiger Tätigkeit) die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Diese beträgt monatlich
325 €. Daher besteht bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche Verpflichtung, uns die
Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen."
Zusätzlich waren in der Anlage 19 zum Bescheid die konkreten Hinzuverdienstgrenzen für die Rente wegen Alters in Höhe der
Vollrente (325 €), von 2/3 der Vollrente (755,41 €), der Hälfte der Vollrente (1.129,88 €) und von 1/3 der Vollrente (1.504,36
€) nochmals ausführlich dargestellt.
Am 16.05.2008 beantragte die Klägerin die Umwandlung der bisher gezahlten Altersrente für Frauen in eine Regelaltersrente.
Im Antragsformular verneinte sie die Frage, ob sie versicherungspflichtig bzw geringfügig beschäftigt sei, legte jedoch eine
Bestätigung der E. GmbH vom 19.05.2008 über eine geringfügige Beschäftigung mit einer Entlohnung von maximal 400 € im Monat
vor. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin der Klägerin am 01.08.2008 telefonisch mit, das Einkommen der Klägerin
habe ab 01.01.2003 monatlich 400 € betragen.
Mit Bescheid vom 19.06.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente ab, da nach bindender Bewilligung einer
Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters nach §
34 Abs
4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) idF ab 01.01.2008 ausgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom 14.11.2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung der Altersrente
und Rückforderung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze für die Zeit ab 01.01.2003 an. Zudem sei für die Zeit vom
01.01.2001 bis 31.12.2002 die Beschäftigung bei der E. GmbH als Zweitbeitragszeit im Versicherungskonto zu berücksichtigen.
Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 05.11.2002 mit Wirkung ab 01.01.2003 zurückzunehmen, die richtig berechnete Rente
iHv 838,14 € ab 01.01.2009 laufend zu zahlen und die Überzahlung für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2007 iHv 15.662,48
€ zurückzufordern. Die Klägerin teilte mit, dass sie bis 31.03.2003 die damalige Hinzuverdienstgrenze von 325 € nicht überschritten
habe. Dies wurde durch die von der Beklagten daraufhin angeforderten monatlichen Verdienstaufstellungen von der Fa E. GmbH
bestätigt, die einen Verdienst iHv 400 € erst für die Zeit ab 01.04.2003 ausweisen.
Mit Bescheid vom 28.01.2009 stellte die Beklagte die Altersrente der Klägerin neu fest und bewilligte ihr für die Zeit ab
01.03.2009 Altersrente für Frauen iHv 846,30 € monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 12.02.2009 stellte die Beklagte die Altersrente
der Klägerin ab 01.01.2003 neu fest unter Berücksichtigung zusätzlicher Beitragszeiten vom 01.01.2001 bis 31.12.2002, leistete
die Rente ab 01.04.2003 als Teilrente iHv 2/3 der Vollrente und ab 01.01.2008 wieder in Höhe der Vollrente, hob den Rentenbescheid
vom 05.11.2002 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.04.2003 auf und forderte die entstandene Überzahlung iHv 14.256,11€
zurück.
Mit ihrem Widerspruch vom 24.02.2009 machte die Klägerin geltend, dass die Differenz zwischen tatsächlichem Hinzuverdienst
und Geringfügigkeitsgrenze im gesamten Zeitraum lediglich 3.060 € betragen habe. Im Wege des Ermessens solle daher der festgestellte
Überzahlungsbetrag auf den Mehrverdienst von 3.060 € reduziert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe nachweislich ihre im Bescheid
vom 05.11.2002 aufgeführten, individuell hervorgehobenen gesetzlichen Mitteilungspflichten verletzt. Sie habe dem Rentenversicherungsträger
erforderliche Informationen über die erzielten Nebenverdienste vorenthalten und ihm damit die Möglichkeit genommen, die Rente
zeitnah in korrekter Höhe neu zu berechnen. Dazu komme, dass die Angaben im Rentenantragsvordruck unter Ziffer 10.4 zum Teil
nicht korrekt gewesen seien. Den zweiten Teil der Frage, ob ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt erzielt werde, habe die Klägerin
offensichtlich unzutreffend mit Nein beantwortet. Aus den eindeutigen und auch für einen Laien verständlichen Hinweisen im
Bescheid vom 05.11.2002 und den nachfolgenden Rentenanpassungsmitteilungen habe die Klägerin unzweifelhaft wissen müssen,
dass seit dem 01.04.2003 die Hinzuverdienstgrenzen überschritten worden seien und die Rente nicht mehr in voller Höhe zustehe.
