Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Erfüllung der notwendigen Wartezeit
Unterhaltsgeld von der BA nach dem Recht der Arbeitsförderung
Anrechnung auf die Wartezeit
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab dem 1. Januar 2015.
Die am 1951 geborene Klägerin trat nach Schulabschluss mit Beginn einer beruflichen Ausbildung am 1. August 1968 in die gesetzliche
Rentenversicherung ein. Nach Abschluss der Ausbildung zum 31. Juli 1971 war sie bis zum 31. Dezember 1972 versicherungspflichtig
beschäftigt. Vom 1. Januar 1973 bis zum 25. September 1975 absolvierte sie eine Fachschulausbildung zum staatlich geprüften
Betriebswirt (Wirtschaftsakademie der Angestelltenkammer B.). Anschließend war sie von Oktober 1975 bis März 1976 arbeitslos,
ab April 1976 bis September 1994 mit Unterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug Versicherungspflichtig beschäftigt.
Von Oktober 1994 bis Februar 2000 entrichtete sie freiwillige Beiträge. Von März 2000 bis April 2014 bestand Versicherungspflicht
aufgrund einer Pflegetätigkeit. Vom 17. November bis 19. Dezember 2014 sowie vom 6. Mai bis 1. Juni 2015 bezog die Klägerin
Krankengeld. Im Rahmen zweier Versorgungsausgleiche wurden dem Rentenkonto der Klägerin 1983 53,67 Werteinheiten und 2009
1,1450 Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Am 13. November 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte
ab dem 1. Januar 2015. Entgegen einer Rentenauskunft vom 3. September 2014 habe sie in den Zeiten der Arbeitslosigkeit von
Oktober 1975 bis März 1976, Januar bis März 1991 sowie Oktober 1993 bis September 1994 Arbeitslosengeld bezogen. Freiwillige
Beiträge seien für die begehrte Altersrente zu berücksichtigen, wenn für 18 Jahre Pflichtbeiträge vorlägen. Da die Fachschule
vom (damaligen) Arbeitsamt mit Unterhaltsgeld gefördert worden sei, sei auch diese Zeit auf die Wartezeit anzurechnen.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin die nötige Wartezeit von 540 Monaten
nicht erfüllt habe. Es lägen lediglich 525 Monate mit berücksichtigungsfähigen Rentenzeiten vor. In diesen waren sowohl die
Zeiten der freiwilligen Versicherung als auch die Zeiten der Arbeitslosigkeit von Oktober 1975 bis März 1976, Januar bis März
1991 sowie Oktober 1993 bis September 1994 einbezogen. Nicht berücksichtigt wurde die Zeit der Fachschulausbildung vom 1.
Oktober 1973 bis 25. September 1975, da ein Nachweis über den Bezug von Unterhaltsgeld nicht vorliege.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, die Fachschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis
25. September 1975 sei vom damaligen Arbeitsamt finanziert worden. Des Weiteren habe sie auch Unterhaltsleistungen durch das
Arbeitsamt bezogen. Dabei habe es sich um eine Alternativleistung zum Arbeitslosengeld gehandelt, dass sie ohne die geförderte
Fachschulausbildung erhalten hätte. Das Unterhaltsgeld habe ca. DM 600,00 bis DM 700,00 betragen. Die Agentur für Arbeit habe
ihr mitgeteilt, dass die Zeiten der Fachschulausbildung nur dann in dieser Form der Rentenversicherung gemeldet worden seien,
sofern die Ausbildung finanziert und Leistungen an die Versicherten gezahlt worden seien, wie es in ihrem Fall geschehen sei.
