Anspruch auf häusliche Krankenpflege in der gesetzlichen Krankenversicherung; Überprüfung, Reinigung und Neulegung einer Magensonde
als verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahme
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung häuslicher Behandlungspflege ab August 2009.
Die am 3. Juli 2005 geborene Antragstellerin, die bei der Antragsgegnerin familienversichert ist, leidet als ehemalige Frühgeborene
der 25. Schwangerschaftswoche an einer schweren Entwicklungsbehinderung und einer schweren Infantilparese, einem mit Shunt-versorgtem
posthämorrhagischem Hydrocephalus, einer schweren Sehbehinderung nach Netzhautkomplikation sowie einer Hüftdysplasie beidseits.
Sie wird ergänzend über eine Magensonde bei zusätzlich bestehender Fütter-/Ess-Problematik ernährt. Seit 1. August 2008 bezieht
sie Leistungen der Pflegestufe III. Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin häusliche Krankenpflege im Umfang von
drei mal zwei Stunden wöchentlich. Nach Vorlage der Pflegedokumentation befürwortete Dr. G. eine weitere Leistung in dem beantragten
Umfang (Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg - MDK - vom 13. Oktober 2008).
Am 7. November 2008 erfolgte eine erneute Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Der Gutachter K. befürwortete
eine Höherstufung der Antragstellerin in Pflegestufe III ab August 2008, wobei er u.a. verrichtungsbezogene krankheitsspezifische
Pflegemaßnahmen in Form der oro/trachealen Sekretabsaugung und weitere Maßnahmen zur Sekretelimination bei den Verrichtungen
Aufstehen/Zubettgehen und Umlagern feststellte. Die Ernährung erfolge über die einliegende naso-gastrale Sonde bei bestehender
Fütter-/Essproblematik. Es bestehe eine Kau-, Schluck- und Mundschlussstörung. Es sei nicht gelungen das Kind von der naso-gastralen
Sonde während eines stationären Aufenthalts zu entwöhnen. Sie bekomme 5 x täglich breiige/pürierte Kost angeboten. Über die
einliegende Sonde werde ihr 6 x täglich 700 ml Nahrung und 6 x täglich 400 ml Flüssigkeit mit Spritzen langsam als Bolusgabe
gegeben. Dabei träten zeitenweise Spucken/Erbrechen nach bzw. während der Sondenernährung auf.
Nachdem die Antragsstellerin weiterhin Leistungen der häuslichen Krankenpflege geltend gemacht hatte, veranlasste die Antragsgegnerin
eine erneute Begutachtung durch den MDK zur Erforderlichkeit der Behandlungspflege. Dr. W. führt aus, dass die Notwendigkeit
der zeitintensiven Behandlungspflege pauschal mit 6 Stunden wöchentlich aus den vorliegenden medizinischen Informationen (Pflegegutachten
vom 3. November 2008, Verordnung häusliche Krankenpflege Dr. K. und Durchführungskontrolle im Januar 2009 des Pflegedienstes
M. sowie Berichtsblatt vom 20. November 2008 bis 10. Januar 2009) nicht mehr bestehe. Der Bedarf sei entsprechend der häuslichen
Krankenpflegerichtlinie im Legen und Wechseln der Magensonde indiziert und entsprechend dem Leistungskatalog durchführbar.
Die Atemtherapie sei nicht Bestandteil der häuslichen Krankenpflege. Es handele sich hier um eine Heilmittelanwendung. Die
Tätigkeit, die der Pflegedienst bei der Shunt-Kontrolle konkret durchführe, sei unklar, da der Shunt auch nicht beschrieben
werde. Die Maßnahmen/Hilfen bei der Ernährung, einschließlich Verabreichung der Sondennahrung mit Überprüfen der Lage der
Sonde, Spülen der Sonde nach Applikation und gegebenenfalls Reinigung, einschließlich pflegerische Prophylaxen, Lagerung,
Mobilität in diesem Zusammenhang seien als grundpflegerische Maßnahmen des schwerpflegebedürftigen Kindes anzusehen und nicht
als besondere behandlungspflegerische Leistungen.
Hierauf teilte die Antragsgegnerin dem Vater der Antragstellerin mit Bescheid vom 28. Januar 2009 mit, die Antragstellerin
werde bis zum 15. Februar 2009 häusliche Krankenpflege durch Pflegekräfte erhalten, darüber hinaus könnten die Leistungen
nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 13. Februar 2009 Widerspruch mit der Begründung ein, das Gutachten des MDK weise schwere
Mängel auf, denn sie leide an schweren Lungenproblemen, so dass auch zeitweise Sauerstoffgaben erforderlich gewesen wären.