Von der Aufhebung ab Änderung der Verhältnisse könne nur bei Vorliegen besonderer atypischer Umstände im Einzelfall ganz oder
teilweise abgesehen werden. Ein Mitverschulden der Beklagten sei nicht feststellbar. Allein der Umstand, dass die Hinzuverdienstgrenzen
durchgehend nur relativ geringfügig überschritten worden seien, könne nicht zur Annahme eines atypischen Falles führen. Es
sei daher auch nicht möglich, den Rückforderungsanspruch auf die Summe der Beträge zu beschränken, um den die Hinzuverdienstgrenzen
überschritten worden seien.
Hiergegen richtet sich die am 09.09.2009 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, die Angaben im Antragsvordruck nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben.
Wenn die Beklagte ihr missverständliche Antworten vorwerfe, stelle sich die Frage, weshalb die antragsaufnehmende Stelle nicht
konkretisierend den Sachverhalt erläutert habe. Sie habe die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, da sie aus einer geringfügigen
versicherungsfreien und nicht lohnsteuerpflichtigen Tätigkeit eine der Fragestellung zu entnehmenden steuerrechtlichen Gewinn
nicht abzuleiten gewusst habe. Des Weiterem sei für Laien nur schwer nachzuvollziehen, worin sich die Unterschiedlichkeit
der Hinzuverdienstgrenze bei Altersrenten im Vergleich zu den Geringverdienergrenzen ergebe. Sie habe auf die Meldung des
Arbeitgebers vertraut. Im Übrigen könne nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auch nach den internen Richtlinien der Rentenversicherungsträger eine Aufhebung nur in dem Umfang erfolgen, in dem Einkommen
über die Unschädlichkeit hinaus, dh oberhalb einer Hinzuverdienstgrenze erzielt worden sei.
Mit Urteil vom 07.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X berechtigt gewesen, den Rentenbescheid vom 05.11.2002 mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben und den gesamten überzahlten
Betrag iHv 14.256,11 € zurückzufordern. Mit einem Hinzuverdienst iHv monatlich 400 € habe die Klägerin vom 01.04.2003 bis
31.12.2007 die für die Vollrente nach §
34 Abs
3 Nr
1 SGB VI maßgebliche monatliche Hinzuverdienstgrenze überschritten, was nach §
34 Abs
2 SGB VI zu einem teilweisen Wegfall des monatlichen Rentenanspruchs geführt habe. Die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem Rentenbescheid
hätten sich damit nachträglich wesentlich geändert. Da die Aufhebung nicht nur auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X, sondern auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X gestützt werden könne, komme eine Begrenzung des Nachzahlungsbetrags auf die Höhe des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden
Teils des Arbeitsentgelts - vorliegend 3.060 € - nicht in Betracht. Die Klägerin sei grob fahrlässig ihren Mitteilungspflichten
nicht nachgekommen; die Beklagte habe eindeutig und deutlich auf die Hinzuverdienstgrenzen sowie die gesetzliche Verpflichtung
hingewiesen, das Erzielen von Hinzuverdienst von mehr als 325 € mitzuteilen. Der Einwand der Klägerin, sie habe den Unterschied
zwischen der Hinzuverdienstgrenze und der Geringfügigkeitsgrenze nicht erkannt, könne den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit
nicht entkräften. In den Antragsformularen sowie im Rentenbescheid seien keinerlei Hinweise auf eine Geringfügigkeitsgrenze
enthalten, stets sei nur von einer Hinzuverdienstgrenze die Rede. Die Klägerin hätte sich vor Erhöhung ihres Einkommens auf
400 € mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen, um sich über die daraus resultierenden rentenrechtlichen Konsequenzen
zu informieren. Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung am 07.02.2012 mitgeteilt habe, sie habe bei der
Rentenversicherung vorgesprochen und sei ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen, bewerte die Kammer dies als bloße Schutzbehauptung.
Weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Laufe des Klageverfahrens sei eine derartige Vorsprache angegeben worden.
Es entlaste die Klägerin auch nicht, dass sie nach ihren eigenen Angaben auf die Meldung ihres Arbeitgebers vertraut habe.
