Anspruch auf Hörgeräteversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Erstattung den Festbetrag übersteigender Kosten
Anforderungen an eine Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten aus rein beruflichen Gründen
Anforderungen an die erforderliche materielle Beschwer des Beigeladenen im sozialgerichtlichen Verfahren bei einer Verurteilung
nach § 72 Abs. 2 SGG
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin
in Höhe von 4.000,94 € streitig.
Die 1974 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert und bei dem beigeladenen Rentenversicherungsträger
rentenversichert. Sie leidet an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits. Sie ist als Sachbearbeiterin Leistungen
bei einer Betriebskrankenkasse beschäftigt.
Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 26.06.2017 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit
eine beidseitige Hörhilfe. In der Folgezeit suchte die Klägerin die Hörgeräte L. GmbH & Co. KG R., einen Vertragspartner der
Beklagten iS von § 126 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V), auf. Bei diesem testete sie zunächst in der Zeit
vom 26.07.2017 bis zum 18.08.2017 das aufzahlungsfreie Hörsystem NuEar Intro 4 HdO 13, ein digitales, mehrkanaliges Hinter-dem-Ohr-Gerät
ua mit automatischer Rauscherkennung und -reduzierung, mit Rückkoppelungseliminierung und Telefonspule. In dem Prüfbogen gab
sie am 26.07.2017 zu diesem Hörgerät ua an, dass sie mit dem Hörgerät in Gesprächen ihr Gegenüber deutlich höre, ihre Gesprächspartner
am Telefon verstehe und zwar auch in geräuschvoller Umgebung. Außerdem testete die Klägerin das Hörgerät Widex Unique 440
Fusion, für das sie sich am 17.10.2017 entschied. Sie gab unter dem 17.10.2017 ua folgende Erklärung ab: "Ich bin über das
moderne und qualitativ hochwertige Angebot einer aufzahlungsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen
Zuzahlung) informiert worden. Ich habe aufzahlungsfreie Hörsysteme ausprobiert mit denen meine individuelle Hörminderung in
alltagsrelevanten Hörsituationen getestet wurden und mit denen ich gut zurechtkam. Dennoch habe ich mich entschieden ein Hörsystem
mit Aufzahlung zu wählen, weil ich besondere Ausstattungsmerkmale möchte, die nichts mit dem reinen Hörverstehen im Alltag
zu tun haben. Ich wünsche deshalb eine Versorgung mit einem die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung übersteigenden
Hörsystem. Die daraus entstehenden Mehrkosten, ggf. auch für Reparaturen, habe ich zu tragen. Ich habe mich für das ausgewählte
Hörsystem ausschließlich aus folgenden Gründen entschieden: Folgende Ausstattungsmerkmale sind für mich maßgeblich: berufliche
Gebrauchsvorteile: Notwendige Telefonate sind zur besseren Verständlichkeit auf beiden Ohren (Stereo) übertragbar."
Ausweislich des Anpassungs- und Abschlussberichts des Hörgeräte-Akustikers vom 16.10.2017 ergab die Freifeldmessung mit den
Hörgeräten Widex Unique 440 Fusion ein Sprachverstehen bei Nutzschall (65 dB) von 95% sowie bei Nutzschall (65 dB) und Störschall
60 dB von 75%. Die gleichen Ergebnisse wurden unter Verwendung des aufzahlungsfreien Hörgerätes NuEar Intro 4 erzielt (Formular
Angaben zur Hörgeräte-Anpassung nach den geltenden Hilfsmittel-Richtlinien, Bl 94 der SG-Akten). Der Hörgeräteakustiker unterbreitete der Klägerin unter dem 20.10.2017 ein Angebot für die Versorgung mit Hörgeräten
beidseits Widex Unique 440 Fusion in Höhe von insgesamt 4.117,90 € (abzüglich Zuschuss der Krankenkasse, zuzüglich Eigenbeteiligung).
Der Hörgeräteakustiker zeigte am 20.10.2017 der Beklagten die Versorgung mit diesem Hörgerätesystem an. Die Beklagte verfügte
unter dem 25.10.2017: "Die Kostenübernahme wird in Höhe des Vertragspreises genehmigt. Weitergehende Kosten können nicht übernommen
werden." Die Beklagte erbrachte an den Hörgeräteakustiker für die Hörgeräteversorgung einen Zuschuss in Höhe der Festbeträge
von insgesamt 1.568,00 € (1.288,00 € für die Hörgeräte + 300,00 € Reparaturpausche = 1.588,00 € - 20,00 € Zuzahlung = 1.568,00
€).
Am 18.10.2017 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und machte den berufsbedingten
Mehrbedarf einer Hörhilfe geltend. Die Beigeladene leitete mit Schreiben vom 24.10.2017 (Eingang bei der Beklagten am 26.10.2017)
diesen Antrag weiter und unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag über die Weiterleitung. Die Zuständigkeit
der Beigeladenen sei für den Antrag auf Hörhilfen nicht gegeben. Bei den in Betracht kommenden Leistungen handele es sich
nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Höranforderungen für die Berufsausübung als Fachberaterin Leistungen
bei einer Krankenkasse beinhalteten keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung.