Für den fraglichen Zeitraum habe damit wegen des Bezugs der Leistungen der Arbeitsförderung Versicherungspflicht bestanden,
so dass er als Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen sei (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. April 2011 -
B 13 R 79/09 R - [...]). Vorgelegt wurden eine Bescheinigung der Wirtschaft- und Sozialakademie der Angestelltenkammer B. - Wirtschaftsfachschule
- vom 30. September 1975 zum Zwecke der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten (§ 1259
Reichsversicherungsordnung [RVO] § 36 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG]) über Zeiten der Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung, wonach die Klägerin vom
1. Oktober 1973 bis 30. September 1975 die Wirtschaftsakademie besucht und am 25. September 1995 die Abschlussprüfung zum
staatlich geprüften Betriebswirt bestanden habe, sowie das entsprechende Abschlusszeugnis.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die DAK am 22. April 2015 mit, dass aufgrund der Aufbewahrungs- und Verjährungsfristen von
30 Jahren keine Auskunft über den streitigen Zeitraum erteilt werden könne. Daraufhin wies die Widerspruchsstelle der Beklagten
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 als unbegründet zurück. Die Zeit der Fachschulausbildung könne
auf die Wartezeit für die begehrte Altersrente nur angerechnet werden, wenn Unterhaltsgeld bezogen worden sei. Dies sei weder
nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe lediglich der Fachschulbesuch, nicht aber der Entgeltersatzleistungsbezug
hervor.
Am 8. Juli 2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) und führte unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens aus, der Bezug von Unterhaltsgeld für die Zeit
der Fachschulausbildung sei zumindest ausreichend glaubhaft gemacht. Die Zeit der Fachschulausbildung habe sich unmittelbar
an die vorangegangene Berufstätigkeit angeschlossen, so dass sie - die Klägerin - grundsätzlichen Anspruch auf den Bezug von
Arbeitslosengeld gehabt hätte. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass sie trotz bestehenden Anspruches auf Finanzierung der
Ausbildung und Gewährung von Unterhaltsleistungen die Fachschulausbildung ohne jegliche Entgeltersatzleistungen absolviert
habe. Die Fachschulausbildung sei der Beklagten durch das damalige Arbeitsamt gemeldet worden, was nach Auskunft der Agentur
für Arbeit nur bei entsprechendem Leistungsbezug geschehe. Aufgrund der früher übersandten Versicherungsverläufe der Beklagten
sei sie - die Klägerin - davon ausgegangen, dass die Zeiten der Fachschulausbildung als Pflichtbeitragszeiten angesehen worden
seien, da sie entsprechend in den Versicherungsverläufen eingetragen gewesen seien. Bei ersten Zweifeln, zum Beispiel im Rahmen
des Versorgungsausgleiches im Jahre 1981, hätte sie entsprechende Nachweise noch vorlegen können. Aus dem - vorgelegten -
Schreiben der Beklagten vom 23. Oktober 1980 sei ersichtlich, dass für die Dauer der Fachschulausbildung Pflichtbeiträge geleistet
worden seien. In diesem Schreiben waren für die Zeit ab 1. Oktober 1973, 1. Januar 1974 und 1. Januar 1975 Werteinheiten aus
einem Entgelt aus Anlage 2 zu § 32a AVG, Leistungsgruppe 2, aufgeführt. Vorgelegt wurden des Weiteren ein Versicherungsverlauf vom 31. Juli 1981, in welchem die
Zeit vom 1. Oktober 1973 bis 25. September 1975 als Zeit der Fachschulausbildung ohne Angabe von Entgelten vorgemerkt war,
eine Informationsbroschüre der damaligen Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die Förderungsmöglichkeiten des Studiengangs zum
staatlich geprüften Betriebswirt an der Wirtschaftsakademie B. (Stand 1973) sowie das Arbeitszeugnis des früheren Arbeitgebers
der Klägerin vom 30. September 1973.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide entgegen.
Seit dem 1. August 2015 bezieht die Klägerin aufgrund einer Nachzahlung von Beiträgen Altersrente für besonders langjährig
Versicherte (Rentenbescheid vom 3. September 2015).
Mit Gerichtsbescheid vom 20. November 2015 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab dem 1.
Januar 2015, da sie zu diesem Zeitpunkt mit lediglich 525 berücksichtigungsfähigen Monaten die notwendige Wartezeit von 45
Jahren nicht erfüllt habe. Die Zeit der Fachschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis 25. September 1975 könne nach §
