Erwerbsminderungsrente
Rest-Leistungsvermögen
Mehr als 6 Stunden
Umwandlung von Berufsunfähigkeitsrente in volle Erwerbsminderungsrente
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der bereits gewährten Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die 1948 im heutigen Slowenien geborene Klägerin war nach Abschluss einer Fachschule für Tourismus kurzfristig als Reiseverkehrskauffrau
in Slowenien beschäftigt. Nach ihrem Zuzug in das Bundesgebiet im Jahr 1978 war sie ab 1983 als Sekretärin, Büroangestellte
und zuletzt ab August 1988 bis September 1995 als Sachbearbeiterin in einer Außenhandelsgesellschaft versicherungspflichtig
beschäftigt. Zuletzt war sie 1995 bis 1998 als freiberufliche Dolmetscherin tätig. Seit 1. Juni 2013 bezieht die Klägerin
Regelaltersrente.
Die Klägerin begehrte erstmals mit Antrag vom 7. September 1998 Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit von der Beklagten
unter Hinweis auf ein klimakterisches Syndrom, einen psychophysischen Erschöpfungszustand, Depressionen, ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom,
ein HWS-BWS-Syndrom, Migräne und einen Reizmagen.
Die Beklagte holte ein nervenärztliches Gutachten von Dr. K. vom 15. Oktober 1999 ein, der eine neurotische Depression im
Klimakterium, eine Migräne accompagnee, ein psychosomatisches Wirbelsäulensyndrom bei Ausschluss eines Fibromyalgiesyndroms
feststellte und der Klägerin noch ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten als Sachbearbeiterin
im Außenhandel und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigte. Nach
Ablehnung des Antrags mit Bescheid vom 11. November 1999 holte die Beklagte im anschließenden Widerspruchsverfahren ein Gutachten
des Orthopäden Dr. B. vom 12. Februar 2000 ein, der bei der Klägerin eine Lumboischialgie rechts, ein HWS-Schulter-Arm-Syndrom
rechts, eine initiale Coxarthrose beidseits, eine Ansatztendinose des rechten Trochanter major und einen Senk-Spreizfuß beidseits
fand. Er hielt die Klägerin sowohl als Sachbearbeiterin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für vollschichtig leistungsfähig.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2000 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) mit dem Az. S 16 RA 785/00 holte das SG ein chirurgisch-orthopädisches Gutachten von Dr. L. vom 21. Februar 2001 und ein psychiatrisches Gutachten von Dr. M. vom
10. April 2001 ein. Dr. L. diagnostizierte bei der Klägerin ein leichtgradigstes Halswirbelsäulensyndrom bei derzeit freier
Funktion, ein leichtgradiges Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender mäßiggradiger Funktionsminderung ohne Zeichen
eines peripher-neurogenen Defekts, eine Periarthropathie rechte Schulter im Entfall eines schmerzhaften Bogens, Senk-Spreizfüße
beidseits bei Hallux valgus-Deformität bei Trochantertendinose beider großer Rollhügel ohne gravierende Geh- und Stehminderung.
Die Klägerin könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Sachbearbeiterin 6 Stunden leichte, kurzfristig mittelschwere
Arbeiten verrichten. Dr. M. stellte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung bei langjährig bestehender chronischer
Dysthymie, derzeit mittelgradig ausgeprägt, und einen Alkoholabusus fest. Die Klägerin sei als Sachbearbeiterin im Bereich
Import/Export sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt halbschichtig bzw. maximal 4 Stunden täglich belastbar.
Mit Urteil vom 9. August 2001 verurteilte das SG daraufhin bei Klageabweisung im Übrigen die Beklagte, der Klägerin ab 1. April 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit
für maximal 3 Jahre zu gewähren. In Ausführung dieses Urteils gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 3. Januar
2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. April 2000 bis 31. März 2003.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 28. November 2002 hin beauftragte die Beklagte Dr. H. mit der Erstellung eines
neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (Gutachten vom 16. März 2003). Der Sachverständige stellte bei der Klägerin eine somatoforme
autonome Funktionsstörung (muskuläre Verspannung, Magen), eine somatoforme Schmerzstörung, eine Persönlichkeit mit histrionischen
Zügen, einen migräneartigen Kopfschmerz sowie ein bisher unbehandeltes geringgradiges Karpaltunnel-Syndrom beidseits fest.