Dieser habe mit ihrer Rentenangelegenheit ersichtlich nichts zu tun. Da die Aufhebungsvoraussetzungen vorlägen, habe die Beklagte
nur in Ausnahmefällen nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob ausnahmsweise von einer (ganzen oder teilweisen)
Aufhebung der Bewilligung abzusehen sei. Ein atypischer Fall resultiere nicht aus dem Missverhältnis zwischen Mehrverdienst
und Höhe der Rückzahlungsverpflichtung. Diese Ergebnis könne in zahlreichen Fällen auftreten, da der Gesetzgeber im Rahmen
des §
34 Abs
2,
3 SGB VI eine pauschalierende Regelung getroffen habe, die unabhängig von dem Ausmaß des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze eine
Reduzierung auf eine Teilrente iHv 2/3 bzw 1/3 der Vollrente vorgesehen habe. Die Beklagte sei daher nicht verpflichtet, Ermessen
auszuüben.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 23.02.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.03.2012 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie bleibt dabei, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass sie aufgrund eines marginalen Mehrverdienstes iHv 3.060 € 1/3 der
Rente in Gesamthöhe von 14.256,11 € an die Beklagte zurückerstatten solle. Die hieraus resultierende "Bestrafung" sei außerordentlich
unangemessen. Ein Verstoß gegen § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X liege nicht vor. Der Beklagten hätte die Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit bekannt sein müssen, allein wegen der maschinellen
Meldungen der Einzugsstelle. Darüber hinaus sei die Rentenantragstellung unter Zuhilfenahme der Dienstleistung der ehemaligen
Auskunfts- und Beratungsstelle in der K.-Straße in S. erfolgt. Dort habe sie gesagt, dass sie geringfügig beschäftigt sei.
Sie habe zwar den Antrag unterschrieben, aber nicht gemerkt, dass das Kreuz bei Ziffer 6.2 bei Nein gemacht worden sei. Bei
Ziffer 10.4 habe sie zutreffend angegeben, dass sie eine versicherungspflichtige bzw geringfügige Beschäftigung ausübe. Sie
sei davon ausgegangen, dass sie alles richtig gemacht habe. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung seien die Grenzen des gesetzlich
erlaubten Hinzuverdienstes und die der geringfügigen Beschäftigung mit monatlich 325 € identisch gewesen. Zum 01.04.2003 sei
die Hinzuverdienstgrenze auf 340 €, die Geringfügigkeitsgrenze jedoch auf 400 € monatlich angehoben worden. Die Beklagte hätte
auf diese veränderten Grenzen direkt hinweisen können. Die Klägerin habe sich telefonisch und persönlich um Rechtsrat bemüht.
Selbst die persönliche Vorsprache bei der antragsaufnehmenden Stelle sei lapidar mit dem Hinweis abgetan worden, dass geringfügige
Beschäftigungen nicht rentenschädlich seien. Ob im Rentenbescheid die Geringfügigkeitsgrenze erwähnt werde, sei irrelevant.
Nicht von ungefähr sei es so gekommen, dass nach wenigen Jahren die Geringverdiener - und die Hinzuverdienstgrenze wieder
angeglichen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.02.2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 insoweit aufzuheben, als damit für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.12.2007 mehr als
3.060 € an Rente zurückgefordert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zwar habe die Klägerin in Ziffer 10.4 des Rentenantrags wahrheitsgemäß angegeben, dass sie versicherungspflichtig bzw geringfügig
beschäftigt gewesen sei. Wesentlich sei jedoch, dass sie die entscheidende Frage, ob sie ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt oder
steuerrechtlichen Gewinn erziele, mit Nein beantwortet habe. Insoweit sei die Angabe der Klägerin unter Ziffer 10.4 für den
entscheidenden Zeitraum ab Rentenbeginn gerade nicht wahrheitsgemäß. Nur vorsorglich weise die Beklagte darauf hin, dass sie
bei Rentenantragstellung bzw Bescheiderteilung keine Kenntnis von der aktuellen Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung
gehabt habe. Im damals vorliegenden Versicherungsverlauf sei zuletzt eine geringfügige Beschäftigung bis 30.12.2000 gespeichert
gewesen. Da das Versicherungskonto keinen Hinweis darauf gegeben habe, dass die Klägerin bezüglich der geringfügigen Beschäftigung
eine falsche Angabe gemacht habe, habe die Beklagte hierzu nicht ermitteln müssen. Insoweit könne auch kein Beratungsfehler
vorliegen. Es bestehe keinerlei Anlass, zur Gestaltung eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bzw des Hinzuverdienstes
zu beraten, wenn aufgrund der Angaben der Klägerin davon ausgegangen werden musste, dass ab Rentenbeginn überhaupt kein Arbeitsentgelt
erzielt werde.