51 Abs.
3 Nr.
3a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) nicht berücksichtigt werden, da der Bezug von Entgeltersatzleistungen für diese Zeit nicht nachgewiesen sei. Anhaltspunkte
für den tatsächlichen Bezug von Unterhaltsgeld bestünden nicht und ergäben sich insbesondere nicht aus dem Hinweis in der
Informationsbroschüre über eine solche Bezugsmöglichkeit. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass der Bezug von Unterhaltsgeld
nach den §§
153 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung zur Versicherungspflicht nach §
3 Satz 1 Nr. 3
SGB VI geführt habe, so dass Pflichtversicherungszeiten im Versicherungskonto enthalten sein müssten, was nicht der Fall sei. Für
die Anerkennung einer Beitragszeit sei erforderlich, dass die rentenrechtlichen Zeiten sowie die wirksame Beitragsentrichtung
nachgewiesen würden. Eine bloße Glaubhaftmachung genüge nicht. Der Anwendungsbereich des §
203 Abs.
1 SGB VI sei nicht eröffnet, da dieser nur für Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelte.
Andere Ausnahmevorschriften über eine Glaubhaftmachung seien nicht ersichtlich. Der danach notwendige Nachweis sei nicht erbracht,
da keine Unterlagen vorlägen, die die Beitragszahlung belegten und die zuständige Krankenkasse eine entsprechende Meldung
nicht bestätigt habe. Die vorgelegten Unterlagen bestätigten allein den Fachschulbesuch. In den vorgelegten älteren Versicherungsverläufen
sei die fragliche Zeit als Zeit der Fachschulausbildung ausgeführt, so dass es sich nach den zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen
Vorschriften des AVG um eine Ausfallzeit, nicht aber um eine Beitrags- oder Ersatzzeit nach damaligem Recht gehandelt habe. Dementsprechend sei
dem Versicherungsverlauf auch kein Entgelt zu entnehmen. Die Zuordnung von Werteinheiten für Ausfallzeiten nach den Vorschriften
des AVG sei für die Frage der Erfüllung von Wartezeiten nicht von Relevanz.
Gegen diesen ihr am 23. November 2015 eingelegten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt, der Bezug
von Entgeltersatzleistungen während der Zeit der Fachschulausbildung sei glaubhaft gemacht. Entgegen der Ansicht des SG habe sie als Bezieherin von Entgeltersatzleistungen ebenfalls die Möglichkeit nach §
203 Abs.
1 SGB VI, nicht nachgewiesene Beitragszeiten glaubhaft zu machen. Ihr früherer Ehemann bestätige in einer - vorgelegten - Eidesstattlichen
Versicherung vom 29. Februar 2016, dass sie in der Zeit der Fachschulausbildung Leistungen vom Arbeitsamt bezogen und dadurch
zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen habe. Zwei Mitstudenten, A. und R. R. (im Folgenden AR und RR), hätten wie sie
Unterhaltsleistungen vom Arbeitsamt für die Dauer der Fortbildung erhalten. Entgegen der Auffassung des SG ergebe sich aus den Unterlagen der Beklagten bezüglich des Versorgungsausgleiches, dass in der fraglichen Zeit Pflichtbeiträge
für die Dauer der Ausbildungszeit geleistet worden sein; anderenfalls hätte eine entsprechende Teilung der erfolgten Zahlungen
für den streitigen Zeitraum nicht durchgeführt werden können. Die Klägerin hat Eidesstattliche Versicherungen der AR und des
RR vom 1. März 2016 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 20. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 5. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2015 zu verurteilen, ihr Altersrente für besonders
langjährige Versicherte bereits ab dem 1. Januar 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, für die fragliche Zeit vom 1. Oktober 1973 bis 25. September 1975 sei der Bezug von Entgeltersatzleistungen
nicht nachgewiesen. Auch die Ausführungen zur Glaubhaftmachung überzeugten nicht. Es sei nicht zutreffend, dass die fragliche
Zeit durch das Arbeitsamt gemeldet worden sei. Vielmehr sei der Zeitraum im Versicherungskonto der Klägerin zunächst als Lücke
gespeichert gewesen (vorgelegter Antrag auf Kontenklärung der Klägerin vom 14. Mai 1980 und Kontospiegel vom 3. September
1980). Erst im Rahmen ihrer Scheidung habe die Klägerin einen Nachweis für die Absolvierung der Fachschule vorgelegt, was
zur Speicherung der Zeit als Anrechnungszeit geführt habe (vorgelegter Kontospiegel vom 26. September 1980 und Bescheid vom
22. Oktober 1980). Aus den Unterlagen zum Versorgungsausgleich gehe auch nicht hervor, dass Pflichtbeiträge geleistet worden
seien. Die Scheidung im Jahr 1980 sei unter den Geltungsbereich des AVG erfolgt. Damals seien beitragsfreie Zeiten wie die Fachschulausbildung unterschiedlich mit Werteinheiten bewertet worden.