Der Klägerin seien leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Büroangestellte 6 Stunden und mehr zumutbar.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 28. April 2003 ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. vom 2. Dezember 2003 ein. Dieser
stellte bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. PHS calcarea rechts mit geringem Impingement, funktionell nicht bedeutsam
2. Initiale Coxarthrose beidseits mit geringer Periarthropathia coxae beidseits, ohne Funktionsstörungen
3. Hohlkreuz mit Baastrup-Phänomen L 4/L 5, Spondylose L 4/L 5 ohne relevante funktionelle Störungen
4. L 5-Wurzelreizsyndrom links ohne funktionelle Einschränkung
5. Übergewicht.
Die Klägerin könne noch als Dolmetscherin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr (vollschichtig) tätig
sein.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2004 erhob die Klägerin Klage zum SG unter dem Az. S 17 RA 474/04. Das SG beauftragte Dr. P. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens. Im Gutachten vom 5. Januar 2005 werden der Klägerin
eine somatoforme Schmerzstörung, ein Alkoholabusus bei einer Primärpersönlichkeit mit depressiven und narzisstischen Zügen,
ein Wirbelsäulensyndrom bei geringen degenerativen Veränderungen an der LWS sowie Fußdeformitäten bescheinigt. Die Klägerin
könne körperlich leichte und psychisch nicht belastende Bürotätigkeiten 8 Stunden pro Tag ausüben. Eine qualifizierte Tätigkeit
als kaufmännische Sachbearbeiterin von 3 Stunden und mehr pro Tag seien ihr jedoch bis auf weiteres nicht möglich.
Daraufhin schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich, in dem die Beklagte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit
auf unbestimmte Zeit über den 31. März 2003 bei Klagerücknahme im Übrigen anerkannte. Mit Bescheid vom 19. Mai 2005 führte
die Beklagte den Vergleich aus und gewährte der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer.
Mit streitgegenständlichem Antrag vom 19. August 2009 begehrte die Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten.
Die Beklagte zog diverse Befundberichte sowie einen Entlassungsbericht der S. Klinik F. über einen stationären Aufenthalt
der Klägerin vom 27. August bis 17. Dezember 2008 bei. Hierin wurden über ein Alkoholabhängigkeitssyndrom, eine rezidivierende
depressive Störung mit somatischem Syndrom, gegenwärtig leichte Episode, Rückenschmerzen bei degenerativen Veränderungen,
eine Coxarthrose beidseits und eine Chondromalazie rechtes Knie berichtet und der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von
6 Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts attestiert. Die Beklagte holte sodann ein Gutachten
der Orthopädin Dr. C. vom 4. Februar 2010 und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. A. selben Datums ein.
Dr. C. stellte bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Chronisch rezidivierende Beschwerden der Wirbelsäule bei Fehlstatik, Haltungsinsuffizienz, muskulärem Hartspann und verschmächtigter
Rumpfmuskulatur
2. Degenerative Veränderungen an der unteren Halswirbelsäule, beginnende degenerative Veränderungen lumbal ohne nervenwurzelbezogenes
neurologisches Defizit bei beidseits verkürzter Ischiokruralmuskulatur
3. Zum Teil ausgeprägte degenerative Veränderungen der Gelenke der Langfinger beidseits mit geringen Funktionseinschränkungen
4. Anamnestisch rezidivierende Beschwerden der Kniegelenke bei röntgenologisch beginnenden degenerativen Veränderungen rechts
und klinisch freien Funktionen beidseits bei festem Bandhalt beidseits
5. Freie Funktionen der Schultergelenke
6. Adipositas.
Die Klägerin könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne
Einfluss von Kälte und Nässe und ohne grobmotorische Beanspruchungen der Hände verrichten.
