Anspruch auf Sozialhilfe; Anrechnung von Einkommen des Ehegatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Pflegegeldes nach § 64 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Zeit
vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011 streitig, insbesondere die Anrechnung des Ehegatteneinkommens.
Die 1958 geborene, schwerbehinderte Klägerin ist aufgrund einer Querschnittslähmung dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen;
auch die oberen Extremitäten sind teilweise gelähmt, die Greiffunktionen stark eingeschränkt. Seitens der Pflegekasse ist
sie als Schwerstpflegebedürftige i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ([SGB XI]; Pflegestufe
III) anerkannt und erhält entsprechende Sachleistungen. Ein Pflegegeld nach §
37 SGB XI bezieht sie nicht. Bereits vor Einführung der sozialen Pflegeversicherung hatte sie ein Pflegegeld nach den bis 31. März
1995 geltenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) - gekürzt wegen des Bezuges weiterer Leistungen - bezogen. Ihr 1957 geborener Ehemann (im Folgenden JS) leidet an einer
spastischen Halbseitenlähmung mit starker Gehbehinderung (Pflegestufe I nach §
15 SGB XI). Das Ehepaar wohnt gemeinsam mit ihrem 1987 geborenen, studierenden Sohn in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Die 1989 geborene
Tochter hat nach Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zum 1. Oktober 2010 die elterliche Wohnung verlassen, um auswärts
ein Studium aufzunehmen. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich monatlich auf € 288,62.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. € 979,88 sowie eine
VBL-Rente i.H.v. € 258,79 (jeweils monatlicher Auszahlungsbetrag). Das monatliche Einkommen des JS aus einer Teilzeittätigkeit
als Jugendgerichtshelfer belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf € 1.608.- netto. Das Kindergeld
i.H.v. € 184.- monatlich je Kind wurde an ihn ausgezahlt; eine Weiterleitung an die Kinder erfolgte nicht. Auf einen staatlich
geförderten Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) zahlte er monatlich € 35,95, als Gewerkschaftsbeitrag monatlich € 19,09.
Den Weg zur 25 km entfernten Arbeitsstelle legt er mit einem Kfz zurück; die Haftpflichtversicherung für dieses belief sich
auf € 16,73 monatlich. Die Kinder hatten von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen erhalten,
in der diese gegenwärtig aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnungsrechts lebt. Anträge auf Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) wurden aufgrund dessen abgelehnt. Die Eltern unterstützen den Sohn mit € 300.- monatlich, die Tochter ab dem 1. Oktober
2010 mit monatlich € 400.-.
Die Klägerin erhält vom Beklagten Hilfe zur Pflege u.a. in Form der Kostenübernahme für die Dienste der Sozialstation und
privater Einsatzkräfte, soweit sie durch Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckt werden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 hatte der Beklagte außerdem als Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni
2007 ein als besitzstandwahrend bezeichnetes Pflegegeld i.H.v.
€ 195,16 monatlich bewilligt. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 zurückgewiesen
worden. Der Beklagte hatte ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf besitzstandwahrendes Pflegegeld nach Art. 51 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG), sondern nur auf solches nach dem SGB XII mit einer ungünstigeren Einkommensgrenze. Daher stehe ihr gar kein Pflegegeld
mehr zu; aus Gründen des Vertrauensschutzes werde aber von einer Rückforderung der Überzahlung des Pflegegeldes abgesehen.
Das dagegen angestrengte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe ([SG]; S 4 SO 5470/07) endete durch gerichtlichen
Vergleich vom 12. Dezember 2008, nach dessen Ziff. IV die Klägerin "anerkannte", dass ihr ein Besitzstandwahrungspflegegeld
ab 1. Januar 2007 nicht zustehe. In dem wegen des Streites über die Verfahrensbeendigung fortgesetzten Verfahren (jetzt S
4 SO 5608/08) stellte das SG mit Urteil vom 29. September 2009 die Erledigung des Rechtsstreites durch Vergleich fest und wies die Klage als unzulässig
ab. Ihre dagegen eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg ([LSG]; L 2 SO 4556/09) erklärte die Klägerin
am 15. Dezember 2009 für erledigt. Eine weitere Klage, mit der sie die unrichtige Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs geltend
machte, wies das SG mit Urteil vom 27. Januar 2011 (S 4 SO 146/10) ab. Die dagegen eingelegte Berufung (L 7 SO 577/11) nahm die Klägerin am 2.