Einen im Erörterungstermin am 07.08.2012 vor dem damaligen Berichterstatter geschlossenen Vergleich, den Rückforderungsbetrag
auf die Hälfte (auf 7.128 €) zu beschränken, hat die Beklagte wirksam widerrufen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg.
Die nach den §§
151 Abs
1,
143, 144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht und auch ansonsten statthafte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur zu einem geringen Teil
begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 12.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 ist nur
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Bewilligung der Altersrente für Frauen für April und Mai
2003 aufgehoben worden ist und entsprechend Leistungen zurückgefordert worden sind. Die Bewilligung der Altersrente für Frauen
als Vollrente war allerdings für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2007 aufzuheben, denn der Klägerin stand für diesen Zeitraum
nur eine Altersrente iHv 2/3 der Vollrente zu. Der insoweit überzahlte Betrag iHv 13.720,65 € ist zu erstatten, so dass die
Berufung im Übrigen zurückzuweisen war.
Rechtsgrundlage für die hier streitige teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung ab 01.04.2003 ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Rentenbescheid vom 05.11.2002 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung
eintritt. Nach Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben
werden, soweit (1.) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (2.) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen
Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht
nachgekommen ist, (3.) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das
zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (4.) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil
er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch
kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche
Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (Bundessozialgericht <BSG> 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R, SozR 3-4300 § 119 Nr 4). Nach Abs 4 der Vorschrift gilt § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X entsprechend; danach muss die Behörde den Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme
eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, zurücknehmen. Gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung der Altersrente für Frauen ist mit Wirkung zum 01.06.2003 eine wesentliche Änderung
eingetreten. Die Klägerin hat zwar bereits ab 01.04.2003 (bis 31.12.2007) Arbeitseinkommen erzielt, das die Hinzuverdienstgrenze
für eine Vollrente wegen Alters überschritt, im April und Mai 2003 liegt jedoch ein rentenunschädliches Überschreiten vor.
Nach §
34 Abs
2 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht
überschritten wird. Anders als bei der Hinzuverdienstgrenze bei der für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltenden
Regelung des §
96a SGB VI berührt die Einhaltung der Verdienstgrenze daher unmittelbar den Rentenanspruch (BSG 31.01.2002, B 13 RJ 33/01 R, SozR 3-2600 § 34 Nr 4), weshalb das Überschreiten dieser Grenze infolge Änderung der Einkommensverhältnisse eine wesentliche Änderung iSv
§ 48 SGB X darstellt. Die Hinzuverdienstgrenze wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei
ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs 3 im Laufe eines jeden
Kalenderjahres außer Betracht bleibt (§
34 Abs
2 Satz 2
SGB VI). Die Hinzuverdienstgrenze betrug nach §
34 Abs
3 SGB VI in der vom 01.04.2003 bis 31.07.2007 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
vom 23.12.2002 (BGBl I S 4621) (1.) bei einer Rente wegen Alters als Vollrente 1/7 der monatlichen Bezugsgröße, (2.) bei einer
Rente wegen Alters als Teilrente von Buchst a) 1/3 der Vollrente das 23,3fache, Buchst b) der Hälfte der Vollrente das 17,5fache,
Buchst c) 2/3 der Vollrente das 11,7fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte
(§ 66 Abs 1 Nr 1-3) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.
Danach betrug die Hinzuverdienstgrenze für eine Vollrente, ausgehend von der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 Sozialgesetzbuch
Viertes Buch <SGB IV>) für die Zeit ab 01.04.2003 340 €, für die Zeit ab 01.01.2004 345 €, für die Zeit ab 01.01.2006 350
€ bis einschließlich 31.12.2007. Mit einem monatlichen Einkommen von 400 € hat die Klägerin somit die Hinzuverdienstgrenze
für eine Vollrente durchgehend überschritten.
Zur Feststellung eines privilegierten, dh rentenunschädlichen Überschreitens iSv §
34 Abs
2 Satz 2
SGB VI ist nach der Rechtsprechung des BSG das sog Vormonatsprinzip ein verwaltungspraktikabler und dem Gesetzeszweck entsprechender Prüfungsmaßstab (BSG 26.06.2008, B 13 R 119/07 R, BSGE 101, 97 = SozR 4-2600 § 34 Nr 2). Ob ein Überschreiten vorliegt, ist an der im Vormonat eingehaltenen Hinzuverdienstgrenze zu überprüfen.
