Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung für die Durchführung von Radiofrequenzdenervierungen
Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung verfügte Honorarkürzung für die Quartale
1/2011 bis 2/2012 im Hinblick auf die Durchführung von Radiofrequenzdenervierungen.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Orthopädie mit Sitz in M. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Als solcher ist er
u. a. berechtigt, ambulante Operationen des Kapitels 31.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen
(EBM) durchzuführen und abzurechnen.
In dem für das Quartal 1/2012 ergangenen Honorarbescheid vom 16.07.2012 wurde ihm u. a. die Gebührenordnungsposition (GOP) 31257 EBM unter Angabe des vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) für Operationen
herausgegebenen Schlüssels für Operationen und sonstige medizinische Prozeduren - OPS - (vgl. §
295 Abs.
1 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch,
SGB V) 5-035.7 vergütet.
Die GOP 31257 EBM - hier (wie auch die weiter genannten GOP-Ziffern) in der für die Quartale 1/2011 bis 2/2012 geltenden Fassung, im Folgenden nur: EBM - hat folgenden Wortlaut:
"31257 Zentraler neurochirurgischer Eingriff der Kategorie P7
obligater Leistungsinhalt
- chirurgischer Eingriff der Kategorie P7 entsprechend Anhang 2
fakultativer Leistungsinhalt
- ein postoperativer Arzt-Patienten-Kontakt
Anmerkung
Im Anschluss an Leistung nach der Nr. 31257 kann für die postoperative Behandlung die Gebührenordnungsposition 31675 oder
31676 berechnet werden.
Berichtspflicht
Nein
Ausschluss der Berechnungsfähigkeit der Pauschale für die fachärztliche Grundversorgung
Ja
6408 Punkte"
Der OPS 5-035.7 - hier ebenfalls (wie auch die weiter genannten OPS-Ziffern) in der für die Quartale 1/2011 bis 2/2012 geltenden
Fassung, im Folgenden nur: OPS - hat folgenden Wortlaut:
"Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rückenmarks und der Rückenmarkhäute: Intraspinale Nervenwurzeln und Ganglien,
sonstiges erkranktes Gewebe"
In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 23.05.2012 führte die Beklagte aus, bei der Abrechnungsprüfung des Quartals
1/2012 sei aufgefallen, dass der Kläger die GOP 31257 EBM unter Angabe des OPS-Codes 5-035.7 an einem Tag sechs Mal abgerechnet habe; der Kläger werde gebeten zu diesen
Behandlungsfällen die entsprechenden Operationsberichte vorlegen.
Ausweislich der vom Kläger am 03.09.2012 vorgelegten Operationsberichte vom 29.02.2012 wurde bei allen sechs Patienten eine
Radiofrequenzdenervierung durchgeführt. Bei vier Patienten wurde unter Angabe der Diagnose "Chronisches ISG Schmerzsyndrom
rechts" bei bis ins Detail identischem Text als Operation "Cooled RF Neurotomie auf 3 Etagen rechts, transforaminäre Infiltration
S1 re" und bei zwei Patienten unter Angabe der Diagnose "chronisches LWS Schmerzsyndrom" ebenfalls bei bis ins Detail identischem
Text als Operation "Radiofrequenzdenervierung L3 - S1 bds" angegeben. Keiner der Berichte ist unterschrieben, Angaben zur
Operationsdauer und das Datum der Berichterstellung fehlen.
Mit Bescheid vom 29.10.2012 verfügte die Beklagte Honorarkürzungen im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung für die
Quartale 1/2011 bis 2/2012 wie folgt:
-Die Leistung nach der GOP 31257 EBM mit OPS 5-035.7 wird umgewandelt in die Leistung nach GOP 34503 EBM (Bildwandlergestützte Intervention an der Wirbelsäule; obligater Leistungsinhalt: bildwandlergestützte Intervention
in bzw. an Nerven, Ganglien, Gelenkkörper(n) und/oder Gelenkfacette(n) der Wirbelsäule....) mit OPS 5-040.6. (Operationen an Nerven und Nervenganglien, Inzision von Nerven, Plexus lumbosacralis);
-Die Leistungen nach den GOP's 34280 EBM (Durchleuchtungen) und 31676 EBM (Postoperative Behandlung nach der Erbringung einer Leistung entsprechend der
GOP's 31256, 31257, 31266 oder 31267 bei Erbringung durch den Operateur), welche im direkten Zusammenhang mit der ambulanten
Operation nach der GOP 31257 EBM (OPS 5-035.7) stehen, werden gestrichen.
-Die Sachkosten nach der GOP 99205 EBM, welche im direkten Zusammenhang mit der ambulanten Operation nach der GOP 31257 EBM (OPS 5-035.7) stehen, werden gestrichen.
