Kostenerstattung aus der gesetzlichen Krankenversicherung für ein selbstbeschafftes Hörgerät
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren zuletzt noch die Erstattung von EUR 2.068,12 (EUR 2.088,12 abzüglich der gesetzlichen
Zuzahlungen von EUR 20,00), die sie für die Beschaffung von zwei mehrkanaligen digitalen Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ,
zwei Komfort-Ohrschalen sowie einer Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 bezahlt hat.
Die 1958 geborene Klägerin ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich
Beklagte) und als EDV-Betriebswirtin und EDV-Organisatorin bei einer Bank beschäftigt. Sie leidet an einer beidseitigen mittelgradigen
Innenohrschwerhörigkeit. HNO-Arzt Dr. M. verordnete am 4. September 2003 Hörhilfen beidseits. Die Verordnung ging mit dem
Kostenvoranschlag der Firma G. Hörakustik vom 29. Oktober 2003 am 21. November 2003 bei der Beklagten ein. In dem Kostenvoranschlag
nannte die Firma G. Hörakustik den Betrag von insgesamt EUR 2.757,00 für zwei digitale Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ
(Hilfsmittelnummer 13.20.03.2047) à EUR 1.277,00 sowie eine Fernbedienung DHC 2 à EUR 203,00.
In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 23. Dezember 2003 kam Dr. V., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
Baden-Württemberg (MDK), zum Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für eine beidseitige Hörgeräteversorgung lägen grenzwertig
im Bereich der Festbetragsgruppe 13.20.03 vor. Für ein Verlassen des Festbetragsrahmens liege aus audiologischer Sicht keine
Begründung vor. Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 30. Dezember 2003 mit, sie beteilige sich an den Kosten mit dem
gesetzlich festgelegten Festbetrag (für mehrkanalige HdO- und IO-Geräte) der Gruppe 13.20.03 in Höhe von EUR 508,74. Hiergegen
erhob die Klägerin Widerspruch und verwies darauf, dass eine beidseitige Versorgung erfolge. Die Kosten für beide Hörhilfen
seien in vollem Umfang von der Beklagten zu übernehmen, da mit dem Festbetrag keine ausreichende und zweckmäßige Versorgung
gewährleistet sei. Ohne Hörhilfen könne sie am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben nicht ausreichend teilnehmen.
Die Firma G. Hörakustik übersandte der Beklagten den Anpassungsbericht der Hörakustikmeisterin K. vom 23. Februar 2004 über
die in der Zeit vom 19. November 2002 bis 23. Februar 2004 durchgeführte "Hörgerätenachversorgung", die folgende Ergebnisse
erbracht habe:
Hörsystem Hilfsmittelnummer Verkaufspreis für 2 Hörsysteme Einsilberverstehen ohne Störgeräusch Einsilberverstehen im STG
(60dB) Nutzschall 65 dB Audio Service Karat 152 AGC 13.20.02.1009 Festbetrag 70% 45% Siemens Phoenix Pro 102 13.20.03.0088
EUR 1.738,00 70% 55% Phonak Sono Forte 2 P3 AZ 13.20.03.2047 EUR 2.554,00 95% 75% Siemens Tiano 3 13.20.03.1191 EUR 4.298,00
85% 65%
Weiter führte Frau K. aus, nicht mit allen getesteten Hörsystemen sei die Klägerin in der Lage gewesen, sich schnell auf wechselnde
Hörsituationen einzustellen sowie bei Seminaren und Gesprächsrunden Zwischenrufe anderer Teilnehmer wahrzunehmen und zu verstehen.
