Gründe
I.
Der Kläger (und Beschwerdegegner) hat durch seinen gesetzlichen Betreuer bei dem Sozialgericht (SG) Ulm Klage gegen die beklagte Betreiberin eines Pflegeheims (Beklagte und Beschwerdeführerin) wegen Rückzahlung von 7.209,54
Euro erhoben.
Das SG hat darauf hingewiesen, dass es nicht rechtswegzuständig sei und die Sache an das Landgericht Ulm verweisen wolle, es hat
den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beklagte hat der Verweisung zugestimmt, der Kläger hat Fristverlängerung
beantragt und nach Prüfung, zuletzt mit Schriftsatz vom 14. Januar 2022, erklärt: "Ich bitte Sie den Vorgang nicht an das
Landgericht weiter zu leiten. Das heißt, ich ziehe meinen Klageantrag beim Sozialgericht zurück. ... Nachdem die Klage beim
Landgericht nur mit anwaltlichem Rechtsbeistand erfolgen kann, werde ich die Aussichten auf Erfolg durch einen Anwalt prüfen
lassen und gegebenenfalls den Klageantrag durch diesen beim Landgericht einreichen."
Unter dem 14. April 2022 hat sich für den Kläger ein Bevollmächtigter eingeschaltet und nach Akteneinsicht unter dem 15. Mai
2022 erklärt, eine Klagerücknahme liege nicht vor, der Rechtsstreit sei an das Amtsgericht (AG) zu verweisen, die Klageforderung
werde auf 1.825,20 Euro reduziert.
Das SG hat sich mit Beschluss vom 3. Juni 2022 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht (AG) Ulm verwiesen.
Eine Angelegenheit, für die nach §
51 SGG die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegeben sei, liege nicht vor. Streitigkeiten um Leistungen aus Heimverträgen
nach dem
HeimG seien den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen, aufgrund der Höhe der Forderung und dem Sitz des Beklagten
sei das AG Ulm zuständig.
Dagegen hat der Beklagte Rechtswegbeschwerde eingelegt und geltend gemacht. Das SG habe den Rechtsstreit nicht an das AG verweisen dürfen, da dieser sich durch Klagerücknahme erledigt habe. Diese Erledigung
stehe der Verweisung entgegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass das Klageverfahren S 1 SV 2713/21 erledigt und der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Ulm vom 3.
Juni 2022 gegenstandslos geworden ist.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde der Bf. (§
17a Abs.
4 Satz 3
GVG) ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen.
Für Klagen mit dem hier vorliegenden Streitgegenstand, nämlich den Anspruch auf Rückzahlung von Entgelten aus Heimverträgen
nach dem Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz - WBVG), ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben. Es handelt sich nicht um eine Streitigkeit,
für die gemäß §
51 SGG oder einer anderen Norm der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet wäre.
Bei der Klage auf Rückzahlung überhöhter Investitionskosten auf der Grundlage eines Heimvertrages handelt es sich weder um
eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit noch um eine privatrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken-
oder Pflegeversicherung. Der Heimvertrag beruht auf § 1 WBVG und regelt die Rechte und Pflichten des Trägers sowie der Bewohner, vor allem die Leistungen des Trägers und das dafür insgesamt
zu entrichtende Gesamtheimentgelt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG). Der Heimvertrag ist seinem Wesen nach ein gemischter Vertrag. Rechtsstreitigkeiten aus derartigen Verträgen gehören zu
den Angelegenheiten des Zivilrechts und sind an den einschlägigen zivilrechtlichen Normen zu messen (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 3 SF 1/05 R = SozR 4-1500 § 51 Nr. 2 unter Hinweis auf BGHZ 148, 233; 157, 309; BGH, Urteil vom 4. November 2004, NJW 2005, 824, und Urteil vom 3. Februar 2005, NJW-RR 2005, 777).
Für solche zivilrechtlichen Streitigkeiten ist ausschließlich der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (§
13 Gerichtsverfassungsgesetz -
GVG). Angesichts der zuletzt geltend gemachten Klageforderung in Höhe von 1.825,20 € fällt der Rechtsstreit in die Zuständigkeit
der Amtsgerichte (§§
23 Nr.
1,
71 Abs.
1 GVG). Örtlich zuständig ist das AG Ulm, weil die Beklagte in Ulm ihren Sitz hat (§
17 Abs.
1 GVG). An dieses Gericht ist das Verfahren zu verweisen (§
17a Abs.
2 Satz 1
GVG).
