Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine jährliche Sehnervanalyse mit dem H. R. Tomograph (HRT) streitig.
Bei dem HRT handelt es sich um ein konfokales Punkt-Scanning-Laser Ophthalmoskop, das von Augenärzten zur Untersuchung der
Hornhaut und bestimmter Bereiche der Netzhaut eingesetzt wird. Der wichtigste Anwendungsbereich des HRT ist die Überprüfung
des Sehnervkopfes (Papille) zum Zwecke der Früherkennung und Verlaufskontrolle des Glaukoms (Grüner Star). Durch Einsatz entsprechender
Module ist auch die Untersuchung der vorderen Augenabschnitte sowie der Netzhaut (vor allem der Makula) möglich.
Der am 04.07.1943 geborene Kläger leidet bereits seit Jahren an einem Glaukom. Er befindet sich in regelmäßiger augenärztlicher
Behandlung.
Am 20.10.2016 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagte und bat um Prüfung der Möglichkeit der Kostenübernahme für
eine Untersuchung des Augenhintergrundes mit dem HRT. Er machte geltend, sein Augenarzt habe diese Untersuchung wiederholt
empfohlen. Vom Ärztezentrum der Beklagten habe er die Antwort erhalten, dass dieses Verfahren als sinnvoll und zweckmäßig
erachtet werde. Den entsprechenden Hinweis des Ärztezentrums vom 13.10.2016 fügte der Kläger seiner Anfrage bei. Diesem gegenüber
hatte der Kläger geschildert, sein Augeninnendruck sei mit Hilfe von Medikamenten gut eingestellt (15-18 mm Hg) und frühere
Gesichtsfeldkontrollen seien unauffällig gewesen. Er bat um Prüfung und im Fall der Ablehnung um Übersendung einer entsprechenden
Entscheidung.
Mit Bescheid vom 25.10.2016 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für eine HRT Aufnahme ab. Diese Leistung sei zwar ärztlich
vertretbar, falle jedoch in den eigenverantwortlichen Bereich der Patienten.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.11.2016 Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf die Regelung des §
27 Abs
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Sowohl der behandelnden Augenärztin als auch des konsultierten Ärzteteams der Beklagten zufolge sei die jährliche Sehnervanalyse
(hier HRT) sinnvoll und zweckmäßig, um die Effizienz der medikamentösen Drucksenkung zu überprüfen und ggf bei eingetretener
Verschlechterung der gemessenen Werte den zukünftigen Zieldruck herabzusetzen, also die Medikation zu verstärken. In Ermangelung
alternativer Behandlungen gehe er davon aus, dass es sich bei der hier infrage stehenden Untersuchung zweifelsfrei um eine
von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gemäß §
27 Abs
1 SGB V zu erbringende Leistung handele.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines
sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. A. führte unter dem 13.12.2016 unter Benennung von alternativen Behandlungsmöglichkeiten
aus, dass sich keine Angaben zur Sehschärfe in den Unterlagen fänden. Der Versicherte habe angegeben, dass die Kontrollen
des Gesichtsfeldes unauffällig seien. Mit Blick auf die bisherige Sozialrechtsprechung könne bei dem Versicherten zum jetzigen
Zeitpunkt nicht von einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer gleichwertigen Erkrankung
(Erblindung beider Augen) ausgegangen werden. Prinzipiell handele es sich bei der HRT-Untersuchung um eine neue Untersuchungsmethode
zur Diagnostik und Verlaufskontrolle bei Glaukomerkrankungen. Das HRT habe nicht genügend diagnostische Präzision, um isoliert
verwendet werden zu können. Fälle von Glaukomverdacht, -beginn oder -progression könnten nicht mit dem HRT allein diagnostiziert
und beurteilt werden. Qualitativ seien die Informationen mit dem HRT auch durch vertragsärztliche Leistungen zu erreichen.