Bestmöglich sei dies mit dem angepassten Hörsystem bestehend aus zwei Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ, zwei Ohrschalen
sowie einer Fernbedienung DHC 2. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten weiteren Gutachten vom 13. April 2004 sah
Dr. V. keine Begründung für eine Versorgung außerhalb des Festbetragsrahmens. Wenn die berufliche Situation der Klägerin besondere
Anforderungen an das Hörvermögen stelle, könne sie einen ergänzenden Antrag zur beruflichen Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger
stellen. Die Klägerin verwies unter Vorlage des Anpassungsberichts der Frau K. vom 4. Dezember 2003 erneut darauf, dass mit
"einfachen Festbetragsgeräten" eine Versorgung nicht erfolgen könne, weil mit diesen nur eine unzureichende Verständlichkeit
von 60% im schalldichten Raum erreicht werde. Sie benötige die Hörhilfen ständig im privaten und beruflichen Bereich. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe im Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95 - eine Überarbeitung und Neuregelung der Festbeträge verlangt. Dr. V. blieb in dem weiteren Gutachten vom 6. Juli 2004 bei
ihrer Auffassung. Mit Bescheid vom 8. Juli 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Kostenübernahme über die Festbetragsregelung
hinaus sei leider nicht möglich. Auch hiergegen erhob die Klägerin am 21. Juli 2004 Widerspruch. Nur die technisch bestmögliche
Versorgung mit Hörhilfen sei - auch unter Berücksichtigung des genannten Urteils des BVerfG - als ausreichend und zweckmäßig
anzusehen. Die Hörhilfen, die sich im Bereich des Festbetrags bewegten (Audio-Service-Karat 152 AGC), ermöglichten nur ein
unzureichendes Hören. Auf telefonische Anfrage der Beklagten teilte Frau K. am 6. September 2004 mit, die Klägerin habe mehrere
Hörhilfen ausgetestet. Mit der Hörhilfe Phonak Sono Forte 2 P3 AZ sei das beste Ergebnis erzielt worden. Da die Klägerin an
Konferenzen teilnehme und Kundengespräche führe, benötige sie eine Hörhilfe, die sich schnell auf veränderte Gesprächssituationen
einstellen müsse. Ferner erkundigte sich die Beklagte telefonisch bei drei anderen Hörgeräteakustikern über die Preise für
die Hörhilfe Phonak Sono Forte 2 P3 AZ. Diese nannten Preise von EUR 800,00 (geschätzt), EUR 1.304,00 und EUR 1.430,00, betonten
aber, dass es sich um ein altes Gerät handle, das in der Regel nicht mehr verkauft werde. Unter dem 13. September 2004 teilte
die Beklagte der Klägerin weiter mit, sie übernehme noch einen Zuschuss in Höhe von EUR 406,99 (Festbetrag abzüglich 20 v.H.
für die zweite Hörhilfe), eine weitere Kostenübernahme über die Festbeträge hinaus sei nicht möglich. Die Widerspruchstelle
der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin "gegen den Bescheid vom 8. Juli 2004" zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.
September 2004). In der Begründung wurden der Sachverhalt, die rechtlichen Vorschriften und verschiedene Gerichtsurteile zitiert.
Die Klägerin habe Anspruch auf Hörhilfen, für die ein Festbetrag festgesetzt sei.
Die Klägerin erhob am 7. Oktober 2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren, ihr die vollen Kosten für die Hörhilfe Phonak Sono Forte 2 P3 AZ zu erstatten. Die Beklagte verkenne die
erheblichen Einschränkungen, die sie (die Klägerin) im persönlichen und beruflichen Alltag hinzunehmen habe, wenn sie mit
einer veralteten Hörhilfe ausgestattet sei. Lediglich die Hörhilfe Phonak Sono Forte 2 P3 AZ habe auch im Störschall die beste
Sprachverständlichkeit erzielt (Bezugnahme auf die vorgelegte Bescheinigung des Dr. M. vom 28. Oktober 2004). Feinabstimmungen
und Absenkungen der Nebengeräusche seien nur mit Programmtechnik möglich. Geräte, die die Krankenkassen voll bezahlten, besäßen
nur eine einfache Analogtechnik. Auch habe das BVerfG bereits im Jahre 1995 in Zweifel gezogen, ob die Festbetragsregelung
überhaupt verfassungskonform sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 8. März
2005 - L 11 KR 1913/04 - und legte die Stellungnahmen der Dr. V. vom 22. Februar und 10. Juni 2005 vor. Die Firma G. habe drei Hörhilfen außerhalb
des Festbetragsrahmens, aber nur eine Hörhilfe zu einem Festbetrag getestet. Es könne erwartet werden, dass die Firma G. mindestens
für die Hörstörung drei in Frage kommende Hörhilfen teste. Nur dann sei es auch möglich, andere Hörgeräteakustiker oder einen
Vertrauensmann der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker dahingehend zu Rate zu ziehen, ob tatsächlich geeignete Festbetragsgeräte
ausgewählt worden seien. Da es sich, wie schon in den Vorgutachten ausgeführt, um eine der häufigsten Schwerhörigkeitsarten
handle, sei es besonders wichtig, dass der Akustiker sich bemühe, auch im Festbetragsrahmen eine adäquate Versorgung durchzuführen.
