Verfassungsmäßigkeit der Rentenversicherungspflicht selbstständiger Handwerker bei Eintragung in die Handwerksrolle
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2013 als selbstständiger
Handwerker der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlag und ob er sich von der Versicherungspflicht
befreien lassen konnte.
Der Kläger, der bereits vor dem 1. Januar 2012 selbstständig tätig war - z.B. seit August 1997 als selbstständiger Handelsvertreter
- und diesbezüglich tatsächlich nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag, betreibt als
Handwerksmeister als Einzelunternehmer einen Installateur- und Heizungsbaubetrieb, der zum 1. Januar 2012 in die Handwerksrolle
eingetragen wurde (vgl. Schreiben der Handwerkskammer Konstanz vom 27. Dezember 2011). Bis dahin hatte der Kläger 201 Kalendermonate
mit Pflichtbeiträgen an die Beklagte entrichtet.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund seiner Eintragung in die Handwerksrolle
grundsätzlich rentenversicherungspflichtig sei. Als monatlich zu zahlender Beitrag seien daher üblicherweise 257,25 € fällig,
was dem halben Regelbeitrag entspreche. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass er von der Rentenversicherungspflicht befreit
werde, wenn 216 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen entrichtet seien. Nach den vorliegenden Daten habe er jedoch noch keine
216 Monate Pflichtbeiträge erreicht. Auf der letzten Seite dieses Schreibens war unter der Überschrift "Befreiung" ausgeführt,
dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Befreiung bereits erfüllt habe. Mit Schreiben (wohl vom 23. Januar 2012) teilte
der Kläger mit, er sei seit 1997 selbstständig und seit 2000 Geschäftsführer des Handwerksbetriebs in der Rechtsform einer
GmbH gewesen; deshalb sei er privat versichert. Jetzt sei er eine Einzelfirma. Aus diesem Grund wolle er keine weiteren Rentenbeiträge
bezahlen, da dies finanziell eine zu hohe Belastung für ihn sei. Er betrachte die ganze Angelegenheit als erledigt.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2012 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
für selbstständig tätig Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind, ab. Die Befreiung von der Versicherungspflicht
sei als in die Handwerksrolle eingetragener Gewerbetreibender und in dieser Funktion als Alleininhaber einer Firma nur möglich,
wenn 216 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen erreicht seien oder wenn lediglich zu versteuernde Einnahmen aus der selbstständigen
Tätigkeit von nicht mehr als 400,00 € monatlich erzielt würden. Keine der Befreiungsmöglichkeiten treffe auf den Kläger zu.
Hiergegen erhob der Kläger am 8. Februar 2012 Widerspruch. Er sei seit August 1997 selbstständig tätig, zuerst als Handelsvertreter
und seit 2000 als Heizungsbauer in einer GmbH; seit Januar 2012 sei er als Einzelfirma selbstständig tätig. Es könne nicht
sein, dass unterschiedliche Regelungen für Handwerksbetriebe ohne Handwerksrolleneintragung und Freiberufler auf der einen
Seite sowie für Handwerksbetriebe mit Handwerksrolleneintragung auf der anderen Seite gelten. Hierin liege eine Ungleichbehandlung.
Er betreibe seit geraumer Zeit private Vorsorge in angemessenem Umfang und wünsche daher keine weitere Versicherung in der
gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2012 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 1. Januar 2012 als selbstständig tätig Gewerbetreibender
mit einem in die Handwerksrolle eingetragenen Handwerksbetrieb versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung
sei und daher Pflichtbeiträge zu zahlen habe. Ab 1. Januar 2012 habe er den halben Regelbeitrag zu zahlen.
Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2012 Widerspruch ein; er bezog sich auf seine bisherige
Widerspruchsbegründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2013 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung wiederholte
und vertiefte sie ihre Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.
Hiergegen hat der Kläger am 26. März 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, seine private Versicherung sei für ihn nicht finanzierbar, wenn eine weitere
Pflichtversicherung notwendig würde. Hinzu komme, dass er nach den vielen Jahren einer selbstständigen Tätigkeit ohne Beitragszahlung
an die Beklagte davon ausgegangen sei, diesbezüglich keinerlei Verpflichtungen mehr erwarten zu müssen. Es seien mehr als
zehn Jahre vergangen, seit die letzten Zahlungen an die Beklagte geleistet worden seien. Er habe darauf vertrauen dürfen,
dass keine Verpflichtungen mehr bestünden. Auch habe ihm die Beklagte mit Schreiben vom 16. Januar 2012 bestätigt, dass er
seine Mindestversicherungszeit erfüllt habe und somit die Voraussetzungen für die Befreiung bereits vorgelegen hätten. Es
sei eine Ungleichbehandlung, dass Selbstständige, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen seien, nicht der Versicherungspflicht
unterlägen, er aber wegen eines Eintrags in die Handwerksrolle schon.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGBVI) seien Gewerbetreibende,
die in die Handwerksrolle eingetragen seien, versicherungspflichtig. Der Beklagten stehe insoweit kein Ermessen zu. Gemäß