Nicht auszuschließen sei, dass durch HRT eine präzisere Befunddokumentation möglich sei, wobei die klinische Relevanz im Hinblick
auf die weitere Behandlung und den Verlauf der Erkrankung in ihrem Nutzen noch nicht durch randomisierte kontrollierte Studien
gesichert sei.
Nach Mitteilung des Ergebnisses führte der Kläger aus, die vom MDK ausgeführten Behandlungsmöglichkeiten seien möglicherweise
geeignet, ein Glaukom bzw dessen Status zum Zeitpunkt der Untersuchung festzustellen. Keiner der aufgelisteten Alternativen
erlaubten mit hinreichender Genauigkeit eine mit Vorbefunden vergleichende Verlaufskontrolle, wie sie sich mit dem HRT inzwischen
als Standard durchgesetzt habe.
Am 12.06.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Mehrere telefonische und schriftliche Aufforderungen an die Beklagte, einen beschwerdefähigen Bescheid herauszugeben,
seien leider ohne Reaktion geblieben. Daher sehe er sich gezwungen, auch ohne Vorliegen eines entsprechenden Widerspruchsbescheides
Klage zu erheben.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2017 zurückgewiesen. Bei der beantragten Leistung handele
es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung ausgesprochen
habe. Zudem habe der MDK Alternativen aufgezeigt. Mit einer ausführlichen Anamneseerhebung, Prüfung der Sehschärfe, Spaltlampenuntersuchung,
Augeninnendruckmessung, Gesichtsfelduntersuchung und ggf einer Blutdruckmessung seien vertragliche Optionen vorhanden. Im
Übrigen liege keine akut notstandsähnliche Situation vor. Dieser Widerspruchsbescheid werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
Der Kläger hat daraufhin ausgeführt, die "unkonventionelle Methode" habe sich seit mehr als 20 Jahren bewährt und sich seither
in augenärztlichen Behandlungszentren als Standard bei der Behandlung von Erkrankungen des Sehnervs durchgesetzt. Im Übrigen
stelle auch die Beklagte in ihrem Merkblatt "Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)" fest, dass "das bestehende Leistungsangebot
der GKV alle notwendigen Behandlungen abdecke, einschließlich der erforderlichen Diagnostik". In Ermangelung alternativer
Behandlungsmöglichkeiten zur präzisen und vergleichenden Überprüfung des Zustandes des Sehnervkopfes, der Effizienz der medikamentösen
Senkung des Augeninnendrucks und daraus gegebenenfalls folgende Anpassung der Medikation sei folglich weder von der behandelnden
Augenärztin noch vom Ärzteteam der Beklagten auf solche Alternativen hingewiesen worden. Bei dem MDK-Gutachten handele es
sich lediglich um allgemeine Aussagen im Zusammenhang mit einer Glaukomerkrankung. Die dort aufgeführten vertraglichen schulmedizinischen
Behandlungsmöglichkeiten seien allesamt nicht zu einer genauen und vergleichenden Verlaufskontrolle des Zustandes des Sehnervkopfes
geeignet. Diese sei jedoch im vorliegenden Fall erforderlich und sowohl von der behandelnden Ärztin als auch dem konsultierten
Ärzteteam der Beklagten für sinnvoll und zweckmäßig erachtet worden. Gerade dies sei jedoch nur mit Hilfe des HRT möglich.
Daraus lasse sich frühzeitig die medizinische Behandlung des Glaukoms an sich gegebenenfalls ergebende Veränderungen der Sehnerven
anpassen und damit einer Verschlechterung der Sehfähigkeit, im schlimmsten Fall bis hin zur Erblindung, entgegenwirken. Letztendlich
habe sich auch der MDK in seinem Gutachten zu dem Hinweis veranlasst gesehen, dass "nicht auszuschließen sei, dass durch das
HRT eine präzisere Befunddokumentation möglich sei". Im Übrigen seien manche gesetzlichen Krankenkassen bereit, bestimmte
IGeL zu bezahlen, obwohl sie nicht zum Leistungskatalog der GKV gehörten. Außerdem sei auch das bisherigen Procedere bei der
Behandlung des Kostenerstattungsantrags im Hinblick auf §
13 Abs
3a SGB V in Betracht zu ziehen. Es dürfte ein Systemversagen vorliegen, da der GBA das Verfahren zur Methodenbewertung noch nicht
eingeleitet habe, obwohl HRT sich seit mehr als 20 Jahren in der Augenheilkunde durchgesetzt und bewährt habe.