Dezember 2011 zurück.
Auch im streitgegenständlichen Zeitraum gewährte der Beklagte Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der durch die Leistungen
der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Sozialstation, der Nachbarschaftshilfe sowie für Betreuungsleistungen des
Schwagers.
Mit Bescheid vom 8. September 2010 bewilligte der Beklagte darüber hinaus für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni
2011 Pflegegeld i.H.v. € 56,07 monatlich. Dabei kürzte er das Pflegegeld wegen der Gewährung anderer Leistungen um ein Sechstel.
Als Einkommen berücksichtigte er das Renteneinkommen der Klägerin, das gewährte Kindergeld für beide Kinder sowie das Erwerbseinkommen
des Ehemannes. Von diesem setzte er neben Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen € 130.- berufsbedingte Fahrkosten, € 30.-
Versicherungspauschale sowie € 5,20 Werbungskosten ab. Bei der Berechnung der Einkommensgrenze berücksichtigte er einen Familienzuschlag
für JS und beide Kinder. Von dem so errechneten, die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommen rechnete er 40% an (Freibetrag
60%).
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, ihr Ehemann habe seine Unterhaltspflicht bereits
durch die ihr gewährte Pflege erfüllt. Der Heranziehung auch seines Einkommens stehe daher § 94 SGB XII entgegen. Des Weiteren
sei der Unterhalt von studierenden Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom
21. März 2011 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, die zugrundegelegte Berechnung nochmals dargestellt
und ausgeführt, § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung.
Hiergegen und gegen weitere Gegenstände des Widerspruchsbescheides hat die Klägerin am 29. März 2011 Klage beim SG erhoben, das den Streit um das Pflegegeld (Anrechnung des Ehegatteneinkommens) mit Beschluss vom 5. August 2011 vom übrigen
Verfahren abgetrennt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin in Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt,
§ 19 Abs. 3 SGB XII schreibe die Berücksichtigung von Einkommen vor, soweit nach dem Elften Kapitel zumutbar. § 94 SGB XII
sei Teil des Elften Kapitels, also anwendbar. Ihr Ehemann erbringe den Unterhalt in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen.
Dann bestehe kein weiterer Anspruch auf Unterhalt. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag hat die Klägerin Pflegegeldleistungen in monatlicher Höhe von € 570,81 ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen
ihres Ehemannes begehrt.
Mit Urteil vom 11. August 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung. Die Vorschrift gelte nur für Unterhaltsansprüche, die
übergeleitet werden könnten, wenn der Unterhalt nicht erbracht werde. Dies liege aber bei der Klägerin nicht vor. Die angefochtenen
Bescheide seien daher rechtmäßig.
Zu der am 24. August 2011 beim LSG eingelegten Berufung hat die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt,
es gehe um die Frage, ob der Beklagte bei der Bestimmung des anzurechnenden Teils des Einkommens sein Ermessen nach § 87 SGB
XII richtig ausgeübt habe (Familiengröße von vier Personen, Dauer des Hilfebedarfs usw.) und ob das Einkommen ihres Mannes
überhaupt angerechnet werden dürfe. Zur Untermauerung ihrer Ansicht, dass der Anrechnung des Ehegatteneinkommens § 94 SGB
XII entgegenstehe, weil dieser seine Unterhaltspflicht durch Pflegeleistungen in natura erbringe, hat sie mehrere zivilgerichtliche
Urteile zur Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger bei Elternunterhalt angeführt. Einen gerichtlichen
Vergleich zur Beendigung des Rechtsstreits hat sie fristgerecht widerrufen und hierzu u.a. ausgeführt, ihr stehe ein Besitzstandspflegegeld
nach Art. 51 PflegeVG mit günstigeren Einkommens- und Vermögensgrenzen zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom
8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1.
