Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung
Keine Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus vom Arbeitgeber als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen
bei Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagten ihm ausgezahlte Kapitalleistungen aus vier Lebensversicherungen in vollem
Umfang der Berechnung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zugrunde legen.
Der 1952 geborene Klägers ist wegen des Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtiges
Mitglied der Beklagten. Die Arbeitgeberin des Klägers schloss als Versicherungsnehmerin für den Kläger als versicherte Person
vier Verträge über Lebensversicherungen (in den Versicherungsscheinen jeweils als Direktversicherungen bezeichnet) bei einem
Versicherungsunternehmen. Diese Lebensversicherungen enthielten eine Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung, zu der in den Versicherungsscheinen
vereinbart war, bei Berufsunfähigkeit der versicherten Person entfalle die Beitragszahlung für die Hauptversicherung und die
eingeschlossenen Zusatzversicherungen. Die Tätigkeit des Klägers bei der Arbeitgeberin endete am 30. April 2002. Mit Erklärung
vom 4. Dezember 2003 übertrug die Arbeitgeberin die Eigenschaft als Versicherungsnehmer auf den Kläger.
Vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2012 bezog der Kläger von dem Versicherungsunternehmen aufgrund dieser vier Versicherungsverträge
Berufsunfähigkeitsrente (vierteljährliche Rente und Beitragsbefreiung der Kapitallebensversicherungen). Das Versicherungsunternehmen
zahlte dem Kläger zum 1. Januar 2013 aus diesen vier Versicherungsverträgen einmalig ein Kapital von EUR 6.464,98 (Versicherungsvertrag
Nr. 290504615), EUR 4.241,35 (Versicherungsvertrag Nr. 290504623), EUR 10.352,13 (Versicherungsvertrag Nr. 290504637) und
EUR 52.284,18 (Versicherungsvertrag Nr. 290504616; jeweils die zum Zeitpunkt der Zahlung maßgebliche Nummer des Versicherungsvertrags),
insgesamt EUR 73.342,64. Das Versicherungsunternehmen ermittelte die Versorgungsleistung aufgrund der Beitragszahlung durch
die Arbeitgeberin und die Versorgungsleistung aufgrund des Versicherungsschutzes wie folgt (Schreiben vom 10. April 2015):
Versicherung Nr. Versorgungsleistung über Arbeitgeberin Versorgungsleistung aufgrund Versicherungsschutz 290504615 EUR 4.575,91
EUR 1.889,07 290504623 EUR 2.734,40 EUR 1.506,95 290504637 EUR 8.132,63 EUR 2.219,50 290504616 EUR 37.184,51 EUR 15.099,67
Mit Bescheid vom 12. März 2013 setzte die Beklagte zu 1 zugleich im Namen der Beklagten zu 2 für die Zeit ab 1. Februar 2013
die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 30,79 monatlich fest. Der Berechnung legte sie zugrunde 1/120
der Kapitalauszahlungen von EUR 6.464,98 (Versicherungsvertrag Nr. 290504615), EUR 4.241,35 (Versicherungsvertrag Nr. 290504623)
und EUR 10.352,13 (Versicherungsvertrag Nr. 290504637), insgesamt EUR 175,48, sowie einen Beitragssatz zur Krankenversicherung
von 15,5 % und zur Pflegeversicherung von 2,05 %. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den seine Ehefrau (telefonisch)
am 20. Juni 2013 zurücknahm.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2014 setzte die Beklagte zu 1 zugleich im Namen der Beklagten zu 2 für die Zeit ab 1. Januar
2015 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 31,16 monatlich fest. Der Berechnung legte sie wiederum
monatliche Einnahmen von EUR 175,48 sowie einen Beitragssatz zur Krankenversicherung von 15,4 % (allgemeiner Beitragssatz
14,6 %, Zusatzbeitrag 0,8 %) und zur Pflegeversicherung von 2,35 % zugrunde.
Mit Bescheid vom 23. März 2015 setzte die Beklagte zu 1 zugleich im Namen der Beklagten zu 2 für die Zeit ab 1. Februar 2013
die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 107,25 monatlich und ab 1. Januar 2015 in Höhe von EUR 108,50
fest. Der Berechnung legte sie zugrunde 1/120 der vier Kapitalauszahlungen (EUR 611,19), einen Beitragssatz zur Krankenversicherung
von 15,5 % und ab Januar 2015 von 15,4 % (inklusive Zusatzbeitrag von 0,8 %) sowie zur Pflegeversicherung von 2,05 % und ab
Januar 2015 von 2,35 %.
Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte, bei der Beitragsberechnung nur die vom Versicherungsunternehmen im Schreiben vom
10. April ermittelten Versorgungsleistungen aufgrund der Beitragszahlung durch die Arbeitgeberin zu berücksichtigen.
Die Beklagte zu 1 setzte zugleich im Namen der Beklagten zu 2 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid
vom 22. Dezember 2015 für die Zeit ab 1. Januar 2016 in Höhe von EUR 109,72 fest (Einnahmen unverändert EUR 611,19; Beitragssatz
zur Krankenversicherung von 15,6 % inklusive Zusatzbeitrag von 1 % sowie zur Pflegeversicherung von 2,35 %).
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers "gegen den Bescheid vom 23. März 2015" zurück (Widerspruchsbescheid
vom 11. Mai 2016). Die dem Kläger im Januar 2013 ausgezahlten Kapitalleistungen stellten jeweils einmalige Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung dar, weil ein Bezug zu dem früheren Berufsleben des Klägers gegeben sei. Die Versicherungsleistungen
resultierten aus von der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherungen. Dass
die Eigenschaft als Versicherungsnehmer auf den Kläger übergegangen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem Schreiben
des Versicherungsunternehmens vom 10. April 2015 resultiere der Versicherungsschutz ausschließlich aus Beitragszahlungen,
die über die Arbeitgeberin des Klägers gezahlt worden seien. Nach der Vertragsübernahme seien die Versicherungen beitragsfrei
gestellt worden, so dass die gesamte Auszahlungssumme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) beitragspflichtig sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit diversen Urteilen entschieden, dass eine Kapitalleistung aus einem Direktversicherungsvertrag als Versorgungsbezug
beitragspflichtig sei, soweit die Arbeitgeberin Versicherungsnehmer der Direktversicherung gewesen sei. Ungeachtet der Finanzierung
genüge ein formaler Bezug zum Arbeitsleben.
Der Kläger erhob am 20. Mai 2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Er machte - wie bereits mit seinem Widerspruch - geltend, die im Januar 2013 ausgezahlten Kapitalleistungen setzten sich
aus Beiträgen zusammen, die die Arbeitgeberin und, nachdem er (der Kläger) aus dem Unternehmen ausgeschieden und die Versicherung
als Privatperson weitergeführt habe, ab dem 1. August 2013, dem Beginn des Bezugs einer Berufsunfähigkeitsversicherung aus
den Versicherungsverträgen, durch die Versicherung selbst gezahlt hätten. Da es ungeachtet der Finanzierung nur darauf ankomme,
ob ein formaler Bezug zum Arbeitsleben bestehe, dürften auch Kapitalleistungen, die sie nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis
und der Übernahme des Versicherungsvertrages durch ihn ergeben hätten, nicht bei der Bemessung der Beiträge zu berücksichtigen
sein.
Die (vom SG als alleinige Beklagte geführte) Beklagte zu 1 trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Die Beklagte zu 1 setzte zugleich im Namen der Beklagten zu 2 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid
vom 2. Januar 2017 für die Zeit ab 1. Januar 2017 in Höhe von EUR 110,93 fest (Einnahmen unverändert EUR 611,19; Beitragssatz
zur Krankenversicherung von 15,6 % inklusive Zusatzbeitrag von 1 % sowie zur Pflegeversicherung von 2,55 %). Diesen Bescheid
legten die Beteiligten dem SG nicht vor.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 18. Januar 2017 ab. Die Kapitalauszahlungen aus den Direktversicherungen an den Kläger seien
Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge nach §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Der Kläger habe keine Prämien gezahlt. Er sei aufgrund einer aus den Versicherungen zu leistenden Berufsunfähigkeitsversicherung
beitragsfrei gewesen. Auch eine zeitratierliche Berechnung des beitragspflichtigen Anteils der Gesamtablaufleistung komme
nicht in Betracht. Denn diese setze nach der Rechtsprechung des BSG vom Arbeitnehmer nach Übertragung der Eigenschaft als Versicherungsnehmer erbrachte Prämiensummen voraus. Bekannte Zeiten
prämienfreier Versicherung seien hierbei sogar herauszurechnen (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 16/10 R - juris, Rn. 42).
