SGB-II-Leistungen
Eingliederungsverwaltungsakt
Feststellung der Rechtswidrigkeit
Keine Verpflichtung zu Bemühungen zur Wohnungssuche
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes
(im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt).
Der 1955 geborene Kläger ist seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz. Seit Februar 2015 hält er sich in R. auf und bezieht
seitdem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Nach eigenen Angaben nutzt er seit vielen Jahren überwiegend Autos als Schlafstätte, und zwar bis Januar
2015 einen VW Pritschenwagen sowie ab März 2015 einen Volvo Kombi. Seinen Hausrat lagert er in einem gemieteten Kellerraum
in R. ein, den er im Februar 2015 überdies als "Notquartier" nutzte. Die Aufwendungen für den Kellerraum in Höhe von 68,-
EUR werden von dem Beklagten als Kosten der Unterkunft anerkannt. In der Vergangenheit machte der Kläger außerdem die ihm
durch die Nutzung seines Kraftfahrzeuges (Kfz) entstandenen Aufwendungen für Steuer, Haftpflichtversicherung sowie Heizkosten
als Bedarfe für Unterkunft und Heizung vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg für die Zeit von Januar bis Juni
2014 gerichtlich geltend (L 9 AS 5116/15). Mit Urteil vom 10.05.2016 entschied der Senat, dass das vom Kläger benutzte Kfz keine Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II darstelle und die Kosten hierfür nicht vom damals zuständigen Leistungsträger zu übernehmen seien.
Aus einem Aktenvermerk des Beklagten vom 04.02.2015 ergibt sich, dass der Kläger an diesem Tag ein persönliches Gespräch mit
einer Mitarbeiterin des Beklagten geführt und dabei signalisiert habe, keine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben
und gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt gerichtlich vorzugehen.
Daraufhin erließ der Beklagte am selben Tag einen Eingliederungsverwaltungsakt für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis 03.08.2015.
Darin ist folgendes geregelt:
"Ziel(e) Wohnungssituation klären
1. Unterstützung durch [Beklagten]: Wir stellen Kontakt zur Stadt R. und [zu] Notunterkünfte[n] her.
2. Bemühungen von [Kläger]: Sie suchen aktiv nach einer Wohnung, dazu besorgen Sie sich einen Wohnberatungsschein beim Bürgerbüro
R., Stadt R. Sie können Kontakt zu Herrn [ ] bei der Stadt R. [ ] hinsichtlich [einer] Notunterkunft aufnehmen. Die Kontaktdaten
werden Ihnen ausgehändigt."
Den Regelungen schloss sich eine Rechtsfolgenbelehrung an.
Am 10.02.2015 legte der Kläger gegen den Verwaltungsakt vom 04.02.2015 Widerspruch ein, den er unter Hinweis auf die Amtsermittlungspflicht
des Beklagten ausdrücklich nicht begründete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus,
die Eingliederungsvereinbarung sei als Verwaltungsakt zu erlassen gewesen, da der Kläger bei seiner persönlichen Vorsprache
bei der Arbeitsvermittlung am 04.02.2015 mitgeteilt habe, dass er eine Unterschrift ablehne und somit eine Vereinbarung nicht
zustande gekommen sei. Bei der Eingliederungsvereinbarung seien seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt
worden. Daher seien die Verpflichtungen auf ein zumutbares und minimales Maß festgesetzt worden. Insbesondere sei der Fokus
zunächst ausschließlich auf die Beendigung der Wohnsitzlosigkeit gelegt worden. Eigenbemühungen oder die Beendigung der Hilfebedürftigkeit
durch Aufnahme einer Beschäftigung seien nicht verlangt worden. Die dem Kläger aufgegebenen Pflichten seien zumutbar, erforderlich
und geeignet, um die Hilfebedürftigkeit längerfristig durch die Aufnahme einer Beschäftigung zu verringern oder zu beenden.