Januar 2010 bis 31. Juni 2011 Pflegegeld in monatlicher Höhe von € 570,81 unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend führt er aus, selbst wenn
bei der Bestimmung des zumutbar einsetzbaren Einkommens besondere Belastungen anzuerkennen seien, müssten diese zunächst vom
Einkommen abgezogen werden; der Freibetrag von 60 v. H. sei dann nur aus dem solchermaßen geminderten Einkommen über der Einkommensgrenze
zu ermitteln. Des Weiteren sei bei Anerkennung einer besonderen Belastung in Form der Unterstützungszahlungen für die studierenden
Kinder zu berücksichtigen, dass deren Lebensunterhalt bereits im Rahmen des Familienzuschlags bei der Bestimmung der Einkommensgrenze
Rechnung getragen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten
des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschriften über die nichtöffentliche Sitzung vom 2. Dezember 2011 und über die mündliche
Verhandlung vom 23. Februar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
151 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe des gewährten Pflegegeldes nach § 64 SGB XII, nicht aber ein Anspruch der Klägerin
auf ein sog. Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 des PflegeVG. Im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 8. September 2010 hat der Beklagte zu letzterem keine Regelung getroffen, auch keine
Ablehnung. Für eine solche bestand zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch kein Anlass, da die Klägerin im gerichtlichen Vergleich
vom 12. Dezember 2008 anerkannt hatte, dass ihr ein Besitzstandspflegegeld ab 1. Januar 2007 nicht zustehe (Ziffer IV. des
Vergleiches). Der Verfügungssatz des Bescheides vom 8. September 2010 bestimmt nur die Bewilligung und Festsetzung der Höhe
des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin ausschließlich gegen
die Anrechnung des Ehegatteneinkommens und begehrte die ungekürzte Auszahlung des gewährten Pflegegeldes. Der Widerspruchsbescheid
vom 21. März 2011 verhielt sich hinsichtlich des Pflegegeldes ebenfalls nur zu dem nach § 64 SGB XII. In der Klage vom 25.
März 2011 wird ein Besitzstandspflegegeld nicht erwähnt. Das SG hat im angefochtenen Urteil entsprechend dem in der dortigen mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch nicht dazu entschieden.
Beim Anspruch auf Besitzstandspflegegeld handelt es sich um einen gegenüber dem auf Pflegegeld nach § 64 SGB XII zunächst eigenständigen Regelungsgegenstand. Die Voraussetzungen der Leistung nach der Besitzstandsregelung des Art.
51 PflegeVG weichen tatbestandlich erheblich von denen des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII ab. Des Weiteren bestimmt Art. 51 Abs. 4 Nr. 4 PflegeVG, dass sich die Besitzstandsleistung um den Betrag des Pflegegeldes nach § 69a BSHG, der Vorgängerregelung des § 64 SGB XII, mindert. Das Besitzstandspflegegeld tritt also neben das Pflegegeld nach dem BSHG bzw. SGB XII und wird ergänzend zu diesem gewährt (vgl. H. Schellhorn in Schellhorn, SGB XII, 18. Aufl., § 64 Rdnr. 30; Meßling
in jurisPK-SGB XII, § 64 Rdnr. 62). Gerade diese Anrechnungsvorschrift macht deutlich, dass es sich um zwei eigenständige
Leistungen und damit auch um unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt. Im vorliegenden Rechtsstreit könnte der Senat
daher schon wegen des Fehlens eines entsprechenden Ausgangsbescheides des Beklagten keine Sachentscheidung zum Besitzstandspflegegeld
treffen.
Der Entscheidungsumfang des Senats ist zeitlich begrenzt auf den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Zeitraum vom 1.
Januar 2010 bis 30. Juni 2011. Bescheide für Folgezeiträume sind nicht, auch nicht nach §
96 Abs.
1 SGG, Gegenstand des Verfahrens geworden. In der Höhe ergibt sich eine Begrenzung insoweit, als die Klägerin ein Pflegegeld ausdrücklich
in monatlicher Höhe von (nur) € 514,74 (€ 570,81 abzüglich bereits gewährten Pflegegeldes i.H.v. € 56,07) begehrt. Bis zu
diesen Betrag unterliegen allerdings alle für die Leistungshöhe maßgeblichen Faktoren der gerichtlichen Überprüfung.
Die Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Gemäß dem seit 1. Januar 2005 unverändert geltenden § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen
Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt
lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil
die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten
ist. Hilfe zur Pflege ist gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen
Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Klägerin
gehört aufgrund ihrer Behinderung und dem damit verbundenen Hilfebedarf zu diesem anspruchsberechtigten Personenkreis. Nach
§ 64 Abs. 3 SGB XII erhalten Pflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für mehrere Verrichtungen
täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen
Versorgung benötigen (Schwerstpflegebedürftige), ein Pflegegeld in Höhe des Betrages nach §
37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI). Dieses betrug im streitgegenständlichen Zeitraum € 685.- monatlich. Die Schwerstpflegebedürftigkeit der Klägerin in diesem
Sinne steht aufgrund der von der Pflegekasse zuerkannten Pflegestufe III fest (§ 62 SGB XII).