Am 26.10.2017 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um Kostenbeteiligung an ihren Hörhilfen. Sie benötige
die Hörhilfen hauptsächlich für ihre Arbeit. Mit Bescheid vom 06.11.2017 lehnte die Beklagte eine über den Festbetrag hinausgehende
Kostenbeteiligung an der Versorgung mit den Hörgeräten Widex Unique 440 Fusion ab. Hierbei handle es sich um ein hochwertiges
Premium-Hörsystem. Die Klägerin habe nach den vorliegenden Unterlagen auch aufzahlungsfreie Hörgeräte zum Festpreis getestet.
In den jeweils ausgefüllten Prüfbögen habe sie zu beiden Gerätevarianten die gleichen Angaben zu Technik und Komfort gemacht.
Die Wahl des höherwertigen Hörgerätes beruhe auf individuellen Bedürfnissen der Klägerin, die über das medizinische Maß des
Notwendigen hinausgehe. Damit sei die Unterstützung nur in Höhe der Festbeträge möglich.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Schreiben vom 28.11.2017). Der Hörgeräteakustiker habe zunächst das Kassenmodell
NuEar Intro angepasst. Da sie seit ihrer Kindheit mit dem Hören Probleme habe, sei das Hörgeräte im ersten Moment eine Wohltat
gewesen, weil sie ihre Gesprächspartner sofort verstanden und nicht habe fünfmal nachfragen müssen. Sie habe allerdings bei
der täglichen Arbeit gemerkt, dass beim Telefonieren die Nebengeräusche (Pfeifen, Rauschen) extrem seien. Man könne dies an
dem Kassenmodell einstellen, allerdings nur manuell. Bei dem nunmehr verwendeten Modell Widex Unique 440 Fusion liefen die
Einstellungen digital, sodass sich das Hörgerät bei der Annahme eines Telefonats automatisch justiere.
In der von der Beklagten angeforderten sozialmedizinischen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
Baden-Württemberg (MDK) gelangte B. unter dem 05.01.2018 zu der Einschätzung, dass die Klägerin die Kriterien für den erhöhten
Festbetrag sowie für eine Hörgeräteversorgung oberhalb der Festbeträge nicht erfülle. Bei dieser liege lediglich eine mittelgradige
Schwerhörigkeit vor. Der Behinderungsausgleich der Klägerin könne durch ein Hörgerät zum Festbetrag gedeckt werden.
Unter dem 18.12.2017 stellte die Hörgeräte L. GmbH & Co. KG der Klägerin einen Eigenanteil für die Versorgung mit dem Hörsystem
Widex Unique 440 Fusion in Höhe von 4.000,94 € in Rechnung (Bl 123 der SG-Akten). Die Klägerin bezahlte diesen Betrag.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 06.11.2017 mit Widerspruchsbescheid
vom 12.03.2018 als unbegründet zurück. Die Beklagte habe die Hörgeräteversorgung der Klägerin beidseits mit den geltenden
Vertragspreisen für Schwerhörige im Umfang von insgesamt 1.568,00 € inklusive zweimal Reparaturpauschale abzüglich gesetzlicher
Zuzahlung übernommen. In den von der Klägerin unterzeichneten Testprotokollen hinsichtlich des aufzahlungsfreien Hörgeräts
sowie des gewählten Hörsystems habe sie identische Bewertungen abgegeben. Berufliche Gebrauchsvorteile seien dann zu berücksichtigen,
soweit es sich um technische Arbeitshilfen als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handele. Der hierfür zuständige Träger
der Rentenversicherung habe die Kostenübernahme diesbezüglich mit Schreiben vom 24.10.2017 verneint. Dieser sehe in der Hörgeräteversorgung
keine berufsspezifische Notwendigkeit. Diese Einschätzung werde durch die Beklagte geteilt. Die von der Klägerin vorgebrachten
Gebrauchsvorteile im beruflichen Kontext seien von Komfortgesichtspunkten geprägt und überstiegen das Maß des Notwendigen.
Dagegen hat die Klägerin am 29.03.2018 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Fachberaterin im Bereich Leistungen einer Krankenkasse habe sie überwiegend
telefonischen Kundenkontakt. Seitens des Hörgeräteakustikers seien ihr zwei Geräte zur Auswahl gestellt und angepasst worden.
Die vom Akustiker durchgeführten Hörtest hätten hinsichtlich der Funktionalität der Geräte zu jeweils gleichen Ergebnissen
geführt. Das Kassenmodell werde grundsätzlich händisch der Situation an die Hörleistung angepasst. Die streitigen Modelle
passten sich automatisch der Umgebungssituation an und könnten miteinander kommunizieren. Sie - die Klägerin - habe sich nach
entsprechender Testung der Geräte, insbesondere auch im Rahmen des beruflichen Umfelds, für das technisch höherwertige Modell
entschieden. Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch sei §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V. Im Vergleich der im privaten Umfeld und bei der Arbeitstätigkeit getesteten Geräte sei das Kassenmodell nicht geeignet,
einen unmittelbaren Behinderungsausgleich vorzunehmen. Sie - die Klägerin - arbeite in einem Großraumbüro mit fünf Mitarbeitern.