Zur Begründung führte die Beklagte, der auch die vom behandelnden Anästhesisten für den gleichen Zeitraum angeforderten Narkoseprotokolle,
die die Narkosedauer ausweisen, vorlagen, aus, die Prüfung habe ergeben, dass die Leistung der GOP 31257 EBM mit OPS 5-035.7 im Quartal 1/2012 insgesamt 19 mal abgerechnet worden sei. Sechs Operationen seien neben weiteren
ambulanten Eingriffen am selben Tag (29.02.2012) abgerechnet worden. Die Zeitprofilprüfung für den 29.02.2012 habe eine auffällige
Tagesarbeitszeit von 17:51 Stunden ergeben. Der zur Unterstützung der Prüfung in medizinischer Hinsicht hinzugezogene Fachberater
habe festgestellt, dass die abgerechnete Leistung nicht dem angesetzten OPS, welcher auf mehr als zwei Stunden Dauer kalkuliert
sei, entspreche. Es sei von einer Denervation des Iliosakralgelenks (<ISG>; Verbindung zwischen Darmbeinschaufel und Kreuzbein)
mittels Thermosonde auszugehen. Diese entspreche, da es sich um extraspinale Nervenanteile des Plexus lumbosacralis handele,
dem OPS 5-040.6. Diese Prozedur sei im Anhang 2 zum EBM nicht abgebildet, sondern sei, bei minimal invasiver Durchführung
unter Bildwandlerkontrolle mit der GOP 34503 EBM abzurechnen. Unterstützt werde dieses Ergebnis durch die Auswertung der Narkoseprotokolle. Die Narkosezeiten lägen
mit einem Zeitvolumen von 30 bis 55 Minuten deutlich unter der Kalkulationszeit des abgerechneten Eingriffs. In den Narkoseprotokollen
werde auch jeweils nur eine intravenöse Narkose, die keine vertragsärztliche Leistung im Sinne des EBM sei, dargestellt. Abdeckungen
seien im Rahmen von ambulanten Operationen gem. den Allgemeinen Bestimmungen des EBM unter Punkt 7.1 (Kosten für Einmal-Abdecksets)
ab 01.10.2010 in den GOP enthalten und daher nicht gesondert berechnungsfähig. Der Plausibilitätsausschuss sei deshalb zur Überzeugung gekommen, dass
der Leistungsinhalt der GOP 31257 EBM in Verbindung mit OPS 5-035.7 nicht erfüllt worden sei. Er habe deshalb die Honorarbescheide für die Quartale 1/2011
bis 2/2012 aufgehoben und die Honoraransprüche neu festgesetzt. Die Umsetzung der Berichtigungen und die sich hieraus ergebenden
Berichtigungssummen erfolgten im Rahmen von maschinellen Korrekturläufen im Honorarbescheid für das Quartal 4/2012.
Am 11.11.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, die GOP 34503 EBM sei eine Röntgenziffer, bei der insbesondere die Radiologen in der Regel im Computertomogramm (CT) eine Kanüle
an oder ggf. in das Facettengelenk vorschieben und eine Kombination von Lokalanästhetikum mit Cortison injizieren würden.
Dies sei weder die Denervierung noch die Inzision eines Nerven. Eine Intervention mit Lokalanästhesie und Cortison sei auch
keine Nervendestruktion. Damit handele es sich schon nach den Ausführungen der Beklagten zumindest um die OPS 5-041.5 (Exzision
und Destruktion von erkranktem Gewebe von Nerven: Nerven Rumpf) oder 5-041.6 (Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe
von Nerven: Plexus lumbosacralis). Allerdings arbeite er auch nicht am Plexus lumbosacralis und er inzidiere keine Nerven, vielmehr zerstöre er sie thermisch.
Im Übrigen unterschreite er auch regelmäßig die für eine Nucleoplasty angesetzte Zeitvorgabe. Er fügte ein Schreiben der Kassenärztlichen
Vereinigung B. vom 01.02.2012 (Abrechnung einer ISG-Denervation nach dem OPS 5-035.3 <Exzision und Destruktion von erkranktem
Gewebe des Rückenmarks und der Rückenmarkhäute, Rückenmarkhäute, sonstiges erkranktes Gewebe> möglich) und ein Schreiben der
Beklagten vom 25.02.2011 bzgl. der Abrechnung von Materialkosten (steriles Probekit grundsätzlich nach 7.3 der Allgemeinen
Bestimmungen des EBM gesondert berechenbar) bei.
Die Beklagte richtete wegen der Abrechnung einer minimalinvasiven Denervation des ISG nach der GOP 31257 EBM eine Anfrage an die KBV. Im an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 20.02.2013 führte die KBV aus, die Legendierung
des OPS- Codes 5-035.7 werde bei der Denervierung des ISG sicherlich nicht erbracht. Der OPS selbst steuere für die Denervierung
des ISG keine zusätzlichen Informationen bei. Der OPS-Code für die Denervierung werde zwar in der Ausgabe des DIMDI genannt,
allerdings als arthroskopischer Eingriff, was keinen Sinn mache, da eine Arthroskopie des ISG kaum durchführbar erscheine.
Daher sei der OPS-Code nicht in den Anhang 2 aufgenommen worden. Andererseits sei die GOP 34504 EBM (CT-gesteuerte schmerztherapeutische Intervention(en)) in der derzeit gültigen Version (Stand 4. Quartal 2013)
durchaus geeignet, entsprechende Eingriffe abzubilden. Dies sei nach ihrer Einschätzung die zutreffendste Abrechnungsmöglichkeit.
Möglich erscheine auch die Abrechnung über den OPS-Code 5-041.6, da man aufgrund der Tatsache, dass das Gewebe zu erheblichen
Schmerzen führe, mit der Definition "erkranktes Gewebe" bedingt argumentieren könne. Auch anatomisch sei der Plexus lumbosacralis
durchaus mit dem ISG verbunden, so dass es sich bei diesem Abrechnungsweg um einen ausnahmsweisen Umgehungskreislauf handele.