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII ist das Pflegegeld aber nur unter Beachtung der Vorschriften der Einkommens- und Vermögensanrechnung
der §§ 82 bis 96 SGB XII (Elftes Kapitel) zu leisten. Über einzusetzendes Vermögen i.S.d. § 90 SGB XII verfügen die Ehegatten
nicht, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt.
Als Einkommen ist nicht nur das eigene der Klägerin, sondern auch das ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen
(§ 19 Abs. 3 SGB XII). Gegen diese Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens wendet sich die Klägerin vorrangig. Sie ist der
Auffassung, aufgrund des durch die Verweisung auf das gesamte Elfte Kapitel des SGB XII ebenfalls in Bezug genommenen § 94
SGB XII sei ein Rückgriff auf das Einkommen ihres Ehemannes ausgeschlossen. Dieser komme seiner ehelichen Unterhaltsverpflichtung
bereits in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen nach. In einem solchen Fall bestehe kein weiterer Anspruch
auf Unterhalt (als Geldleistung), wie auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg am 14. Januar 2010 entschieden habe. Diese
Ansicht lässt jedoch die Systematik des SGB XII - und den Wortlaut des § 94 SGB XII - außer Acht. Zwischen dem privatrechtlichen
Unterhalts- und dem öffentlich-rechtlichen Sozialhilferecht bestehen erhebliche Unterschiede, die auf einer bewussten gesetzgeberischen
Entscheidung beruhen. Die vom OLG Oldenburg getroffene Entscheidung betrifft allein das private Unterhaltsrecht und ist vorliegend
damit nicht einschlägig. Dies gilt insbesondere für den Rechtssatz, dass (im dortigen Fall) die Tochter den Unterhalt an ihre
Mutter auch in Naturalform erbringen könne, also nicht zwingend Geld zu leisten habe. Darüber hinaus betreffen die von der
Klägerin angeführten Entscheidungen jeweils Unterhaltsleistungen der Kinder an die Eltern, nicht Leistungen des Ehegatten.
Dem SGB XII liegt eine andere Konzeption zugrunde:
Ausgangspunkt ist § 19 SGB XII, der in Abs. 1 bis 3 Einkommen der dort genannten Personen, insbesondere des nicht getrennt
lebenden Ehegatten, unmittelbar als anzurechnendes Einkommen dem Hilfebedürftigen zuordnet (sog. Einsatzgemeinschaft). Diese
Einsatzgemeinschaft und die damit verbundene Systematik der Einkommensberücksichtigung ist in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII gleich
ausgestaltet. Bei den von Abs. 3 erfassten Leistungen sind lediglich zusätzlich die Einschränkungen durch die weitergehenden
Vorschriften über die Zumutbarkeit der Einkommensanrechnung nach dem Elften Kapitel zu beachten. Die Zumutbarkeit betrifft
hingegen nicht die Frage der Art der Einkommensberücksichtigung, hier also die Zuordnung des Einkommens im Rahmen der Einsatzgemeinschaft
unabhängig von zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften (Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 44 i.V.m. 11 und 15 ff.;
Münder in LPK-SGB XII, aaO., § 94 Rdnr. 3, 4; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. § 19 Rdnr. 14). Die von der Klägerin
angeführte Kommentierung von H. Schellhorn, aaO., § 94 Rdnr. 46 (vgl. Bl. 3761 der Verwaltungsakte) besagt nichts anderes.
Dort wird lediglich dargestellt, dass der zivilrechtlich Unterhaltspflichtige seinen Unterhalt durch eigene Pflegeleistung
erbringen kann und der Sozialhilfeträger diesen dann nicht aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs in Anspruch nehmen
kann, wenn Pflegegeld gezahlt wird. Die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes beruht aber gerade nicht auf der Unterhaltspflicht
oder -leistung, sondern allein auf der gesetzlichen Anordnung im Rahmen der Einsatzgemeinschaft. Gleiches gilt daher für die
von der Klägerin angeführte Regelung der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg (im Folgenden SHR) 94.21. Zu berücksichtigen
ist nach § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 82 ff. SGB XII nur das den dort näher geregelten, anzuerkennenden eigenen Bedarf übersteigende
Einkommen (bereinigtes Einkommen). Das SGB XII stellt hier also gerade nicht auf zivilrechtliche Unterhaltsansprüche ab. Die
Hilfebedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und die Art der Unterhaltsgewährung
nach den zivilrechtlichen Vorschriften sind ohne Bedeutung für die Einkommensberücksichtigung nach dem SGB XII. § 94 SGB XII
steht zwar ebenfalls im Elften Kapitel, knüpft aber tatbestandlich an Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen an, die im
Rahmen der Einkommensanrechnung der sog. Einsatzgemeinschaft gerade keine Rolle spielen. Dies macht das Gesetz in § 94 Abs.