Dr. A. diagnostizierte bei der Klägerin eine psychische Störung und Verhaltensstörung durch Alkohol/Abhängigkeitssyndrom,
eine Dysthymia und eine Somatisierungsstörung. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde noch ein Leistungsvermögen von 6
Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten mit erhöhten Konzentrations-,
Umstellungs- und Anpassungsnotwendigkeiten, mit erhöhter Unfallgefahr oder mit erhöhter Verantwortung für Personen und Maschinen
sowie Kontakt mit Alkohol.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit angefochtenem Bescheid vom 16. März 2010 ab.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, aufgrund der orthopädischen und psychologischen
Gesundheitsstörungen weise sie eine geringe physische und psychische Belastbarkeit auf. Ihr Leistungsvermögen sei unter 3
Stunden täglich anzusiedeln. Selbst im heimischen hauswirtschaftlichen Bereich könne sie die dort anfallenden Tätigkeiten
nur noch mit Unterstützung durchführen. Mit einer Besserung sei nach Ansicht der behandelnden Ärzte nicht zu rechnen.
Die Beklagte zog daraufhin diverse Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Nachdem der sozialmedizinische Dienst der Beklagten
hierzu ausführte, eine wesentliche Leidensverschlimmerung sei hierdurch nicht nachgewiesen, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 19. November 2010 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und vorgetragen, aufgrund ihrer multiplen Erkrankungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet sei eine
psychische und physische Belastbarkeit für eine Erwerbstätigkeit nicht mehr gegeben. Befundberichte der behandelnden Psychiaterin
Dr. C., des Radiologen Dr. W., der Allgemeinmedizinerin Dr. H. und des Arztes für physikalische und rehabilitative Medizin
Dr. R. wurden vorgelegt. Hingewiesen wurde auch auf eine vordiagnostizierte Fibromyalgie soweit einen versorgungsärztlich
festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von nunmehr 70.
Das SG hat weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. D. vom 23. August 2011 und eines nervenärztlichen
Gutachtens von Dr. C. vom 6. Februar 2012.
Dr. D. stellte bei der Klägerin folgende Diagnosen:
1. Chronischer lumbosacraler Rückenschmerz bei degenerativen Veränderungen ohne neurologisches Defizit
2. Chronisches HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen ohne neurologisches Defizit
3. Impingementsyndrom der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung
4. Fingerpolyarthrose Typ Heberden und Bouchard beidseits
5. Beginnende Gonarthrose rechts ohne Bewegungseinschränkung
6. Alkoholabhängigkeitssyndrom, rezidivierende depressive Episoden mit Somatisierungsstörung, chronischer Spannungskopfschmerz.
Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten aus Wechselpositionen, auch überwiegend
im Sitzen, ohne ununterbrochenes Stehen oder Gehen überwiegend in geschlossenen Räumen, kurzzeitig auch im Freien bei Schutz
vor Nässe und Zugluft, 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen von Lasten,
Arbeiten in Rumpfbeugehaltung oder in Haltungskonstanz (Fließbandarbeit, ausschließliche Bildschirmarbeit; Bildschirmarbeiten
seien ohne Unterbrechung maximal 30 min möglich), Tätigkeiten mit axialer Vibrationsbelastung der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten,
Abhocken, Knien und Wiederaufrichten sowie schnelle Positionswechsel, erhöhte Anforderungen an die Trittsicherheit (Arbeiten
auf Leitern und Gerüsten), gefahrgeneigte Tätigkeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Feinmotorik. Die Wegefähigkeit
sei nicht eingeschränkt.
Dr. C. hat bei der Klägerin eine Alkoholabhängigkeit, eine somatoforme Schmerzstörung bei einer Persönlichkeit mit histrionischen
Zügen, eine Dysthymia sowie eine Basilaris-Migräne ohne Aura festgestellt und auf die von Dr. D. gestellten Diagnosen hingewiesen.
Auch sie hat die Klägerin noch für leistungsfähig für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem zeitlichen Umfang
von 6 Stunden und mehr erachtet. Nicht mehr zumutbar seien Zeitdruckarbeiten, Wechsel- und Nachtschichttätigkeiten. Die Wegefähigkeit
sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
In ihrer Stellungnahme hierzu hat die Klägerin auf den GdB von 70 hingewiesen, der Indiz dafür sei, dass ihre Erwerbsfähigkeit
erheblich eingeschränkt sei. Auch seien die Alkoholabhängigkeit und die depressiven Verstimmungen nicht isoliert zu betrachten.