Mit Bescheid vom 18.03.2013 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, indem sie den Bescheid vom 29.10.2012
teilweise aufhob und in Höhe von 5.362,14 € die Sachkosten nach der GOP 99205 EBM, die im direkten Zusammenhang mit der ambulanten Operation nach der GOP 31257 EBM standen, zurückerstattete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2013 wies die Beklagte den darüber hinaus aufrechterhaltenen Widerspruch des Klägers hinsichtlich
der Restbeschwer von 34.675,51 € zurück. Der Kläger habe die Prüfzeit, die so bemessen sei, dass ein erfahrener, geübter und
zügig arbeitender Arzt die Leistung im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen
kann, in allen sechs Prüffällen nach den Narkoseprotokollen des Anästhesisten um mehr als 50 %, in einem Fall sogar um 75
%, unterschritten. Berücksichtige man auch noch die Einschlaf- und Aufwachphasen, werde der eigentliche ambulante Eingriff
in deutlich weniger als der Hälfte der Prüfzeit durchgeführt. Es sei auch nicht regelmäßig mindestens OPS 5-041.5 oder 5-041.6
erfüllt, da diese OPS die Destruktion erkrankten Gewebes forderten, die Deneveration jedoch die Destruktion gesunden Nervengewebes
intendiere, um die Schmerzleitung zum ISG zu unterbrechen. Der Leistungsinhalt der OPS 5-041 sei grundsätzlich nicht erfüllt.
Auch wenn in Ausnahmefällen der Ansatz der OPS 5-041 als möglich angesehen werde, wäre die Umwandlung in GOP 34503 EBM nicht zu beanstanden. Dabei handele es sich um die zutreffendste Abrechnungsweise und der Kläger habe von dieser,
von ihm nunmehr als möglich erachteten Abrechnungsweise, in keinem Fall Gebrauch gemacht. Da die GOP 31257 EBM in Verbindung mit OPS 5-035.7 in der Abrechnung des Klägers insgesamt und nicht nur an einzelnen Behandlungstagen
Rückschlüsse auf die Unrichtigkeit der Abrechnung zulasse, habe der Plausibilitätsausschuss die Berichtigung beschlossen.
Durch die Abrechnung der nicht oder nicht vollständig erbrachten Leistungen sei die Garantiefunktion der Sammelerklärung entfallen.
Damit fehle eine grundlegende Voraussetzung für die Festsetzung eines Honoraranspruchs des Vertragsarztes. Als Konsequenz
habe sich der Plausibilitätsausschuss veranlasst gesehen, die Honorarbescheide der Quartale 1/2011 bis 2/2012 aufzuheben und
den Honoraranspruch neu festzusetzen.
Am 12.11.2013 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug vor, die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass er das Honorar zu Unrecht erhalten habe. Allein aus dem Umstand,
dass eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung der Gebührenordnung wahrscheinlicher erscheine als eine unwirtschaftliche bzw.
korrekte Leistungserbringung, ergebe sich keine Berechtigung zur Honorarberichtigung. Eine solche komme nur dann in Betracht,
wenn Abrechnungsfehler konkret vorlägen, mithin eine nicht leistungslegendengerechte Abrechnung nachweisbar vorliege. Dies
sei hier nicht der Fall. Die Beklagte beschränke sich unter Bezugnahme auf sechs Beispielfälle, die sich nur auf das Abrechnungsquartal
1/2012 bezögen, auf pauschale Unterstellungen und Schlussfolgerungen. Eine substantiierte und nachvollziehbare Begründung
dafür, dass die von ihm zur Abrechnung gebrachte Leistung nach GOP 31257 EBM (OPS 5-035.7) nicht dem angesetzten OPS entspreche, liege nicht vor. Der pauschale Hinweis auf die Kalkulationszeit
zur GOP 31257 EBM (120 Minuten) führe in der Sache ebenfalls nicht weiter. Die von der Beklagten nicht näher begründete Zuordnung
der von ihm erbrachten Operationsleistungen zur GOP 34503 EBM (OPS 5-040.6) sei im Übrigen rechtsirrig. Maßgeblich sei der Wortlaut der vertragsärztlichen Vergütungsbestimmung.
Danach sei es weder nachvollziehbar noch rechtlich zulässig, wenn die Beklagte die von ihm erbrachte Operationsleistung in
ihrem Sinn bewerte und gebührenrechtlich großzügig ausgelegt einer anderen Abrechnungsziffer des EBM zuordne. Darüber hinaus
liege ein Wegfall der Garantiefunktion der Sammelabrechnung nur in den Fällen des qualifizierten Verschuldens vor. Für Vorsatz
oder zumindest grobe Fahrlässigkeit gebe es bei ihm freilich weder tatsächlich noch rechtlich Anhaltspunkte. Sofern ein Abrechnungsfehler
in einem bestimmten Abrechnungsquartal vorliegen sollte, sei jedenfalls diese Feststellung ohne konkrete Feststellungen nicht
ohne Weiteres auf weitere Quartale zu übertragen. Der angefochtene Bescheid mit der pauschalen Bezugnahme auf sechs Beispielsfälle
zum Quartal 1/2012 trage seinem Vertrauensschutz nicht hinreichend Rechnung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die von ihr aufgrund einer Plausibilitätsprüfung vorgenommenen Berichtigungen seien
nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der GOP 31257 EBM sei der Leistungsinhalt nicht erbracht. Der Kläger habe lediglich eine Denervierung des ISG mittels Thermosonde
vorgenommen. Dies erfülle nicht die Voraussetzungen für die OPS-Codierung 5-035.7. Auch die KBV teile diese Auffassung. Dem
habe der Kläger auch nicht substantiiert widersprochen. Dieses Ergebnis finde auch in den einschlägigen Anästhesieprotokollen