Zahlreiche mit Hörhilfen versorgten Patienten klagten über Probleme im Störgeräusch. Fraglich sei, ob der Versorgungsversuch
allein bei der Firma G. ausreichend sei oder ob die Klägerin nicht vergleichsweise noch einen anderen Akustiker hätte aufsuchen
sollen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2006 ab. Die Beklagte habe zu Recht Kosten für die beiden Hörhilfen in Höhe
von lediglich EUR 915,73 "erstattet". Aufgrund des Festbetrags, der das Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB V) konkretisiere, seien weitergehende Kostenerstattungsansprüche eines Versicherten grundsätzlich ausgeschlossen (Verweis auf
das Urteil des LSG vom 8. März 2005). Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit einem Geräte der Festbetragsgruppe 3
nicht ausreichend hätte versorgt werden können.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 24. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. Juni 2006 Berufung
eingelegt und zunächst weiterhin die Verurteilung der Beklagten begehrt, die vollen Kosten für die Hörhilfen Phonak Sono Forte
2 P3 AZ zu erstatten. Es bestünden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Festbetragsfestsetzung, weil in der Bekanntmachung über
die Festsetzung der Festbeträge im Bundesanzeiger keine Hinweise enthalten gewesen seien, wo der Verwaltungsakt und seine
Begründung eingesehen werden könne (Terminvorschau des BSG Nr. 12/06 vom 10. März 2006). Ferner habe das BSG bereits im Urteil
vom 23. Januar 2003 - B 3 KR 7/02 R - ausgeführt, dass der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht begrenze,
wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche. Lediglich die Hörhilfen Phonak Sono
Forte 2 P3 AZ hätten auch im Störschall die beste Sprachverständlichkeit erzielt.
Nach Hinweis des Senats, dass ein bezifferter Klagantrag zu stellen, die Rechnung über die angeschafften Hörhilfen, deren
teilweise Erstattung begehrt werde, vorzulegen sowie nachzuweisen sei, dass der geltend gemachte Betrag auch tatsächlich gezahlt
worden sei (Schreiben vom 7. Januar 2008), hat die Klägerin die Rechnung der Firma G. vom 30. Juli 2005 über die am 6. Juli
2005 erhaltene Hörgeräteversorgung vorgelegt. Die Firma G. hat berechnet:
Anzahl Bezeichnung Preis Kassenanteil Eigenanteil 1 Phonak Piconet2 P2 AZ EUR 1.277,00 EUR 421,28 EUR 855,72 1 Komfort-Ohrschale
EUR 70,00 EUR 35,29 EUR 34,71 1 gesetzliche Zuzahlung EUR 0,00 - EUR 10,00 EUR 10,00 1 Phonak Piconet2 P2 AZ EUR 1.277,00
EUR 421,28 EUR 855,72 1 Verminderter Kassenanteil EUR 0,00 - EUR 84,26 EUR 84,26 1 Komfort-Ohrschale EUR 70,00 EUR 35,29 EUR
34,71 1 gesetzliche Zuzahlung EUR 0,00 - EUR 10,00 EUR 10,00 1 Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 EUR 203,00 EUR 203,00
Gesamtsumme EUR 2.897,00 EUR 808,88 EUR 2.088,12
Weiter hat die Klägerin den Kontoauszug vom 1. Dezember 2005 mit der Überweisung des Betrags von EUR 2.088,12 und die ärztliche
Bescheinigung des Dr. M. vom 20. Oktober 2006 vorgelegt sowie nunmehr die Erstattung des Betrags von EUR 2.088,12 begehrt.
