Anspruch auf Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Arbeitserzieherin
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Arbeitserzieherin
hat.
Die 1951 geborene Klägerin ist gelernte Goldschmiedin, übte diesen Beruf wegen Betreuung ihrer zwei Söhne jedoch nie aus.
Seit 11. März 2005 bezieht sie - mit Unterbrechungen - von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit Schreiben vom 30. September 2006 bat die Klägerin unter Hinweis auf einen wiederholt gestellten Antrag auf Förderung der
Ausbildung zur Arbeitserzieherin um Erteilung eines entsprechenden Bescheids. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 lehnte die
Beklagte sodann den Antrag ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 10. November 2006 machte die Klägerin geltend, eine ausreichend qualifizierte Weiterbildung sei
notwendig, um eine dauerhafte berufliche Eingliederung zu sichern. Im Übrigen habe ein Vorgespräch mit den Arbeitsberatern
bereits stattgefunden und die Maßnahme bzw. der Träger sei für die Förderung zugelassen. Die Ausbildung würde im April 2007
beginnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich bei der begehrten
Förderung um Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung, die nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel
gewährt würden. Ferner sei der Vorrang der Vermittlung in Arbeit zu beachten, weshalb zunächst alle Möglichkeiten zur Vermittlung
bzw. Eigensuche zu nutzen seien. Die Beklagte habe ein Interesse daran, die knappen Haushaltsmittel zielorientiert und zweckentsprechend
einzusetzen. Im Fall der Klägerin sei es vor dem Hintergrund des beruflichen Werdegangs und der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts
nicht angemessen, die Ausbildung zur Arbeitserzieherin zu fördern. Vielmehr sei zunächst eine ungeförderte Integration in
den Arbeitsmarkt anzustreben.
Am 28. März 2007 hat die Klägerin zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Sie hat die Weiterbildung am 16. April 2007 in H. begonnen, für die ihr mit Bescheid vom Landratsamt Konstanz
ein Darlehen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) in Höhe von 178 € monatlich gewährt worden war. Die Ausbildung bei der .... gGmbH wurde am 8. Juli 2008 beendet, weil die
Klägerin die Lehrgangsgebühren nicht bezahlt hatte. Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilte der Klägerin mit, dass ein Schulwechsel
grundsätzlich möglich sei, wegen der bereits entstandenen Fehlstunden der Abschluss der Weiterbildung aber nicht mehr wie
vorgesehen im März sondern erst im September 2009 möglich sei. Zum 15. Oktober 2008 setzte die Klägerin die Ausbildung bei
IB Medizinische Akademie in Stuttgart fort. Zum 8. Januar 2009 wurde sie dort vom Unterricht ausgeschlossen wegen fehlender
Zahlung der Kursgebühren. Seither wurde die Ausbildung nicht fortgesetzt.
Zur Begründung der Klage macht die Klägerin geltend, dass sie mit ihren früheren Ausbildungen und Kenntnissen auf dem Arbeitsmarkt
keine reelle Chance habe. In der Folgezeit hätten mehrere Beratungsgespräche zwischen Klägerin und Beklagter stattgefunden.
Hierbei habe sich herausgestellt, dass im gesamten Bundesgebiet für Arbeitserzieher keinerlei Arbeitslosmeldungen vorlägen.
Ein von der Beklagten gefördertes Praktikum in der Förderschule für geistig und körperlich Behinderte in E. habe die Klägerin
darin bestätigt, dass der Beruf der Arbeitserzieherin ihre zukünftige Tätigkeit darstellen solle. Da sie an den Schulen in
Wilhelmsdorf und Freiburg mit dem Hinweis auf Altersbeschränkungen abgelehnt worden sei, bleibe als einzige Möglichkeit die
Fachschule in H.. Die Beklagte habe im Rahmen des gebotenen Ermessens nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt.
Die Beklagte führte zur Klageerwiderung aus, es sei fraglich, ob die Weiterbildung zur Arbeitserzieherin tatsächlich die beste,
wirtschaftlichste und zur Integration in den Arbeitsmarkt sinnvollste Maßnahme sei. Nach Abschluss der Maßnahme wäre die Klägerin
58 Jahre alt und Berufsanfängerin. Es gebe mit Sicherheit kürzere Maßnahmen, die eine schnellere Integration ermöglichten.