eine Stütze. Für die ambulante Operation nach der GOP 31257 EBM sei im EBM eine Kalkulationszeit von 148 Minuten und eine Prüfzeit mit 120 Minuten hinterlegt. Der Kläger müsse
die eigentlichen ambulanten Operationen in deutlich weniger als der Hälfte der Prüfzeit durchgeführt haben. In einer derartigen
kurzen Zeit sei die ordnungsgemäße Erfüllung der Leistungslegende schlechterdings unmöglich. Auffällig sei zudem, dass die
Operationsberichte der vier bzw. zwei Patienten jeweils bis ins Detail identisch seien. Sie enthielten weder Angaben über
die Operationsdauer noch seien sie unterschrieben, auch fehle das Datum der Berichterstellung. Zutreffend seien auch die Leistungen
nach der GOP 34280 EBM und 31676 EBM, die in direktem Zusammenhang mit den ambulanten Operationen nach der GOP 31257 EBM in Verbindung mit OPS 5-035.7 stünden, gestrichen worden. Die GOP 31676 könne nur nach der Erbringung einer Leistung entsprechend den GOP Nrn. 31256, 31257, 31266, 31267 EBM erbracht werden. Indem die Leistung nach der GOP 31257 EBM nicht ordnungsgemäß erbracht und somit zu streichen gewesen sei, sei ein Ansatz der GOP 31676 EBM nicht gerechtfertigt. Durch die von ihr, der Beklagten, zugunsten des Klägers vorgenommene Umwandlung der GOP 31257 EBM in die GOP 34503 EBM, sei der Ansatz der GOP 34280 EBM ausgeschlossen. Die Abrechnungssammelerklärungen des Klägers, mit denen dieser die Richtigkeit der in Ansatz gebrachten
Leistungen bestätigt habe, seien damit falsch. Für sie, die Beklagte, entfalle damit die Verpflichtung dem Arzt mehr als eine
unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Das Honorarrisiko liege auf Seiten des Klägers. Der Kläger habe auch zumindest
grob fahrlässig gehandelt. Mit den Sorgfaltspflichten eines korrekt abrechnenden Arztes sei nicht vereinbar, dass OPS-Codierungen
angesetzt würden, deren Legendierung nicht erfüllt seien. Bei der Neufestsetzung des Honorars stehe ihr, der Beklagten, ein
weites Schätzungsermessen zu. Das Abrechnungsverhalten des Klägers im Quartal 1/2012 lasse Rückschlüsse auf die Abrechnung
aller ambulanten Operationen nach der GOP 31257 EBM in Verbindung mit OPS 5-035.7 nicht nur an einzelnen Behandlungstagen, sondern insgesamt zu. Sie sei im Rahmen
des ihr zustehenden Schätzungsermessens deshalb berechtigt, die für das Quartal 1/2012 getroffenen Feststellungen auf die
übrigen streitgegenständlichen Quartale zu übertragen. Auch in diesen Quartalen sei ein entsprechendes Abrechnungsverhalten
anzunehmen. Dies werde vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt worden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen.
Erst nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist könnten Honorarbescheide wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter
den Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden. Diese Frist sei für die streitgegenständlichen Quartale 1/2011 bis 2/2012 zum Zeitpunkt des Erlasses
des Rückforderungsbescheids vom 29.10.2012 noch nicht abgelaufen gewesen.
Mit Urteil vom 15.03.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe in den von der Beklagten überprüften Fällen für die von ihm durchgeführten
Radiofrequenzdenervierungen zu Unrecht die GOP 31257 EBM abgerechnet. Den Leistungsinhalt der OPS 5-035.7 habe der Kläger für die mit zwei Vertragsärzten fachkundig besetzte
Kammer nicht erfüllt. Die Radiofrequenzdenervierung sei eine Hitzesondenbehandlung, bei der kein Gewebe exzidiert, d. h. chirurgisch
entfernt, werde. Sie bewirke auch keine Destruktion erkrankten Gewebes. Dies gelte auch für die vom Kläger vorgenommenen Eingriffe.
Damit habe auch die GOP 31676 EBM nicht abgerechnet werden können. Ob der Leistungsinhalt der GOP 34503 EBM erfüllt sei, habe sie, die Kammer, nicht zu prüfen, da der Kläger durch diese Entscheidung der Beklagten nicht
beschwert sei. Die Beklagte sei im Rahmen des ihr zustehenden Schätzungsermessens auch berechtigt, in den streitgegenständlichen
Quartalen in gleicher Weise sämtliche Ansätze der GOPen 31257, 31676 und 34280 EBM zu berichtigen. Der Kläger habe in den
überprüften Behandlungsfällen ausnahmslos eine Radiofrequenzdenervierung vorgenommen und fälschlich die GOP 31257 mit OPS 5-035.7 abgerechnet. Damit habe er ein grundsätzliches (Fehl-)Verständnis der abgerechneten Leistung zum Ausdruck
gebracht. Dass er in einem der berichtigten Fälle etwas anderes durchgeführt habe, habe der Kläger nicht vorgetragen. Auch
die Verwendung identischer Operationsberichte spreche für eine regelhaft vom Kläger erbrachte Leistung. Die Zahl der berichtigten
Fälle stehe auch nicht außer Verhältnis zur Zahl der überprüften Behandlungsfälle. Die Beklagte habe auf einer Basis von sechs
überprüften Behandlungsfällen insgesamt 49 Fälle (zwischen vier und achtzehn Fälle pro Quartal) berichtigt. Auf Vertrauensschutz
könne sich der Kläger nicht berufen. Sofern wie hier die Beklagte den Honorarbescheid wegen Falschabrechnung lediglich teilweise
aufhebe und auch nur den hierauf entfallenden Honoraranteil zurückfordere, setze die (nachgehende) sachlich-rechnerische Berichtigung
von Honorarabrechnungen ein Verschulden des Vertragsarztes nicht voraus.