Die Klägerin habe dauernd starke Schmerzen. Dies habe negative Auswirkungen auf den Alkoholabusus, der wiederum die vorhandene
Depression verstärke. Auch liege bei der Klägerin nicht nur eine Dysthymie vor, sondern nach Einschätzung der behandelnden
Ärzte eine mittelschwere bzw. schwere rezidivierende psychische Störung. Dr. C. verharmlose das Krankheitsbild. Dr. R. habe
bereits im Mai 2006 festgestellt, dass die Belastbarkeit der Klägerin aufgrund einer Depression so herabgesetzt sei, dass
die Berufs- und Erwerbsfähigkeit deutlich gemindert sei. Dies werde von Dr. C. nicht ausreichend gewürdigt. Auch Dr. D. würdige
die Schmerzbelastung der Klägerin und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit nicht ausreichend. Der behandelnde Orthopäde
Dr. R. habe bereits eine behandlungsbedürftige Einschränkung bei der Selbstversorgung und der Alltagsbewältigung erkannt.
Dies sei mit einem Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vereinbar.
Auch bestünden Zweifel, ob auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung der Klägerin aufgrund ihrer zahlreichen Einschränkungen
möglich sei.
Dr. C. und Dr. D. haben in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Juni 2012 und August 2012 an ihrer sozialmedizinischen
Beurteilung festgehalten.
Die Vorsitzende Richterin am SG hat unter Hinweis auf die bald beginnende Altersrente und die Tatsache, dass die volle Erwerbsminderungsrente nicht höher
wäre als der aktuelle ALG II-Bezug, eine Klagerücknahme angeregt. Hierauf erklärte die Klägerin, es gehe ihr ums Prinzip. Sie könne nicht mehr 6 Stunden
arbeiten. Deshalb nehme sie die Klage nicht zurück.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2012 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. C. und Dr. D. abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, Dr. D. und Dr. C. würden
den bestehenden Zusammenhang zwischen Schmerzsyndrom und der vorhandenen Depressionsproblematik, der in seiner Wechselwirkung
zu einer weit umfangreicheren Beeinträchtigung und Minderung der Erwerbsfähigkeit führe, verkennen. Dr. D. übersehe, dass
es nach den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. R. bei der Klägerin seit August 2009 zu einer deutlichen Beschwerdeeskalation
gekommen sei. Durch die massiven Schmerzen hätte sich ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit erheblichen Einschränkungen
der psychischen und physischen Belastbarkeit entwickelt. Zur Abklärung des Verdachts auf ein Fibromyalgiesyndrom sei die Klägerin
an das Klinikum der Universität A-Stadt überwiesen worden. Dort sei dieser Verdacht bestätigt worden. Dr. D. habe daher zu
Unrecht das Vorliegen einer Fibromyalgie verneint, obwohl eindeutige Anzeichen für diese Erkrankung bei der Klägerin vorhanden
seien. Eine diagnostische Abklärung habe nicht stattgefunden. Schließlich bestehe bei der Klägerin eine Polyarthrose der Finger
und der Zehen. Bildschirmarbeiten könne die Klägerin nicht mehr verrichten. Auch könne sie keine längeren Wegstrecken mehr
zurücklegen. Vorgelegt wurde ein weiteres Attest des Arztes für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. R., ein Bericht
des Klinikums der Universität A-Stadt vom 28. November 2011, in der die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt wird, und eines
Attestes der Allgemeinmedizinerin Dr. H. vom 21. Februar 2013, wonach von einer mittelschweren depressiven Episode auszugehen
sei.
Dr. C. und Dr. D. haben in ihren Stellungnahmen vom 26. März 2013 bzw. 2. Mai 2013 an ihrer Leistungsbeurteilung festgehalten.
Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, Dr. C. übersehe, dass eine Fibromyalgie und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung
nicht identisch seien. Dies ergebe sich aus der eigenen Verschlüsselung nach ICD 10. Auch habe eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe
einen möglichen Zusammenhang mit einer "small fiber-Polyneuropathie" gesehen. Es sei daher nicht mehr unumstritten, dass eine
Auslösung durch seelische Ursachen vorliege. Es seien vielmehr die Kriterien eines neuropathischen Schmerzes erfüllt. Dr.