Auf Hinweis des Senats, dass in der Rechnung vom 30. Juli 2005 andere Hörhilfen als im Kostenvoranschlag vom 29. Oktober 2003
genannt seien, hat die Klägerin ausgeführt, endgültig ausgehändigt worden seien ihr die Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ. Hintergrund
dieser Änderung sei der langwierige Anpassungsprozess von Hörhilfen, der vom 19. November 2003 bis zur Aushändigung der Geräte
im Jahre 2005 gedauert habe, insbesondere bei Problemen betreffend die Nebengeräusche. Während der Anpassungsphase seien im
Hinblick auf die Magnettechnik Fehler am Gerät Phonak Sono Forte 2 P3 AZ aufgetreten. Wegen der mangelhaften technischen Ausstattung
dieses Vorgängergerätes sei das neuste Nachfolgemodell Phonak Piconet2 P2 AZ eingesetzt worden. Es handle sich hierbei lediglich
um das Nachfolgemodell bei gleichbleibenden Kosten. Während der Anpassungsphase sei sie zum Zwecke der Erprobung mit jeweiligen
Hörhilfen der Firma G. ausgestattet gewesen. Eine Fernbedienung sei für die Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ notwendig, da
die Programmtechnik insoweit nicht direkt an der Hörhilfe zu schalten sei. Die Komfortohrschalen unterschieden sich von den
anderen Ohrschalen lediglich im Hinblick auf einen verlängerten Bügel bei der Befestigung an der Ohrmuschel. Aufgrund des
langjährigen Tragens von Hörhilfen habe sie erhebliche Druckstellen, sodass ein verlängerter Bügel habe angepasst werden müssen.
Die Klägerin hat weiter vorgelegt die Stellungnahme der Fachgeschäftsleiterin der Firma G. von Freital, wonach sie am 19.
November 2004 mit den Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ (Hilfsmittelnummer 13.20.03.2021) versorgt worden sei. Bis zu diesem
Zeitpunkt habe sie verschiedene Hörsysteme ausführlich getestet. Während der doch recht langen Anpassung habe es von der Firma
Phonak eine Verbesserung der Technik gegeben. Die Hörhilfen Piconet2 P2 AZ und "Piconet SF 2 P3 AZ" mit der Hilfsmittelnummer
13.20.03.2047 seien von der Bauweise und der Technik identisch. Sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich habe die
Klägerin beim Testen des Nachfolgemodells festgestellt, dass gerade das Telefonieren mit den neuen Geräten einfacher gewesen
sei. Da sie die Hörhilfen erst im Juli 2005 abgerechnet und während der Anpassung zum 1. Januar 2005 mehrere Verträge geändert
worden seien, habe der neue Festbetrag von EUR 808,88 berechnet werden müssen. Des Weiteren hat die Klägerin den Bescheid
der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 14. November 2008 vorgelegt, wonach ihr Antrag vom 26. Oktober 2005 auf Kostenübernahme
für eine Hörhilfe abgelehnt worden ist, weil der Antrag verspätet gestellt worden sei (Rechnung vom 30. Juli 2005).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2006 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 30. Dezember
2003, 8. Juli und 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2004 abzuändern und die Beklagte
zu verurteilen, ihr EUR 2.068,12 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Klägerin habe auch keine weitergehenden Ansprüche auf Kostenerstattung
nach §
31 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX), weil die Versorgung mit Hörhilfen, die über den Festbeträgen lägen, nicht erforderlich gewesen sei. Die Klägerin habe trotz
Aufforderung keine Rechnung des Hörgeräteakustiker eingereicht, sodass die zugesagten Festbeträge in Höhe von insgesamt EUR
915,73 offenbar nicht ausgezahlt worden seien. Verwunderlich sei, dass die Versorgung erst während des gerichtlichen Verfahrens,
1,5 Jahre nach der Verordnung sowie zudem mit einem anderen Modell erfolgt sein solle. Ob der in der Rechnung vom 30. Juli
2005 ausgewiesene "Kassenanteil" im Jahre 2005 abgerechnet worden sei, sei nicht bekannt. Die Komfortohrschalen seien nicht
Gegenstand des Antrags gewesen und die berechnete Fernbedienung sei nachweislich kein verordnungsfähiges Hilfsmittel.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund
des §
144 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier noch maßgeblich ist, weil die Berufung vor dem 1. April 2008 eingelegt
worden ist, ist nicht gegeben. Der Beschwerdenwert von EUR 500,00 ist überschritten, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Einlegung
der Berufung (sinngemäß) die Erstattung eines Betrags von EUR 1.841,27 (EUR 2.757,00 abzüglich des von der Beklagten mit Bescheiden
vom 30. Dezember 2003 und 13. September 2004 bewilligten Betrags von EUR 915,73) begehrte (dazu sogleich unter 2.1.).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten, die sie
für die Beschaffung von Hörhilfen aufgewandt hat.
1. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln. Zu den Hilfsmittel gehören nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V Hörhilfen. Nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses (das
SGB V) oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Nach §
13 Abs.
1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs.
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch (das
SGB V) oder das
SGB IX vorsieht. Da die Klägerin nicht nach §
13 Abs.
2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch
nur §
13 Abs.
3 SGB V in Betracht. Weder die Voraussetzungen des Satzes 1 (dazu unter 2.) noch des Satzes 2 (dazu unter 3.) dieser Vorschrift liegen
vor.
2. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die erste Alternative dieser
Vorschrift scheidet aus, weil die Versorgung der Klägerin mit Hörhilfen nicht eine unaufschiebbare Leistung oder eine Notfallbehandlung
war. Auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative sind nicht gegeben, und zwar sowohl hinsichtlich des ursprünglichen
Begehrens, die Kosten für die Versorgung mit den Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ und die Fernbedienung DHC 2 zu erstatten
(2.1.) als auch mit dem im Berufungsverfahren geltend gemachten Begehren, die Kosten für die Versorgung mit den Hörhilfen
Phonak Piconet2 P2 AZ, zwei Komfort-Ohrschalen sowie einer Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 zu erstatten (2.2.).
2.1. Die Versorgung mit Hörhilfen hatte die Klägerin auf die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ konkretisiert. Bei der Beklagten
beantragte die Klägerin die Versorgung mit den und die Fernbedienung DHC 2. Dies folgt zunächst aus dem mit der Verordnung
des Dr. M. eingereichten Kostenvoranschlag der Firma G. von 29. Oktober 2003 sowie ferner aus dem Anpassungsbericht der Hörakustikmeisterin
K. vom 23. Februar 2004. Beidesmal wurden die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ als diejenigen bezeichnet, mit denen die
Versorgung erfolgen soll. Auch in der Begründung des Widerspruchs vom 5. August 2004 (Blatt 75/77 der Verwaltungsakte) gegen
den Bescheid vom 8. Juli 2004 führte die Klägerin aus, dass die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ die bei ihrem Krankheitsbild
angemessene Versorgung darstellten, und begehrte die Erstattung des im Kostenvoranschlag vom 29. Oktober 2003 angegebenen
Betrags von insgesamt EUR 2.757,00. Damit konkretisierte die Klägerin die Versorgung mit Hörhilfen auf eine solche mit den
Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ. Jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte das Hilfsmittel abnimmt und als Erfüllung
seines Sachleistungsanspruchs anerkennt, konkretisiert sich ein solcher Bewilligungsbescheid auf die abgenommene Leistung
(vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 21), hier mithin auf die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ. Die seit 19. November 2002 erfolgte
Erprobung ergab, dass die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ die adäquate Versorgung sein sollen (Anpassungsbericht vom 23.