Das Kassengerät habe sich für diese Arbeit als nicht geeignet erwiesen. Dieses könne sich hinsichtlich der Umgebungsgeräusche
nicht anpassen. Gerade bei Telefonaten sei es zu Rückkoppelungseffekten gekommen. Sie habe die Geräte ständig nachjustieren
müssen. Sie sei in dieser Zeit häufig von Migräneattacken heimgesucht worden. Bei Verwendung des gewählten Modells seien die
Störungen nicht aufgetreten. Insbesondere gelinge das Sprachverstehen am Telefon trotz geräuschvoller Hörumgebung.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat unter Vorlage des Vertrages der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und
der BKK Landesverbände über die bundesweite Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen mit Hörsystemen vom 13.09.2013
dargelegt, dass der Klägerin entsprechend § 3 Abs 5 des Versorgungsvertrages ein aufzahlungsfreies Versorgungsangebot mit
mehrkanaligen, digital programmierbaren oder voll digitalen Hörsystemen unterbreitet worden sei. Die Hörgeräte L. GmbH & Co.
KG habe sich vertragskonform verhalten. Es sei eine vergleichende Anpassung mindestens eines aufzahlungsfreien Hörgerätes
erfolgt. Die Klägerin sei über die mit ihrer Entscheidung verbundenen Mehrkosten informiert worden und habe dies mit ihrer
Unterschrift bestätigt. Auch lägen keine relevanten beruflichen Gebrauchsvorteile vor.
Auf Anfrage des SG hat der Geschäftsführer der Hörgeräte L. GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 07.12.2018 (Bl 91/94 der SG-Akten) mitgeteilt, dass die Klägerin vier Hörsysteme zur Probe getragen habe. Bei einem der Hörsysteme habe es sich um ein
aufzahlungsfreies Hörsystem, nämlich Intro 4 HdO 13 von NuEar gehandelt. Die Messergebnisse für alle getesteten Hörsysteme
seien gleich gewesen. Für die Klägerin als besonders geeignet habe sich das Hörsystem Widex Unique 440 Fusion erwiesen. Diese
habe berichtet, dass sie hiermit beruflich notwendige Telefonate leichter verstehen könne, da das Telefonat in beide Ohren
übertragen werde. Dies sei bei dem zuzahlungsfreien Hörsystem nicht der Fall. Auch verfüge das von der Klägerin erworbene
Hörsystem über eine Hörsituationserkennung, wodurch dieses Gerät selbständig auf verschiedene Hörsituationen umschalte. Aus
audiologischer Sicht könne der vorliegende Hörverlust auch mit dem angebotenen zuzahlungsfreien Gerät weitgehend ausgeglichen
werden.
Die als sachverständige Zeugin durch das SG schriftlich einvernommene H. hat mit Schreiben vom 28.12.2018 (Bl 96/97 der SG-Akten) eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits beschrieben. Die Klägerin habe sich nach Austestung
für ein hochpreisiges Hörgerät beidseits entschieden. Diese sei beruflich im Großraumbüro weitgehend mit telefonischen Kundenberatungen
befasst. Dies bedeute, dass an ein Hörgerät besondere Anforderungen gestellt werden müssten. Hierzu gehörten Störlärmunterdrückung
und ein adaptives Multimikrofon-System sowie eine Hörbereichserweiterung. Eine zusätzliche Programmierung zur Erleichterung
des Telefonierens werde ebenso als Zusatzfunktion angeboten. Diese Funktionen entfielen bei dem getesteten zuzahlungsfreien
Hörgerät. Aufgrund der besonderen Erfordernisse sei aus HNO-ärztlicher Sicht die Versorgung mit einem Zuzahlungshörgerät erforderlich.
Das SG hat mit Beschluss vom 05.03.2019 die Deutsche Rentenversicherung Bund beigeladen (Bl 109 der SG-Akten), die ebenfalls der Klage entgegengetreten ist.
Mit Urteil vom 08.05.2019 hat das SG die Beigeladene verurteilt, der Klägerin weitere 4.000,94 € für die selbstbeschafften Hörgeräte als berufsbedingten Mehrbedarf
sowie ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Klägerin habe gegen die Beigeladene einen Anspruch auf
Kostenerstattung in Höhe des Eigenanteils nach § 18 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) für die selbstbeschafften
Hörgeräte. Die Beklagte sei nach §
14 Abs
1 und
2 SGB IX als zweitangegangener Rehabilitationsträger durch die Weiterleitung des Antrages im Außenverhältnis zur Klägerin im Wege
einer aufdrängenden Verweisung endgültig und abschließend zuständig und zur Prüfung aller in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen
Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Die Beigeladene habe sich insgesamt für den Antrag der Klägerin als nicht zuständig angesehen
und diesen am 24.10.2017 innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IX an die Beklagte weitergeleitet. Folglich wende sich die Klägerin gegen die richtige Beklagte. Die Beigeladene sei als möglicherweise
im Innenverhältnis materiell-rechtlich verpflichteter Träger nach §
75 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) notwendig beizuladen. Sie könne nach §
75 Abs
5 SGG auch verurteilt werden. Vorliegend habe die Beigeladene keine Entscheidung gegenüber der Klägerin getroffen, insbesondere
habe sie keinen ablehnenden Verwaltungsakt erlassen, sondern den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2017 an die Beklagte
weitergeleitet. Der Anspruch auf eine beidseitige Versorgung mit einem Hörgerät ohne Festbetragsbindung als Leistung der medizinischen
Rehabilitation oder als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben richte sich nach §§
9,
10,
11,
15 Abs
1 SGB VI i.V.m. §
42 Abs
1, Abs
2 Nr
6,
47 und 49 Abs
8 Nr
4 SGB IX. Ein Hilfsmittel im Sinne von §
49 Abs
8 Nr
4 SGB IX müsse wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Ausübung eines bestimmten Berufs, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sein.