1 Satz 3 SGB XII auch selbst ausdrücklich deutlich, indem der Anspruchsübergang (also der Übergang von Unterhaltsansprüchen
des Hilfebedürftigen auf den Sozialhilfeträger) ausgeschlossen ist, wenn die unterhaltspflichtige Person (hier Ehemann) zum
Personenkreis des § 19 SGB XII gehört (nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis, sondern zur Einsatzgemeinschaft). Damit
berücksichtigt das Gesetz, dass das Einkommen bereits im Rahmen der Einsatzgemeinschaft angerechnet wird (Münder, aaO., §
94 Rdnr. 28; Armbruster in jurisPK-SGB XII § 94 Rdnr. 81). § 94 SGB XII findet also nach Wortlaut und Systematik keine Anwendung
auf Personen der Einsatzgemeinschaft nach § 19 Abs. 3 SGB XII, hier des Ehemannes. Dass die Vorschrift Teil des Elften Kapitels
und damit von der generellen Verweisung umfasst ist, steht dem nicht entgegen, da der Tatbestand bereits nicht erfüllt ist.
Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin ist daher zu berücksichtigen.
Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über ein monatliches (Netto-)Einkommen in Form einer Rente wegen Erwerbsminderung
i.H.v. € 979,88 sowie einer VBL-Rente i.H.v. € 258,79. Beiträge zu privaten Versicherungen sind bei ihr nicht angefallen.
Aus den vorgelegten Kontoauszügen sind entsprechende Abbuchungen nicht ersichtlich. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Das Einkommen des Ehegatten aus Erwerbstätigkeit belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (§ 82
Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB XII) auf € 1.608.-, was von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt wird. Nach § 82 Abs. 2 Nr.
3 SGB XII sind weiter abzusetzen u.a. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach §
82 des Einkommensteuergesetzes (
EStG), soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach §
86 EStG nicht überschreiten. Ein solcher Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) besteht für JS; nach den vorgelegten Kontoauszügen
zahlte er hierauf monatlich € 35,95. Damit wird zwar der Mindesteigenbetrag nicht erreicht. Auf die Abzugsfähigkeit nach §
82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII hat dies keine Auswirkungen, da die Vorschrift nur auf eine Beschränkung bei Überschreitung abstellt.
Die Unterschreitung hat nur zur Folge, dass die Zulage gem. §
86 EStG gekürzt wird. Damit wird der Grund für die Abzugsfähigkeit nach sozialhilferechtlichen Maßstäben nicht in Frage gestellt.
Abzuziehen sind auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). Die
vom Beklagten berücksichtigten Beträge für berufsbedingte Fahrkosten (€ 130.-) und Werbungskosten (€ 5,20) sind nicht zu beanstanden.
Sie entsprechen den rechtlichen Vorgaben der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII in der Fassung vom 21. März 2005
(BGBl. I S. 818, [DVO]). Da JS unter Berücksichtigung seiner eigenen Behinderung für die Fahrten zur Arbeit auf das Kfz angewiesen ist, ist
auch die entsprechende Haftpflichtversicherung (€ 16,73 monatlich) abzusetzen. Diese ist nicht in der Kilometerpauschale enthalten
(Brühl in LPK-SGB XII, aaO., § 82 Rdnr. 89; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 2009 - 4 Ta 7/09 - [juris]). Der Gewerkschaftsbeitrag ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 DVO zu berücksichtigen (€ 19,09 monatlich). Für die
vom Beklagten angesetzte Versicherungspauschale gibt es hingegen im SGB XII und der DVO keine Rechtsgrundlage. Weitere private
Versicherungen sind nicht vorgetragen und ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Kontoauszügen. Ein Freibetrag wegen
Erwerbstätigkeit gem. § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist nicht abzuziehen. Dieser ist ausdrücklich nur für Leistungen zum Lebensunterhalt
(so schon § 76 Abs. 2a BSHG) und der Grundsicherung, nicht für andere Hilfearten wie die Hilfe zur Pflege vorgesehen. Auch zur Vermeidung von Unstimmigkeiten
mit dem Recht des SGB II ist ein solcher Freibetrag nicht über die allgemeine Härteregelung des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII
(vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 20/09 R - [juris]) einzuräumen. Zwar unterfiele der erwerbsfähige
JS im Rahmen der Grundsicherung dem Recht des SGB II. Die hier streitigen Hilfen in besonderen Lebenslagen (Hilfe zur Pflege)
sind im Leistungsrecht des SGB II jedoch nicht vorgesehen, so dass eine Verwerfung (Freibetrag nach dem SGB II, aber nicht
im SGB XII) nicht entstehen kann. Das zu berücksichtigende Einkommen des JS beläuft sich mithin auf
€ 1.401,03 monatlich.