Im Übrigen sei die Ausbildung mit dem sogenannten "Meister-
BAföG" förderungsfähig; die Klägerin habe jedoch ein entsprechendes Darlehen mit der Begründung nicht abgerufen, dass sie es ohnehin
nicht zurückzahlen könne.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gemäß § 16 Abs. 1 SGB II als Leistung zur Eingliederung in Arbeit alle im VI. Abschnitt des IV. Kapitels des Sozialgesetzbuch Drittes
Buch (
SGB III) geregelten Leistungen erbracht werden könnten. Nach §
77 Abs.
1 SGB III könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Die Beklagte
habe bei der Entscheidung auf der Rechtsfolgenseite Ermessen auszuüben, sofern die Voraussetzungen des §
77 Abs.
1 SGB III vorlägen. Soweit nach §
77 Abs.
1 Nr.
1 SGB III die Notwendigkeit der Weiterbildung gegeben sein müsse, könnte hieran Zweifel bestehen, denn es komme auf die konkret begehrte
Weiterbildung an. Letztlich habe die Beklagte allerdings nicht bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
in Abrede gestellt, sondern insbesondere auch die Problematik der Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen des Ermessens
berücksichtigt. Im Ergebnis bestehe kein Anspruch der Klägerin, da Ermessensfehler nicht ersichtlich seien. Zwar sei im Ausgangsbescheid
eine Ermessensbetätigung nicht ersichtlich, dies sei jedoch im Widerspruchsbescheid nachgeholt worden. Insoweit könnten auch
noch im Klageverfahren weitere Ermessenserwägungen nachgeschoben werden. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass die
Klägerin nach Abschluss der Maßnahme mit 58 Jahren kaum realistische Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe und im Übrigen die
Haushaltsmittel für die Wiedereingliederung sorgfältig eingesetzt werden müssten, sei dies nicht zu beanstanden. Hierin sei
auch keine unzulässige Altersdiskriminierung zu sehen, denn bei lebensnaher Betrachtung sei die Prognose der Beklagten nachvollziehbar.
Unerheblich sei, dass die Beklagte bereits die Fahrkosten für die Aufnahmeprüfung an der Fachschule erstattet habe und einschlägige
Praktika gefördert haben solle, da hierdurch allein keine Bindung hinsichtlich einer Entscheidung über die Förderung zur Arbeitserzieherin
eingetreten sei.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 13. Februar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. März 2009 eingelegte Berufung
der Klägerin. Die Beklagte habe das Vorliegen der Fördervoraussetzungen in §
77 Abs.
1 SGB III selbst anerkannt, so dass lediglich der Ermessensgebrauch in Rede stehe. Unstreitig habe die Beklagte, nachdem die Klägerin
ihren Wunsch auf Weiterbildung zur Arbeitserzieherin kundgetan habe, sowohl mehrere einschlägige Praktika gefördert als auch
die Fahrkosten für die Aufnahmeprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in H. erstattet. Hierdurch sei bereits eine Bindungswirkung
hinsichtlich einer Entscheidung über die endgültige Förderung eingetreten, zumindest habe die Beklagte konkludent zum Ausdruck
gebracht, einer Förderung der gesamten Weiterbildung mit Wohlwollen gegenüber zu stehen. Bei der endgültigen Entscheidung
sei daher das Ermessen auf Null reduziert gewesen. Lehne die Beklagte nunmehr die Förderung unter Hinweis auf das Alter und
dadurch vorgeblich nicht bestehende Eingliederungschancen der Klägerin ab, so sei dies schon deshalb angreifbar, weil diese
Gesichtspunkte von Anfang an bekannt gewesen seien. Zudem könne das Alter kein hinreichendes Argument gegen die Förderung
sein. Bei der Klägerin liege eine jahrelange Abhängigkeit von Sozialleistungen vor, die Beseitigung dieser Abhängigkeit bei
gleichzeitiger Teilhabe am Arbeitsleben sei ein Grundrecht unabhängig vom Alter, da jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben
und eine angemessene Teilhabe am beruflichen Leben zustehe. Die Ablehnung unter vorwiegender Abstellung auf das Alter stelle
deshalb eine nach Art.