Mit Pflichtbeiträgen habe dies nichts zu tun. Die grundsätzliche Förderungsfähigkeit des Bildungsganges besage nichts über
die tatsächliche Förderung aus. Auch in den Versicherungsverläufen von AR und RR (dazu unten) sei die fragliche Zeit "lediglich"
als Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung gespeichert.
Auf gerichtliche Anfrage haben AR und RR unter dem 11. April 2016 mitgeteilt, dass ihnen Bewilligungsbescheide des damaligen
Arbeitsamtes B. über den Zeitraum vom 1. Oktober 1973 bis 30. September 1975 nicht mehr vorlägen. Tatsächlich hätten sie aber
in dieser Zeit der Fachschulausbildung bei der Wirtschaftsakademie der Angestelltenkammer B. Unterhaltsgeld bezogen und davon
ihren Lebensunterhalt bestritten. In den vorgelegten Bescheiden über die Gewährung von Regelaltersrente für RR vom 24. August
2011 und über die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen für AR vom 18. August 2014 ist die fragliche Zeit
jeweils als Zeit der Fachschulausbildung berücksichtigt, die als Anrechnungszeit mit dem Gesamtleistungswert bewertet worden
ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte
der Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG auch nicht der Zulassung, denn die Klägerin begehrt die ab dem 1. August 2015 bewilligte Altersrente für besonders langjährige
Versicherte bereits ab dem 1. Januar 2015. Der geltend gemachte Rentenanspruch für diese sieben Monate übersteigt den Beschwerdewert
von EUR 750,00.
2. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Sie hat Anspruch auf Gewährung der Altersrente für besonders langjährige Versicherte
bereits ab dem 1. Januar 2015. Der dies ablehnende Bescheid vom 5. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
11. Juni 2015 ist rechtswidrig.
a) Nach §
38 SGB VI (in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung gemäß Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung [RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz] vom 20. April 2007, BGBl. I S. 554) haben Versicherte Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie (1.) das 65. Lebensjahr vollendet
und (2.) die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Vor dem 1. Januar 1964 geborene Versicherte haben frühestens Anspruch
auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie (1.) das 63. Lebensjahr vollendet und (2.) die Wartezeit von
45 Jahren erfüllt haben (§
236b Abs.
1 SGB VI in der ab dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung [RV-Leistungsverbesserungsgesetz]
vom 23. Juni 2014, BGBl. I S. 787). Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, haben Anspruch auf diese Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres
(§
236 Abs.
2 Satz 1
SGB VI).
b) Die Klägerin ist am 22. Dezember 1951 geboren und vollendete somit das für sie nach §
236b Abs.
2 Satz 1
SGB VI maßgebliche 63. Lebensjahr am 21. Dezember 2014.
c) Die notwendige Wartezeit von 45 Jahren hat die Klägerin erfüllt.
aa) Gemäß §
51 Abs.
3a Satz 1
SGB VI (in der ab dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 2 des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes, a.a.O.) werden auf die Wartezeit von 45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit
1. Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten des Bezugs von
a. Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, b. Leistungen bei Krankheit und c. Übergangsgeld, soweit sie Pflichtbeitragszeiten
oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt,
es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe
des Arbeitgebers bedingt, und 4. freiwilligen Beiträgen, wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind;
dabei werden Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, wenn gleichzeitig
Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen. Kalendermonate, die durch Versorgungsausgleich oder Rentensplitting ermittelt
werden, werden nicht angerechnet (Satz 2).
bb) Unter Berücksichtigung der Beitragszeit des Krankengeldbezuges vom 17. November bis 19. Dezember 2014 hatte die Klägerin
bis zum 31. Dezember 2014 insgesamt 527 Monate mit berücksichtigungsfähigen Zeiten i.S.d. §
51 Abs.
3a SGB VI zurückgelegt, die im Versicherungsverlauf gespeichert sind. Dabei sind sowohl die Zeiten der freiwilligen Versicherung (§
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
4 SGB VI; 65 Monate) als auch die Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld von Oktober 1975 bis März 1976, Januar
bis März 1991 sowie Oktober 1993 bis September 1994 (§
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
3 Buchstabe a
SGB VI; 21 Monate) berücksichtigt.