Der Kläger hat verschiedene Ausdrucke von Internetseiten von Augenärzten vorgelegt, auf denen beschrieben ist, dass HRT seit
vielen Jahren verwendet würde und eine viel präzisere Methode bei der Beurteilung von Sehnervveränderungen sei. Hinsichtlich
der weiteren Einzelheiten wird auf die Bl 29 f der SG-Akte verwiesen.
Das SG hat die behandelnde Augenärztin des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. Die Fachärztin für Augenheilkunde
N. hat unter dem 06.11.2017 ausgeführt, den Kläger seit April 2013 zu behandeln. Er leide unter Glaukom. Er habe damals angegeben,
schon seit zehn Jahren Glaukom zu haben. Bei Glaukom entstünden Gesichtsfeldausfälle. HRT sei keine Behandlung, sondern eine
diagnostische Untersuchung. Sie könne keine Erkrankung heilen, aber ggf eine Verschlimmerung verhüten. Es sei eine Verlaufskontrolle
der Papillenexkavation und Feststellung von Zunahme der Papillenexkavation möglich, die auf eine Verschlimmerung des Sehnervenschadens
hinweisen könne. Die HRT-Untersuchung lindere keine Beschwerden. Es sei ein Diagnosegerät, kein Therapiegerät. Es sei eine
Untersuchung, die aus augenärztlicher Sicht sinnvoll und nützlich sei. Sie sei vom GBA nicht als Kassenleistung anerkannt.
Mit Urteil vom 25.10.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Untätigkeitsklage habe sich zwar erledigt. Der Kläger habe
die Klage jedoch zulässig in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geändert. Diese sei jedoch unbegründet, denn der Kläger
habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die jährliche Untersuchung der Glaukomerkrankung mit dem HRT. Es handele
sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Es fehle an der nach §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA. Ein Systemversagen liege nicht vor. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
solchen willkürlichen oder sachfremden Verhaltens seien hinsichtlich der hier streitigen Untersuchung mit dem HRT nicht ersichtlich.
Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht auf Grundlage von §
2 Abs
1a SGB V. Es liege keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung
vor.
Hiergegen richtet sich die am 18.11.2019 erhobene Berufung des Klägers. Er macht geltend, dass - wie er bereits vor dem SG belegt habe - die Diagnose mit Hilfe des HRT sich seit mehr als 20 Jahren in der Augenheilkunde bewährt und seither in augenärztlichen
Behandlungszentren als Standard bei der Behandlung von Erkrankung des Sehnervens und damit eines Glaukoms durchgesetzt habe.