3 Grundgesetz (
GG) unzulässige Altersdiskriminierung dar. Diesbezüglich werde auf die stets propagierten Förderprogramme 50plus verwiesen,
in welchen die Wichtigkeit zum Ausdruck komme, auch ältere Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Für die Ausbildung
gerade in H. spreche neben der altersunabhängigen Zulassung auch der Grund, dass die Klägerin dort ihre 86-jährige, pflegebedürftige
Mutter betreuen könne, die in Mosbach wohne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die berufliche Weiterbildung der
Klägerin zur Arbeitserzieherin zu fördern,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und verweist darauf, dass die Ausbildung bereits mit Leistungen
nach dem AFBG gefördert worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 12. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.
Februar 2007 (§
95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der Kosten für die "Weiterbildung"
zur Arbeitserzieherin. Die richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1, §
56 SGG). Der Hilfsantrag resultiert daraus, dass die Vorschriften der §§
16 Abs.
1 Satz 2 SGB II, 77 ff.
SGB III, 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II grundsätzlich keinen Anspruch auf die Förderung der Weiterbildung, sondern nur einen solchen auf
eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach §
39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) gewähren. Hierfür ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart.
Neben diesem Klageantrag bedarf es keines zusätzlichen Antrags auf Erteilung eines Bildungsgutscheins (§
77 Abs.
4 Satz 1
SGB III). Dieser ist in §
77 Abs.
1 SGB III nicht als Anspruchsvoraussetzung vorgesehen, die Beklagte erkennt mit dem Bildungsgutschein lediglich die Anspruchsvoraussetzungen
verbindlich an und übt bereits im Vorfeld das ihr ggf. zustehende Ermessen aus (vgl. Schmidt in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
77 Rdnr. 60). Der Ausstellung eines Bildungsgutscheins und der Vorabprüfung bedarf es jedoch dann nicht mehr, wenn die Beklagte
ohnedies die Leistung generell abgelehnt hat (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Mai 2010 - B 7 AL 22/09 R - [juris]).
Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach §
70 Nr. 2
SGG (vgl. BSG SozR 4-4200 §
22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (Bundesverfassungsgericht
[BVerfG] in BVerfGE 119, 331).
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§
143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) und damit zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 28. Februar 2007 nicht zu beanstanden ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Danach kann
die Beklagte als Leistung zur Eingliederung in Arbeit die übrigen im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt
des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§
417, 421f, 421g, 421i, 421k 421m, 421n, 421o, 421p und 421q des
SGB III geregelten Leistungen, somit auch Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach §
77 Abs.
1 SGB III erbringen. Die Klägerin ist als erwerbsfähige Hilfebedürftige nach §
7 Abs. 1 SGB II grundsätzlich anspruchsberechtigt auch für die Eingliederungsleistungen des § 16 SGB II. Die Beklagte ist auch
zuständig für die beantragte Leistungsgewährung, da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Mühlhausen-Ehingen und damit
im Bezirk der Beklagten hat (§ 36 Satz 1 SGB II). Daran ändern auch die vorübergehenden Aufenthalte der Klägerin in Mosbach
nichts.
Gemäß §
77 Abs.
1 Satz 1
SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
(1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit
abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
(2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und
(3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung nach §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB III bei Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch aufgrund einer
mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich
nicht mehr ausüben können.
Vorliegend handelt es sich bei der Ausbildung an einer Schule für Arbeitserziehung schon nicht um eine Weiterbildung i.S.v.
§
77 Abs.
1 SGB III, weshalb eine Förderung als berufliche Weiterbildung nicht in Betracht kommt. Die insoweit allein förderungsfähigen beruflichen
Weiterbildungsmaßnahmen sind von Berufsausbildungsmaßnahmen (hierzu vgl. §§
59 ff.
SGB III oder §§
97,
98 Abs.
1 Nr.
1,
99, 100 Nr.
5 SGB III i.V.m. §
59 SGB III) und nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (
BAföG) oder des AFBG förderungsfähigen schulischen Ausbildungsmaßnahmen abzugrenzen (vgl. Schmidt in Eicher/Schlegel, aaO., Vor §§ 77-96 Rdnr. 2a). Maßgeblich ist nicht, ob es sich aus der Perspektive des Teilnehmers um eine erste Bildungsmaßnahme handelt
oder eine weitere Förderung nach Vorliegen eines Berufsabschlusses. Die Zuordnung ist vielmehr unter Berücksichtigung des
Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen, entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebotes
selbst nach Zuschnitt, Struktur und Inhalt (BSG, Urteil vom 4. Februar 1999 - B 7 AL 12/98 R - SozR 4100 § 42 Nr. 4 zu §§ 40 - 42 Arbeitsförderungsgesetz; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2006 - L 6 B 388/06 AL ER - [juris]; Schmidt in Eicher/Schlegel, aaO., Vor §§ 77-96 Rdnr. 2a und 2b). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles
zu berücksichtigen, etwa welche Vorkenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme erforderlich sind, welche Unterrichtsformen geplant
sind und welcher Abschluss angestrebt wird. Während die berufliche Weiterbildung nach §