Gegen das ihm am 04.04.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.05.2016 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung seines
bisherigen Vorbringens rügt er, dass sich das SG mit dem Hinweis begnüge, dass die Kammer mit zwei Vertragsärzten fachkundig besetzt sei. Diese pauschale und nicht näher
begründete Bewertung sei zu beanstanden. Das SG hätte sich mit dem entscheidungserheblichen (Abrechnungs-)Sachverhalt näher/intensiver auseinandersetzen müssen. Auch werde
der Rechtsmeinung des SG widersprochen, wonach es seine, des Klägers, Sache sei, nicht nur allgemein die Beklagte zu kritisieren, sondern aufzuzeigen,
dass seine Abrechnungen zutreffend seien. Die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis etwaiger Abrechnungsfehler liege
regelmäßig bei der Beklagten. Für eine Beweislastumkehr liege kein sachlicher Grund vor. Es gebe keinen allgemeinen und rechtsverbindlichen
Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen möglicherweise implausibel abgerechnete Leistung automatisch auch
in allen anderen Fällen/Quartalen nicht plausibel sei.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.03.2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29.10.2012 in der Fassung
des Bescheids vom 18.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2013 insoweit aufzuheben, als die Leistung
nach der GOP 31257 EBM mit OPS 5-035.7 in die Leistung nach GOP 34503 EBM mit OPS 5-040.6 umgewandelt wurde und die Leistungen nach den GOPs 34280 EBM und 31676 EBM gestrichen wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.
Im Rahmen eines am 02.03.2017 durchgeführten Erörterungstermins hat der Kläger erklärt, dass er bei der Radiofrequenzdenervierung
Nervenäste, die die Gelenke versorgten, mit Wärme abtöte. Vor der Denervierung führe er einen Test mit einem Lokalanästhetikum
durch. Wenn dieser mit Blick auf die Möglichkeit der Lahmlegung der Nervenästchen positiv ausfalle, könne die Radiofrequenzdenervierung
durchgeführt werden. Bei den abzutötenden Nervenästchen handele es sich um zu aktive Nervenästchen, die Schmerzen verursachten.
Am 29.02.2012 habe er deshalb so viel operiert, weil an diesem Tag bei ihm ein Techniker, der sich mit dem Gerät auskenne,
gewesen sei. Er sei an diesem Tag sehr lange im Operationssaal gestanden. Die Operation dauere in der Regel 45 Minuten, teilweise
auch viel länger.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die
Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gem. §§
143,
144 SGG statthaft und auch sonst zulässig; der Beschwerdewert des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG (750,00 €) ist bei einer streitigen Honorarforderung in Höhe von 34.675,51 € unzweifelhaft überschritten.
Der Senat hat in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragstherapeuten entschieden,
weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§
12 Abs.
3 Satz 2
SGG).
Die Berufung führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die streitigen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen
der Honorarbescheide für die Quartale 1/2011 bis 2/2012 und die damit verbundene Festsetzung von Rückforderungen in Höhe von
insgesamt 34.675,51 € bzgl. der GOP 31257 EBM in Verbindung mit dem OPS-Code 5-035.7 sowie die Streichung der GOPen 34280 EBM und 31676 EBM, welche in direktem
Zusammenhang mit der ambulanten Operation nach der GOP 31257 EBM (OPS 5-035.7) stehen bzw. durch die zugunsten des Klägers von der Beklagten vorgenommene Umwandlung der GOP 31257 EBM in die GOP 34503 EBM ausgeschlossen sind, sind nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
sowie auf die Begründung der Bescheide der Beklagten Bezug (§§
153 Abs.
1 und
2,
136 Abs.
3 SGG). Ergänzend sei angemerkt:
Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Berichtigung von Vertragsarztabrechnungen bzw. die Aufhebungen bereits ergangener
Honorarbescheide und die Rückforderung von Vertragsarzthonorar ist §
106a SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung <a.F.>, jetzt §
106d SGB V; i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X); ergänzende Regelungen enthalten bzw. enthielten zu dem für die Rückforderung maßgeblichen Zeitpunkt § 45 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Ersatzkassenvertrag Ärzte (EKV-Ä).
Gem. §
106a Abs.
1 SGB V a.F. prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität in der vertragsärztlichen
Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte
fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität und die Prüfung der abgerechneten Sachkosten
(§
106a Abs.
2 Satz 1
SGB V a.F.). Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich aus den "Richtlinien gem. §
106a SGB V" (RL §
106a SGB V, hier in der Fassung vom 01.07.2008 <Deutsches Ärzteblatt 2008, A1925>), die die Partner der Bundesmantelverträge auf Grundlage
des §
106a Abs.
6 SGB V a.F. vereinbart haben. Nach §
5 Abs.
1 RL §
106a SGB V stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe auf Grund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender
Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche
Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen
aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine
fehlerhafte Leistungserbringung zu Grunde liegt. Nach §
7 Abs.
1 RL §
106a SGB V werden Plausibilitätsprüfungen von der Kassenärztlichen Vereinigung als regelhafte Prüfungen (§
7 Abs.
2 RL §
106a SGB V) durchgeführt, die sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten (§
5 Abs.
1 Satz 3 RL §
106a SGB V) erstreckt.
Konkretisierend hierzu ist in der auf §
13 Abs.
1 RL §
106a SGB V beruhenden Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen festgelegt, dass die Plausibilität
der Honorarabrechnung u. a. auf der Grundlage von Stichproben geprüft wird (§§ 4, 5 der Verfahrensordnung), wobei nach Anlage
1 Nr. 3 der Verfahrensordnung u. a. auch statistische Auffälligkeiten, insbesondere bei der Abrechnung von Leistungspositionen
um 100 % oberhalb des Schnitts der Arztgruppe überprüft werden. Erst wenn die Kassenärztliche Vereinigung auf Grund der Plausibilitätsprüfung
allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden
sind, führt die Kassenärztliche Vereinigung ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch (§
5 Abs.
2 Satz 1 RL §
106a SGB V); die auf Grund einer Plausibilitätsprüfung festgestellten Abrechnungsfehler führen in vollem Umfang zur Abrechnungskorrektur
(Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2016, §
106a SGB V, Rdnr. 6).
