Erstattung von Kosten für eine pränatale Array CGH Analyse bei Zwillingsschwangerschaft
Mutterschafts-Richtlinien
Kein Anspruch auf jede mögliche oder medizinisch sinnvolle Leistung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine pränatale Array CGH (comparative genomic hybridization) Analyse
iHv 1.671,41 EUR.
Die 1984 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. 2015 war sie mit Zwillingen schwanger. Da es
sich um eine Risikoschwangerschaft handelte, war sie bei den Pränatalmedizinern G. in K. (D. II) und PD Dr. B. in F. (D. III)
in Behandlung. Schon früh wurde eine Wachstumsdiskordanz der beiden Feten festgestellt. Zum Ausschluss von Chromosomenstörungen
wurde am 03.08.2015 eine Amniozentese durchgeführt mit unauffälligem zytogenetischem Ergebnis. Im Verlauf der Schwangerschaft
wurde der Unterschied in der Gewichtsentwicklung immer ausgeprägter, zudem kam es zur Ausbildung einer Weitstellung der Seitenventrikel
im Gehirn des einen Feten (sog Hydrocephalus), während sich der andere Zwilling völlig normal entwickelte. Am 02.09.2015 in
der 22. Schwangerschaftswoche empfahl PD Dr. B. bei dieser Situation die Durchführung einer Array CGH Analyse. Diese Untersuchung
aus dem Fruchtwasser (aus der bereits erfolgten Fruchtwasseruntersuchung in K.) wurde von der Klägerin in Auftrag gegeben
(Eingang der Probe im Labor I. am 11.09.2015).
Am 03.09.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage eines Arztbriefs von PD Dr. B. vom 02.09.2015 die Kostenübernahme
für die Array CGH Analyse. Mit Bescheid vom 11.09.2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Bei einem Praena-Test handele
es sich um eine individuelle Gesundheitsleistung. Da die Untersuchung nicht in den Mutterschafts-Richtlinien aufgeführt sei,
sei eine Kostenübernahme nicht möglich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein unter Vorlage eines Briefes von Herrn G. vom 12.09.2015. Hierin wird ausgeführt,
dass im Rahmen der konventionellen Karyotypisierung keine genetische Auffälligkeit habe nachgewiesen werden können, so dass
eine Array-Analyse dringend indiziert sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der geplanten Untersuchung handele es
sich um keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkasse übernehme im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen
Versorgung grundsätzlich die Kosten für alle medizinisch notwendigen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Dazu gehörten
individuelle Gesundheitsleistungen nicht.
Hiergegen richtet sich die am 30.11.2015 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Aufgrund einer enormen Wachstumsdiskrepanz der beiden Babys und weil sich zusätzlich im Kopf des kleineren
Mädchens eine zu große Flüssigkeitsmenge befunden habe, habe PD Dr. B. die Durchführung einer Array CGH Analyse für erforderlich
gehalten, um chromosomale Ursachen auszuschließen und weitere Ergebnisse von Ultraschalluntersuchungen besser interpretieren
zu können. Auch könne dann die Geburtsklinik besser ausgewählt werden, falls nach der Geburt ein operativer Eingriff zur Ableitung
der Flüssigkeitsansammlung erforderlich sei. Die Klägerin habe die Untersuchung auf eigene Kosten durchführen lassen. Hierfür
seien nach der Rechnung vom 02.10.2015 insgesamt 1.671,41 EUR angefallen, welche die Klägerin bezahlt habe.
Das SG hat PD Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Auf dessen Aussage vom 14.04.2016 (Blatt 37 bis 40 SG-Akte) wird Bezug genommen. Mit ergänzender Aussage vom 29.11.2016 hat PD Dr. B. ausgeführt, im vorliegenden Fall habe laut
Literatur mit einer genetisch bedingten Störung in 10,3 bis 11,4% gerechnet werden müssen. Die Kenntnis einer solchen Diagnose
beeinflusse das perinatologische und insbesondere neonatologische Management. Andere diagnostische Methoden hätten nicht zur
Verfügung gestanden. Die Durchführung dieser Analyse sei absolut sinnvoll für eine optimale Beratung der Eltern und für eine
situationsgerechte postnatale Versorgung des Neugeborenen. Zum Zeitpunkt der diagnostischen Untersuchungen habe keine lebensbedrohliche
intrauterine Gefährdung bestanden.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.02.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) seien nicht erfüllt. Für eine unaufschiebbare Leistung sei kein Anhaltspunkt gegeben. Die Beklagte habe die Leistung auch
nicht zu Unrecht abgelehnt, denn es handele sich nicht um eine ausdrücklich anerkannte Untersuchungsmethode. Gemäß §
11 Abs
1 Nr
1 iVm §
24c SGB V hätten Versicherte während der Schwangerschaft Anspruch auf ärztliche Betreuung einschließlich der Untersuchungen zur Schwangerenvorsorge.
Durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft
und über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden werde eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten gewährleistet und zugleich der Umfang der den Versicherten geschuldeten Leistungen verbindlich
festgelegt. Die Array CGH Analyse sei nicht Bestandteil der Mutterschafts-Richtlinien und sei bislang auch nicht als neue
Untersuchungsmethode bewertet worden. Sie gehöre damit nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten
Leistungen. Auch die Voraussetzungen von §
2 Abs
1a SGB V lägen nicht vor. Zum Zeitpunkt der streitigen diagnostischen Untersuchung habe eine lebensbedrohliche Gefährdung weder für
die Klägerin noch für die beiden Feten bestanden.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 09.02.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 01.03.2017 eingelegte Berufung
der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren. Ergänzend hat die Klägerin weitere ärztliche
Berichte aus dem Jahr 2015 vorgelegt (Blatt 109 bis 165 Senatsakte). Ein Befund im Rahmen einer Array CGH Analyse könne die
Diagnose einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung für den Feten ergeben. Für eine exakte Einschätzung der Prognose
bedürfe es einer exakten Diagnose, die nur durch die Array Analyse möglich sei. Die Klägerin sieht sich durch das auf ihren
Antrag eingeholte Gutachten von Dr. E. bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.02.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für eine pränatale
Array CGH Analyse iHv 1.671,41 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bei der Klägerin habe eine Risikoschwangerschaft bestanden, was nach den Mutterschafts-Richtlinien die Konsequenz weiterer
engmaschigerer Kontrollen als üblich habe. Die hier streitige Maßnahme einer Array CGH zähle zu den invasiven Maßnahmen der
Pränataldiagnostik, da hierzu Fruchtwasser mittels Punktion oder Chorionzottenbiopsie entnommen werden müsse. Dies berge auch
das Risiko (bis zu 4%) einer Fehlgeburt. Trotzdem die Array CGH seit mehr als 15 Jahren medizinisch etabliert worden sei,
stelle sie weiterhin keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Der GBA habe deren Anwendung bislang nicht zugelassen.
Der Stellenwert sei auch in der medizinischen Fachwelt umstritten. Es fehlten klare Kriterien, in welchen Fällen konkret eine
solche Maßnahme erhoffte und aussagekräftige Befunde erbringen könne. Bislang liege die Trefferrate bei maximal ca 10% und
dies auch nur unter ganz enger Indikationsstellung. Auch wenn der Arzt im Rahmen der Patientenaufklärung verpflichtet sei,
über alle relevanten therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen aufzuklären, bedeute dies nicht, dass alle aufgezeigten
Verfahren von der Krankenkasse als Sachleistung abgedeckt würden. Auch die Beklagte sieht sich durch das Gutachten von Dr.
E. in ihrer Auffassung bestätigt. Die Untersuchung habe auf die prognostische Einschätzung einer möglichen Erkrankung des
Kindes abgezielt. Dies sei indessen für die Geburt von keiner Relevanz gewesen, noch hätte es in der Schwangerschaft zu notwendigen
Konsequenzen geführt.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Dr. E., Sektionsleiter Pränatalmedizin am Universitätsklinikum H., eingeholt.