Dabei sei es durchaus zulässig, zunächst die soziale Integration als vorgeschalteten ersten Schritt zur späteren Eingliederung
in Arbeit als Inhalt der Eingliederungsvereinbarung festzulegen. Die Eingliederung in Arbeit sei damit als längerfristiges
Ziel anzusehen. Wegen den bei jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person unterschiedlich anzutreffenden konkreten Voraussetzungen
im Hinblick auf die Integrationschancen am Arbeitsmarkt bedürfe die Eingliederungsvereinbarung individueller Ausgestaltung.
Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2015 bei dem Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und sich zur Begründung auf eine Rechtsverletzung nach Art.
1 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG sowie auf Art.
1 Abs.
3 GG i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
3 GG berufen. Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2015 hat das SG nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte
habe den Kläger vor Erlass des angegriffenen Bescheides angehört. Da der Kläger sich geweigert habe, die vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung
zu unterschreiben, sei eine solche nicht zustande gekommen. Die Gründe hierfür seien unerheblich. Es reiche aus, dass der
Beklagte vor Erlass des Bescheids versucht habe, den Kläger zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu bewegen. Die
von ihm geforderten Bemühungen bezögen sich auf die Wohnungssuche. Es handele sich dabei um eine geeignete und erforderliche
Maßnahme, um den Zielen des SGB II - eine Möglichkeit zu schaffen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspreche, sowie die Unterstützung zur Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit - zu dienen. Eine Wohnung sei eine Grundlage, um auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden.
Indem sich der Beklagte zur Unterstützung verpflichte, den Kontakt zur Stadt R. und zu Notunterkünften herzustellen, habe
dieser ausreichende und hinreichend konkretisierte Gegenleistungen erbracht. Damit sei auch dem Erfordernis Genüge getan,
nicht nur solche Leistungen zuzusagen, auf die ohnehin ein Rechtsanspruch bestehe. Der Kläger habe übrigens nicht dargelegt,
in welcher anderen Weise er sich eine Unterstützung von dem Beklagten gewünscht habe. Eine Grundrechtsverletzung sei im Erlass
eines Eingliederungsverwaltungsaktes nicht zu sehen. Bei der Schaffung des SGB II habe sich der Gesetzgeber entschieden, in Bezug auf die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sich auf einige wenige abstrakt-generelle
Regelungen zu beschränken und die Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen Erwerbsfähigen und der Agentur für
Arbeit diesen beiden Seiten zu überlassen. Für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande komme, habe er
vorsorglich die Möglichkeit vorgesehen, die notwendigen Regelungen einseitig durch Verwaltungsakt zu treffen. Dabei sei weder
ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit noch gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit oder auf freie
Berufswahl ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger am 17.07.2015 bei dem LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt.
Am 12.08.2015 hat der Beklagte für den Zeitraum vom 12.08.2015 bis 11.02.2016 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt
erlassen, in dem folgendes geregelt ist:
"Ziel(e) Wohnungssituation klären
1. Unterstützung durch [Beklagten]: Alg II und Beratung nach Bedarf
2. Bemühungen von [Kläger]: Sie bemühen sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten regional und überregional um Wohnraum und Arbeit,
über diese Aktivitäten halten Sie AV Frau [ ] auf dem Laufenden."
Mit Schreiben vom 20.08.2015 hat der Kläger unter Vorlage dieses Verwaltungsaktes die Änderung seiner Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage
beantragt.
Er beruft sich zur Begründung seines Rechtsmittels sinngemäß auf seine Ausführungen im Klageverfahren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juni 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 4.
Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2015 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die Entscheidungsgründe in dem angegriffenen
Gerichtsbescheid. Mit Schreiben vom 29.02.2016 hat er auf Anfrage des Senats vom 02.02.2016 erklärt, dass der Verwaltungsakt
vom 04.02.2015 aufgehoben wird.