Februar 2004). Zum damaligen Zeitpunkt konnte zudem die Hörhilfe Phonak Piconet2 P2 AZ überhaupt nicht erprobt werden, weil
sie noch nicht verfügbar war. Das Hörhilfe Phonak Piconet2 P2 AZ ist ein verbessertes Nachfolgemodell des Phonak Sono Forte
2 P3 AZ, wie sich aus der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme der Fachgeschäftsleiterin von F.
(Blatt 48/49 der LSG-Akte) ergibt. Hieraus folgt deshalb für den Senat, dass die Versorgung der Klägerin mit Hörhilfen jedenfalls
zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004) abgeschlossen war.
Dementsprechend entschied die Beklagte in den Bescheiden vom 30. Dezember 2003, 8. Juli und 13. September 2004 sowie im Widerspruchsbescheid
vom 16. September 2004 nur über die Versorgung mit den Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ einschließlich der Fernbedienung
DHC 2. Eine Entscheidung über die Versorgung mit den Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ, zwei Komfort-Ohrschalen sowie einer
Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 konnte die Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht treffen, weil diese Versorgung erst
danach, nämlich im Laufe des Jahres 2005, in Betracht gezogen wurde, als dieses Nachfolgemodell verfügbar war.
Folgerichtig begehrte die Klägerin dann auch mit der am 7. Oktober 2004 beim SG erhobenen Klage und auch zunächst mit ihrer Berufung, ihr die vollen Kosten für die Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ zu
erstatten. Der zunächst gegenüber der Beklagten geltend gemachte Sachleistungsanspruch (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V) auf Versorgung mit den Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ ist aufgrund des Erwerbs und der Aushändigung dieser Hörhilfen
an die Klägerin erloschen. An die Stelle des Sachleistungsanspruchs ist nach Maßgabe des §
13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch getreten, den die Klägerin nunmehr geltend machte. Dieser sowohl in der Klageschrift vom 6.
Oktober 2004 (Blatt 1 der SG-Akte) als auch in der Berufungsbegründung vom 28. August 2006 (Blatt 14 der LSG-Akte) formulierte Antrag ist zwar unbestimmt.
Denn ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zum Inhalt. Es muss daher ein bezifferter
Zahlungsantrag gestellt und in der Klageschrift dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (z.B.
BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; SozR 4-2500 §
39 Nr. 2, ständige Rechtsprechung). Das Begehren der Klägerin war aber sachgerecht (§
123 SGG) dahin zu verstehen, dass sie die Erstattung des Betrags von EUR 1.841,27 (EUR 2.757,00 abzüglich des von der Beklagten mit
Bescheiden vom 30. Dezember 2003 und 13. September 2004 bewilligten Betrags von EUR 915,73) für die von ihr selbst beschafften
Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ einschließlich der Fernbedienung DHC 2 begehrte. Denn der Antrag war bezifferbar, was
zur Konkretisierung des Klagebegehrens ausreicht (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr. 2). In der Klagebegründung vom 31. Januar 2005 (Blatt 9 der SG-Akte) nahm die Klägerin Bezug auf den Kostenvoranschlag der Firma G. vom 29. Oktober mit dem Gesamtbetrag von EUR 2.757,00.
Mit diesem Begehren konnte die Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil ihr für die Beschaffung der Hörhilfen Phonak
Sono Forte 2 P3 AZ einschließlich der Fernbedienung DHC 2 keine Kosten entstanden sind. Die Firma G., wobei der Senat davon
ausgeht, dass es sich bei dieser Firma um einen zugelassenen Leistungserbringer handelt, stellte der Klägerin für diese Versorgung
keine Kosten in Rechnung. Für die Zeit der Nutzung dieser Hörhilfen musste die Klägerin auch keine "Nutzungsgebühr" oder sonstige
Entgelte zahlen. Weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den zu den Akten gelangten Ausführungen der Firma G., insbesondere
der von der Klägerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 3. Juli 2008 vorgelegten Stellungnahme
der Fachgeschäftsleiterin von F. (Blatt 48/49 der SG-Akte), ergeben sich Anhaltspunkte für Abweichendes.