Aufgrund der Infektionen sei auch die wöchentliche Stundenzahl von 3,5 auf 6 heraufgesetzt worden. Das rechte Nasenloch sei
stark verengt, so dass sich die Sonde auf dieser Seite nur sehr schwer legen lasse. Zuverlässig könne dies nur von den betreuenden
häuslichen Krankenschwestern erledigt werden. Die Kontrolle der Lage der Sonde erfolge über ein Stethoskop, auch dies werde
durch die häusliche Krankenpflege durchgeführt.
Die Antragsgegnerin veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung durch den MDK. Dieser kam dabei abermals zu dem Ergebnis,
dass die Atemtherapie nicht Bestandteil der häuslichen Krankenpflege sei, zumal die Antragstellerin spontan atme. Die dokumentierten
Sättigungswerte lägen zwischen 90 und 99 %. Es sei deswegen nicht erkennbar, dass eine phasenweise oder dauerhafte Bedrohung
der Vitalfunktion Atmung bestehe. Ein anderer krankheitsbedingter Grund für eine vitale Gefährdung mit nicht vorhersehbarer
Interventionsbereitschaft und daraus resultierender spezifischer pflegerischer Handlung um unmittelbar Lebensgefahr abzuwenden,
sei nicht erkennbar. Es sei vielmehr nur eine allgemeine Krankenbeobachtung erforderlich, diese sei Bestandteil der Grundpflege
und nicht gesondert als Behandlungspflege verordenbar.
Mit Bescheiden vom 2. April 2009 und 23. April 2009 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin weiter häusliche Krankenpflege
zu einem Stundensatz von 35 EUR bis zum 30. April 2009, verlängert durch Bescheide vom 27. Mai 2009 und 30. Juli 2009 bis
zum 31. Juli 2009, die beiden letzteren unter Vorbehalt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, das Legen und Wechseln einer Magensonde stelle zwar eine Maßnahme der häuslichen
Krankenpflege dar, es handele sich vorliegend aber um grundpflegerische Maßnahmen, nämlich Hilfen bei der Ernährung, einschließlich
des Verabreichens der Sondennahrung mit Überprüfung der Lage der Sonde, Spülen und Reinigung der Sonde. Die Atemtherapie sei
nicht Bestandteil der häuslichen Krankenpflege, sondern dies stelle eine Heilmittelanwendung dar. Die Prüfung der Vitalfunktion
sei medizinisch nicht indiziert.
Hiergegen hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 16 KR 5661/09 geführt wird, und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin
vor, die medizinische Notwendigkeit der Behandlungspflege ergebe sich aus der ärztlichen Verordnung vom 27. Juli 2009. Erforderlich
sei eine tägliche Kontrolle und Beobachtung der Vitalfunktionen, ua wegen der Gabe eines Antiepileptikums. Die Shunt-Kontrolle
durch häusliches Pflegefachpersonal sei erforderlich um Entzündungen des Shunt-Systems rechtzeitig zu entdecken. In der Vergangenheit
seien bereits mehrfach Entzündungen aufgetreten. Auch müsse berücksichtigt werden, dass bei ihr eine Anfälligkeit für Lungeninfekte
bestehe. Schließlich müsse die Magensonde nahezu täglich auf ihre Lage kontrolliert und bei Bedarf neu eingelegt und gewechselt
werden. Der Anordnungsgrund folge daraus, dass ihre Eltern die Kosten für die häusliche Behandlungspflege nicht aus ihrem
Einkommen bestreiten könnten.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit der Begründung entgegen getreten, eine ärztliche Verordnung für die Zeit ab 1. September
2009 liege nicht vor.
Mit Beschluss vom 1. September 2009, der Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am gleichen Tag, hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, hinsichtlich der Zeit vom 1. August 2009 bis zum 23. August 2009 fehle es an einem
Anordnungsgrund. Denn es würden lediglich Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Dies sei nicht Aufgabe
des vorläufigen Rechtsschutzes. In der Vergangenheit fehle es nämlich an einer gegenwärtigen, aktuell noch bestehenden Notlage.