cc) Die Zeit der Fachschulausbildung vom 1. Oktober 1973 bis 25. September 1975 (24 Monate) ist ebenfalls auf die Wartezeit
von 45 Jahren anzurechnen, da die Klägerin ausreichend glaubhaft gemacht, in dieser Zeit Unterhaltsgeld von der BA erhalten
zu haben.
(1) Die Zeit des Bezuges von Unterhaltsgeld vom 1. Oktober 1973 bis zum 25. September 1975 ist eine Anrechnungszeit i.S.d.
§ 51 Abs. 3a Nr. 3 i.V.m. §§
58 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3,
300 Abs.
1 SGB VI.
(aa) Zeiten des Bezugs u.a. von Leistungen bei beruflicher Weiterbildung werden, da es sich hierbei typischerweise um Entgeltersatzleistungen
bei kurzzeitigen Unterbrechungen der Erwerbsbiografie handelt, (bei der Wartezeit von 45 Jahren) berücksichtigt. (Lediglich)
Zeiten des Bezugs einkommens- beziehungsweise bedürftigkeitsabhängiger Sozial- oder Grundsicherungsleistungen (Fürsorgeleistungen)
können hingegen nicht berücksichtigt werden (Begründung zum Regierungsentwurf des RV-Leistungsverbesserungsgesetz, Bundestags-Drucksache
18/909, S. 15; Gürtner in Kasseler Kommentar,
SGB VI, Stand Oktober 2014, §
51 Rn. 10).
Im fraglichen Zeitraum bestimmte sich die Gewährung von Unterhaltsgeld bei beruflicher Fortbildung nach § 44 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in den Fassungen durch das Erste Gesetz zur Änderung des AFG vom 22. Dezember 1969 (BGBl. I S. 2360) bis einschließlich zur Fassung durch das Gesetz zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl.
I S. 1881). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AFG wurde Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht (Vollzeitunterricht) ein Unterhaltsgeld
gewährt. Für die Höhe des Unterhaltsgeldes galten im Wesentlichen dieselben Regelungen wie für die des Arbeitslosengeldes
(§ 44 Abs. 2 und 3 i.V.m. §§ 112 bis 114 AFG). Das Unterhaltsgeld bestand aus dem Hauptbetrag und den Familienzuschlägen. Der Hauptbetrag richtete sich nach dem Arbeitsentgelt
nach Maßgabe der dem Gesetz beigefügten Tabelle (§ 44 Abs. 2 AFG). Wie das Arbeitslosengeld nach §§ 100 ff. AFG stellte das Unterhaltsgeld mithin eine Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung dar. Dementsprechend ist auch das das Unterhaltsgeld
bei beruflicher Fortbildung ersetzende Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach §§
136 Abs.
1 Nr.
2,
144 SGB III in aktueller Fassung zu den Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung nach §
51 Abs.
3a Satz 1 Nr.
3a SGB VI zu rechnen (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/909, S. 21 zu Nr. 2).
(bb) Nach §
58 Abs.
2 SGB VI liegen Anrechnungszeiten nach Absatz
1 Satz 1 Nr.
1 und 2 bis 3a nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst
oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes
unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres. Im Zeitraum
von Oktober 1973 bis September 1975 hatte die am 22. Dezember 1951 geborene Klägerin ihr 17, Lebensjahr bereits vollendet,
ihr 25. Lebensjahr hingegen noch nicht. Auf eine Unterbrechung der der versicherten Beschäftigung kommt es mithin nicht an.
(2) Die Klägerin hat während der Zeit des Fachschulbesuches tatsächlich Unterhaltsgeld von der BA nach dem Recht der Arbeitsförderung
bezogen.
(a) Der Bezug dieser Leistung muss nicht nachgewiesen werden; es genügt die Glaubhaftmachung.