Die vom MDK genannten alternativen Behandlungsmethoden seien nur ansatzweise für eine genaue und präzise Verlaufskontrolle
geeignet. Die Augenärztliche Akademie Deutschland habe bereits im Jahr 2002 das Diagnoseverfahren als Meilenstein der Diagnostik
bezeichnet. Es liege damit ein deutlicher Hinweis auf den diagnostischen Nutzen vor. Der GBA sei seiner Beobachtungspflicht
nicht nachgekommen. Es ergebe sich seit langem aus dem medizinischen Erkenntnisstand eine Antragspflicht. Möglicherweise beruhe
der Verzicht auf Durchführung ausreichender Studien darauf, dass weder die Augenärzte noch die Hersteller noch die Krankenkassen
ein Interesse daran hätten, dass das HRT-Scan, das sich als individuelle Gesundheitsleistung gut verkaufe, als Leistung der
gesetzlichen Krankenkasse anerkannt werde. Die Ärzte könnten die Leistung als Privatbehandlung abrechnen. Der Kläger verweist
noch auf den Beschluss des GBA vom 20.12.2018, demzufolge die Optische Kohärenztomografie, eine dem HRT vergleichbare Leistung,
eine Leistung der GKV geworden sei. Die US-amerikanische Behörde FDA erkenne seit langem die HRT-Methode an, die damit Leistung
des US-amerikanischen Medicare-Systems geworden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2016
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2017 zu verurteilen, ihm die bereits angefallenen Kosten für die jährliche
Verlaufskontrolle einer Glaukomerkrankung mit Hilfe des H. R. Tomographen in Höhe von 280 EUR zu erstatten sowie die Kosten
für die künftigen Behandlungen zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der Kläger hat vier Rechnungen seiner behandelnden Augenärztin N. über die in den Jahren 2016 bis 2019 durchgeführten Untersuchungen
(Rechnungen vom 05.12.2016, 08.12.2017 und 04.09.2019 iHv je 80 EUR und vom 03.12.2018 iHv 40 EUR) vorgelegt. Ferner hat er
den Befundbericht über die Untersuchungen vom 05.12.2016 beigefügt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten erster
und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§§
143,
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für
bereits durchgeführte Untersuchungen mittels HRT noch auf Übernahme der Kosten für künftige Untersuchungen.
Der Kläger hat die erledigte Untätigkeitsklage (§
88 SGG) zulässigerweise geändert, nachdem diese sich durch Erlass des begehrten Widerspruchsbescheides erledigt hat. Der Kläger
verfolgt seinen Anspruch nunmehr zu Recht mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG). Diese ist zulässig.
Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Gegenstand und muss deshalb für die
Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beziffert werden (Bundessozialgericht (BSG) 28.01.1999, B 3 KR 4/98 R, BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1). Maßgebend ist dabei, ob die Kosten der Behandlung bereits abgerechnet wurden. Nur soweit Leistungen
zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung bereits erbracht, aber noch nicht abgerechnet wurden, ist es prozessual zulässig, der
Klage einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die selbst beschaffte Behandlung zugrunde zu legen (BSG, 17.06.2010, B 3 KR 7/09 R, BSGE 106, 173). Der Kläger hat die vorgelegten Rechnungen von insgesamt 280 EUR bereits beglichen, sodass die Klage insoweit zulässig auf
Erstattung gerichtet ist.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V in Betracht. Ein Anspruch nach dem mit Wirkung vom 27.02.2013 durch Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (BGBl S 277) eingefügten Abs 3a dieser Vorschrift scheidet aus. In §
13 Abs
3a Satz 1
SGB V ist geregelt, dass die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang
oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen
nach Antragseingang entscheiden muss. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung
selbst, ist die Krankenkasse nach §
13 Abs
3a Satz 6
SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die nach §
13 Abs
3a Satz 1
SGB V maßgebliche Frist ist hier eingehalten. Der Antrag ging am 20.10.2016 per E-Mail bei der Beklagten ein. Die Beklagte entschied
hierüber mit Bescheid vom 25.10.2016. Die Dauer des Widerspruchsverfahrens bleibt außer Betracht.
Nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind,
dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig
war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach §
2 Abs
2 Satz 1
SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen
kann (BSG 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch
bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten.
Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V lag zur Überzeugung des Senats nicht vor. Eine Leistung ist nur dann unaufschiebbar, wenn die Leistung in einem bestimmten
Zeitpunkt erbracht werden muss, damit der erstrebte Erfolg überhaupt noch erreicht werden kann oder der Versicherte erhebliche
Schmerzen leidet. Aus medizinischer Sicht darf keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zu einer Entscheidung der
Krankenkasse mehr bestehen (BSG 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R, juris). Die Durchführung der Untersuchung mit dem HRT war nicht in diesem Sinne unaufschiebbar. Es bestehen keine Anhaltspunkte,
dass die Untersuchungen jeweils so dringlich waren, dass nicht mehr zugewartet werden konnte.