77 Abs.
2 SGB III erkennbar auf eine angemessene Berufserfahrung als Grundlage einer beruflichen Weiterbildung abstellt (BSG, Urteil vom 4.
Februar 1999, aaO.), baut eine Ausbildungsmaßnahme nicht auf bereits erworbene berufliche Kenntnisse auf. Wie sich aus der
in §
85 Abs.
2 Satz 3
SGB III gegenüber einer Ausbildungsmaßnahme verkürzten Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme ergibt, müssen die Inhalte und ihre Vermittlung
bei einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung anders gestaltet sein als bei einer Erstausbildung; sie müssen an berufliche
Kenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen, die aus einer vorangegangenen Ausbildung oder Tätigkeit resultieren (vgl. LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 29. November 2006, aaO.; Schmidt in Eicher/Schlegel, aaO., Vor §§ 77-96 Rdnr. 2a und 2b).
Bei der Ausbildung zur staatlich anerkannten Arbeitserzieherin handelt es sich um eine Ausbildungsmaßnahme. Zwar setzt diese
Ausbildung nach § 4 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über Schulen für Arbeitserziehung und Heilerziehungshilfe ([ArbHeilSchulV
BW] vom 30. März 2004, GBl. 2004, 178 i.d.F. vom 30. Juni 2008, GBl. 2008, 217) als Zulassungsvoraussetzung eine abgeschlossene
mindestens zweijährige Berufsausbildung voraus, sie knüpft aber nicht konkret an vorhandene berufliche Kenntnisse an. Die
Ausbildung an einer Schule für Arbeitserziehung dauert zwei Jahre, bei Teilzeitausbildung drei Jahre und umfasst mindestens
2300 Stunden Unterricht, davon 1800 Stunden fachtheoretischen Unterricht und 500 Stunden von der Schule angeleitete fachpraktische
Ausbildung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbHeilSchulV BW). Für die staatliche Anerkennung ist darüber hinaus noch ein einjähriges
Berufspraktikum erforderlich (vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit
und Sozialordnung über die staatliche Anerkennung von Erziehern (GABl. 2001, 91). An der zeitlich ungekürzten Bildungsmaßnahme
kann jeder teilnehmen, der die in § 4 Abs. 1 ArbHeilSchulV BW geregelten Zugangsvoraussetzungen erfüllt. Besondere berufliche
Vorkenntnisse oder Erfahrungen werden nicht vorausgesetzt. Die Ausbildung erstreckt sich neben dem Unterricht in allgemein
bildenden Fächern, insbesondere Deutsch und Gemeinschaftskunde hauptsächlich auf Arbeitserziehung und Arbeitstherapie, Pädagogik
und Soziologie, Psychologie und Psychopathologie, Fertigungstechniken, Rechts- und Berufskunde (§ 5 Nr. 1 ArbHeilSchulV BW).
Auch die Ausbildungsinhalte machen insoweit deutlich, dass es sich um eine umfangreiche Bildungsmaßnahme für Teilnehmer ohne
Vorkenntnisse handelt. Bestätigt wird dies durch die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 ArbHeilSchulV BW. Danach kann auf Antrag
von der Schule mit Einwilligung der Schulaufsichtsbehörde eine Verkürzung der Ausbildung erhalten, wer eine Ausbildung im
pädagogischen, pflegerischen oder sozialen Bereich abgeschlossen hat. Die Ausbildung kann somit bei Vorliegen bestimmter Vorkenntnisse
verkürzt werden. Eine derartige verkürzte Ausbildung zur Arbeitserzieherin stellt eine berufliche Weiterbildung dar, indes
erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Verkürzung der Ausbildung nicht. Auch eine Förderung nach Maßgabe der sonstigen,
in §
16 Abs.
1 Satz 2 SGB II genannten
SGB III-Eingliederungsleistungen kommt nicht in Betracht, die Vorschriften sind nicht einschlägig.