C. nenne nicht einmal den Begriff der Fibromyalgie in ihrem Gutachten. Es unterbleibe auch eine differenzierte Diskussion
über die Auswirkungen dieser Erkrankung. Die Beeinträchtigung ergebe sich dabei weniger aus dem Schmerzbild, sondern der Schwere
der psychischen Komorbidität. Die mit der Fibromyalgie einhergehenden Begleiterkrankungen wie etwa Schlafstörungen oder das
psychovegetative Erschöpfungssyndrom würden ebenfalls nicht ausreichend erörtert. Es sei zweifelhaft, ob die Gutachterin im
Hinblick auf die Diagnose Fibromyalgie ausreichend befasst sei, um ein Gutachten zu erstellen. Es sei daher ein Gutachten
durch einen Fibromyalgie-Experten erforderlich. Die Untersuchung durch Dr. D. habe in einem belastenden Rahmen stattgefunden.
Der Begleiter der Klägerin sei zurückgewiesen worden unter dem Vorwand, er sei alkoholisiert. Dies habe aber nicht zugetroffen.
Auch habe sich die Klägerin bis auf die Unterhose entkleiden müssen. Trotz der damit verbundenen Schmerzen sei sie bemüht
gewesen, die für sie unangenehme Situation so rasch als möglich hinter sich zu bringen. Dies erkläre das vom Gutachter dargestellte
flotte Entkleiden.
Dr. D. komme zu Unrecht zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin keine Fibromyalgie vorliege. Dies stehe im Widerspruch zur
ärztlichen Stellungnahme der LMU A-Stadt. Bei der Klägerin hätten sich 18/18 positive Tender-Points gefunden. Es bedürfe daher
einer erneuten Abklärung durch einen auf das Krankheitsbild der Fibromyalgie spezialisierten Gutachter, der sowohl auf nervenärztlichem
wie auch orthopädisch/schmerztherapeutischem Gebiet als Facharzt ausgebildet sei. Die Klägerin sei auch bereit gewesen, die
verschiedenen Krankheitsbilder zu therapieren. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie sich einer mehrmonatigen stationären
Behandlung in der S. Klinik unterzogen habe.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit begutachtet wird unter Berücksichtigung der bestehenden Fibromyalgieerkrankung
von einem auf dieses Krankheitsbild spezialisierten Sachverständigen, der insbesondere auf dem Gebiet der Neurologie und Orthopädie/Schmerztherapie
tätig ist,
hilfsweise
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10. Oktober 2012 und des Bescheids vom 16. März 2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2010 zu verurteilen, der Klägerin bis zum 31. Mai 2013 anstelle
einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 16. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.
November 2010 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der
Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 SGB VI) anstelle der bereits bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.
Gem. §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar qualitativ hinsichtlich der
Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen
rentenerheblichen Umfang angenommen hätten. Eine quantitative Leistungseinschränkung liegt nicht vor. Die Klägerin kann nach
Einschätzung aller Sachverständigen noch 6 Stunden täglich und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten verrichten.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.
Bei der Untersuchung der Klägerin durch den erfahrenen Gerichtsachverständigen Dr. D. fand sich ein lotrechter Aufbau der
Wirbelsäule ohne wesentliche Seitverbiegung bei nur leicht abgeflachter Kyphose. An der Halswirbelsäule zeigte sich keine
Tonuserhöhung der paravertebralen Muskulatur, kein Klopfschmerz über den caudalen Wirbelkörpern und kein Facettendruckschmerz.
Die Brust- und die Lendenwirbelsäule waren gekennzeichnet durch eine mittelgradige Tonuserhöhung und Schmerzangaben im Bereich
L 5/S 1 sowie über beiden Iliosakralgelenken. Die neurologische Untersuchung ergab keine Muskelatrophien oder Paresen und
einen beidseits negativen Laségue-Test. Hinweise für motorische Störungen oder eine Ischiasnervenreizung gab es nicht.