Auch die Voraussetzung des §
13 Abs
3 Satz 1 2. Alternative
SGB V ist nicht erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus,
dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris). Die streitgegenständliche Untersuchung mittels HRT gehört indes nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung
zu erbringenden Leistungen. Die Beklagte ist daher weder zur Erstattung der bereits entstandenen Kosten hierfür verpflichtet,
noch zur künftigen Kostenübernahme.
Nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Kläger leidet an einem Glaukom und damit an einer Krankheit.
Dies entnimmt der Senat der Aussage der sachverständigen Zeugin, der Fachärztin für Augenheilkunde N ... Das HRT-Scan ist
zwar als solches keine Behandlungsmethode, denn eine Heilung oder Besserung kann dadurch nicht erreicht werden. Die Untersuchung
dient jedoch der Verlaufskontrolle und damit der frühzeitigen Erkennung einer Verschlimmerung und der Therapieplanung.
Allerdings unterliegt der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB V den sich aus §
2 Abs
1 und §
12 Abs
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien
nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
5 i.V.m. §
135 Abs
1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen
und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten
ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).
Die streitgegenständliche Untersuchung mittels HRT stellt eine solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar. Behandlungsmethoden
iS der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches
Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Diagnose- oder Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung
in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung
nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (BSG 27.09.2005, B 1 KR 28/03 R, juris). Die Untersuchung mittels HRT ist nicht als abrechenbare Leistung im EBM enthalten und daher eine neue Behandlungsmethode.
Eine positive Empfehlung des GBA zu dieser Methode liegt nicht vor.
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann
nach der Rspr des BSG ausnahmsweise ungeachtet des in §
135 Abs
1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt für die Anwendung neuer Methoden bei einem Systemversagen bestehen. Ein Systemversagen
unter dem Aspekt, dass der GBA zu der fraglichen Methode noch keine Empfehlung abgegeben hat und das vorgesehene Anerkennungsverfahren
für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trotz Anhaltspunkten für eine therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus
willkürlichen oder sachfremden Erwägungen heraus nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wurde bzw eine Aktualisierung der
Richtlinien unterblieben ist (stRspr, vgl ua BSG 27.08.2019, B 1 KR 14/19 R, SozR 4-2500 § 13a Nr 1 mwN, BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12; BSG 10.05.2012, B 1 KR 78/11 B, SozR 4-2500 § 140f Nr 1), liegt nicht vor.
Der GBA hatte zunächst am 21.12.2004 auf Basis einer Evidenzprüfung beschlossen, dass ein Glaukom-Screening nicht zur Früherkennung
von Krankheiten gemäß §
25 Abs
3 SGB V empfohlen werden kann. Ein entsprechender Passus wurde in der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie aufgenommen. Dieser Passus
wurde zwar zwischenzeitlich gestrichen (Beschluss vom 19.07.2018). In den tragenden Gründen zum Beschluss dazu ist ausgeführt,
dass die Aufarbeitung der aktuellen Evidenzlage bestätige, dass ein Glaukom-Screening nicht zur Früherkennung von Krankheiten
empfohlen werden könne. Die Streichung ist nur deshalb erfolgt, weil nur Maßnahmen in der Richtlinie geregelt werden sollen,
die aufgrund einer positiven Empfehlung zum Leistungsumfang der Gesundheitsuntersuchung gehören. Der GBA hat sich demnach
grundsätzlich mit solchen Leistungen befasst. Zwar geht es vorliegend nicht um die Erkennung von Krankheiten, sondern um die
Verlaufsbeobachtung. Aber auch insoweit sind keine randomisiert kontrollierten Studien ersichtlich, die den Nutzen belegen.