(aa) Nach §
244 Abs.
3 Satz 2 bis
4 SGB VI (in der ab dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 9 des RV-Leistungsverbesserungsgesetz) werden Zeiten vor dem 1. Januar 2001, für die der Bezug von Leistungen nach §
51 Abs.
3a Nr.
3 Buchstabe a
SGB VI mit Ausnahme der Arbeitslosenhilfe oder nach Buchstabe b glaubhaft gemacht ist, auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet.
Als Mittel der Glaubhaftmachung können auch Versicherungen an Eides statt zugelassen werden. Der Träger der Rentenversicherung
ist für die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig. Nicht ausreichend ist die Glaubhaftmachung demnach für den
Bezug von Leistungen nach §
51 Abs.
3a Buchstabe c
SGB VI (Übergangsgeld). Das von der Klägerin während des Fachschulbesuchs bezogene Unterhaltsgeld ist jedoch den in §
51 Abs.
3a Buchstabe a
SGB VI erfassten Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung zuzuordnen (ebenso Mittendorff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, §
244 Rn. 11.2).
(bb) Mit der Regelung des §
244 Abs.
3 Satz 2
SGB VI wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Versicherte möglicherweise nicht mehr über Unterlagen zu diesen gegebenenfalls
vor vielen Jahren bezogenen Leistungen verfügen. Hintergrund ist, dass bei den Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit oder
Krankheit ist nicht immer erkennbar ist, ob ein Leistungsbezug vorlag (Begründung zum Regierungsentwurf, Bundestags-Drucksache
18/909, S. 22 zu Nr. 9; Mittendorff, a.a.O.). Nach den Vorschriften des AVG und der
RVO in der im fraglichen Zeitraum geltenden Fassung durch das Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965) bis einschließlich zur Fassung durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl. I S. 1061) begründete die Gewährung von Unterhaltsgeld durch die BA weder Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (§ 2 AVG, § 1227
RVO) noch waren Zeiten des Bezugs dieser Leistung Ausfallzeiten nach § 36 AVG bzw. § 1259
RVO. Ausfallzeiten lagen - unter weiteren Voraussetzungen - nur bei Bezug von versicherungsmäßigem Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe
vor (§ 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und b AVG). Es bestand daher auch keine Veranlassung der BA, diese Zeiten nach § 123b AVG oder § 1401 b
RVO dem Rentenversicherungsträger als Ausfallzeit zu melden. Der mit §
244 Abs.
3 Satz 2 bis
4 SGB VI verfolgte Zweck gilt mithin auch für das durch die BA gewährte Unterhaltsgeld bei beruflicher Fortbildung.
(b) Die Klägerin hat den Bezug von Unterhaltsgeld für die Zeit der Fachschulausbildung glaubhaft gemacht.
(aa) Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche
erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch
[SGB X]). Tatsachen sind überwiegend wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen ihr Vorliegen spricht, auch wenn gewisse Zweifel
verbleiben (Mutschler in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand April 2012, § 23 Rn. 5 m.w.N.).
(bb) Die Klägerin hat den - erfolgreichen - Besuch der Fachschule vom 1. Oktober 1973 bis 30. September 1975 durch Vorlage
der Bescheinigung der Wirtschaft- und Sozialakademie der Angestelltenkammer B. - Wirtschaftsfachschule - vom 30. September
1975 sowie das entsprechende Abschlusszeugnis nachgewiesen.
(cc) Bei der Wirtschaftsfachschule mit dem Bildungsziel des staatlich geprüften Betriebswirts handelte es sich um eine Fortbildungsmaßnahme,
die auf einen beruflichen Aufstieg gerichtet, und damit förderungsfähig war (§§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Nach der vorgelegten Informationsbroschüre war Aufnahmevoraussetzung, dass der Bewerber u.a. über den Abschluss einer einschlägigen
Berufsausbildung und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in der Wirtschaft oder Verwaltung verfügte. Ausdrücklich
wird darin auch darauf hingewiesen, dass die Teilnahme durch die BA durch Zahlung eines Unterhaltsgeldes - auch in den Zeiten
der Ferien - gefördert werden konnte.