Nach den Feststellungen von Dr. D. hielt sich die Beweglichkeit der Wirbelsäule einschließlich ihrer Entfaltbarkeit im altersentsprechenden
Normbereich. Auch die Halswirbelsäule war völlig frei beweglich ohne Schmerzangaben bei der Bewegungsprüfung. Die Klägerin
war trotz der geklagten Schmerzen in der Lage, 45 Minuten lang auf einem ungepolsterten Stuhl zu sitzen, ohne dass es zu bedeutsamen
Entlastungsbewegungen gekommen ist. Der Entkleidevorgang war zügig und unbehindert, die Klägerin bückte sich mehrfach bis
zum Fußboden.
Dr. D. hat für den Senat überzeugend hieraus abgeleitet, dass der Klägerin das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges
Bücken, Vibrationsbelastungen und das Arbeiten in Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten nicht mehr zumutbar sind. Eine Einschränkung
des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lässt sich hieraus
jedoch nicht ableiten. Dabei ist unerheblich, dass sich die Klägerin angeblich deshalb so schnell entkleidet und angekleidet
hat, weil die Situation für sie beschämend gewesen sei. Denn unabhängig von der Motivationslage liegen bei der Klägerin jedenfalls
keine objektivierbaren Gesundheitsstörungen vor, die ihr ein schnelles Ankleiden oder Entkleiden unmöglich machen würden.
An den Schultergelenken fanden sich bei der Klägerin keine Hinweise für einen Gelenkerguss, eine Schultergelenksinstabilität
oder eine Rotatorenmanschettenläsion. Der Abduktionstest wurde von der Klägerin seitengleich kraftvoll demonstriert. Trotz
positiver Impingementzeichen und positivem Jobe-Test war die Beweglichkeit frei. Die wiederkehrenden Beschwerden bei Anhebung
des rechten Armes führen nachvollziehbar allein zu einem Ausschluss von Überkopftätigkeiten.
Die Ellbogengelenke der Klägerin waren unauffällig ohne Hinweis auf eine Bursitis. Die Epicondylen waren nicht druckschmerzhaft.
Auch an den Handgelenken fand sich keine Druckschmerzhaftigkeit und kein Hinweis auf Synovitis bei altersentsprechender Beweglichkeit.
Die Handbinnenmuskulatur war normal ausgebildet ohne Atrophien. Es zeigte sich eine deutliche Schwellung beider Mittelfinger
mit knötchenförmigen Auftreibung an sämtlichen Fingermittel- und endgelenken; das Zeichen nach Gaenslen war jedoch negativ.
Der Faustschluss war noch ausreichend kraftvoll und nur endgradig inkomplett möglich. Die Funktionsgriffe wie Schlüssel- und
Spitzgriff konnte die Klägerin durchführen. Hieraus resultiert nachvollziehbar nur ein Ausschluss von Tätigkeiten, die mit
erhöhten Anforderungen an die Feinmotorik verbunden sind.
Bei der Untersuchung der unteren Extremitäten fanden sich gerade Beinachsen mit seitengleicher Hautdurchblutung. Unterschenkelödeme
waren nicht nachweisbar. Hinweise für eine vordiagnostizierte Hüftgelenksarthrose ergaben sich nicht. Die klinische Untersuchung
durch Dr. D. ergab keine Auffälligkeiten. Die Hüftgelenke waren völlig frei beweglich. Auch an den Kniegelenken fanden sich
keine Rötungen, Schwellungen oder Ergüsse. Die Kniegelenke waren bei fehlenden eindeutigen positiven Meniskuszeichen bandstabil
und frei beweglich. Hieraus resultieren allein Einschränkungen in Bezug auf häufiges Treppensteigen, Arbeiten in der Hocke
oder in knieender Position.
Der neurologische Befund war nach den Ausführungen von Dr. C. ebenso unauffällig wie Gangbild und Gangvaria. In psychischer
Hinsicht präsentierte sich die Klägerin überwiegend ausgeglichen bei leichter Affektlabilität. Sie war nicht depressiv und
wirkte auch in ihrem Denken, in ihren Auffassungen und in ihrem Willen nicht depressiv blockiert. Sie schilderte keine Antriebsstörungen
und solche fielen der erfahrenen Gerichtsachverständigen Dr. C. in der Untersuchungssituation auch nicht auf. Inhaltliche
Denkstörungen und Wahrnehmungsstörungen bestanden bei der Klägerin nicht. Die Merkfähigkeit, das Frisch- und das Altgedächtnis
waren nicht beeinträchtigt, die Konzentrationsfähigkeit nur leicht gestört.