§
49 Abs
8 Nr
4 SGB IX umfasse im Zusammenspiel mit §
33 SGB V und §
47 SGBIX nicht nur solche Hilfsmittel, die ausschließlich zum Ausgleich eines behinderungsbedingten Nachteils für eine bestimmte
Berufsausübung erforderlich seien. Bei Hilfsmitteln, die sowohl im Alltagsleben als auch im Berufsleben benötigt würden, habe
das Bundessozialgericht (BSG) am Beispiel der Hörgeräte ausgeführt, dass eine Kostenteilung zwischen dem Träger der medizinischen Rehabilitation und dem
Träger der beruflichen Rehabilitation in Betracht komme, wenn ein technisch aufwendiges Hörgerät nur wegen der besonderen
Anforderungen der ausgeübten Erwerbstätigkeit an die Hörfähigkeit des Versicherten benötigt werde, aber auch im Alltag benutzt
werde. Soweit es um Kosten für Hilfsmittel gehe, sei der Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem
Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder der Krankenbehandlung nachrangig, soweit es sich nicht um ein
Hilfsmittel handle, das nicht nur für einen bestimmten Beruf benötigt werde, sondern um überhaupt eine sinnvolle Tätigkeit
ausüben zu können. Dann müsse zuerst geprüft werden, ob hinsichtlich der Kosten für Hilfsmittel die Voraussetzungen des §
33 SGB V und der §§
42 ff
SGB IX erfüllt seien. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu den elementaren Grundbedürfnissen
des Menschen gehöre und daher die Krankenversicherung die für die Berufsausübung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen
Ausgleich einer Behinderung zur Verfügung zu stellen habe (§
33 SGB V). Sei ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung nur für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw nur für eine ganz spezielle
Form einer Berufsausübung oder Berufsausbildung erforderlich und werde dieses Hilfsmittel bei anderweitigen beruflichen Tätigkeiten
nicht benötigt, bestehe der erforderliche enge berufsspezifische Zusammenhang und daher keine Leistungspflicht der Krankenkasse
nach §
33 SGB V, sondern der beruflichen Rehabilitation nach §
49 Abs
8 Satz 1 Nr
4 SGB IX. Die Klägerin sei als Sachbearbeiterin bei der Beklagten in der Leistungsabteilung für Krankengeldfälle tätig. Nach ihrer
Arbeitsplatzschilderung telefoniere sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit Versicherten. Unter Berücksichtigung dieser
Umstände liege nach Auffassung der Kammer bei der Klägerin eine berufsspezifische Bedarfslage vor. Die Klägerin sei auf die
über den Festbetragszuschuss hinausgehende Hörgeräteversorgung angewiesen.
Gegen das ihr am 14.06.2019 zugestellte Urteil wendet sich die Beigeladene mit ihrer am 27.06.2019 beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Ein Anspruch gegen die Beigeladene bestehe nicht. Aufgrund der Rechtsprechung
des BSG zum unmittelbaren Behinderungsausgleich, dem die Hörhilfeversorgung unterfalle, sei es Teil der Krankenversorgung, dass das
Sprachverständnis in der persönlichen oder/und telefonischen Kommunikation stets bis zum Gleichziehen mit einem gesunden Hörenden
anzustreben sei. Dass es in den jeweiligen Kommunikationsumgebungen aller Menschen zeitweilig Lärmquellen unterschiedlichster
Genese gebe, sei alltägliche berufliche und private Praxis. Diese allgemeine Höranforderung werde nicht dadurch zu etwas spezifisch
Berufsbedingtem, weil die Klägerin diese Höranforderung im Beruf benötige. Das SG habe nicht die Versorgungsqualität des Festbetrages beurteilt und sich nicht mit dem Krankenversorgungsanspruch der Klägerin
gegenüber der Beklagten befasst. Warum das SG eine in nahezu jedem Beruf wichtige Höranforderung rechtssystematisch dem Krankenversorgungsauftrag entzogen habe, werde
nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG zum unmittelbaren Behinderungsausgleich werde im Rahmen der Krankenversorgung nach §
33 SGB V das Gleichziehen des hörgeschädigten Menschen mit einem gesunden Hörenden unter Beachtung des technischen und medizinischen
Fortschritts verlangt. Das SG bleibe im angefochtenen Urteil die Antwort auf die Frage schuldig, warum das Ermöglichen des fehlerfreien Telefonierens nicht
zum Krankenversorgungsanspruch gehören solle. Auch das LSG Baden-Württemberg (13.12.2011, L 11 R 5774/09) sehe in der Höranforderung des Telefonierens keinen berufsbedingten Mehrbedarf. Eine Hilfsmittelversorgung durch die Beigeladene
im Rahmen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sei nur im Rahmen einer Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation
zulässig (§
15 SGB VI).
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.05.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen,
hilfsweise die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 06.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2018
zu verurteilen, an sie 4.000,94 € zu zahlen.