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 25. Januar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Februar 2017 Berufung
eingelegt. Er hat erklärt, dass sich die Klage von vornherein auch gegen die Beklagte zu 2 richte. Er ist weiterhin der Auffassung,
aufgrund der Erklärung vom 4. Dezember 2003 seien die aufgrund der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung gezahlten Beiträge
zu den Lebensversicherungen als von ihm privat gezahlte Beiträge anzusehen. Insoweit handle es sich nicht um eine prämienfreie
Versicherung im Sinne von § 165 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Entgegen den Angaben des Versicherungsunternehmens (dazu unten) habe sich die vereinbarte Leistung verringert. Eine dem
Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 30. Mai 2017 (L 1 KR 282/15 - juris) vergleichbare Fallkonstellation liege vor.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Januar 2017 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. März und
22. Dezember 2015, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016, und die Bescheide der Beklagten vom 2.
Januar 2017, 5. Januar und 17. Dezember 2018 insoweit aufzuheben, als die Beklagten einen monatlichen Beitrag zur Kranken-
und Pflegeversicherung von mehr als EUR 76,97 für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014, EUR 77,85 für das Jahr
2015, EUR 78,73 für das Jahr 2016, EUR 79,60 für das Jahr 2017, EUR 79,16 für das Jahr 2018 sowie EUR 80,48 ab 1. Januar 2019
festgesetzt haben.
Die Beklagten beantragen (sachgerecht gefasst),
die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen der Bescheide vom 5. Januar und 17. Dezember 2018 abzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Zeitraum nach der Übernahme der Eigenschaft als Versicherungsnehmer
durch den Kläger bleibe außer Betracht. Auf Anfrage des Senats haben sie angegeben, der Bescheid vom 23. März 2015 regele
die Beitragspflicht sämtlicher an den Kläger ausgezahlter Kapitalleistungen.
Die Beklagte zu 1 hat zugleich im Namen der Beklagten zu 2 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom
5. Januar 2018 für die Zeit ab 1. Januar 2018 in Höhe von EUR 110,32 festgesetzt (Einnahmen unverändert EUR 611,19; Beitragssatz
zur Krankenversicherung von 15,5 % inklusive Zusatzbeitrag von 0,9 % sowie zur Pflegeversicherung von 2,55 %) sowie mit Bescheid
vom 17. Dezember 2018 für die Zeit ab 1. Januar 2019 in Höhe von EUR 112,16 festgesetzt (Einnahmen unverändert EUR 611,19;
Beitragssatz zur Krankenversicherung von 15,3 % inklusive Zusatzbeitrag von 0,7 % sowie zur Pflegeversicherung von 3,05 %).
Auf Anfrage des Senats hat das Versicherungsunternehmen angegeben (Schreiben vom 22. Januar 2018), bei den vier ehemaligen
Direktversicherungen seien vom 1. August 2003 bis zum Ablauf am 31. Dezember 2012 jeweils fiktive Beiträge zu entrichten gewesen
(Versicherungsvertrag Nr. 290504615 vierteljährlich EUR 31,10), Versicherungsvertrag Nr. 290504623 vierteljährlich EUR 29,30,
Versicherungsvertrag Nr. 290504637 monatlich EUR 37,20, Versicherungsvertrag Nr. 290504616 vierteljährlich EUR 235,30). Durch
die vereinbarte Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung seien die Verträge so gestellt worden, als ob die Beiträge kontinuierlich
weiter entrichtet worden seien. Die ursprünglich vereinbarte Leistung habe sich durch diese Beiträge nicht erhöht, sondern
sei beibehalten worden. Es könne nicht mehr simuliert werden, wie es gewesen wäre, wenn keine Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung
eingeschlossen gewesen wäre. Der Kläger habe keine privaten Beiträge zu den Verträgen entrichtet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG sowie die von den Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden hat, ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung nach §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach §
144 Abs.
1 SGG. Denn der Rechtsstreit betrifft Beiträge für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
2. Die sachgerechte Fassung der Anträge der Beteiligten (§
123 SGG) ergibt sich aus Folgendem:
a) Gegenstand des Rechtsstreits sind zunächst die Bescheide der Beklagten vom 23. März und 22. Dezember 2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016.