Als weiteres Einkommen ist das Kindergeld für die beiden volljährigen Kinder heranzuziehen, da die besondere Zuordnungsvorschrift
des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur für minderjährige, haushaltsangehörige Kinder gilt. Das Kindergeld ist mithin Einkommen
des bezugsberechtigten Elternteils, hier des JS. Anderes ergäbe sich nur bei tatsächlicher Weitergabe an das Kind durch einen
gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt (zum Ganzen Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 82 Rdnr. 60). Da ein solcher hier
nicht behauptet wird und aus den Akten nicht ersichtlich ist, hat der Beklagte das Kindergeld zu Recht in die Berechnung mit
einbezogen. Im hier streitigen Zeitraum belief sich das Kindergeld auf je € 184.- monatlich für das 1. und 2. Kind. Somit
sind monatlich weitere € 368.- zu berücksichtigen. Das monatliche Gesamteinkommen der Klägerin und des JS betrug mithin €
3.007,70.
Die Einkommensgrenze bestimmt sich nach § 85 Abs. 1 SGB XII: Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden
Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während
der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
1. einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (ab 1. Januar 2011 Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28
SGB XII),
2. den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht
übersteigen und
3. einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes (ab 1. Januar
2011 der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII) für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner
und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend
unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
Die Kosten der Unterkunft beliefen sich durchgängig auf € 288,62. Ein Familienzuschlag ist zu gewähren nicht nur für den JS,
sondern auch die von ihm und der Klägerin überwiegend unterhaltenen Kinder. Der Eckregelsatz 2010 belief sich auf € 359.-
(70 v. H. hiervon, gerundet auf volle Euro: € 252.-). Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2011 gilt die Regelbedarfsstufe
1 i.H.v. € 364.- (70% hiervon, gerundet auf volle Euro: € 255.-). Unter Berücksichtigung des Grundbetrages (Ziffer 1) i.H.v.
von € 718.- (bis 31. Dezember 2010) bzw. € 728.- ab 1. Januar 2011 liegt die Einkommensgrenze i.S.d. § 85 SGB XII vorliegend
somit bei € 1.762,62 im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 und danach bei € 1.781,62, der Betrag über der Einkommensgrenze
also im ersten Zeitraum bei € 1.245,08 und im zweiten bei € 1.226,08.
Dieser Einkommensüberhang ist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur "in angemessenem Umfang" - allerdings zwingend - einzusetzen;
ein Ermessen des Sozialhilfeträgers auf Rechtsfolgenseite besteht nicht. Bei dem "angemessenen Umfang" handelt es sich um
einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Behörde auch keinen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene einräumt, vielmehr
der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (so schon Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] NVwZ 1990, 370 - zur Vorgängerregelung des § 84 BSHG - m.w.N.). Nach anderer Ansicht soll dem Sozialhilfeträger hingegen ein Beurteilungsspielraum zustehen, der nur einer eingeschränkten
gerichtlichen Kontrolle zugänglich sei (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, aaO., § 87 Rdnr. 8 m.w.N.). Da der Gesetzgeber
jedoch in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Regelung des BSHG fortgeschrieben hat, wäre in Kenntnis der Rechtsprechung des BVerwG eine klarstellende Formulierung zu erwarten gewesen,
wenn ein solcher Beurteilungsspielraum hätte geschaffen werden sollen. Da dies nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass
der Gesetzgeber diese Rechtsprechung akzeptiert hat.