Am 15.02.2016 und 11.08.2016 hat der Beklagte weitere Eingliederungsverwaltungsakte für die Zeit vom 15.02.2016 bis 15.08.2016
sowie vom 11.08.2016 bis 10.02.2017 erlassen. Die jeweiligen Regelungen entsprechen denen des Verwaltungsaktes vom 12.08.2015
mit dem Unterschied, dass der Kläger seine "Aktivitäten auf Nachfrage hin" nachzuweisen habe. Gegen diese Verwaltungsakte
hat der Kläger keine Widersprüche eingelegt.
Mit den Beteiligten ist am 12.09.2016 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Darin haben diese ihr Einverständnis mit
einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Termin,
die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Berufungsausschließungsgründe gemäß §
144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet. Der Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 04.02.2015 ist rechtswidrig
gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Der Zulässigkeit der Klage steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger keine Wohnanschrift, sondern eine "postlagernde"
Adresse angegeben hat. Zwar muss die Klage den Kläger bezeichnen, worunter auch das Erfordernis einer ladungsfähigen Wohnanschrift
fällt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.11.2003, B 1 KR 1/02 S ([...])). Da der Kläger im vorliegenden Fall nach eigenen Angaben obdachlos ist und über keine Wohnanschrift verfügt, liegen
hinreichende Gründe vor, die eine Ausnahme von dieser Vorschrift gebieten, um dem Kläger auch in seiner Situation effektiven
Rechtsschutz zu gewährleisten (Beschluss des Senats vom 04.11.2015, L 9 AS 4079/15 ER-B; vgl. auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
92 Rn. 4).
Streitgegenstand ist allein der Eingliederungsverwaltungsakt vom 04.02.2015, den der Kläger zunächst mit einer Anfechtungsklage
gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG angefochten hat. Nach Ablauf des Geltungszeitraums am 03.08.2015 sowie nach Erlass eines neuen Eingliederungsverwaltungsaktes
hat der Kläger mit Berufungseinlegung - und somit nach Klageerhebung - sein Begehren dahingehend fortgesetzt, nunmehr die
Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes feststellen zu lassen. Diese Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG statthaft. Hiernach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich
dieser vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 04.02.2015 hat mit Ablauf seines Geltungszeitraums am 03.08.2015 und mangels hierzu ergangener
Sanktionsbescheide wegen Pflichtverletzung aus dem Eingliederungsverwaltungsakt keine Regelungswirkung mehr entfaltet (vgl.
§ 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) und konnte somit nicht mehr mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden. Soweit
wie vorliegend keine Änderung des Klagegrundes erfolgt, ist im neuen Begehren des Klägers keine Klageänderung zu sehen (BSG, Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R ([...])).
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ein solches Feststellungsinteresse ist dann anzunehmen,
wenn ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse vorliegt, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder
ideeller Natur sein kann (BSG, Urteil vom 05.11.1997, 6 RKa 10/97 ([...])). Die angestrebte Entscheidung muss dabei geeignet sein, die Position des Klägers zu verbessern. In der Rechtsprechung
haben sich Fallgruppen für ein berechtigtes Interesse herausgebildet. Hiernach ist ein Feststellungsinteresse regelmäßig zu
bejahen bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, mithin einer hinreichend konkreten Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten
tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
131 Rn. 10b m.w.N.). Die Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte
wiederholt Eingliederungsverwaltungsakte erlassen hat, die vergleichbare Regelungen beinhalteten wie der streitgegenständliche
Verwaltungsakt vom 04.02.2015. So hat der Beklagte auch in der Folgezeit versucht, mit dem Kläger Vereinbarungen über die
von ihm geforderten Bemühungen zu einer Wohnungssuche zu treffen, und ihn nach jeweils erfolglosen Versuchen in seinen Eingliederungsverwaltungsakten
vom 12.08.2015, 15.02.2016 und 11.08.2016 hierzu verpflichtet. Hierdurch hat sich die Wiederholungsgefahr bereits konkretisiert.