Da die Hinzuverdienstgrenze bis 31.03.2003 eingehalten war, stellt die Überschreitung zum 01.04.2003 ein erstmaliges Überschreiten
dar, welches nach §
34 Abs
2 Satz 2
SGB VI privilegiert ist. Zwar hat die gesetzliche Privilegierung ihren Ausgangspunkt in typischen Sonderzahlungen an Arbeitnehmer
im Laufe eines Kalenderjahres, sie ist hierauf jedoch nicht beschränkt (Gürtner in Kasseler Kommentar,
SGB VI, §
34 RdNr 22). Wird die Hinzuverdienstgrenze - wie hier - im selben Kalenderjahr mehr als zweimal bis zum doppelten des Grenzbetrags
überschritten, sind die beiden ersten Monate in chronologischer Folge von der Rentenkürzung auszunehmen (BSG 09.12.2010, B 13 R 10/10 R, SozR 4-2600 § 96a Nr 13). Dabei ist das Vormonatsprinzip kalenderjahresübergreifend anzuwenden (BSG 26.06.2008, B 13 R 119/07 R, BSGE 101 = SozR 4-2600 § 34 Nr 2), so dass hier kein Raum ist für eine generelle Privilegierung der ersten beiden Kalendermonate
eines jeden Kalenderjahrs bezüglich des Hinzuverdienstes. Für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2007 bestand der Anspruch
auf Altersrente daher jeweils nur iHv 2/3 der Vollrente, deren Hinzuverdienstgrenze jeweils eingehalten wurde.
Die Beklagte durfte die Bewilligung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse am 01.06.2003 teilweise aufheben, weil zumindest
die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X gegeben sind. Die Klägerin ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie
nachteiliger Änderungen der Verhältnisse im Sinne der Vorschrift des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X jedenfalls grob fahrlässig nicht nachgekommen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt
in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid
grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise
nicht verstanden hat (stRspr BSG 20.09.1977, 8/12 RKG 8/76, BSGE 44, 264 = SozR 5870 § 13 Nr 2). Die Beklagte hat in dem Rentenbescheid vom 05.11.2002 klare und eindeutige Hinweise auf die Hinzuverdienstgrenze
von 325 € und die gesetzliche Pflicht zur Mitteilung der Aufnahme eine Beschäftigung mit einem monatlichen Hinzuverdienst
von mehr als 325 € erteilt (Seite 3 und Anlage 19 des Bescheids). Der Senat hat nach dem gesamten Ablauf des Verfahrens sowie
unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin als Erzieherin tätig war, keinen Zweifel daran, dass sie in der Lage
war, die Hinweise der Beklagte auch zu verstehen. Anzeichen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder
ihres Bildungsstand diesen Hinweis nicht hätte verstehen können, sind nicht ersichtlich. Dass bei der Klägerin ein entsprechendes
Problembewusstsein durchaus vorhanden war, zeigt sich schon daran, dass sie bei ihrem Arbeitgeber anlässlich der Erhöhung
des Verdienstes auf 400 € sofort nachgefragt haben will, ob sie im Hinblick auf ihre Rente - wie sie in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat geäußert hat - 400 € verdienen dürfe.