§
6 Abs.
1 Nr.
4 SGB VI sei eine Befreiung von der Versicherungspflicht möglich bei tatsächlich gezahlten Pflichtbeiträgen für 18 Jahre. Eine Ungleichbehandlung
im Verhältnis zu Selbstständigen, die nicht in die Handwerksrolle eingetragen seien, sei nicht zu erkennen und ergäbe sich
auch nicht aus dem Umstand, dass früher bereits Pflichtbeiträge entrichtet worden seien und nun ein Vertrauenstatbestand dahin
gefordert werde, jetzt keine Pflichtbeiträge mehr zahlen zu müssen.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2013 befreite die Beklagte den Kläger ab 1. April 2013 von der Rentenversicherungspflicht als Gewerbetreibender
mit einem Handwerksbetrieb. Die Befreiung erfolge, weil der Kläger mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt habe.
Aufgrund des Antrages des Klägers vom 2. Mai 2013 erfolge die Befreiung ab 1. April 2013.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zutreffenden Darstellungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug
genommen. Darüber hinaus hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund
von Vertrauenstatbeständen bestehe nicht. Ein schutzwürdiges Vertrauen lasse sich nicht aus den tatsächlich widersprüchlichen
Informationen der Beklagten im Schreiben vom 16. Januar 2012 herleiten. Auf Seite 1 dieses Schreibens habe die Beklagte ausgeführt,
dass der Kläger die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht noch nicht erfüllt habe; auf Seite 4 dieses
Schreibens sei das Gegenteil dargelegt worden. Eine solch widersprüchliche Information könne schon kein schutzwürdiges Vertrauen
in eine der beiden enthaltenen Positionen begründen. Außerdem habe der Kläger, wie sich aus den dokumentierten Vorsprachen
und Einlassungen bei und gegenüber der Beklagten ergäbe, zu keinem Zeitpunkt tatsächlich darauf vertraut, dass er 216 Monate
mit Pflichtbeiträgen bereits erfüllt habe. Ein schutzwürdiges Vertrauen ergäbe sich auch nicht daraus, dass der Kläger in
der vor der Aufnahme seiner jetzigen Tätigkeit liegenden Dekade nicht der Rentenversicherungspflicht unterlegen habe. Dass
mit einer Änderung der Tätigkeitsform - sei es auch nur in rechtlicher Hinsicht - auch eine Änderung der Versicherungspflicht
einhergehen könne, sei zum einen allgemein bekannt und auch vom Kläger selbst bereits erlebt worden, welcher wiederum vor
diesem Jahrzehnt auch rentenversicherungspflichtig tätig gewesen sei. Außerdem habe die Beklagte nicht den Anschein erweckt,
dass nach einmaliger Beendigung der Rentenversicherungspflicht diese nicht wieder eintreten könne. Im Übrigen liege auch in
der aus § 2 Satz 1 Nr. 8 SGBVI resultierenden Versicherungspflicht des Klägers keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
gleicher Sachverhalte, mithin ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) vor. Es bestehe ein besonderes Schutzbedürfnis der Inhaber von Handwerksbetrieben, welches daraus folge, dass ihre selbstständige
Tätigkeit typischerweise auf dem Einsatz der eigenen Arbeitskraft beruhe, welches ein von hinreichenden sachlichen Erwägungen
getragenes Differenzierungskriterium im Verhältnis zu anderen selbstständigen Berufsgruppen darstelle, für die keine Versicherungspflicht
normiert sei. Die Eintragung in die Handwerksrolle stelle dabei ein geeignetes - typisierendes - Abgrenzungskriterium dar.
Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht im Nachgang des Inkrafttretens der Handwerksreform vom 1. Januar 2004. Schließlich
stehe ein im konkreten Einzelfall fehlendes Schutzbedürfnis, wie es der Kläger hier im Hinblick auf seine bereits ausreichende
individuelle soziale Absicherung geltend mache, der Einbeziehung eines Versicherten in ein Pflichtversicherungssystem nicht
entgegen; der Gesetzgeber sei bei der Ordnung von Massenerscheinungen zur generalisierenden und typisierenden Regelung berechtigt.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 27. November 2013 zugestellten Gerichtsbescheid
hat der Kläger am 23. Dezember 2013 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er nimmt auf sein bisheriges
Vorbringen im Verwaltungsverfahren und Klageverfahren Bezug.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. November 2013 und die Bescheide der Beklagten vom 31. Januar 2012
und 14. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn
für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. März 2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. Februar 2014 hat der Berichterstatter mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage
erörtert. Den Beteiligten sind die Auskünfte der Handwerkskammer Stuttgart vom 4. Februar 2014 und der Handwerkskammer Karlsruhe
vom 5. Februar 2014 sowie die Betriebsentwicklung im Handwerk im Bundesgebiet Anlage A und Anlage B des Deutschen Handwerkskammertages
(www.zdh.de) übergeben worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte
der Beklagten und auf die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§
124 Abs.
2 i.V.m. §
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§
143,
144 Abs.
1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 und
2 SGG) eingelegt worden.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist sowohl der Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2012, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht
des Klägers ab 1. Januar 2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt hat, als auch der Bescheid vom 31. Januar
2012, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
abgelehnt hat. Zeitlich ist das Begehren im Hinblick auf beide Bescheide begrenzt auf den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31.
März 2013, weil die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Juli 2013 den Kläger ab 1. April 2013 von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit hat. Gegen den Bescheid vom 14. Juni 2012 geht der Kläger zutreffend gemäß
§
54 Abs.
1 Satz 1
SGG mit der Anfechtungsklage, gegen den Bescheid vom 31. Januar 2012 zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG vor, weil die Befreiung von der Versicherungspflicht für den genannten Zeitraum durch die Beklagte durch Verwaltungsakt auszusprechen
ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, SozR 5755 Art. 2 § 15 Nr. 3).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. März 2013 gemäß §
2 Satz 1 Nr. 8
SGB VI der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit auch der Beitragspflicht unterlegen hat; ebenso
zutreffend hat das SG angenommen, dass die Voraussetzungen gemäß §
6 Abs.
1 Nr.
4 SGB VI beim Kläger für eine Befreiung von der Versicherungspflicht für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt waren.
Gemäß §
2 Satz 1 Nr. 8
SGB VI sind versicherungspflichtig Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die
Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 Handwerksordnung (HwO) sowie Betriebsfortführungen aufgrund von § 4 HwO außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer
als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt.
Der Kläger ist nach dieser Vorschrift versicherungspflichtig.
Der Kläger ist in seinem Gewerbe nicht abhängig beschäftigt, sondern war im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar
2012 bis 31. März 2013 selbstständig tätig, was die Beteiligten auch nicht in Abrede stellen. Der Senat hat nach dem Inhalt
der vorliegenden Akten wie auch nach dem Vorbringen der Beteiligten hieran keinen Zweifel.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2012 mit dem Handwerk "Installateur- und Heizungsbaubetrieb" in die Handwerksrolle der Handwerkskammer
Konstanz eingetragen. Diese Eintragung genügt als Registerverlautbarung zur Verwirklichung der Normvoraussetzung des § 2 Satz 1 Nr. 8 SGBVI und hat somit Tatbestandswirkung (BSG, SozR Nr. 1 zu § 2 HwVG zur entsprechenden Vorgängerregelung des § 2 Handwerkerversicherungsgesetz - HwVG -). Ob diese Eintragung zwingend war bzw. ob sie zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist,
ist für den Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGBVI nicht von Bedeutung. Diese Vorschrift
knüpft vielmehr ausschließlich an die Tatsache der Eintragung in die Handwerksrolle an. Dies bedeutet, dass der Rentenversicherungsträger
insoweit keine eigene Prüfung anstellen darf (vgl. BSG SozR 5800 § 1 Nr. 1 m.w.N.; BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 4).
Der Kläger erfüllte im fraglichen Zeitraum auch in seiner Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen
Voraussetzungen. Die Eintragung in der Handwerksrolle erfolgte zum 1. Januar 2012. Gemäß § 7 Abs.1a HwO wird in die Handwerksrolle eingetragen, wer in dem von ihm zu betreibenden oder in einem mit diesem verwandten zulassungspflichtigen
Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat. Dies ist beim Kläger in Bezug auf das von ihm ausgeübte Handwerk der Fall. Im Übrigen
gilt auch in der Hinsicht, dass der Kläger in seiner Person die erforderlichen handwerksrechtlichen Qualifikationsanforderungen
erfüllt, die Tatbestandswirkung der Eintragung in die Handwerksrolle.