Im Gutachten vom 09.08.2018 führt er aus, mit einer Array CGH könnten Deletionen und Duplikationen im Bereich der Chromosomen
auf sehr kleinen Abschnitten überprüft und nachgewiesen werden. In der pränatalen Diagnostik seien die Organsysteme mit der
wahrscheinlichsten Trefferrate für einen auffälligen Array Befund das zentrale Nervensystem (ca 6%), das gastrointestinale
System (ca 7%), das muskuloskelettale System (8%) und das kardiovaskuläre System (7%). Die Kombination einer strukturellen
fetalen Auffälligkeit (zB Fehlbildung des zentralen Nervensystems wie hier) mit einer nicht-strukturellen Auffälligkeit (Wachstumsretardierung)
erhöhe das Risiko für einen auffälligen Befund auf über 13%. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit
habe weder bei der Klägerin noch bei einem der beiden Feten vorgelegen. Die auffälligen Untersuchungsbefunde des einen Feten
hätten zwar für eine ungünstige Prognose gesprochen, hätten jedoch nicht den eindeutigen Schluss auf eine tödlich verlaufende
Erkrankung zugelassen. Durch die Array CGH Analyse habe man die Prognose konkretisieren wollen. Ein auffälliger Befund müsse
nicht, könne aber die Diagnose einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung bringen, wobei der Zeitpunkt des Todes mit
großer Wahrscheinlichkeit erst nachgeburtlich zu erwarten gewesen wäre. Es hätte eine genetische Erkrankung festgestellt werden
können. Eine eigentliche Behandlung zur Prognoseverbesserung des kindlichen Gesundheitszustands existiere nicht für den Zeitraum
der Schwangerschaft - unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines auffälligen oder unauffälligen Array CGH Ergebnisses.
Es handele sich um ein rein diagnostisches Verfahren. Bei Unkenntnis eines Array CGH Befundes würden die üblichen Kriterien
für die Betreuung Schwangerer bei unklarer kindlicher Prognose gelten. Bereits allein bei Vorliegen der beschriebenen sonografischen
Auffälligkeiten würden unmittelbar die Geburt betreffende Maßnahmen festgelegt: Empfehlung für eine Entbindung in einem Perinatalzentrum
Level 1 als auch das Vorhalten einer Neurochirurgischen Klinik, um für eine symptomatische Behandlung des Hydrocephalus durch
eine Operation gerüstet zu sein. Denkbar sei allerdings auch eine Situation, bei der eine genetische Auffälligkeit gefunden
werde, welche die kindliche Prognose deutlich verschlechtere bis hin zu einer nicht lebensfähigen Erkrankung. In einer solchen
Situation wäre zu erörtern gewesen, ob ein später, selektiver Schwangerschaftsabbruch in Frage komme. Abzuwägen wäre dann
das Risiko eines selektiven Abbruchs bei infauster Prognose dieses Feten und Eingehen des damit verbundenen Eingriffsrisikos
bei in der Folge einer risikoärmeren Einlingsschwangerschaft gegen ein rein überwachendes Vorgehen mit dem Risiko einer Zwillingsschwangerschaft
im weiteren Verlauf.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung bezüglich der durchgeführten Array
CGH Analyse hat.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach §
13 Abs
2 SGB V scheidet von vornherein aus, da die Klägerin nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt hatte.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt daher allein §
13 Abs
3 SGB V in Betracht. Ein Anspruch nach dem mit Wirkung vom 26.02.2013 durch Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (BGBl I 277) eingefügten Abs 3a dieser Vorschrift ist hier nicht gegeben, weil die
Beklagte über den am 03.09.2015 gestellten Antrag bereits mit Bescheid vom 11.09.2015 und damit innerhalb der maßgeblichen
Frist von drei Wochen entschieden hat. Die hier streitige Leistung gilt daher nicht als genehmigt iSv §
13 Abs
3a Satz 6
SGB V.
Nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind,
dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig
war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach §
2 Abs
2 Satz 1
SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen
kann (Bundessozialgericht (BSG) 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, juris). Ein Anspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch
des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus,
dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (vgl BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).
Eine unaufschiebbare Leistung lag nicht vor. Eine besondere Eilbedürftigkeit in dem Sinne, dass eine Entscheidung der Beklagten
nicht mehr abgewartet werden konnte, bestand nicht. Wie Dr. E. bestätigt hat, war eine akute Gefährdung weder der Klägerin
noch der beiden Feten gegeben. Aus dem Ergebnis der Untersuchung wären zudem auch keine unmittelbaren Konsequenzen zu ziehen
gewesen.
Auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des §
13 Abs
3 SGB V liegen nicht vor. Denn jedenfalls muss zwischen der Ablehnung der Leistung durch die Beklagte und der Selbstbeschaffung ein
Kausalzusammenhang bestehen. Dies folgt nicht zuletzt aus der Verwendung des Wortes "dadurch". Aus dem Umstand, dass zwischen
Ablehnung der Leistung und der Selbstbeschaffung ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, folgt auch die Notwendigkeit, dass
die rechtswidrige Vorenthaltung der Naturalleistung durch die Beklagte wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung war. Insbesondere
darf der Versicherte sich nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Krankenkasse ausfällt - etwa von vornherein
auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben (BSG 16. 12. 2008, B 1 KR 2/08 R, juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- bzw Operationstermins
oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (siehe u.a. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
§
13 SGB V, RdNr 89ff mwN). Die Klägerin hatte die Array CGH Analyse bereits in Auftrag gegeben, bevor die Beklagte über den Antrag
entschieden hatte. Dieser Ablauf wird nicht nur in dem Gutachten von Dr. E. so beschrieben, sondern wird auch eindeutig dadurch
bestätigt, dass die zur Untersuchung verwendete Fruchtwasserprobe aus der Untersuchung vom 03.08.2015 in K. nach den Angaben
in der Rechnung der B. GmbH vom 02.10.2015 bereits am 11.09.2015 im Labor I. einging. Erst an diesem Tag hat die Beklagte
jedoch ihren schriftlichen Ablehnungsbescheid erlassen. Angesichts dieser zeitlichen Abfolge steht für den Senat eindeutig
fest, dass sich die Klägerin unabhängig von einer Entscheidung der Krankenkasse auf die Array CGH Analyse festgelegt hatte.
Dabei war ihr bekannt, dass die vorgeburtliche Array CGH Analyse keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist,
wie sich auch aus der vorgelegten Mail eines Labors an die Klägerin wegen eines Kostenvoranschlags vom 02.09.2015 ergibt.
Lässt sich, wie hier, der Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung nicht begründen, ist der Beschaffungsweg
nicht eingehalten und der Anspruch daher schon aus diesem Grunde nicht begründet.
Unabhängig davon hätte die Klägerin auch inhaltlich keinen Anspruch gehabt, denn der Kostenerstattungsanspruch geht nicht
weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Auf die Durchführung einer pränatalen Array CGH Analyse besteht jedoch
kein Anspruch. Nach §
24c SGB V umfassen die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (1.) ärztliche Betreuung und Hebammenvorsorge, (2.) Versorgung
mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, (3.) Entbindung, (4.) häusliche Pflege, (5.) Haushaltshilfe, (6.) Mutterschaftsgeld.
Nach §
13 Abs
1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das
SGB V oder das
SGB IX vorsieht. Durch die ärztliche Betreuung in der Schwangerschaft sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter
oder Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und einer Behandlung zugeführt werden. Nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
4 SGB V ist dem GBA die Aufgabe übertragen, das Nähere über die Gewähr für ausreichende und zweckmäßige ärztliche Betreuung zu bestimmen.
Dies ist in den Mutterschafts-Richtlinien (hier idF des Beschlusses vom 19.02.2015, BAnzAT 04.05.2015 B3) erfolgt. Eine Array
CGH Analyse ist in den Mutterschafts-Richtlinien nicht vorgesehen, auch nicht für Risikoschwangerschaften (die hier nach Abschnitt
B Nr 4e mögliche Fruchtwasseruntersuchung hat die Klägerin durchführen lassen). Die Array CGH Analyse gehört damit - was zwischen
den Beteiligten nicht streitig ist - nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Regelung des §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung
nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch
absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Dies ist hier nicht der
Fall. Die medizinisch ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Schwangeren ist durch den GBA in den Mutterschafts-Richtlinien
in nicht zu beanstandender Weise konkretisiert worden. Der GBA verfügt über eine hinreichende demokratische Legitimation zum
Erlass der betroffenen Mutterschafts-Richtlinien (vgl hierzu nur BVerfG 10.11.2015, 1 BvR 2056/12, juris; BSG 15.12.2015, B 1 KR 30/15 R, BSGE 120, 170-189 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18).