Die Berichtigung bereits erlassener Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung) stellt im Umfang der vorgenommenen Korrekturen
zugleich eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids dar und bewirkt, dass überzahltes Honorar gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzuzahlen ist (BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R -, in [...]). Das Recht (und die Pflicht) der Kassenärztlichen Vereinigung zur Berichtigung bereits erlassener Honorarbescheide
(nachgehende Richtigstellung) unterliegt nicht der Verjährung. Allerdings gilt für die nachgehende Richtigstellung eine (an
das Verjährungsrecht angelehnte) Ausschlussfrist von vier Jahren (vgl. etwa BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R -, m. w. N., in [...]). Vertrauensschutz kann der Vertragsarzt gegen die nachgehende Richtigstellung von Honorarbescheiden
regelmäßig nicht einwenden. Besonderer Vertrauensschutz gem. § 45 SGB X ist für den Anwendungsbereich der §§ 106a SG V a.F., 45 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä ausgeschlossen, da diese Bestimmungen als Sonderregelungen im Sinne des §
37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) das allgemeine Sozialversicherungsrecht verdrängen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R -; auch Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 12/09 R -, beide in [...]). Nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Berichtigungsvorschriften kommt Vertrauensschutz gem. § 45 SGB X in Betracht. Das ist nach der Rechtsprechung des BSG der Fall, wenn die Ausschlussfrist für nachgehende Richtigstellungen von vier Jahren abgelaufen oder die Befugnis zur nachgehenden
Richtigstellung "verbraucht" ist, etwa, indem die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung in einem der Honorarverteilung
nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. Dann wird die
jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt aufgehoben und die Kassenärztliche Vereinigung
kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen (vgl. BSG, Beschluss vom 03.02.2010 - B 6 KA 22/09 B -; Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R -; Urteil vom 08.12.2006 - B 6 KA 12/05 R -, alle in [...]). Allgemeiner (rechtsstaatlicher) Vertrauensschutz ist sowohl innerhalb wie außerhalb des Anwendungsbereichs
der Berichtigungsvorschriften in (seltenen) Ausnahmefällen möglich. Ein solcher Ausnahmefall kann etwa angenommen werden,
wenn die Kassenärztliche Vereinigung bei Erlass des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen
der Honorarverteilung nicht hingewiesen und dadurch schutzwürdiges Vertrauen bei den Vertragsärzten hervorgerufen hat oder
wenn die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheids aus Umständen herrührt, die die besonderen Funktionsbedingungen des Systems
vertragsärztlicher Honorierung nicht konkret berühren (Urteil des erkennenden Senats vom 26.10.2016 - L 5 KA 1494/14 - m. w. N. sowie BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R - und Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R -, alle in [...]).
Die (nachgehende) sachlich-rechnerische Berichtigung von Honorarabrechnungen setzt ein Verschulden des Vertragsarztes nicht
voraus, sofern die Kassenärztliche Vereinigung den ergangenen Honorarbescheid wegen Falschabrechnung lediglich teilweise -
hinsichtlich der als fehlerhaft beanstandeten Leistungsabrechnung - aufhebt und auch nur den hierauf entfallenden Honoraranteil
zurückfordert, dem Vertragsarzt das Honorar im Übrigen also ungeschmälert belässt (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R -, in [...]).
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2016, - B 6 KA 17/15 R - und Urteil vom 11.02.2015, - B 6 KA 15/14 R -; BSG, Beschluss vom 28.09.2016, - B 6 KA 17/16 B - und Beschluss vom 12.12.2012, - B 6 KA 31/12 B -, alle in [...]) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche
Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers
des EBM - des Bewertungsausschusses gemäß §
87 Abs.
1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als
einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw.
Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau
der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines
Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei
unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen
die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Diese Auslegungsgrundsätze gelten
nicht allein für Vergütungstatbestände, sondern auch für Kostenerstattungstatbestände, soweit diese nicht auf die Erstattung
des konkreten Kostenaufwands angelegt sind, sondern pauschal Erstattungen vorsehen (BSG, Urteil vom 30.11.2016, - B 6 KA 17/15 R - und Urteil vom 11.12.2013, - B 6 KA 14/13 R - m.w.N., Beschluss vom 28.09.2016 - B 6 KA 17/16 B -, alle in [...]).
Über die Auslegung des von den zuständigen Gremien erlassenen Regelwerks für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen muss
im Streitfall das Gericht im Wege der Rechtsanwendung, nämlich der Anwendung der nach der Rechtsprechung des BSG hierfür maßgeblichen Auslegungsregeln, entscheiden. Die Entscheidung über die Enge oder Weite von Leistungstatbeständen ist
eine Frage der rechtlichen Auslegung. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Daher ist im Streit um sachlich-rechnerische
Richtigstellungen grundsätzlich kein Raum für Sachverständigenvernehmungen (so jurisPK-SGB V/Clemens, § 106a Rdnr. 49 unter Bezugnahme u.a. auf die Rspr. des BSG). Sind danach allein maßgeblich juristische Auslegungsmethoden, tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund (BSG, Beschluss vom 12.12.2012, - B 6 KA 31/12 B -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 10.03.2004, - B 6 KA 118/03 B -: u.a. Frage, welche Leistungen mit der Pauschale nach GOP 3454 EBM a.F. <bis 31.03.2005> - Grundpauschale für Ärzte für Laboratoriumsmedizin - abgegolten sind, dem Beweis durch Sachverständigen
nicht zugänglich; auch etwa Senatsurteil vom 24.02.2016, - L 5 KA 5799/11 -, alle Entscheidungen in [...]).