Von dieser Gefahr ist ungeachtet der vom Beklagten mit Schreiben vom 29.02.2016 abgegebenen Erklärung, den Verwaltungsakt
aufzuheben, weiterhin auszugehen. Denn der Beklagte hat nach Abgabe dieser Erklärung am 11.08.2016 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt
mit vergleichbarem Regelungsinhalt erlassen. Auch in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts war der Beklagte nicht bereit,
eine Erklärung abzugeben, in dem er sich zur Unterlassung verpflichtet, in der Zukunft keine vergleichbaren Regelungen in
einem Eingliederungsverwaltungsakt zu treffen. Das Feststellungsinteresse war auch - trotz Vorliegens einer objektiv bestehenden
Wiederholungsgefahr - nicht ausnahmsweise deswegen zu verneinen, weil der Kläger gegen die folgenden Eingliederungsverwaltungsakte
keine Widersprüche eingelegt hat. Der Kläger hat in dem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mitgeteilt, dass aus seiner
Sicht eine Klärung der Rechtmäßigkeit eines solchen Verwaltungsaktes bereits im vorliegenden Berufungsverfahren erfolgt. Hinreichende
Gründe, bei objektivem Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hier ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse zu verneinen, bestehen
daher nicht.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet, da der Verwaltungsakt vom 04.02.2015 rechtswidrig gewesen ist und den
Kläger in seinen Rechten verletzt hat.
Gemäß § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person
die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung
soll insbesondere bestimmen,
1. welche Leistungen die oder der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte
in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen
sind, 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen
haben.
Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II).
Der Eingliederungsverwaltungsakt ist vorliegend rechtswidrig gewesen, da die dem Kläger auferlegten Bemühungen zu unbestimmt
sind. Die geforderten Eigenbemühungen in einer Eingliederungsvereinbarung oder einem -verwaltungsakt sind so konkret zu beschreiben,
dass später zweifellos festgestellt werden kann, ob der erwerbsfähige Leistungsberechtigte seinen Verpflichtungen nachgekommen
ist. Unklarheiten gehen zu Lasten des Trägers der Grundsicherung (Müller in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Juli 2012, § 15 Rn. 51 m.w.N.). Vorliegend ist die Regelung unbestimmt, da sie nicht genau festlegt, in welcher Häufigkeit der Kläger welche
Bemühungen zu unternehmen und in welcher Form er diese nachzuweisen hat. Mit der Verpflichtung des Klägers, aktiv nach einer
Wohnung zu suchen, handelt es sich um eine weitreichende Pflicht zur Wohnungssuche, ohne dass klar angegeben worden ist, welche
Bemühungsen (Pflicht zur Registrierung bei Wohnungsbaugesellschaften? Kontaktaufnahme zu Privatanbietern? Aufgabe von eigenen
Inseraten?) vom Kläger konkret verlangt werden und in welcher Frequenz. Zwar ist dieser in hinreichend konkreter Form verpflichtet
worden, sich einen Wohnberatungsschein beim Bürgerbüro R. zu besorgen. Allerdings erschließt sich aus der Regelung nicht,
ob sich darin seine Bemühungen erschöpfen oder ob noch weitere, nicht näher umrissene Aktivitäten zur Wohnungssuche von ihm
verlangt werden. Überdies wird nicht deutlich, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger den Wohnberechtigungsschein vorzulegen
hat. Unklar bleibt auch, ob und gegebenenfalls wie der Kläger seine Bemühungen nachzuweisen und zu dokumentieren hat. Dies
ist bereits deshalb erforderlich, weil der Kläger bei Verstoß gegen die festgelegten Pflichten mit einer Minderung seines
Arbeitslosengeldes II gemäß §§ 31 ff. SGB II zu rechnen hat.