(dd) Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsgeld im fraglichen Zeitraum. Nach § 42 AFG wurden Personen gefördert, die eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hatten oder eine solche Beschäftigung
ausüben wollten und deren Fähigkeiten und bisherige berufliche Tätigkeit erwarten ließen, dass sie an der Fortbildungsmaßnahme
mit Erfolg teilnehmen würden. Die Klägerin hatte vor Beginn der Fachschule vom 1. Januar 1971 bis zum 30. September 1973 eine
versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, zuletzt vom 1. Januar bis zum 30. September 1973 als Stenokontoristin/Sachbearbeiterin
in der Werbeabteilung. Dies entnimmt der Senat dem Versicherungsverlauf der Klägerin und dem Arbeitszeugnis vom 30. September
1973. Dass es sich beim Fachschulbesuch der Klägerin um einen Vollzeitunterricht i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 AFG handelte, und nicht um einen berufsbegleitenden Unterricht, ergibt sich aus dem Fehlen von Versicherungszeiten für eine in
diesem Zeitraum ausgeübte Beschäftigung. Auch nach dem Inhalt der Informationsbroschüre der BA handelte es sich bei der Fachschule
um einen Vollzeitunterricht. Es ist also davon auszugehen, dass die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung
von Unterhaltsgeld während des Fachschulbesuches erfüllt hatte.
(ee) Für den tatsächlichen Bezug von Unterhaltsgeld im fraglichen Zeitraum spricht zunächst der Inhalt der - nach § 244 Abs. 3 Satz 3 SGB X ausdrücklich zugelassenen - Versicherung an Eides statt des geschiedenen Ehemannes der Klägerin vom 29. Februar 2016. Dieser
bestätigt darin, dass die Klägerin während ihrer Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt an der Wirtschaftsakademie
der Angestelltenkammer B. Leistungen vom Arbeitsamt bezogen und dadurch zum Lebensunterhalt beigetragen habe. Er selbst habe
nicht alleine den Eheunterhalt bestritten. Dass es sich bei den genannten Leistungen der BA nicht um die Lehrgangskosten gehandelt
hat, ist dem weiteren Inhalt der Versicherung an Eides statt zu entnehmen, wonach die BA auch die Kosten für die Weiterbildung
getragen habe. Der Senat hält es für nachvollziehbar, dass der reine Umstand der Förderung auch noch nach langer Zeit erinnert
werden kann, wenn auch nicht in näheren Einzelheiten wie z.B. der Höhe der Leistung. Es ist aber plausibel, dass sich der
frühere Ehemann noch erinnern kann, dass der Lebensunterhalt bei Wegfall des Erwerbseinkommens seiner damaligen Ehefrau durch
Leistungen der BA ausgeglichen worden waren. Solches Erwerbseinkommen hatte die Klägerin bis unmittelbar vor Beginn der Fachschulausbildung
bezogen. Auch dass sie im Anschluss daran Arbeitslosengeld bezogen hatte, legt es nahe, dass sie den zuvor bestehenden Anspruch
auf Unterhaltsgeld als Entgeltersatzleistung wahrgenommen hatte.
(ff) Dass die Zeit vom 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1975 nicht als Zeit des Bezuges von Leistungen der Arbeitsförderung
im Versicherungsverlauf der Klägerin gespeichert war, ist nach Auffassung des Senats in Gesamtbetrachtung der vorgenannten
Umstände und unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen unter 2 c) cc) (2) (a) (bb) nicht geeignet, maßgebliche Zweifel
am tatsächlichen Leistungsbezug zu wecken. Vielmehr ist es für den Senat überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in
der Zeit vom 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1975 Unterhaltsgeld bei beruflicher Fortbildung durch die BA bezogen hat.
dd) Insgesamt hatte die Klägerin somit bis einschließlich Dezember 2014 insgesamt 551 Monate mit auf die Wartezeit von 45
Jahren anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Damit hat sie die nötigen 540 Monate bereits im Dezember 2014 erfüllt.
ee) Nach §
99 Abs.
1 Satz 1
SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen
für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird,
in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen für die Rente für besonders langjährige Versicherte
erfüllte die Klägerin im Dezember 2014. Der Rentenantrag vom 13. November 2014 lag ebenfalls bereits vor. Die begehrte Rente
beginnt somit - wie beantragt - am 1. Januar 2015.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§
160 Abs.
2 SGG) nicht vorlagen.