Dem steht nicht entgegen, dass im weiteren Verfahren das AG Ulm zunächst die Frage zu klären haben wird, ob der Rechtsstreit
durch das Schreiben des Klägers vom 14. Januar 2022 zurückgenommen worden ist. Die Entscheidung über die Erledigung des Rechtsstreits
nach §
102 SGG ist nicht gegenüber einer Entscheidung über die Rechtswegverweisung vorgreiflich.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das Verhältnis von Verweisung und Fortsetzungsstreit weitgehend ungeklärt ist. Die
Beklagte meint, die Frage der Klagerücknahme sei vorgreiflich gegenüber einer Verweisung zu prüfen. Der Beklagten ist auch
zuzustimmen, dass der Verweisungsbeschluss gegenstandslos wäre (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss v. 9. Januar 2017 - L 1 SV
19/16 B -, juris), wenn der Rechtsstreit (schon bei dem SG) unstreitig erledigt gewesen sein sollte. Allerdings ist das AG dafür rechtswegzuständig, in der Sache eine Streitentscheidung
herbeizuführen. Deshalb hat das SG zutreffend den bei ihm anhängigen Fortsetzungsstreit an das AG verwiesen.
Dem ist zu folgen, denn aufgrund der Verweisung wird das Verfahren in die prozessuale Situation versetzt, als hätte der Kläger
sogleich am rechtswegzuständigen Gericht geklagt, eine mögliche Klagerücknahme erklärt und später geltend gemacht, das Verfahren
sei fortzusetzen. Insbesondere ist das AG auch für den Fall das rechtswegzuständige Gericht, wenn das Verfahren fortzuführen
sein sollte.
Liegt eine Klagerücknahme, die sogar noch während des Verfahrens über die Rechtswegbeschwerde möglich wäre, unstreitig vor,
hat sich der Rechtsstreit erledigt (§
102 SGG) und das Gericht stellt das Verfahren ein. Eine Verweisung des zurückgenommenen Rechtstreits kann nicht erfolgen, weil es
schon an einem anhängigen Rechtsstreit fehlt. Der Zweck der Fortdauer der Rechtshängigkeit des Verfahrens, den die §§
17 f.
GVG gewährleisten sollen, kann nicht mehr erreicht werden. Die Beklagte kann auch aus der Entscheidung des Bayerischen LSG (Beschluss
vom 9. Januar 2017 - L 1 SV 19/16 B -, juris) nicht weiter für sich herleiten. Dort ist unstreitig die Klage während des Beschwerdeverfahrens
zurückgenommen worden. Das hatte zur Folge, dass sich das Klageverfahren erledigt hat, sodass kein zu verweisenden Verfahren
mehr vorgelegen hat. Dadurch war der vorinstanzliche Verweisungsbeschluss gegenstandslos worden ist, wie das LSG zutreffend
feststellte. Entsprechend wäre hier zu verfahren gewesen, wenn es an einem Streit darüber, ob die Klage zurückgenommen worden
ist, fehlte.
Anders liegt der Fall hier. Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten unter der Überschrift "Nichtvorliegen einer Klagerücknahme"
mit Schriftsatz vom 15. Mai 2022 vorgetragen, es liege bei sachgerechter Interpretation der auslegungsbedürftigen Erklärung
vom 14. Januar 2022 keine Klagerücknahme vor. Er hat weiter beantragt, den Rechtsstreit an das AG Ulm zu verweisen. Damit
sieht sich der Senat daran gehindert, der Auslegung der Beklagten zu folgen und die Erklärung so zu verstehen, als habe der
Kläger die Fortsetzung des Verfahrens nicht beantragt. Bei einer sachgerechten Auslegung seiner Anträge (§
123 SGG) liegt mit dem Bestreiten der Klagerücknahme und dem Antrag auf Verweisung ein Fortsetzungsstreit vor, in dem zu klären ist,
ob sich das ursprüngliche Verfahren erledigt hat oder nicht. Folglich ist zur Zeit der Beschlussfassung sowohl des SG als auch des Senats ein Rechtstreit (weiterhin oder wieder) anhängig.
Die Rechtswegzuständigkeit in Bezug auf den Fortsetzungsstreit richtet sich nach derjenigen, die für die Hauptsache eröffnet
ist oder war (vgl. B. Schmidt, in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 13. A., §
102 Rn. 9b und 12f.). Vorliegend ist also (weiterhin) die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte, konkret des AG Ulm,
gegeben.
3. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde ist - isoliert für das Beschwerdeverfahren - eine Kostenentscheidung zu treffen;
im Übrigen gilt §
17b Abs.
2 GVG. Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf entsprechender Anwendung des §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO (BSG, Beschluss vom 9. Februar 2006 - B 3 SF 1/05 R - SozR 4-1500 § 51 Nr. 2 Rdnr. 13). Die Kosten hat hier die Beklagte zu tragen, da die Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Einer Entscheidung über den Streitwert bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gerichtskosten in Höhe einer Festgebühr anfallen
(Nr. 7504 der Anlage 1 zum GKG).
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen (§
17a Abs.
4 Satz 5
GVG).