Die Klägerin verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil. Die Beklagte schulde für den unmittelbaren Behinderungsausgleich
einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen
und technischen Fortschritts. Der Nutzungsvorteil des gewählten Geräts bestehe sowohl im beruflichen als auch im gesamten
Alltagsleben. Das angebotene Kassenmodell könne sich hinsichtlich der Umgebungsgeräusche nicht automatisch anpassen. Da es
aber gerade bei Telefonaten durchgehend zu Rückkopplungseffekten gekommen sei, habe sie - die Klägerin - die Geräte ständig
nachjustieren müssen. Die Geräusche hätten dennoch nicht vermieden werden können. Sie leide an Migräne und sei in dieser Zeit
häufig von Migräneattacken heimgesucht worden. Die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren unterlassen, eine eigenständige Prüfung
der benötigten Hörgeräte zum Behinderungsausgleich durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen.
Aufgrund der Rechtsprechung des BSG seien die gesetzlich vorgegebenen Festbeträge der Hörgeräteversorgung erhöht worden. Daher sei die Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenversicherung auf die Höhe der Festbeträge begrenzt.
Der Senat hat bei der Hörgeräte L. GmbH & Co. KG die Datenblätter der getesteten Hörgeräte NuEar Intro 4 HdO 13 und Widex
Unique 440 angefordert (Bl 71/73 der Senatsakten).
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beigeladenen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §
153 Abs
1,
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheidet, hat Erfolg. Das Urteil des SG vom 08.05.2019 war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegte Berufung der Beigeladenen ist statthaft und zulässig, weil sie nicht der Zulassung bedarf (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG). Die Beigeladene ist durch das Urteil des SG beschwert. Die für das Rechtsmittel der Berufung eines Beigeladenen erforderliche materielle Beschwer liegt vor, wenn er
geltend machen kann, dass er aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils bzw. Gerichtsbescheids (§§
141 Abs.
1 Nr.
1,
105 Abs.
3 SGG) unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt ist (Schmidt in Meyer-Ladewig ua,
SGG, 13. Aufl 2020, §
75 Rn 19; Keller, ebenda, Vor §
143 Rn 4a, 8; Sommer in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
143 Rn 24; Straßfeld, ebenda, §
75 Rn 264, 270). Eine solche materielle Beschwerde des Beigeladenen liegt bei dessen Verurteilung nach §
75 Abs
2 SGG vor (Keller in Meyer-Ladewig ua,
SGG, 13. Aufl 2020, Vor § 143 Rn 8). Vorliegend hat das SG die Beigeladene zur Zahlung von 4.000,94 € auf Grundlage des §
75 Abs
5 SGG verurteilt, sodass die erforderliche Beschwer gegeben ist.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 06.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2018
(§
95 SGG), mit dem die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit dem Hörsystem Widex Unique 440 Fusion über den bewilligten Festbetrag
hinaus abgelehnt hat. Nachdem die Klägerin sich dieses Hörsystem im Dezember 2017 selbst verschafft und dafür (ohne die gesetzliche
Zuzahlung) 4.000,94 € aufgewendet hat, verfolgt sie ihr Begehren auf Erstattung dieser Kosten statthaft mit der kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage (§§
54 Abs
1 und 4, 56
SGG). Gegen das die Beigeladene zur Kostenerstattung verpflichtende Urteil des SG wendet sich allein die Beigeladene mit ihrer Berufung. Die Klägerin verteidigt das Urteil des SG und begehrt hilfsweise eine Verurteilung der Beklagten (vgl zB BSG 28.11.2019, B 8 SO 8/18 R, juris Rn 11).
Die Berufung der Beigeladenen ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von 4.000,94 €. Ein solcher Anspruch
besteht weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist §
15 Abs
1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (aF). Da die §§
14 bis
24 SGB IX idF des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) lediglich für solche Anträge gelten, die seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen am
01.01.2018 gestellt wurden (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 198, juris Rn 45 mwN), finden auf den im Jahr 2017 gestellten Antrag der Klägerin noch die Regelungen der §§
14 ff
SGB IX aF Anwendung. §
15 SGB IX aF normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen. Mit dieser Regelung wollte
der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem
SGB IX richtet (BSG 30.10.2014, B 5 R 8/14 R, BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, Rn 26 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5074 S 117 zu Nr 7 Buchst b). Von den in §
15 Abs
1 Satz 1 bis
3 und Satz 4
SGB IX aF geregelten drei unterschiedlichen Tatbeständen, die zur Kostenerstattungspflicht führen können, kommt nur die in Satz
4 aufgeführte zweite Alternative als Grundlage des streitigen Anspruchs der Klägerin in Betracht. Nach dieser Vorschrift besteht
eine Erstattungspflicht, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Erstattungspflichtig wäre der zuständige Leistungsträger. Dies ist im vorliegenden Fall die beklagte Krankenkasse und nicht
der beigeladene Rentenversicherungsträger. Das SG hat den Rentenversicherungsträger zwar zu Recht gemäß §
75 Abs
2 SGG beigeladen. Danach gilt: Sind Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch
ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer
Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen
nach Teil 2 des
SGB IX, ein Träger der Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie
beizuladen.