Der Normgeber des EBM hat bei der Abfassung der Vergütungstatbestände im Übrigen eine weite Gestaltungsfreiheit (vgl. etwa
BSG, Urteil vom 04.05.2016 - B 6 KA 16/15 R -, Urteil vom 16.12.2015, - B 6 KA 39/15 R - und Urteil vom 28.05.2008, - B 6 KA 9/07 R -, alle in [...]). Er hat insbesondere die Befugnis zur Generalisierung, Pauschalierung, Schematisierung und Typisierung.
Unwirksam wäre eine Regelung nur dann, wenn sie nicht sachgerecht wäre. Ob dies der Fall ist, ist nach rechtlichen Kriterien
zu beurteilen. Einwendungen aus medizinischer Sicht sind grundsätzlich unerheblich (jurisPK-SGB V/Clemens § 106a Rdnr. 96
m. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben hat der Kläger mit der Durchführung der Radiofrequenzdenervierungen den Leistungsinhalt
der GOP 31257 EBM (OPS-Code 5-035.7) nicht erbracht.
Die Leistungslegende der GOP 31257 EBM nimmt für die Abrechnung des chirurgischen Eingriffs auf den Anhang 2 des EBM und die darin vorgenommene Zuordnung
des chirurgischen Eingriffs zu den OPS-Nrn. des DIMDI Bezug. Der Bewertungsausschuss hat damit den Wortlaut der OPS-Nrn. -
hier der OPS 5-035.7 - zum Bestandteil des Wortlauts der Leistungslegende und damit des Leitungstatbestands der in Rede stehenden
GOP des EBM gemacht. Der Wortlaut der in den EBM-Leistungstatbestand inkorporierten OPS-Nrn. ist deswegen nach den gleichen Rechtsgrundsätzen
wie der Wortlaut der GOP selbst auszulegen (Senatsurteil vom 24.02.2016 - L 5 KA 5799/11 - a.a.O.).
Davon ausgehend kann die GOP 31257 EBM in Verbindung mit der OPS 5-035.7 nur abgerechnet werden, wenn bei einem chirurgischen Eingriff eine Exzision und
Destruktion von erkranktem Gewebe durchgeführt wird. Die lateinische Wurzel des Begriffs "Exzision", das Verb excidere, bedeutet
(her)aushauen, -schneiden, abhauen. Der Begriff "Destruktion" stammt vom lateinischen Wort destructio, was als Niederreißen
übersetzt wird. Der Leistungsinhalt Exzision erfordert damit das Herausschneiden von Gewebe. Dies beinhaltet, dass das Gewebe
aus dem Körper entfernt wird. Der Leistungsinhalt ist hingegen nicht erfüllt, wenn das Gewebe im Körper verbleibt. Es genügt
nicht, wenn das Gewebe "nur" abgeschnitten wird, aus dem Zusatz "heraus" ergibt sich, dass das Abschneiden auch mit dem Herausnehmen
- aus dem Körper - verknüpft ist. Daneben ist auch die Zerstörung von Gewebe (Destruktion) erforderlich. Dabei muss sowohl
eine Exzision als auch eine Destruktion durchgeführt werden, nachdem die beiden Substantive mit dem Wort "und" verknüpft sind.
Der Wortlaut der genannten OPS-Nr. lässt eine andere Auslegung nicht zu.
Den Leistungsinhalt einer Exzision hat der Kläger bei der Durchführung der hier in Rede stehenden Radiofrequenzdenervierung
freilich nicht erbracht, er hat - dies hat er selbst auch anlässlich des am 02.03.2017 durchgeführten Erörterungstermins bestätigt
- kein Gewebe entfernt. Er hat das Verfahren dahingehend beschrieben, dass er bei der Radiofrequenzdenervierung Nervenäste,
die die Gelenke versorgen, mit Wärme abtötet. Die Nervenäste werden dabei nicht aus dem Körper entfernt, sondern - abgetötet
- an Ort und Stelle belassen; sie werden denerviert. Dies wird auch aus den Operationsberichten vom 29.02.2012 deutlich, wonach
"nur" das Material, jedoch kein Gewebe entfernt wurde. Eine Exzision im Sinne eines Herausschneidens findet damit nach Auffassung
des fachkundig besetzten Senats nicht statt. Diese Auffassung vertritt auch die KBV in ihrem an die Beklagte gerichteten Schreiben
vom 20.02.2013. Damit fehlt es bereits am ersten Erfordernis für die Anwendung der OPS 5-034.7. Darauf ob die Denervierung
der Nervenäste eine Destruktion darstellt und ob es sich bei den denervierten Nervenästen um erkranktes Gewebe handelt, woran
der Senat Zweifel hat, da die Schmerzen der Patienten nicht von den Nervenästen, sondern vom ISG oder den Wirbel- und Facettengelenken
herrühren dürften und dies damit das erkrankte Gewebe sein dürfte, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Um den OPS-Code
5-035.7 anwenden zu können, muss sowohl eine Exzision als auch eine Destruktion vorliegen, nachdem die Exzision und die Destruktion
durch das Wort "und" verknüpft sind. Daran fehlt es hier.