Nichts Anderes folgt aus den Grundsätzen grundrechtsorientierter Auslegung bzw aus §
2 Abs
1a SGB V (eingeführt durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Nach dieser Vorschrift können Versicherte
mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung,
für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine
von §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive
Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Dagegen ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, die Grundsätze des Beschlusses
des BVerfG vom 6.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich
verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Dies würde dem Ausnahmecharakter eines solchen verfassungsunmittelbaren Leistungsanspruchs
nicht gerecht werden. Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch bleibt daher auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten
Lebensgefahr beschränkt (vgl BVerfG Beschluss vom 10.11.2015, 1 BvR 2056/12, BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18).
Erfasst werden insoweit allerdings nicht nur therapeutische, sondern auch diagnostische Maßnahmen wie hier. Verlangt wird
lediglich, dass durch die Leistung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare Besserung des Krankheitsverlaufs
besteht. Hierzu können auch (noch nicht dem Qualitätsgebot entsprechende) Untersuchungsleistungen beitragen. Gibt es keine
allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Diagnostik oder sind die diesem Standard entsprechenden diagnostischen
Möglichkeiten ausgeschöpft, ohne hinreichende Erkenntnisse für das weitere therapeutische Vorgehen zu liefern, kommen auch
noch nicht anerkannte diagnostische Methoden in Betracht, wenn im Falle einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen
Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung dadurch erst der Weg für therapeutische Maßnahmen
eröffnet werden kann, mit denen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung
auf den Krankheitsverlauf verbunden ist (BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, juris).
Hier liegen schon die Voraussetzungen des §
2 Abs
1a SGB V nicht vor. Es bestand weder bei der Klägerin noch bei den beiden Feten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende
Erkrankung, auch keine wertungsmäßig damit gleichzusetzende Erkrankung. Dies hat bereits PD Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme
an das SG vom 29.11.2016 ausgeführt und in gleicher Weise bestätigt dies der gerichtliche Sachverständige Dr. E ... Die von ihm beschriebene
rein theoretische Möglichkeit, dass die Array CGH Analyse eine tödliche Erkrankung eines Feten ergeben könnte, die sich dann
ggf nach der Geburt realisieren würde, reicht hierzu nicht aus. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse der Array CGH keine notwendigen
therapeutischen Konsequenzen nach sich ziehen, denn eine Behandlung im Sinne einer Therapie oder einer Maßnahme zur Prognoseverbesserung
des kindlichen Gesundheitszustandes ist für den Zeitraum der Schwangerschaft nicht möglich, wie Dr. E. ausdrücklich darlegt.
Auch für die Planung der Geburt im Sinne einer Eingrenzung der Risiken sind die Ergebnisse der Array CGH nicht erforderlich,
da sich die entsprechenden Empfehlungen unmittelbar bereits aus dem vorliegenden Ultraschallbefund ergeben. Auch dies hat
Dr. E. nachvollziehbar ausgeführt. Die theoretische Möglichkeit, dass ein Einfluss auf die Schwangerschaft in dem Sinne denkbar
ist, dass eine selektive Abtreibung bei durch die Untersuchung festgestellter infauster Prognose eines Feten vorgenommen wird,
stellt keine Behandlung einer lebensbedrohlichen oder wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung dar. Die Situation, dass für
den anderen Zwilling bei Fortsetzung der Schwangerschaft eine lebensbedrohliche Situation eingetreten wäre oder konkret drohte,
lag hier nicht vor.
Ein Sachleistungsanspruch hinsichtlich der begehrten Array CGH Analyse kommt daher unter keinem Gesichtspunkt in Betracht.
Auch wenn es für den Senat vollkommen nachvollziehbar ist, dass die Klägerin angesichts der festgestellten Auffälligkeiten
in der Schwangerschaft eine möglichst genaue Klärung angestrebt hat, schon um die Prognose des Kindes zu kennen, bleibt es
dabei, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht jede mögliche oder medizinisch sinnvolle Leistung bieten muss. Der Leistungskatalog
der gesetzlichen Krankenversicherung darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (BVerfG 06.12.2005,
1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BVerfG 10.11.2015, 1 BvR 2056/12, BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.