Zudem kann eine leistungsberechtigte Person in einem Eingliederungsverwaltungsakt nicht ohne Weiteres zu Bemühungen zur Wohnungssuche
verpflichtet werden. Zu den festzulegenden Leistungen der Eingliederung in Arbeit gehören neben nach Zahl und Qualität spezifizierten
individuellen Vermittlungsangeboten alle in § 16 Abs. 1 bis 3, §§ 16 a ff. SGB II rechtlich möglichen Eingliederungsmaßnahmen (Berlit in: LPK-SGB II, 5. Auflage, § 15 Rn. 24 m.w.N.). Analog hierzu erstrecken sich die vom Leistungsberechtigten geforderten Eigenbemühungen auf alle in §§ 16 ff. SGB II genannten Maßnahmen (Berlit, a.a.O., § 2 Rn. 29), die jedoch im vorliegenden Fall nicht als Rechtsgrundlage für die streitige Verpflichtung zu einer Wohnungssuche
dienen konnten.
Die Agentur für Arbeit erbringt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen nach §
35 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III). Nach §
35 Abs.
1 SGB III hat sie dabei Ausbildungsuchenden, Arbeitsuchenden und Arbeitgebern Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung (Vermittlung)
anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung
eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen.
Außerdem hat die Agentur für Arbeit nach §
35 Abs.
2 Satz 1
SGB III durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungsuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und
Arbeitgeber geeignete Auszubildende sowie geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten. Schließlich hat die Agentur
für Arbeit gemäß Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen nach § 40 Absatz 2 im Internet durchzuführen. Zudem kann sie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II folgende Leistungen des Dritten Kapitels des
SGB III erbringen: 1. die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt, 2. Leistungen zur Aktivierung
und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt, 3. Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt
des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a, 4. Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt und
Leistungen nach den §§ 131a und 131b 5. Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem
Ersten Unterabschnitt des Fünften Abschnitts und Leistungen nach § 131.
Aus diesem Aufgabenkatalog ergibt sich, dass alle diese Maßnahmen einen unmittelbaren Bezug zur Aufnahme einer beruflichen
Tätigkeiten oder einer Ausbildung haben. Auch wenn hierbei vorbereitende Maßnahmen wie Beratung bei Bewerbungen oder Wissensvermittlung
mit umfasst sind, so sind diese dennoch allein darauf ausgerichtet, die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis oder die Aufnahme
einer selbstständigen Tätigkeit zu erreichen. Dies ist bei einer Verpflichtung zu Bemühungen zur Wohnungssuche jedoch nicht
der Fall. Selbst wenn, worauf der Beklagte hingewiesen hat, die Vermittlungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von Arbeitnehmern
mit festem Wohnsitz besser sein mögen als bei obdachlosen Menschen und das Suchen einer Wohnung daher mittelbar der Eingliederung
in Arbeit förderlich ist, so fehlt für eine solche Verpflichtung das erforderliche unmittelbar arbeitsmarktbezogene Moment.
Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich des § 16 a Nr. 3 SGB II vorliegend nicht betroffen. Nach dieser Vorschrift kann zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung
und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit psychosoziale Betreuung als Leistung, die für die Eingliederung der oder
des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben erforderlich ist, erbracht werden. Hierzu kann im Einzelfall
auch die Hilfe zu einer Wohnungssuche fallen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3169/10 ([...])), sofern diese aufgrund einer psychosozialen Notlage erforderlich ist. Die Klärung der Wohnungssituation steht im
Falle des Klägers jedoch nicht in Zusammenhang mit einer belastenden Lebenssituation, da dieser seit vielen Jahren bewusst
und willentlich in größeren Kraftfahrzeugen übernachtet, ohne dass sein psychisches und soziales Wohlbefinden dadurch beeinträchtigt
ist, und er diesbezüglich auch keinen Hilfebedarf gegenüber dem Beklagten angezeigt hat.