aa) Der Bescheid vom 23. März 2015 ist ein Zweitbescheid (hierzu z.B. BSG, Urteil vom 7. April 2016 - B 5 R 26/15 R - juris, Rn. 21). Regelung dieses Bescheides ist die Erhebung von Beiträgen ab 1. Februar 2013 aus den vier an den Kläger
erfolgten Kapitalauszahlungen. Mit ihm ersetzten die Beklagten ihre vorherigen Bescheide vom 12. März 2013 und 28. Dezember
2014, die allein die drei Kapitalauszahlungen von EUR 6.464,98 (Versicherungsvertrag Nr. 290504615), EUR 4.241,35 (Versicherungsvertrag
Nr. 290504623) und EUR 10.352,13 (Versicherungsvertrag Nr. 290504637) verbeitragten. Sie trafen erneut eine Sachentscheidung
auch zu diesen drei Kapitalauszahlungen. Sie eröffneten damit auch erneut den Rechtsweg, so dass die Bestandskraft der früheren
Bescheide der Zulässigkeit einer Klage nicht entgegenstehen.
bb) Der Bescheid vom 22. Dezember 2015 wurde nach §
86 SGG Gegenstand des damals noch anhängigen Widerspruchsverfahrens, ohne dass es der ausdrücklichen Einlegung eines Widerspruches
bedurfte. Der Prüfung dieses Bescheides im Klage- und damit auch dem Berufungsverfahren steht nicht entgegen, dass er im Widerspruchsbescheid
vom 11. Mai 2016 nicht genannt ist. Ergeht ein Widerspruchsbescheid, der erkennbar eine abschließende Entscheidung über den
gesamten Verfahrensgegenstand treffen sollte, liegt ein abgeschlossenes Vorverfahren vor, auch wenn nur über einen Teil der
belastenden Regelungen entschieden wurde. Eine Aussetzung zur Nachholung des Vorverfahrens diesbezüglich ist nicht erforderlich
(BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 - B 13 R 454/12 B - juris, Rn. 20 m.w.N.).
b) Gegenstand des Rechtsstreits sind des Weiteren die nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen weiteren Beitragsbescheide.
Denn sie sind als abändernde Verwaltungsakte gemäß §
96 Abs.
1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klage- sowie des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 2. Januar 2017 wurde Gegenstand
des Klageverfahrens beim SG. Da das SG über diesen ergangenen Bescheid versehentlich nicht entschied, weil die Beteiligten entgegen der ihnen nach §
96 Abs.
2 SGG obliegenden Verpflichtung ihn nicht vorlegten, holt das Berufungsgericht die Entscheidung über diesen Bescheid nach (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 10 EG 19/11 R - juris, Rn. 17, Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
96 Rn. 12a). Die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 5. Januar und 17. Dezember 2018 sind nach §§
153 Abs.
1,
96 Abs.
1 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Senat geworden, der insoweit nicht auf Berufung, sondern auf Klage zu entscheiden hat (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 10 EG 12/10 R - juris, Rn. 17; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
96 Rn. 7 m.w.N.).
c) Der Kläger wendet sich nur dagegen, dass die Kapitalauszahlungen aus den vier Versicherungsverträgen der Berechnung der
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit monatlichen Einnahmen von mehr als EUR 438,56 zugrundegelegt wird. Unter
Berücksichtigung dieser Einnahmen ergeben sich die im Antrag genannten monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
d) Obwohl der Kläger bei Erhebung der Klage als Beklagte nur die die zu 1 beklagte Krankenkasse nannte, richtete die Klage
sich von vornherein nicht nur gegen diese, sondern auch gegen die zu 2 beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des
Rubrums auf Beklagtenseite auch noch im Berufungsverfahren - möglich und keine Klageänderung im Sinne des §
99 SGG ist (vgl. Urteile des Senats vom 12. September 2014 - L 4 KR 75/14 - in juris, vom 21. November 2014 - L 4 KR 1792/13 -, vom 12. Dezember 2014 - L 4 KR 3408/11 - und vom 27. Februar 2015 - L 4 KR 2931/13 - jeweils nicht veröffentlicht). Denn die Klage betraf von Anfang an nicht nur die Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung,
sondern auch zur Pflegeversicherung. Das SG entschied im angefochtenen Gerichtsbescheid auch über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Beiträge zur Pflegeversicherung.
3. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zuvor genannten streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen
den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagten einen monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung von mehr
als EUR 76,97 für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014, EUR 77,85 für das Jahr 2015, EUR 78,73 für das Jahr
2016, EUR 79,60 für das Jahr 2017, EUR 79,16 für das Jahr 2018 sowie EUR 80,48 ab 1. Januar 2019 festsetzten.
a) Die Beklagte zu 1 war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2 auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen.
Nach §
46 Abs.
2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung [Pflege-WEG] vom 28. Mai 2008, BGBl. I, S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und
zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen,
dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§
46 Abs.
2 Satz 5
SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1 in allen streitgegenständlichen Bescheiden
gegeben.
b) Nach §
220 Abs.
1 Satz 1
SGB V und §
54 Abs.
1 SGB XI werden die Mittel der Krankenversicherung und Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Die Beiträge werden
nach §
223 Abs.
2 Satz 1
SGB V und §
54 Abs.
2 Satz 1
SGB XI nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Der Umfang der Beitragspflicht beurteilt sich nach dem Versichertenstatus
des Klägers in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden, nämlich als pflichtversicherter Rentner in der Kranken- und
Pflegeversicherung der Rentner. Diese Mitgliedschaft des Klägers bei den Beklagten besteht seit 1.Februar 2013 unverändert.
Nach §
237 Satz 1 Nr. 2
SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern neben der Rente der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren
Einnahmen zugrunde gelegt. Nach §
237 Satz 2, seit 1. Januar 2017 Satz 4
SGB V gilt u.a. §
229 SGB V entsprechend. Nach §
229 Abs.
1 Nr.
5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit
oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung; außer Betracht bleiben Leistungen
aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des §
92 Einkommensteuergesetz (
EStG) (eingefügt zum 1. Januar 2018 mit Art. 4 Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze [Betriebsrentenstärkungsgesetz] vom
17. August 2017 [BGBl. I, S. 3214]) sowie Leistungen, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger
Versicherungsnehmer aus nicht durch die Arbeitgeberin finanzierten Beiträgen erworben hat (eingefügt zum 15. Dezember 2018
mit Art. 1 Nr. 5a Gesetz zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-VEG] vom 11.
Dezember 2018 [BGBl. I, S. 2387]). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung
oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach §
229 Abs.
1 Satz 3
SGB V ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig
Monate. Für die Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bei Mitgliedern der Pflegeversicherung, die in der
gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gilt nach §
57 Abs.
1 Satz 1
SGB XI unter anderem §
229 SGB V entsprechend.
aa) Die dem Kläger aus den vier Versicherungsverträgen gezahlten Kapitalleistungen sind jeweils ein Versorgungsbezug im Sinne
des §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 und Satz 3
SGB V, der gemäß §
237 Satz 1 Nr. 2
SGB V der Beitragsbemessung ab 1. Februar 2013 zugrunde zu legen ist, weil es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung
handelt. Denn diese Kapitalleistungen beruhten auf der von seiner früheren Arbeitgeberin als Direktversicherung abgeschlossenen
Lebensversicherungen. Die wesentlichen Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung als einer mit der Rente aus
der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Einnahmen sind schon deshalb erfüllt, weil der Kläger den Anspruch auf
dem nach §
1 Abs.
2 Nr.
4 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (
BetrAVG) vorgesehenen Durchführung im Wege der Direktversicherung erwarb (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 20/17 R - juris, Rn. 17 f.). Dass es sich um Direktversicherungen handelte, ergibt sich aus den Versicherungsscheinen und wird vom
Kläger auch nicht bestritten.
bb) Die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung ist
verfassungsgemäß (ständige Rechtsprechung, zuletzt BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2018 - 1 BvL 2/18 - juris, Rn. 19 m.w.N.).
cc) Der Beitragspflicht unterliegt grundsätzlich der gesamte Auszahlungsbetrag. Dies folgt aus dem im Sozialrecht grundsätzlich
geltenden Bruttoprinzip (BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 20/17 R - juris, Rn. 21).
c) Von der Beitragspflicht ausgenommen sind nur Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung
seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt
hat (BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - juris, Rn. 13 ff. sowie vom 14. April 2011 - 1 BvR 2123/08 - juris, Rn. 6 f.; BSG, Urteile vom 30. März 2011 - B 12 KR 16/10 R - juris, Rn. 29, - B 12 KR 24/09 R - juris, Rn. 25). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit der zum 15. Dezember 2018 erfolgten Einfügung in §
229 Abs.
1 Nr.
5 SGB V durch Art. 1 Nr.
5a GKV-VEG nachvollzogen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, Bundestags- Drucksache 19/5112, Seite
44 f.).