Damit ist der Leistungsinhalt des OPS-Codes 5-035.7 und damit auch die GOP 31257 EBM nicht erfüllt. Dies war im Falle des Klägers am 29.02.2012 bei sechs Ansätzen insgesamt sechs Mal der Fall. Dies
entspricht einem in 100 % der Fälle fehlerhaftem Ansatz. Die von der Beklagten angenommene und der Richtigstellung zugrunde
gelegte 100 % Fehlerhaftigkeit bzgl. der GOP 31257 EBM mit Blick auf alle im Quartal 1/2012 durchgeführte Radiofrequenzdenervierung ist nach Auffassung des Senats nicht
zu beanstanden. Hierfür spricht die Auswertung der sechs Patientendokumentationen, aus der sich ergab, dass der Kläger diese
GOP in sämtlichen Fällen der Radiofrequenzdenervierung angesetzt hat. Dies entspricht einer Ansatzhäufigkeit von 100 %. Diese
Ansatzhäufigkeit ist bei allen 18 Patienten, bei denen die GOP 31257 EBM im Quartal 1/2012 zum Ansatz kam, anzuwenden. Der Kläger hat dieses Abrechnungsverhalten generell und nicht nur
mit Blick auf die überprüften sechs Dokumentationen aufgrund seines Verständnisses der Radiofrequenzdenervierung und der Anwendung
der GOP 31257 EBM an den Tag gelegt. Einer darüber hinausgehenden weiteren Prüfung bedurfte es angesichts der gleichgelagerten Fälle
insoweit nicht. Anhaltspunkte für ein nachfolgend geändertes Abrechnungsverhalten liegen nicht vor. Dies trägt auch der Kläger
nicht vor. Die GOP 31257 EBM wurde damit zu Recht bei allen 18 Fällen im Quartal 1/2012, bei denen sie vom Kläger angesetzt worden war, gestrichen.
Dies hat zur Folge, dass auch die GOP 31676 EBM, die im direkten Zusammenhang mit der ambulanten Operation nach der GOP 31257 steht, nicht abgerechnet werden kann.
Verjährung bzw. der Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs war insoweit noch nicht eingetreten. Der Honorarbescheid
für das Quartal 1/2012 datiert vom 16.07.2012, der Rückforderungsbescheid vom 29.10.2012 erging damit vor Ablauf der vierjährigen
Verjährungs-/Ausschlussfrist. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauen berufen. Die Beklagte hatte den Honorarbescheid
zuvor nicht bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt. Sie hatte den Kläger in der Vergangenheit auch nicht darin bestätigt,
dass die von ihm vorgenommene Abrechnung der GOP 31257 EBM korrekt sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der Kassenärztliche
Vereinigung B. vom 01.02.2012, wonach der Eingriff ggf. nach dem OPS 5-035.3 abgerechnet werden kann. Auf das an einen anderen
Orthopäden gerichtete Schreiben der nicht für ihn zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung B. vermag sich der Kläger insoweit
nicht zu stützen. Ob dem Kläger deswegen Verschulden zur Last fällt, ist unerheblich, da der Honorarbescheid nicht allein
wegen Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung insgesamt, sondern wegen Verstoßes gegen die genannte Abrechnungsbestimmung
- unter Belassung des Vertragsarrzhonorars im Übrigen - nur teilweise aufgehoben worden ist.
Die Beklagte war darüber hinaus berechtigt, auch die Abrechnungen in den Quartalen 1/2011 bis 4/2011 und 2/2012 zu berichtigen.
Auch insoweit war die Abrechnung der GOP 31257 EBM fehlerhaft. Zwar setzt die nach den obigen Ausführungen vorzunehmende Richtigstellung grundsätzlich voraus, dass
die Kassenärztliche Vereinigung dem Arzt für jedes Quartal, für das sie das Quartal richtig stellen will, zumindest eine unrichtige
Abrechnung pro Quartal nachweist. Ein solcher Nachweis liegt für die Quartale 1/2011 bis 4/2011 und 2/2012 nicht vor. Hier
hat der Kläger jedoch ein grundsätzliches Verständnis der Abrechnung der Radiofrequenzdenervierung mit der GOP 31257 (OPS 5-035.7) deutlich gemacht. Dies hat er auch im Berufungsverfahren noch einmal wiederholt. Die Fälle sind auch
in diesen Quartalen gleichgeartet und die Ansatzhäufigkeit mit Ansätzen zwischen vier und zehn weicht auch nicht gravierend
von dem überprüften Quartal 1/2012, in dem der Kläger die Radiofrequenzdenervierung 18 mal durchführte, ab. Dies rechtfertigt
die Übertragung des Honorarrisikos auf den Arzt. Der Arzt ist in solchen Fällen gehalten nachzuweisen, dass er die Leistungslegende
der GOP erfüllt hat. Es wäre Sache des Klägers gewesen, nachzuweisen, dass er in diesen Quartalen die GOP 31257 EBM nur in den Fällen angewandt hat, in denen er tatsächlich Gewebe entfernt hat. Dem kam der Kläger für die Quartale
1/2011 bis 4/2011 und 2/2012 nicht nach. Von daher ist die Vorgehensweise der Beklagten nicht zu beanstanden.
Etwas anderes lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der Kläger sich der Unrichtigkeit der von ihm abgeführten Abrechnung
nicht bewusst war und es auch in den streitgegenständlichen Quartalen keine GOP gab, die in der Lage war, die Radiofrequenzdenervierung korrekt abzubilden. Die Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen
Berichtigung setzt grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kassenärztliche
Vereinigung den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung aufhebt
(BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R -, n [...]). Dies war hier nicht der Fall. Die Honorarbescheide für die streitgegenständlichen Quartale wurden nur hinsichtlich
der Abrechnung dreier GOP's mit Blick auf die Radiofrequenzdenervierung reduziert. Auch bzgl. der Quartale 1/2011 und folgende erging die Berichtigung
am 29.10.2012 vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist.
Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a
SGG, 154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).