Die Klägerin hat vorliegend schon im Antragsformular falsche Angaben gemacht. So hat sie nicht nur die Frage nach einer geringfügigen
Beschäftigung unzutreffend verneint (Ziffer 6.2), sondern auch den zweiten Teil der Frage unter Ziffer 10.4, ob nach Rentenbeginn
noch Einkommen erzielt wird. Die Ausführungen ihres Bevollmächtigten, die Klägerin habe nicht subsumieren können, dass mit
einer lohnsteuerfreien Tätigkeit steuerpflichtiger Gewinn in der Fragestellung gemeint war, geht an der Sache vorbei, denn
es wurde ausdrücklich nach Arbeitsentgelt oder steuerpflichtigem Gewinn gefragt. Im Übrigen hätte die Klägerin auf der Beratungsstelle
nachfragen können, wäre ihr die Fragestellung unklar gewesen. Entgegen ihrer Verpflichtung hat sie sodann die Änderung des
erzielten Entgelts über die Hinzuverdienstgrenze hinaus nicht mitgeteilt. Bei Eintritt der Änderung zum 01.04.2003 lag der
Hinweis im Rentenbescheid vom 05.11.2002 auch noch nicht solange zurück, dass sich die Klägerin hieran nicht mehr hätte erinnern
können. Dass sie die Hinweise gelesen hat, hat sie zu Protokoll des SG und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
Der Einwand der Klägerin, sie habe die Hinzuverdienstgrenze mit der Geringfügigkeitsgrenze gemäß §
8 SGB IV verwechselt, kann den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entkräften. Weder im Antragsformular noch im Rentenbescheid
vom 05.11.2002 wird die Geringfügigkeitsgrenze thematisiert, es finden sich allein Hinweise zur Hinzuverdienstgrenze, sodass
insoweit schon kein Ansatz für eine entsprechende Verwechslung besteht. Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, sie habe
von einer Beratungsstelle der Beklagten den Hinweis erhalten, eine geringfügige Beschäftigung sei hinsichtlich des Hinzuverdienstes
unschädlich, gibt es keinerlei Belege, dass die Klägerin tatsächlich anlässlich der Erhöhung ihres Verdienstes Kontakt mit
der Beklagten aufgenommen hat. Soweit sich die Klägerin auf Aussagen ihres Arbeitgebers verlassen haben will, die Hinzuverdienstgrenze
sei auf 400 € gestiegen, ist sie dadurch ebenfalls nicht entlastet, denn der Arbeitgeber ist zur Beratung in Rentenangelegenheiten
ersichtlich nicht berufen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber mit Gesetz vom 08.04.2008
(BGBl I S 681) die Hinzuverdienstgrenze für eine Vollrente auf 400 € angehoben und damit wieder eine Vereinheitlichung mit
der Geringfügigkeitsgrenze herbeigeführt hat. Insoweit entschuldigt die Klägerin nicht, dass sich möglicherweise eine nicht
unerhebliche Zahl von Versicherten in gleicher Weise verhalten hat (vgl Bayerisches Landessozialgericht <LSG> 11.03.2010,
L 14 R 190/09, [...]).
Ein atypischer Fall, der die Beklagte dahingehend zur Ausübung von Ermessen verpflichtet hätte, ob nicht teilweise von der
der Klägerin ungünstigen Aufhebung abgesehen werden kann, ist vorliegend nicht gegeben. Die Reduzierung des Rentenanspruchs
und die Härte der Rückzahlung allein bedingen keine atypische Fallgestaltung, da sie in der gesetzlichen Systematik des §
34 SGB VI begründet sind (vgl LSG Berlin-Brandenburg 15.06.2011, L 3 R 434/10, [...]; Bayerisches LSG 11.03.2010 aaO; LSG Baden-Württemberg 26.11.2009, L 10 R 1916/09, [...]). Ein Mitverschulden der Beklagten an der Überzahlung ist in keiner Weise gegeben.
Die Beklagte hat auch die Jahresfrist nach § 48 Abs 4 i.V.m. § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten, denn sie hatte vor Mai 2008 keine Kenntnis von dem von der Klägerin erzielten Einkommen. Der hier streitige
Bescheid ist bereits am 12.02.2009 und damit unzweifelhaft innerhalb der Jahresfrist ergangen.
Da die Beklagte zu Recht die Bewilligung der Altersrente für Frauen ab 01.06.2003 teilweise aufgenommen hat, ist die Klägerin
nach § 50 Abs 1 SGB X verpflichtet, die zu Unrecht erhaltenen Rentenzahlungen zu erstatten. Der gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag beläuft sich unter Verrechnung mit der Rentennachzahlung aufgrund der zusätzlichen Versicherungszeiten
für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2007 auf 13.720,65 €, insoweit ist die von der Beklagten geltend gemachte Forderung
zu reduzieren. Die Beklagte hat grundsätzlich zutreffend die Überzahlung berechnet, so dass auf den Bescheid vom 12.02.2009
Bezug genommen werden kann. Einwände sind weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht. Für die Monate April und
Mai 2003 ergibt sich eine Reduzierung der Gesamtrückforderung um 535,46 €, denn die Beklagte hat für diese Monate jeweils
262,76 € zurückgefordert (2/3 Rente 535,47 € abzüglich gezahlter Rente 798,23 €), die Klägerin hätte dagegen Anspruch auf
eine Nachzahlung von jeweils 4,97 € gehabt (tatsächlicher Rentenanspruch 803,20 € abzüglich tatsächlich gezahlter Rente von
798,23 €).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Angesichts des nur geringen Erfolgs der Klägerin hat der Senat von einer Kostenquotelung abgesehen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.