2.2. An dem zuvor genannten Begehren hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr festgehalten. Nach Hinweis des Senats
(Schreiben vom 7. Januar 2008, Blatt 22 der LSG-Akte), dass der Klageantrag zu beziffern, die Rechnung über die angeschafften
Hörhilfen vorzulegen sowie nachzuweisen sei, dass der geltend gemachte Erstattungsbetrag auch tatsächlich gezahlt worden sei,
hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Mai 2008 (Blatt 30 der LSG-Akte) die Erstattung eines
Betrags von EUR 2.088,12 begehrt und hierzu die Rechnung der Firma G. vom 30. Juli 2007 vorgelegt (Blatt 35 der LSG-Akte).
Der Senat lässt offen, ob insoweit eine Klageänderung nach §
99 SGG vorliegt. Er geht zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass insoweit eine Klageänderung nach §
99 SGG nicht erfolgt ist, weil Streitgegenstand nach wie vor die Erstattung von Kosten der Versorgung mit Hörhilfen ist, sondern
die Klägerin lediglich die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen berichtigt hat (§
99 Abs.
3 Nr.
1 SGG).
Dem Kostenerstattungsanspruch steht insoweit entgegen, dass sich die Klägerin die Versorgung mit den Hörhilfen Phonak Piconet2
P2 AZ, zwei Komfort-Ohrschalen sowie einer Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 selbst beschaffte, bevor die Beklagte Gelegenheit
zur Prüfung ihrer Leistungspflicht hatte. §
13 Abs
3 Satz 1 2. Alternative
SGB V gewährt einen Kostenerstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung
infolge eines Mangels im Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht
in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung
der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang
bestehen. Daran fehlt es, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst
wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (z.B. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 15/07 R -, ständige Rechtsprechung).
Die Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ, zwei Komfort-Ohrschalen sowie eine Fernbedienung Phonak DHC-2 PiCS Mark 2 beschaffte
sich die Klägerin am 6. Juli 2005. Mit dieser Versorgung war die Beklagte bis dahin und im Übrigen auch danach nicht befasst.
Denn mit den angefochtenen Bescheiden vom 30. Dezember 2003, 8. Juli und 13. September 2004 sowie dem Widerspruchsbescheid
vom 16. September 2004 entschied die Beklagte - wie oben unter 1.) dargelegt - nur über die Versorgung mit den Hörhilfen Phonak
Sono Forte 2 P3 AZ einschließlich der Fernbedienung DHC 2.
Die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vom 30. Dezember 2003 8. Juli und 13. September
2004 sowie im Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004, keine höheren Kosten als die Festbeträge zu übernehmen, geht nicht
allgemein dahin, dass lediglich die Versorgung mit dem Festbetrag geleistet werde, nicht jedoch eine darüber hinausgehende
Versorgung mit digitalen Hörhilfen. Mit den Hörhilfen Phonak Piconet2 P2 AZ ist vielmehr eine anderweitige Versorgung als
ursprünglich bei der Beklagten beantragt erfolgt. Denn - wie oben unter 1.) dargelegt - hatte die Klägerin die Versorgung
mit Hörhilfen auf eine solche mit den Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ konkretisiert, so dass die Versorgung der Klägerin
mit Hörhilfen jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004) abgeschlossen
war. Es mag sein, dass in der Folgezeit bei den Hörhilfen Phonak Sono Forte 2 P3 AZ Mängel auftraten. Wird die Ungeeignetheit
eines Hilfsmittels erst nach der Abnahme bemerkt, dann ist jedoch für die Ersatzbeschaffung ein Neuantrag zu stellen (vgl.
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 21.).
3. Die Klägerin kann den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf §§
13 Abs.
3 Satz 2
SGB V, 15 Abs.
1 Satz 3
SGB IX stützen. Nach §
13 Abs.
3 Satz 2
SGB V werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB IX nach §
15 SGB IX erstattet. §
13 Abs
3 Satz 2
SGB V betrifft der ausschließlich selbst beschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB IX (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 1 KR 31/07 R -). Selbst wenn die Versorgung mit Hörhilfen eine Leistung der medizinischen Rehabilitation wäre (§
26 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX), sind die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs aus den zuvor unter 2. genannten Gründen nicht gegeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.