Für die Zeit vom 24. August 2009 bis 31. August 2009 fehle es ebenfalls an einem Anordnungsgrund. Es sei nicht nachvollziehbar,
dass es der Antragstellerin und deren unterhaltspflichtigen Eltern unmöglich sein solle, zunächst die Kosten für die häusliche
Krankenpflege für den Zeitraum von insgesamt acht Tagen aus dem Familieneinkommen zu bestreiten. Denn zu dem Familieneinkommen
in Höhe von 3.608,25 EUR kämen noch 675 EUR Pflegegeld. Weiter müsse berücksichtigt werden, dass pauschal monatliche Aufwendungen
von ca. 400 EUR für die Antragstellerin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht würden, die nicht spezifiziert würden
und auch teilweise zur Bestreitung der Behandlungspflegekosten eingesetzt werden könnten. Für den Zeitraum ab 1. September
2009 fehle es offensichtlich an einem Anordnungsanspruch, denn die erforderliche ärztliche Verordnung der häuslichen Krankenpflege
liege nicht vor. Dies habe eine Rückfrage bei der Antragsgegnerin ergeben. Dabei sei zu beachten, dass die ärztliche Verordnung
Grundlage und Grenze für die Entscheidung der Krankenkasse über die Gewährung häuslicher Krankenpflege bilde. Für die Zeit
ab 1. September 2009 sei damit nicht ersichtlich, aufgrund welcher Erkrankung welche Maßnahme der Behandlungspflege in welchem
Umfang (Beginn, Dauer, Häufigkeit) zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich sein solle.
Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2009 beim SG eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, der Antragsgegnerin habe die Folgeverordnung vorgelegen. Diese
werde erst zum Monatsende weitergeleitet. Der Pflegedienst habe die Dringlichkeit einer vorherigen Weiterleitung angesichts
des anhängigen Eilverfahrens verkannt. Man habe sie auch hierzu nicht befragt, so dass sie auch nicht von dem Umstand erfahren
habe, dass die Folgeverordnung am 1. September 2009 noch nicht vorgelegen habe. Die häusliche Krankenpflege sei insbesondere
zum Legen und eventuellen Wechsel der Magensonde erforderlich. Es sei ihr nicht zumutbar, deswegen laufend stationäre Behandlungen
in Anspruch zu nehmen. Es sei zwar richtig, dass ihre Eltern einen pauschalen Mehraufwand für ihre Behinderung eingestellt
hätten. Ihnen entstünden aber auch tatsächlich diese Mehrkosten, nämlich durch Ausgaben für Medikamente, Aufwendungen im Zusammenhang
mit Krankenhausaufenthalten, Fahrgeld ua mehr. Im April 2009 hätten ihre Eltern ein neues behindertengerechtes Auto angeschafft,
welches zur Beförderung vom Rehabuggy, Therapiestuhl und Gepäck bei den erforderlichen Fahrten nach München erforderlich sei.
Die Anschaffungskosten für dieses Fahrzeug hätten rund 22.000 EUR betragen. Allein für den Monat August habe der Pflegedienst
einen Betrag von 630 EUR in Rechnung gestellt. Somit entstünden allein wöchentlich Kosten in Höhe von 210 EUR. Diese Kosten
könnten ihre Eltern nicht zusätzlich tragen. Die Antragstellerin hat hierzu eine weitere ärztliche Verordnung vom 29. August
2009 (Ablehnungsbescheid vom 3. September 2009), eine ärztliche Bescheinigung von Dr. M., O.-Hospital S., vom 26. August 2009
(regelmäßige Beobachtung des Ableitsystems des ventilversorgten Hydrocephalus erforderlich), der Verordnung für den Schulkindergarten
für Körperbehinderte vom 7. September 2009, der Fahrzeug-Rechnung des Autohauses W., einen Auszug für das Girokonto und die
Rechnung der Mobilen Kinderkrankenpflege für den Monat August vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. September 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr im
Wege der einstweiligen Anordnung über den 31. Juli 2009 hinaus, mindestens ab 24. August 2009 Leistungen der häuslichen Behandlungspflege
im Umfang der ärztlichen Verordnungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach den Angaben der Antragstellerin sei das Auftreten der Notwendigkeit von Interventionen jederzeit möglich. Insofern sei
nicht ersichtlich, wie diesem Umstand mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege im verordneten Umfang entgegengewirkt werden
könne, es sei denn, die Notwendigkeit der Intervention würde "zufällig" während der Anwesenheit des Pflegedienstes erfolgen.