Es besteht keine Situation, in der von einem willkürlichen Unterlassen eines Antrags beim GBA durch die zur Antragstellung
berechtigten Institutionen ausgegangen werden kann. Dass das Verfahren in der Praxis weit verbreitet ist, ändert nichts. Hierdurch
kann nicht der Nachweis des Nutzens durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien und Statistiken ersetzt werden.
Lediglich ergänzend wird noch auf die Ausführungen des SG Berlin in seinem vom Kläger angesprochenen Urteil vom 12.12.2018
zum Az S 73 KR 722/14 hingewiesen. Das SG hatte den GBA um Stellungnahme zu vom dortigen Kläger vorgelegten 474 Literaturreferenzen und 105 weiteren Fundstellen gebeten.
Der GBA hatte mitgeteilt, dass weder die vorgelegten Unterlagen noch in den durch eigene Literaturrecherche ermittelten Fundstellen
Studien identifiziert werden konnten, die im Verlauf Unterschiede zu Gunsten der Gruppe mit zusätzlich zur Standarddiagnostik
mit Vermessung des Sehnervs mit dem HRT in patientenrelevanten Endpunkten im Gegensatz zu einer Gruppe von mit Standarddiagnostik
behandelten Patienten ergeben. Dementsprechend könne auf Basis der von der Geschäftsstelle des Unterausschusses Methodenbewertung
recherchierten Evidenz unter Einbeziehung der übermittelten Literaturreferenzen nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen
für ein Systemversagen für den Einsatz des HRT-Scan zur Verlaufskontrolle bzw Verlaufsdiagnostik bei Patientinnen und Patienten
mit POWG [primäre Offenwinkelglaukom] vorliegen. Auch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppe habe eine ausreichende
Studienlage verneint.
Der Kläger selbst hat ebenfalls keine entsprechenden Studien vorgelegt, sondern lediglich befürwortende Aussagen und Berichte.
Dies genügt nicht für die Annahme eines Systemversagens.
Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen
oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 §
25 Nr
12) eingeführten §
2 Abs
1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig
tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard
entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen §
2 Abs
1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf,
eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das
Grundgesetz bzw §
2 Abs
1a SGB V, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende
oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor (1.); bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte,
medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.) und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten
(neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht
auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.). Die gesetzliche Regelung
grundrechtsorientierter Leistungsauslegung in §
2 Abs
1a SGB V, der auf Sachverhalte ab 01.01.2012 anzuwenden ist, erfasst allerdings nicht nur Ansprüche, die auf therapeutische Maßnahmen
gerichtet sind, sondern auch Ansprüche, die diagnostische Maßnahmen zum Gegenstand haben (BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 11).
Für die Feststellung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren
Erkrankung ist es nicht ausreichend, dass eine Krankheit unbehandelt zum Tode führt, weil dies auf nahezu jede schwere Erkrankung
ohne therapeutische Einwirkung zutrifft. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen
Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik
vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach
den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb
eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches gilt für den ggf gleichzustellenden,
nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, BSGE 115, 95). Dass sich die Glaukomerkrankung innerhalb kürzester Zeit dermaßen verschlimmert, dass innerhalb weniger Wochen oder Monate
eine Erblindung und damit ein drohender Verlust eines wichtigen Sinnesorgans in Form der Sehfähigkeit auf einem Auge eintritt,
ist nicht belegt. Der Kläger hat weder Gesichtsfeldausfälle noch eine sonstige Verschlechterung geltend gemacht. Vielmehr
hat er vorgetragen, der Augeninnendruck sei gut eingestellt.
Zur Verlaufsbeobachtung stehen außerdem andere Leistungen zur Verfügung, wie der MDK für den Senat überzeugend dargelegt hat.
Da der Kläger wie dargelegt keinen Primäranspruch hat, bleibt auch die Klage gerichtet auf künftige Kostenübernahme ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.