Ebenso wenig hat die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Ausbildung zur Arbeitserzieherin nach Maßgabe des
§ 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II im Rahmen der freien Förderung finanziert. Nach dieser Vorschrift können über die in Absatz 1 genannten
Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das
Erwerbsleben erforderlich sind; die weiteren Leistungen dürfen die Leistungen nach Absatz 1 nicht aufstocken. Entsprechend
dürfen die freien Eingliederungsleistungen nach der Generalklausel für Ermessens-Eingliederungshilfe des § 16 Abs. 2 Satz
1 SGB II nicht die Regelungen des Abs. 1 konterkarieren, wenn diese Vorschrift einen Sinn haben soll (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl., § 16 Rdnr. 177). Über diese Vorschrift kommt daher z.B. nicht eine Förderung beruflicher Ausbildung i.S.v.
§§
59 ff.
SGB III in Betracht, da §
16 Abs.
1 Satz 2 SGB II ausdrücklich nicht auf die Vorschriften des Fünften Abschnitts des Vierten Kapitels des
SGB III verweist. Abgesehen davon wäre die vorliegende Ausbildung zur Arbeitserzieherin auch nicht als berufliche Ausbildung förderungsfähig,
da nach §
60 Abs.
1 SGB III eine berufliche Ausbildung nur förderungsfähig ist, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf durchgeführt wird. Vorliegend handelt es sich jedoch um eine schulische Ausbildung
an einer Berufsfachschule (vgl. § 1 Nr. 1 ArbHeilSchulV BW), da der theoretische Unterrichtsteil den praktischen Teil bei
weitem überwiegt. Diese Ausbildung ist daher nach den Vorschriften des
BAföG und des AFBG förderungsfähig.
Angesichts des Nachrangs der Leistungen nach dem SGB II (vgl. § 5 Abs. 1 SGB II) steht schon die hier zumindest für den ersten
Ausbildungsabschnitt konkret bewilligte Förderung nach dem AFGB einer gleichzeitigen Förderung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB
II entgegen. Die Klägerin kann insoweit keinen Hilfebedarf dadurch begründen, dass sie auf die eingeräumte Möglichkeit der
Inanspruchnahme eines Darlehens zur Förderung der Ausbildung verzichtet.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Förderung der Ausbildung nach dem AFBG einer gleichzeitigen Förderung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht entgegenstünde, wäre schon sehr fraglich, ob die Ausbildung zur Arbeitserzieherin tatsächlich erforderlich
zur Eingliederung in das Erwerbsleben wäre. Anders als bei §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB III, der die Notwendigkeit der Weiterbildung wegen fehlendem Berufsabschluss unterstellt, wenn eine Beschäftigung im erlernten
Beruf wegen einer mehr als vier Jahre dauernden an- oder ungelernten Tätigkeit voraussichtlich nicht mehr ausgeübt werden
kann, ist im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine konkrete Prognoseentscheidung erforderlich (vgl. BSG SozR 4-4200 §
16 Nr. 1). Davon abgesehen sind auch die von der Beklagten herangezogenen Ermessensgesichtspunkte für eine Ablehnung der Förderung
nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin (bei Aufnahme der Ausbildung
im April 2007 und planmäßigem Abschluss mit unmittelbar folgendem Anerkennungspraktikum) im Alter von 58 Jahren als Berufsanfängerin
beginnen müsste. Angesichts des Verhältnisses von Dauer der Ausbildung zur noch möglichen verbleibenden Zeit einer Berufstätigkeit
bis zum Eintritt in das Rentenalter ist der Hinweis auf eine - von der Klägerin nicht in Betracht gezogene - kürzere Maßnahme
mit schnellerer Integrationsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt nicht ermessensfehlerhaft. In den Leistungsgrundsätzen in § 3
Abs. 1 Satz 3 SGB II ist geregelt, dass bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorrangig Maßnahmen eingesetzt werden
sollen, die die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen. Es liegt insoweit auch keine Verletzung von Art.
12 GG und keine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass bereits die Aufnahmeprüfung bei
der Schule in H. und ein Praktikum gefördert worden seien und hierdurch eine Ermessensreduzierung eingetreten sei, ist dem
zu entgegnen, dass die insoweit erfolgte Übernahme von Fahrkosten keinerlei Bindungswirkung hinsichtlich der hier streitigen
Förderung begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.