Mit der Eintragung als Handwerk in die Handwerksrolle zum 1. Januar 2012 ist somit die Versicherungspflicht des Klägers begründet
worden. Die Versicherungspflicht des Klägers nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGBVI endete mit Ablauf des 31. März 2013 dadurch, dass
die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Juli 2013 ab 1. April 2013 auf den Antrag des Klägers die Befreiung von
der Versicherungsflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgesprochen hat.
Mit seinen verfassungsrechtlichen Einwänden vermag der Kläger in Bezug auf § 2 Satz 1 Nr. 8 SGBVI nicht durchzudringen. Der
Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelung des §
2 Satz 1 Nr. 8
SGB VI überzeugt.
Die Regelung in §
2 Satz 1 Nr.
8 SGB VI berührt zunächst nicht das Grundrecht des Klägers aus Art.
14 Abs.
1 GG (vgl. dazu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008 - L 7 R 1989/07 -, veröffentlicht in [...]). Ebenso verletzt diese gesetzliche Regelung nicht das Grundrecht des Kläges aus Art.12 Abs.1
GG (vgl. LSG a.a.O.). Die Regelung des §
2 Satz 1 Nr. 8
SGB VI verstößt aber auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.1
GG. Dieser enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner eigenen Art entsprechend verschieden zu behandeln (Bundesverfassungsgericht
- BVerfG -, BVerfGE 71, 255, 271) und ist insbesondere dann verletzt, "wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,
dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (BVerfGE 103, 271, 289) und "sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender
Rechtfertigungsgrund finden lässt" (BVerfGE 102, 68, 87). Eine unzulässige Ungleichbehandlung kann nicht angenommen werden im Vergleich zu den Selbstständigen, die ein Gewerbe
betreiben, das nicht der Eintragung in die Handwerksrolle bedarf. Die Versicherungspflicht von Selbstständigen in §
2 SGB VI beruht auf der typisierenden Erwägung des Gesetzgebers, dass bestimmte Berufsgruppen trotz ihrer Selbstständigkeit den Beschäftigten
in der sozialen Schutzwürdigkeit so vergleichbar sind, dass zur Sicherstellung einer angemessenen Sicherung im Alter und bei
Invalidität die Versicherungspflicht erforderlich ist. Dabei hat der Gesetzgeber in Verfolgung dieses "vernünftigen Zwecks
des Gemeinwohls" bei der Festlegung arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Spielraum (BVerfGE 81, 156). Mit Rücksicht auf die Typisierungsnotwendigkeiten des auf die Beurteilung von Massentatbeständen zugeschnittenen Sozialversicherungsrechts
sowie aus dem diesem zugrunde liegenden Solidaritätsgedanken heraus unterliegt der in §
2 Satz 1
SGB VI erfasste Personenkreis der Versicherungspflicht selbst dann, wenn der Versicherte im Einzelfall zu einer eigenverantwortlichen
Daseinsvorsorge befähigt (BSG SozR 2200 § 2 Nr. 8) oder aufgrund individueller Lebensverhältnisse nicht schutzbedürftig ist (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 2). Das besondere Schutzbedürfnis der Inhaber von Handwerksbetrieben, das daraus folgt, dass ihre selbstständige Tätigkeit
typischerweise auf dem Einsatz der eigenen Arbeitskraft beruht, stellt ein von hinreichenden sachlichen Erwägungen getragenes
Differenzierungskriterium im Verhältnis zu anderen selbstständigen Berufsgruppen dar, für die keine Versicherungspflicht normiert
ist. Die Eintragung in die Handwerksrolle stellt dabei ein geeignetes - typisierendes - Abgrenzungskriterium dar.
Diese Überlegungen gelten auch in Bezug auf die große Handwerksnovelle zum 1. Januar 2004. Unterschieden wird danach handwerksrechtlich
nun nach Handwerken, in denen am Meisterzwang für das Betreiben eines entsprechenden Handwerksbetriebs festgehalten wurde
(Anl. A zur HwO), und sogenannten zulassungsfreien Handwerken (Anl. B). Der Meisterzwang sollte auf die Handwerke beschränkt werden, bei
denen er zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter erforderlich erscheint. Von den damals eintragungspflichtigen
Handwerken werden seit 1. Januar 2004 nun 53 als zulassungsfrei geführt, für 41 verblieb es bei der bisherigen Einschränkung.