Vorliegend war der Rentenversicherungsträger nach §
75 Abs
2 SGG beizuladen. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung spätestens am 17.10.2017
an die Beklagte als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§
33 SGB V) gewandt, um das von ihr gewählte Hörsystem ohne die über den von der Beklagten getragenen Festbetrag hinausgehende Eigenbeteiligung
iHv 4.000,94 € gewährt zu bekommen. Die Beklagte hat diesen Antrag nicht weitergeleitet. Dadurch ist sie als erstangegangener
Leistungsträger für die Hörgeräteversorgung zuständig geworden (§
14 Abs
2 Satz1
SGB IX aF). Spätestens die von der Klägerin am 16.10.2017 unterschriebene "Patientenerklärung zur Versorgung mit Mehrkosten", in
der angibt, dass sie eine Versorgung mit den Hörgeräten der Marke Widex wünscht (und nicht die Versorgung mit Hörgeräten zum
Festbetrag), ist als Antrag auf Teilhabeleistungen auszulegen mit dem Ziel einer bestmöglichen Versorgung mit einem neuen
Hörgerät. Die Klägerin begründet ihre Entscheidung auch ausdrücklich mit beruflichen Gebrauchsvorteilen. Eine Aufspaltung
des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung",
§
12 Abs
2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren
Versorgung ("Premiumversorgung") scheidet bei dieser Sachlage aus (vgl BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40-60, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn. 21; BSG 30.10.2014, B 5 R 8/14 R, BSGE 117, 192).
Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit den Hörgeräten der Marke Widex Unique 440 Fusion nicht zu Unrecht,
sondern zu Recht abgelehnt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung besteht daher nicht. Die Klägerin
hat weder einen Anspruch auf das begehrte Hörsystem nach den Vorschriften des
SGB V gegen die Beklagte noch einen Anspruch nach den für die Beigeladene geltenden Rechtsvorschriften.
Die Klägerin hat keinen sich aus §
33 SGB V ergebenden Sachleistungsanspruch, der unabdingbare Voraussetzung für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist (vgl ferner
zB BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189 zur Nichtanwendbarkeit des §
13 Abs
3a SGB V), gegen die beklagte Krankenkasse. Die begehrten Hörgeräte sind zwar Hilfsmittel, die dem unmittelbaren Behinderungsausgleich
dienen. Ein Sachleistungsanspruch auf diese Hörgeräte besteht jedoch nicht, weil die Klägerin mit diesen Hörgeräten eine Hilfsmittelversorgung
gewählt hat, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht. Die Beklagte hat ihre (originäre, dh krankenversicherungsrechtliche)
Leistungspflicht mit der Erstattung des Festbetrages erfüllt (§
12 Abs
2 SGB V). Beim Einsatz von Hilfsmitteln des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V ist nach deren Funktionalität und schwerpunktmäßiger Zielrichtung bzw Zwecksetzung zu differenzieren (vgl nur BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189, juris Rn 23 ff). Ein Hilfsmittel dient als Leistung zur medizinischen Rehabilitation dem "Ausgleich einer Behinderung"",
wenn es seinem Zweck entsprechend die Auswirkungen der Behinderung beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines
Grundbedürfnisses dient. Für den Versorgungsumfang, insbesondere Qualität, Quantität und Diversität, kommt es entscheidend
auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis
an. Es besteht Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch
auf eine Optimalversorgung. Im Ergebnis kommt es daher auf den Umfang der mit dem Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile
an, ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen
wäre (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, juris Rn 27 mwN). Hörbehinderten Menschen ist im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und
bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§
2 Abs
1 Satz 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, BSGE 105, 170, juris Rn 19 ff und BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40, juris Rn 31).
Der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach §
33 SGB V wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs
1 SGB V begrenzt. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen
nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen
die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen
sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich
funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§
33 Abs
1 Satz 5
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen
dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren
Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen,
sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische
Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich
in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn
einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht
(BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, BSGE 105, 170, juris Rn 19 ff und BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40, juris Rn 31).