Schließlich kann der Beklagte sein Vorgehen auch nicht auf § 16 f SGB II (freie Förderungsleistung) stützen. Diese Vorschrift erlaubt es dem Leistungsträger, die gesetzlich festgelegten Eingliederungsleistungen
nach eigenem Ermessen zu erweitern (Stölting in: Eicher, SGB II, a.a.O. § 16 f Rn. 8). Dabei muss die Leistung nicht unmittelbar zur Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen. Es
kommen vielmehr auch Leistungen in Betracht, die erst die Voraussetzungen für eine spätere Berufstätigkeit schaffen sollen.
Somit reicht eine mittelbare Förderung durch Verbesserung der Eingliederungschancen aus (Voelzke in: Hauck/Noftz, a.a.O.,
Stand: November 2014, Rn. 16). Nicht gefördert werden kann demgegenüber eine Unterstützung bei der allgemeinen Lebensführung
(vgl. Voelzke, a.a.O.). Auch wenn - wie ausgeführt - das Leben in einer festen Unterkunft in Form einer Wohnung oder eines
Hauses der Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich förderlich und die vom Kläger gewählte Bleibe (Schlafen
in einem Kraftfahrzeug) nicht als Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II anzuerkennen ist (vgl. Urteil des Senats vom 10.05.2016, a.a.O.), so ist doch mit der von diesem frei gewählten Lebensform
vorrangig sein allgemeiner Lebensstil und sein Selbstbestimmungsrecht betroffen. Eine Verpflichtung zur Wohnungssuche ist
daher von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt und kann auch nicht mehr als angemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
angesehen werden. Denn je weiter sich der Leistungsträger bei den festgelegten Eigenbemühungen vom Kernbereich der Arbeitseingliederung
entfernt, desto mehr hat er auch das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten (Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs.
1 Grundgesetz) zu beachten.
Zwar folgt aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("insbesondere"), dass neben den in Nummern 1 bis 3 genannten Bestimmungen auch andere Vereinbarungen bzw. Regelungen getroffen
werden können. Aber auch in diesen Fällen muss die Eingliederung in Arbeit betroffen sein (vgl. Voelzke, a.a.O., Rn. 41; Kador
in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 15 Rn. 55). Davon ist jedoch nicht in den Fällen auszugehen, in denen sich die dem Leistungsberechtigten auferlegten Pflichten
in solchen Vorgaben erschöpfen, die - wie bereits dargelegt - keinen weiteren Bezug zum Ziel der Eingliederung in Arbeit haben
(vgl. Urteil des Senats vom 14.07.2015, L 9 AS 609/15 ([...])).
Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob der Verwaltungsakt auch deshalb rechtswidrig war, da dieser keine Regelungen über
die Finanzierung der vom Kläger verlangten Bemühungen enthielt. Werden in einem Eingliederungsverwaltungsakt von einem Leistungsberechtigten
Maßnahmen gefordert, die von diesem zusätzliche finanzielle Aufwendungen voraussetzen - was im Falle einer Wohnungssuche durchaus
der Fall sein kann -, so hat nämlich der Leistungsträger entsprechende Kostenerstattungsregelungen zu treffen (Sonnhoff in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 11/2015, § 15 Rn. 94).
Ergänzend (und im Hinblick auf die Einwände des Beklagten im Termin zur Erörterung des Sachverhalts) ist auszuführen, dass
der Beklagte von Gesetzes wegen zum Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen oder Eingliederungsverwaltungsakten nicht gezwungen
ist, wenn von einer erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt nicht auszugehen ist. Denn bei § 15 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB II handelt es sich um Soll-Vorschriften, die es zulassen, in atypischen Situationen hiervon abzusehen (vgl. Urteil des Senats
vom 14.07.2015, a.a.O.).
Der Eingliederungsverwaltungsakt war wegen der Wechselbezüglichkeit konkret zu fassender Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
auf der einen und der Anforderungen an die Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten auf der anderen Seite nach dem Rechtsgedanken
des § 58 Abs. 3 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R ([...])) und mangels Teilbarkeit im konkreten Fall insgesamt rechtswidrig.
Aus diesen Gründen hat die Berufung Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.