Bei den ab 1. Januar 2004 zulassungsfreien Handwerken handelte es sich aber damals nur um knapp über 10% der bisherigen zulassungspflichtigen
Handwerksbetriebe (vgl. BT-Drucks. 15/3443 unter D "Finanzielle Auswirkungen"). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Handwerksreform
erfasste das Anknüpfungskriterium der Eintragung in die Handwerksrolle somit den weit überwiegenden Teil der zum Kernbereich
der Handwerker im herkömmlichen Sinne gehörenden Versicherten auch weiterhin. Eine wesentliche Veränderung des materiellen
Gehalts der "Eintragung in die Handwerksrolle" als Anknüpfungskriterium für die Rentenversicherungspflicht war damit erst
zukünftig nach einer Umstrukturierung der Handwerksberufe infolge der Gesetzesänderung zu erwarten. Eine solche "wesentliche
Veränderung des materiellen Gehalts" der Eintragung in die Handwerksrolle als Anknüpfungskriterium ist aber zur Überzeugung
des Senats bis zum im vorliegenden Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum nicht eingetreten. Zum 31. Dezember
2003 waren 88,7% der selbstständigen Handwerksbetriebe in Bezug auf die Handwerksnovelle ab 1. Januar 2004 zulassungspflichtige
Handwerksbetriebe. Zum 31. Dezember 2012 waren von den selbstständigen Handwerksbetrieben immer noch 73,2% zulassungspflichtige
Handwerke im Sinne der Anl. A zur HwO (597.389 Handwerksbetriebe nach Anl. A zu 218.818 Handwerksbetriebe nach Anl. B HwO, so zu entnehmen der Statistik "Betriebsentwicklung im Handwerk" des deutschen Handwerkskammertages). Bezogen auf die Handwerkskammerregion
Stuttgart verhält es sich entsprechend bei 2004 85% zulassungspflichtige Handwerksbetriebe von allen Handwerksbetrieben und
2012 77% zulassungspflichtiger Handwerksbetriebe von allen Handwerksbetrieben (vgl. Auskunft "Betriebszahlen" der Handwerkskammer
Region Stuttgart vom 4. Februar 2014). Schließlich verhält es sich ähnlich im Bereich der Handwerkskammer Karlsruhe mit 83,8%
zulassungspflichtigen Handwerksbetrieben zum 31. Dezember 2004 und 73% zulassungspflichtigen Handwerksbetrieben zum 31. Dezember
2012 (vgl. Auskunft der Handwerkskammer Karlsruhe vom 15. Februar 2014). Dies belegt, dass eine entsprechende wesentliche
Veränderung des materiellen Gehalts der Anknüpfungsvoraussetzung "Eintragung in die Handwerksrolle" für die Versicherungspflicht
von Selbstständigen, die ein Handwerk betreiben, bis zum streitgegenständlichen Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. März 2013
nicht eingetreten ist. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, dass durch die Regelung des § 229 Abs. 2a SGBVI der Gesetzgeber
ab 1. Januar 2004 weiterhin sicherstellte, dass diese nur in Zukunft wirkende Umschichtung zwischen zulassungspflichtigen
Handwerksbetrieben und zulassungsfreien Handwerksbetrieben auch für die Frage der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
gilt. Nach dieser Regelung verbleibt es nämlich auch bei Handwerkern, die mit ihrer - damals - versicherungspflichtigen Tätigkeit
vor der Handwerksnovelle begonnen haben, bei der Versicherungspflicht in Bezug auf das - nun - zulassungsfreie Handwerk..
Eine Ungleichbehandlung könnte somit nur gegenüber Handwerkern vorliegen, die mit einer zulassungsfreien Tätigkeit nach dem
Inkrafttreten der Novelle begonnen haben. Insofern wären die Betriebszahlen von zulassungsfreien Handwerksbetrieben zum 31.12.2012
nochmals zu "bereinigen", was zu dem Ergebnis führt, dass eine entsprechend höhere Anzahl von Handwerkern mit ihrer Tätigkeit
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen. Somit ist die Eintragung in die Handwerksrolle
als Anknüpfungskriterium für die Rentenversicherungspflicht von selbstständigen Handwerkern nach wie vor auch ein Art.
3 Abs.1
GG gerecht werdendes Kriterium.
Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß §
6 Abs.
1 Nr.
4 SGB VI liegen - unstreitig - erst zum 1. April 2013 mit Zahlung von Pflichtbeiträgen für 18 Jahre vor. Ein Anspruch auf Befreiung
von der Versicherungspflicht aufgrund von Vertrauenstatbeständen kommt dem Kläger nicht zu. Hierzu nimmt der Senat zur Begründung
gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die umfassenden und überzeugenden Ausführungen des SG in seinem Gerichtsbescheid vom 25. November 2013 Bezug.
Nach alledem war der Kläger in dem Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. März 2013 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung
und hatte für diesen Zeitraum auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die Berufung des Klägers bleibt somit insgesamt ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.