Bei der Prüfung, welcher Umfang des Einkommenseinsatzes angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder
Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen
der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Bei
schwerstpflegebedürftigen Menschen nach § 64 Abs. 3 und blinden Menschen nach § 72 ist ein Einsatz des Einkommens über der
Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten (Satz 3). Die Klägerin, die schwerstpflegebedürftig
i.S.d. § 64 Abs. 3 SGB XII ist, erfüllt die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Nach dem eindeutigen Wortlaut
des Satzes 3 sind mindestens 60 v. H. "des Einkommens über der Einkommensgrenze" freizulassen. Diese Freilassung errechnet
sich daher nicht erst aus dem um besondere Belastungen nach Satz 2 weiter geminderten Betrag. Die Regelung des Satzes 3 bestimmt
eine Höchstgrenze der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes mit 40 v. H. des Einkommensüberhanges, bezogen auf die Einkommensgrenze
des § 85 SGB XII. Unter Zugrundelegung der übrigen Kriterien des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann aber auch eine noch niedrigere
Belastung in Betracht kommen ("mindestens"; ebenso vgl. Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 87 Rdnr. 24, 48 f.; Schoch, aaO., §
87 Rdnr. 14, der allerdings eine im Wortlaut des § 87 Abs. 1 SGB XII nicht angelegte Ermessensentscheidung annimmt). Das Gesetz
regelt in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, welche Kriterien bei der Bestimmung des angemessenen Umfanges insbesondere zu berücksichtigen
sind, und schreibt in Satz 3 für eines dieser Kriterien eine verbindliche Mindestgrenze fest. Der in Satz 3 genannte Personenkreis
wird durch die Art der Behinderung (blinde Menschen i.S.d. § 72 SGB XII) oder die Schwere der Behinderungsfolgen (Schwerstpflegebedürftige)
bestimmt. Das Gesetz schreibt mithin einen Mindestfreibetrag bei besonderer und konkretisierter Ausprägung des in § 87 Abs.
1 Satz 2 SGB XII genannten Kriteriums der "Art oder Schwere der Behinderung" vor. Sind die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt,
bildet dieser Freibetrag den Ausgangspunkt für die Bestimmung des angemessenen Umfanges. Aus den o.g. die Einkommensgrenze
überschreitenden Beträgen ergibt sich demnach ein maximal einzusetzendes Einkommen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31.
Dezember 2010 i.H.v. € 498,03 (40 v. H. von € 1.245,08) und ab dem 1. Januar 2011 i.H.v. € 490,43 (40 v. H. von 1.226,08).
Nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind u.a. besondere Belastungen der nachfragenden Person oder ihrer unterhaltsberechtigten
Angehörigen zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die in die Einsatzgemeinschaft einbezogenen Personen, auch wenn sie nicht
unterhaltsberechtigt sind (Gutzler, aaO., § 87 Rdnr. 30; ebenso SHR 87.07). Gemeint sind insbesondere finanzielle Verpflichtungen,
die über den normalen Lebensbedarf hinausgehen. Die weitere Berücksichtigung von besonderen Belastungen nach § 87 Abs. 1 Satz
2 SGB XII setzt zunächst voraus, dass diese nicht schon im Freibetrag nach Satz 3 typisierend enthalten sind. Davon ist bei
besonderen Aufwendungen für Unterhaltsleistungen wie für die Ausbildung unterhaltsberechtigter Angehöriger (ebenso SHR 87.09
Nr. 2.2) auszugehen. Zu berücksichtigen sind daher die Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehemannes an den studierenden Sohn
und ab 1. September 2010 auch an die Tochter. Die Beträge von € 300.- an den Sohn und den etwas höheren an die auswärts wohnende
Tochter von € 400.- sind nicht unangemessen. Insbesondere liegen sie noch unter den Höchstsätzen, die das
BAföG für den hier streitigen Zeitraum vorsah. Die Klägerin hat dargelegt, dass beiden Kindern
BAföG-Leistungen abgelehnt worden waren, da ihnen von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen worden
war. Eine Verwertung ist ihnen jedoch derzeit nicht möglich, da die Großmutter aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen
Wohnrechtes die Wohnung noch nutzt. Die Berücksichtigung der elterlichen Leistungen zum Ausgleich der entfallenen
BAföG-Leistungen als Abzugsbetrag bei der Einkommensanrechnung bei der hier streitigen Hilfe zur Pflege stellt keine versteckte
Studienförderung durch Mittel der Sozialhilfe dar. Es geht allein um die Frage, inwieweit das Einkommen der Klägerin und ihres
Ehemannes bereits durch anderweitige Belastungen gebunden ist. Das Studium der Kinder wird durch das tatsächlich vorhandene
Einkommen der Eltern finanziert, nicht durch Sozialhilfeleistungen. Um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, können
die Unterstützungsleistungen nur insoweit angerechnet werden, als ihnen nicht bereits durch den Familienzuschlag nach § 85
Abs. 1 Nr. 3 SGB XII Rechnung getragen wurde (Gutzler, aaO., Rdnr. 28). Die Unterstützungsleistungen an den Sohn i.H.v. €
300.- monatlich können daher nur in einem Umfange von € 48.- monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 (€
300 - € 252) und danach i.H.v. € 45.- (€ 300 - € 255) berücksichtigt werden, die an die Tochter für die Zeit vom 1. Oktober
bis 31. Dezember 2010 i.H.v. € 148.- sowie ab 1. Januar 2011 i.H.v. € 145.-.