aa) Diese Voraussetzungen sind für die fiktiven Beitragszahlungen zu den vier Lebensversicherungen ab dem 4. Dezember 2003
bis zum Ablaufdatum am 31. Dezember 2012 erfüllt (ebenso im Ergebnis LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Mai 2017 - L 1 KR 282/15 - juris, Rn. 29 ff.). Der Kläger war ab 4. Dezember 2003 Versicherungsnehmer. Er zahlte zwar keine Beiträge zu den Lebensversicherungen.
Es erfolgte jedoch eine fiktive Beitragszahlung als Versicherungsleistung des versicherten Risikos der Berufsunfähigkeit.
Dies unterscheidet sich nicht von Beitragszahlungen, die ein Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses und der Übertragung
des Versicherungsvertrags auf ihn als Versicherungsnehmer tatsächlich zahlt, beispielsweise aus den ihm zufließenden Versicherungsleistungen
des Vertrages. Der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts ist bei fiktiver Beitragszahlung ebenso verlassen wie bei
einer tatsächlichen Beitragszahlung. Im Hinblick auf Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) ist deshalb eine unterschiedliche Behandlung fiktiv gezahlter Beiträge und tatsächlich gezahlte Beiträge durch den Arbeitnehmer
nach Einrücken in die Stellung als Versicherungsnehmer nicht zulässig.
bb) Der beitragspflichtige Teil der gesamten Ablaufleistung ist entweder durch eine prämienratierliche Berechnung oder, falls
dies nicht mehr feststellbar ist, hilfsweise durch eine zeitratierliche Berechnung des beitragspflichtigen Anteils der gesamten
Ablaufleistung zu bestimmen (siehe hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 24/09 R - juris, Rn. 33). Aus der vom Versicherungsunternehmen dem Senat erteilten Auskunft vom 22. Januar 2018 entnimmt der Senat,
dass eine prämienratierliche Berechnung nicht mehr durchführbar ist, weshalb auf die zeitratierliche Berechnung auszuweichen
ist, wie sie das Versicherungsunternehmen im Schreiben vom 10. April 2015 angab. Danach betrugen die von der früheren Arbeitgeberin
des Klägers finanzierten Versorgungsleistungen für den Versicherungsvertrag Nr. 290504615 EUR 4.575,91, den Versicherungsvertrag
Nr. 290504623 EUR 2.734,40, den Versicherungsvertrag Nr. 290504637 EUR 8.132,63 und den Versicherungsvertrag Nr. 290504616
EUR 37.184,51, insgesamt EUR 52.627,45. Bei der Aufteilung durch 120 ergibt sich dann der Betrag von EUR 438,56. Allein dieser
Betrag kann der Berechnung der Beiträge den Lebensversicherungen zugrundegelegt werden.
cc) Prämienfreie Zeiten nach §§ 165 und 166 VVG sind nicht herauszurechnen. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 VVG kann der Versicherungsnehmer jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung
in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. Eine
solche Umwandlung der Lebensversicherungen verlangte der Kläger nicht. Die Lebensversicherungen waren auch nicht prämienfrei
gestellt. Denn vereinbart war eine Prämienzahlung als Versicherungsleistung. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VVG wandelt sich, wenn der Versicherer das Versicherungsverhältnis kündigt, mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie
Versicherung um. Eine Kündigung des Versicherers erfolgte nicht.
d) Unter Berücksichtigung der von den Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden zutreffend genannten Beitragssätzen
zur Kranken- und Pflegeversicherung ergeben sich ein monatlicher Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung von EUR 76,97
für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014, EUR 77,85 für das Jahr 2015, EUR 78,73 für das Jahr 2016, EUR 79,60
für das Jahr 2017, EUR 79,16 für das Jahr 2018 sowie EUR 80,48 ab 1. Januar 2019.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
4 SGG.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere liegt eine grundsätzliche Bedeutung nicht vor. Die Frage
der Berücksichtigung als Versicherungsleistung wirksam gewordener fiktiver Beiträge zu einer Direktversicherung ab dem Zeitpunkt,
ab dem der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer ist, lässt sich anhand der vorhandenen Rechtsprechung des BVerfG und BSG beantworten.