Rechtsmissbräuchlichkeit einer Untätigkeitsklage wegen eines Antrags auf Bewilligung von Leistungen im sozialgerichtlichen
Verfahren
Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage.
Dem Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2011 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch II (SGB II) für
die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011. Am 09.08.2011 meldete sich der Kläger zum 16.08.2011 aus dem Leistungsbezug ab. Der
Beklagte stellte die Zahlung der Leistung daraufhin vorläufig ein und fragte mit Schreiben vom 09.08.2011 und 27.10.2011 wegen
des Grundes der Abmeldung sowie wegen eines laut Angabe des Klägers im Schreiben vom 25.10.2011 am 01.09.2011 gestellten Antrages
auf Weiterzahlung von Alg II beim Kläger unter Hinweis auf die Regelung des §
331 Abs
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) nach. Im Schreiben vom 25.10.2011 hatte der Kläger darauf hingewiesen, bei der Vorsprache am 01.10.2011 sei ihm mitgeteilt
worden, der Alg-II-Bezug laufe ohne Unterbrechung weiter. Die ausstehenden Leistungen habe er dann mit Schreiben vom 07.10.2011
zum 14.10.2011 angemahnt. Nach Mitteilung der Beklagten ist die Nachzahlung für die Zeit von September bis November 2011 im
November 2011 erfolgt.
Auf den Weiterzahlungsantrag vom 24.10.2011 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 05.12.2011 Alg II für die Zeit vom
01.12.2011 bis 31.05.2012 wegen noch zu klärender Kontenbewegungen vorläufig. Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Wegen der noch ausstehenden Entscheidung des Beklagten über den vom Kläger angegebenen Antrag auf Weiterzahlung vom 01.09.2011
hat der Kläger am 09.12.2011 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und zusätzlich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Über den Weiterzahlungsantrag vom 01.09.2011
habe der Beklagte noch nicht entschieden. Er hätte die Leistungsbewilligung infolge der Abmeldung zum 16.08.2011 aufheben
und dann über diesen Antrag auf Weiterzahlung vom 01.09.2011 entscheiden müssen. Der Beklagte berufe sich jedoch darauf, dass
der Bescheid vom 08.06.2011 weiterhin Gültigkeit entfalte. Dies führe dazu, dass er - der Kläger - jetzt Leistungen nur unter
Vorbehalt erhalte.
Das SG hat die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 18.01.2012 abgelehnt. Die Untätigkeitsklage sei vor Ablauf der 6-Monats-Frist
unzulässig und es fehle an einem Verbescheidungsinteresse, da die Leistungsbewilligung vom 08.06.2011 nicht aufgehoben und
die vorläufig eingestellten Zahlungen nachgezahlt worden seien. Für die Zeit ab 01.12.2011 seien weiterhin vorläufig Leistungen
bewilligt worden, gegen die der Kläger gesondert vorgehen müsse.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Ein Verbescheidungsinteresse bestehe, denn
es komme eine Rückforderung aus dem Bescheid vom 08.06.2011 wegen der erfolgten Abmeldung in Betracht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist für das Verfahren
vor dem SG PKH nicht zu bewilligen. Es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht.
Nach §
73a Absatz
1 SGG (
Sozialgerichtsgesetz) i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO (
Zivilprozessordnung) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die
Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 §
62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. §
73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit
des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts-
und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung
zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch
nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die
durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem
Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres
Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Eine solche hinreichende Erfolgaussicht ist vorliegend nicht gegeben. Unabhängig davon, ob die Frist zur Erhebung einer Untätigkeitsklage
gemäß §
88 SGG zwischenzeitlich abgelaufen ist, fehlt es vorliegend für eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits am Nachweis einer Antragstellung
am 01.09.2011 durch den Kläger. Er wird zwar in dem Schriftsatz vom 25.10.2011 angesprochen. Darin wird jedoch auch darauf
hingewiesen, dass ihm die Sachbearbeiterin erklärt hätte, dass der Bewilligungsbescheid vom 08.06.2011 ohne Unterbrechung
weiterlaufe und eine Nachzahlung der vorläufig eingestellten Zahlungen erfolgen werde. Diese Nachzahlung ist im November 2011
vor Klageerhebung erfolgt.
Nachdem der Bescheid vom 08.06.2011 bislang tatsächlich nicht vom Beklagten aufgehoben worden ist und der Kläger auch die
Leistungen bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes am 30.11.2011 erhalten hat, ist somit der materiell-rechtliche Anspruch,
den der Kläger auch mit seinem - unterstellten - Antrag vom 01.09.2011 für die Zeit ab 01.09.2011 geltend gemacht haben will,
vom Beklagten derzeit noch anerkannt. Ein weiterer Bescheid für den Anspruch auf Alg II ab 01.09.2011 ist daher für jedermann
offensichtlich nicht zu erlassen. Erst bei einer Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab 16.08.2011 wird der Beklagte
über die Frage zu entscheiden haben, ob die Aufhebung der Leistungsbewilligung bis zum 31.08.2011 zu begrenzen ist. Solang
eine Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Beklagten jedoch nicht erfolgt ist, ist vorliegend nicht davon auszugehen,
dass ein Verbescheidungsinteresse des Klägers vorliegt, nachdem der Beklagte den Leistungsanspruch bisher noch anerkennt.
Die Erhebung der Untätigkeitsklage kann daher als rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung (vgl. Leitherer aaO. § 88 Rdnr 4a)
angesehen werden, jedenfalls fehlt das Rechtsschutzinteresse für eine Untätigkeitsklage.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen, eine hinreichende Erfolgsaussicht für die erhobene Untätigkeitsklage besteht
nicht.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).