Die in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB XII enthaltene Aufzählung berücksichtigungsfähiger Umstände ist nicht abschließend ("insbesondere").
Zu berücksichtigen ist daher auch, inwieweit die Heranziehung von Einkommen den Erfolg der Hilfe gefährdet (vgl. Schoch, aaO.,
Rdnr. 7). Dies käme in Betracht, wenn die Gefahr bestünde, dass die weitergehende Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten
diesen veranlassen könnte, seine Pflege der Klägerin nicht in bisherigem Umfange fortzuführen. Hier kann jedoch nicht unbeachtet
bleiben, dass der Beklagte der Klägerin bereits umfangreich weitere Hilfen zur Pflege leistet, insbesondere die Übernahme
der Kosten der Sozialstation, soweit sie nicht durch die Pflegekasse gedeckt werden, oder die Übernahme der Kosten für die
Nachbarschaftshilfe und die Betreuung durch den Schwager. Unter Berücksichtigung der dennoch vom Beklagten vorgenommenen weitgehenden
Freistellung des Pflegegeldes von der Kürzung wegen dieser Leistungen nach § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII (dazu unten) sieht der
Senat dessen Erfolg durch die Anrechnung des Ehegatteneinkommens nicht in Frage gestellt.
Damit verbleibt ein heranzuziehendes Einkommen wie folgt:
1. Januar 2010 bis 30. September 2010: € 450,03 (€ 498,03 - € 48)
1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: € 302,03 (€ 498,03 - € 48 - € 148)
1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: € 300,43 (€ 490,43 - € 45 - € 145)
Die Entscheidung des Beklagten, wegen der nach § 65 Abs. 1 SGB XII erbrachten Leistungen (Übernahme der undeckten Kosten der
Sozialstation etc.) das Pflegegeld (nur) i.H.v. von 1/6 zu kürzen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Werden Leistungen nach
§ 65 Abs. 1 oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht, kann das Pflegegeld gem. § 66 Abs. 2 Satz
2 SGB XII um bis zu zwei Drittel gekürzt werden. Bei dieser Kürzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung
("kann"; Krahmer in LPK-SGB XII, aaO., § 66 Rdnr. 7; Meßling in juris-PK-SGB XII, § 66 Rdnr. 23). Der gerichtlichen Prüfung
unterworfene Ermessensfehler (vgl. §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG) liegen nicht vor. Auch die Klägerin macht solche nicht geltend. Vielmehr hat sie mit der Beschränkung des im Klageantrag
begehrten monatlichen Betrages von € 570,81 (= 5/6 von € 685.-) gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie die Entscheidung insoweit
für zutreffend hält.
Unter Anrechnung der o.g. Einkommensbeträge steht der Klägerin daher im streitigen Zeitraum ein monatliches Pflegegeld wie
folgt zu:
1. Januar 2010 bis 30. September 2010: € 120,78 (€ 570,81 - € 450,03)
1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: € 268,78 (€ 570,81 - € 302,03)
1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: € 270,38 (€ 570,81 - € 300,43)
Die bereits gewährten Leistungen i.H.v. € 56,07 monatlich sind hierbei noch anzurechnen. Das erstinstanzliche Urteil und die
angefochtenen Bescheide waren daher entsprechend abzuändern. Ein höherer Anspruch steht der Klägerin hingegen nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt insbesondere die Anteile des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).