Die Maßnahmen seien alle grundpflegerischer Natur und daher nicht der Behandlungspflege zuzurechnen. Auch stünde die Ernährung
als solche im Vordergrund.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach §
172 Abs
3 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen, da in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden
und daher auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist auch in vollem Umfang begründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt. Die Antragstellerin hat in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang Anspruch auf weitere Gewährung von häuslicher Krankenpflege. Die Pflicht der Antragsgegnerin zur Leistungserbringung
ist davon abhängig, dass ein Vertragsarzt die häusliche Krankenpflege weiter verordnet.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz nach §
86 b Abs
1 Satz 2
SGG begehrt (so bereits Beschluss des Senats vom 11. September 2008, L 11 KR 3853/08 ER-B). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt,
eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach §
86 b Abs
1 Satz 2
SGG auch zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Vorliegend ist eine Regelungsanordnung zu treffen. Bei der Entscheidung der Antragsgegnerin, die Gewährung von häuslicher
Krankenpflege mit dem 31. Juli 2009 zu beenden, handelt es sich um die Ablehnung einer (weiteren) Leistungsgewährung. Der
Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit
einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die
Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86 b Abs
1 Satz 4
SGG iVm §
920 Abs
2 Zivilprozessordnung -
ZPO).
In dem hier zu beurteilenden Fall liegen sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vor. Dabei steht dem Anspruch
für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 23. August 2009 nicht entgegen, dass Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht
werden. Zwar liegt im Regelfall bei Geldleistungen für die Vergangenheit kein Anordnungsgrund vor (vgl Keller in: Meyer-Ladewig,
9. Auflage 2008, § 86 b Rdnr 29 a). Das ist aber dann nicht der Fall, wenn ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht
ist (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B und Beschluss vom 28. Oktober 2005 - L 8 AS 3783/05 ER-B). Das ist hier der Fall, da der Antragstellerin durchgehend häusliche Krankenpflege verordnet worden ist, sie diese
erhalten und auch bezahlt hat. Sie hat diesen Anspruch auch bereits während des laufenden Widerspruchsverfahrens bei der Antragsgegnerin
geltend gemacht. Der Nachholbedarf ist ihr auch tatsächlich entstanden, denn der Kinderpflegedienst hat die entstandenen Kosten
jeweils bei der Antragsgegnerin eingereicht, so dass der Nachholbedarf insgesamt plausibel und glaubhaft gemacht ist.
Der Anspruch der Antragstellerin richtet sich nach §
37 Abs
2 Satz 1 und
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) idF ab 1. April 2007. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere
in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen
als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf
bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§
14 und
15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) zu berücksichtigen ist. Insoweit gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit
verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit
zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder zu vermindern, wobei diese Maßnahmen
typischerweise nicht von einem Arzt, sondern Vertretern medizinischer Heilberufe oder von Laien erbracht werden (BSG SozR
4 - 2500 § 37 Nr 3 und 6). Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen
zur häuslichen Krankenpflege gehören. Hierzu gehören bereits nach der Gesetzesbegründung (Bt-Drucks 16/3100 S 104) eine oro/tracheale
Sekretabsaugung und Maßnahmen zur Sekretelimination bei Mukoviszidose und Erkrankungen mit vergleichbarem Hilfebedarf. Die
hierzu ergangenen häuslichen Krankenpflegerichtlinien (Stand: 11. Juni 2008) haben deswegen als Leistungen der Grundpflege
und hauswirtschaftlichen Versorgung auch die Sondennahrung, Überwachung der Lage der Sonde, Spülen der Sonde nach Applikation,
gegebenenfalls Reinigung des verwendeten Mehrfachsystems und die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) aufgenommen.
Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin Anspruch auf Behandlungspflege. Die medizinische Notwendigkeit dieser Leistungen
ergibt sich aus den vertragsärztlichen Verordnungen von Dr. K ... Die häusliche Krankenpflege ist erforderlich zur Überprüfung,
Reinigung und eventuellem Neulegen der Sonde über die nicht nur die Ernährung teilweise bestritten wird, sondern auch die
Flüssigkeitszufuhr und Medikamentengabe erfolgt. Des weiteren muss der Shunt, dh das Ventil zur Versorgung des Hydrocephalus,
ständig kontrolliert werden. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich zusätzlich aus der ärztlichen Bescheinigung von Dr. M ...
Hierzu bedarf es auch des Kinderpflegedienstes. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese medizinischen Maßnahmen nur
von entsprechend ausgebildetem Personal erbracht werden können und die Antragstellerin nicht - wovon aber das Gutachten von
Dr. W. ohne weitere Begründung ausgeht - von ihren Eltern sichergestellt werden kann.
Die Antragstellerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie diese ihr zustehenden Leistungen über einen längeren
Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorstreckt. Denn die Kosten belaufen sich auf 610 EUR
pro Monat und übersteigen damit den geltend gemachten Pflegemehrbedarf von 400 EUR deutlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).