Die Klägerin leidet unter einer mittelgradigen Schwerhörigkeit (WHO 2) beidseits. Das von ihr getestete Hörgerät NuEar Intro
4 ist ein 4-kanaliges Hörsystem ua mit einer Verstärkung von 68 dB bei 1,6 kHz, digitaler Signalverarbeitung, 2 Kugelmikrofonen
mit Richtcharakteristik, einer automatischen und manuellen Verstärkungsregelung, mit mehreren Programmen, mit Störschall unterdrückender
Softwareauslegung und Rückkopplungsauslöschung. Dies entnimmt der Senat dem vom Hörgeräteakustiker vorgelegten Datenblatt
und den im Hilfemittelverzeichnis unter der Hilfsmittelpositionsnummer 13.20.12.3061 hinterlegten Produktinformationen. Hiermit
werden eine Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache, Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden
Nebengeräuschen durch die Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und die zwei Richtmikrofone sowie das Telefonieren
ermöglicht. Die Klägerin erreichte mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten NuEar Intro 4 die gleichen Ergebnisse wie mit den selbstverschafften
Hörgeräten Widex Unique 440 Fusion (jeweils Sprachverstehen in Ruhe bei 65 dB 95%, mit 60 dB Störschall 75%). Dabei ist der
Freiburger Sprachtest nach § 21 Abs. 2 und 3 Hilfsmittel-Richtlinie ein normiertes Verfahren und ermöglicht einen objektiven
Vergleich zwischen den getesteten Hörgeräten. Die weitergehenden Eigenschaften der von der Klägerin selbstverschafften Hörgeräte
bedingen keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil im oben beschriebenen Sinne gegenüber dem Festbetragsgerät, sondern bieten nur
eine komfortablere Gestaltung im Alltag. Dies hat die Klägerin selbst eingeräumt. So hat sie nach Testung der Hörgeräte NuEar
Intro 4 im Juli 2017 angegeben, dass sie mit diesen in alltagsrelevanten Hörsituationen (ua Gespräche mit einer Verkäuferin
in einem Supermarkt, Sprachverstehen in ruhiger Umgebung, gute Verständigung im Einzelgespräch und in geräuschvoller Umgebung,
gutes Verstehen am Telefon) gut zurechtgekommen ist. Dabei hat sie in den Prüfbögen vom 19.07.2017 und 26.07.2017 ausdrücklich
bestätigt, dass mit diesen Hörgeräten - ebenso wie mit den selbstverschafften Hörgeräten - eine gute Verständigung am Telefon
möglich ist, sie mit den Hörgeräten gut zurechtkommt (Auf- und Absetzen, Einstellungen) und trotz ständiger Nutzung sie das
Tragen der Hörgeräte nicht anstrengend empfindet. Mit Schreiben vom 28.11.2017 hat sie angegeben, dass das Sprachverstehen
mit den aufzahlungsfreien Hörgeräten NuEar Intro 4 auch bei Telefongesprächen während ihrer Arbeit "besser" war und sie bei
Nebengeräuschen (Pfeifen, Rauschen) die Hörgeräte manuell einstellen konnte. Sie hat als Vorteil der selbstbeschafften Hörgeräte
gegenüber den aufzahlungsfreien Hörgeräten insbesondere eine digitale Einstellung auf Hörsituationen (zB Telefongespräche),
mithin bloße Geräteeigenschaften, angeführt. Auch der Hörgeräteakustikmeister hat in seiner Stellungnahme vom 07.12.2018 bestätigt,
dass mit den aufzahlungsfreien Hörgeräten der Hörverlust weitgehend ausgeglichen werden konnte und die Klägerin sich für die
Hörgeräte Widex Unique 440 Fusion wegen bloßer Geräteeigenschäften entschieden hat. Die erstmals im Klageverfahren vorgebrachte
Behauptung der Klägerin, dass bei Verwendung des zuzahlungsfreien Hörsystems verstärkt Migräneattacken aufgetreten seien,
steht im Widerspruch zu ihren Angaben im Verwaltungsverfahren und den Prüfbögen vom 19.07.2017 und 26.07.2017, in denen sie
ausdrücklich bestätigt hat, dass sie auch mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten gut zurechtgekommen ist. Wenn bei der Klägerin
während der Testung des aufzahlungsfreien Hörsystem NuEar Intro 4 HdO 13 vom 26.07.2017 bis zum 18.08.2017 tatsächlich verstärkt
Migräneattacken aufgetreten wären, hätte Anlass bestanden, diese in dem Prüfbogen zu dokumentieren und zeitnah geltend zu
machen. Unter diesen Umständen besteht aus objektiver Sicht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit den gewählten Geräten,
da sich insoweit kein relevanter Vorteil ergibt.
Schließlich hat der Senat keine Zweifel, dass der Hörgeräteakustiker die Klägerin nach Maßgabe des Vertrages zwischen der
Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und der BKK Landesverbände über die bundesweite Versorgung von Versicherten der Betriebskrankenkassen
mit Hörsystemen vom 13.09.2013 ein aufzahlungsfreies Versorgungsangebot mit einem mehrkanaligen, digital programmierbaren
oder voll digitalen Hörsystemen, nämlich das in den Hilfsmittelrichtlinien gelistete Hörsystem NuEar Intro 4 HdO 13, unterbreitet
(§ 3 Abs 5), eine vergleichende Anpassung vorgenommen (§ 3 Abs 5b, § 5) und die Klägerin über die entstehenden Mehrkosten
für das gewählte Hörsystem informiert (§ 3 Abs 5a) hat.
Auch die Voraussetzungen des §§
9,
10,
11,
15 SGB VI, §§
26 Abs
1 Nr
2 und Abs
2 Nr
6,
31 SGB IX aF sind nicht erfüllt. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung der Klägerin mit den streitgegenständlichen Hörgeräten
würde nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger beruhen, sondern auf ihrer Eigenschaft
als nach §
14 Abs
2 Satz 1 und
3 SGB IX aF umfassend zuständig gewordener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem
Rentenversicherungsträger (Beigeladene) obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§
5 Nr
2, §
6 Abs
1 Nr
4 SGB IX) zu prüfen hatte. Ob die Beklagte als erstangegangener oder als zweitangegangener Träger zuständig geworden ist, kann der
Senat offenlassen.
Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hörgeräten liegen nicht vor. Die
gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§
9 Abs
1 SGB VI), wenn die persönlichen (§
10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§
11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach §
12 SGB VI ausgeschlossen sind. Die gesetzliche Rentenversicherung kann ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §
15 SGB VI erbringen (§
9 Abs.
1 SGB VI), für die in §
15 Abs
1 Satz 1
SGB VI auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§
42 bis
47 SGB IX (§§
26 bis
31 SGB IX aF) verwiesen wird. Nach §
42 Abs
1 Nr
2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen ua erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit
zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern; zu diesen Leistungen gehören nach §
42 Abs
2 Nr
6 SGB IX (§
26 Abs
1 Nr
2, Abs
2 Nr
6 SGB IX aF) auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in §
47 SGB IX (§
31 SGB IX aF) näher geregelt ist. Hierzu zählen nach §
47 Abs
1 Nr
3 SGB IX (§
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX aF) unter anderem Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um eine Behinderung
bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen sind. Als Hilfsmittel zum hier einschlägigen unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein
Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens, weil die Erhaltung
bzw. die Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Ob die Ausübung der
Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis im Sinne von §
47 Abs
1 Nr
3 SGB IX (§
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX aF) ist, ist unerheblich (vgl BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 48, juris Rn 49 f.). Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch
Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen
Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§
33 Abs
1 Satz 9
SGB V und §
47 Abs.
3 SGB IX bzw §
31 Abs
3 SGB IX aF). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen
erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last
(BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 48, juris Rn 53).
Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt (vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
LSG Baden-Württemberg 02.02.2021, L 11 KR 2192/19). Der Klägerin hat die Hörgeräte Widex Unique 440 Fusion spätestens im Dezember 2017 (vgl Rechnung vom 18.12.2017) selbst
beschafft. Seinerzeit war sie (und ist es nach wie vor) als Fachberaterin in der Leistungsabteilung einer gesetzlichen Krankenkasse
beschäftigt und musste Krankengeldfälle bearbeiten. Dabei handelt es sich um eine Bürotätigkeit, die häufige Telefongespräche
mit Versicherten beinhaltet. In dem Büro arbeiten zwischen 2 bis 6 weitere Mitarbeiter der Krankenkasse, die bei Bedarf ebenfalls
Telefonate führen. Die mit der Bürotätigkeit als Fachberaterin einer Krankenkasse verbundenen Anforderungen an das Hörvermögen
gehen nicht über die Anforderungen hinaus, die auch im privaten Alltag zu bewältigen sind. Die von der Klägerin geschilderten
Probleme sowie die im Rahmen ihrer Tätigkeit erforderliche Kommunikation, insbesondere Gespräche unter Störgeräusch und Telefonate,
sind nicht auf ihren konkreten Arbeitsplatz beschränkt. Vielmehr finden sie in gleicher oder ähnlicher Form auch im Privatleben
oder in den meisten anderen beruflichen Tätigkeiten statt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ausschließlich in ihrer
konkreten beruflichen Tätigkeit auf eine besondere bzw spezielle Hörfähigkeit - wie etwa bei akustischen Kontroll- oder Überwachungsarbeiten
oder beim feinsinnigen Unterscheiden zwischen bestimmten Tönen und Klängen wie beispielsweise bei der Tätigkeit eines Klavierstimmers
- angewiesen wäre. Telefonate, Mehrpersonengespräche und Verständigungen unter Störgeräuschen gehören nahezu zu jedem privaten
und beruflichen Alltag. Störschall tritt auch in vielen Bereichen des täglichen Lebens, sei es im Straßenverkehr, in öffentlichen
Verkehrsmitteln, in Einkaufs- und kulturellen Einrichtungen auf (vgl LSG Baden-Württemberg 22.01.2020, L 5 KR 241/18, juris Rn 47; LSG Baden-Württemberg 13.12.2011, L 11 R 5774/09, juris Rn 31). Die Klägerin ist weder aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit noch aufgrund der besonderen Verhältnisse am Arbeitsplatz
auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen.
Schließlich kommt ein Anspruch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
49 Abs
8 Satz 1 Nr
4b SGB IX (§
33 Abs
8 Satz 1 Nr
4 SGB IX aF) nicht in Betracht. Dieser bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Hilfsmittel umfassen, "es sei denn,
dass ... solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können". Da dies gemäß §
15 Abs
1 Satz 1
SGB VI, §
42 Abs
2 Nr
6 SGB IX (§
26 Abs
2 Nr
6 SGB IX aF) für Hörgeräte der Fall ist, scheidet eine Qualifizierung der Hörgeräte als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iSd
§
49 Abs
1, Abs
3 Nr
1 und 7, Abs
8 Satz 1 Nr
4b SGB IX (§
33 Abs
1, Abs
3 Nr
1 und 6, Abs
8 Satz 1 Nr
4 SGB IX aF) i.V.m. §§
9,
10,
11,
16 SGB VI von vornherein aus (BSG, 30.10.2014, B 5 R 8/14 R, BSGE 117, 192 juris Rn 48 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) nicht vorliegt.