Dieser psychischer Befund stimmt im Wesentlichen überein mit den Feststellungen von Dr. D., der bei der Klägerin ebenfalls
eine ausgeglichene Stimmung und einen adäquaten Affekt beobachtet hat. Anhaltspunkte für bedeutsame Defizite im Bereich Aufmerksamkeit,
Merkfähigkeit und Konzentrationsvermögen konnte Dr. D. ebenfalls keine finden. Dr. C. hat klargestellt, dass bei der Klägerin
zwar von behandelnden Nervenärzten anamnestisch mittelschwere und sogar schwere depressiven Episode diagnostiziert worden
seien. Dies bedeutet aber nicht, dass bei der Klägerin durchgehend eine schwere Depression vorliegen würde. Die depressive
Symptomatik schwankt nach den Feststellungen von Dr. C. in ihrer Ausprägung und entspricht biografiebedingt einer Dysthymie.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. C. war die Klägerin nicht depressiv. Dies gilt nach den Angaben von Dr. D. auch für
den Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. D ... Auch die nervenärztlichen Vorgutachter Dr. M., Dr. A., Dr. H. und Dr. P. haben
bei der Klägerin keine mittelschwere oder schwere Depression diagnostiziert, sondern vielmehr insoweit keine Diagnose gestellt
(Dr. H.) oder eine Dysthymie unterschiedlicher Ausprägung (Dr. M. und Dr. A.) bzw. eine Persönlichkeit mit depressiven und
narzisstischen Zügen (Dr. P.) festgestellt. Die Ärzte des Klinikums der LMU A-Stadt (Behandlung der Klägerin am 8. Januar
2013) berichten ebenfalls nur von einer leichtgradigen depressiven Episode.
Gegen eine schwerwiegendere depressive Erkrankung spricht auch, dass der Leidensdruck offensichtlich gering ist. Die Klägerin
ist nicht in konsequenter nervenärztlicher Behandlung. Von den sporadisch konsultierten Nervenärzten ist bisher auch keine
medikamentöse antidepressive Behandlung veranlasst worden. Die Allgemeinärztin Dr. H. gab erst in ihrer Bescheinigung vom
21. Februar 2013 an, es sei eine "fachärztliche psychiatrische Konsultation und ggf. eine antriebdepressive Medikation geplant".
Auch einer Psychotherapie hat sich die Klägerin bisher nicht unterzogen. Von konsequenten Bemühungen der Klägerin, ihre depressiven
Verstimmungszustände behandeln zu lassen, kann damit keine Rede sein. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass sich
die Klägerin im Jahr 2008 in der S. Klinik einer längeren Behandlung zur Bekämpfung ihrer Alkoholabhängigkeitserkrankung unterzogen
hat.
Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die nicht
mit Zeitdruck und Schichtbedingungen verbunden sind, resultiert aus dem psychiatrischen Befund nicht.
Dies gilt auch bei Mitberücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Alkoholerkrankung, die sich nach Einschätzung der
behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. seit der Entwöhnungstherapie in der S. Klinik gebessert hat, ohne dass jedoch
eine langfristige Abstinenz erreicht werden konnte. Zu einem Delir oder einem epileptischen Anfall ist es bei der Klägerin
bisher ebenso wenig gekommen wie zu Folgeerkrankungen wie einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie.
Die von der Klägerin behaupteten Schmerzen lassen sich, soweit sie nicht durch die orthopädischen Gesundheitsstörungen hervorgerufen
werden, nach den Feststellungen von Dr. C. als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung begreifen. Auch insoweit fällt auf,
dass sich die Klägerin keiner konsequenten Therapie unterzieht. In schmerztherapeutischer Behandlung ist die Klägerin nicht.
Eine Schmerzmedikation nimmt sie nicht ein. Auch an entsprechenden Selbsthilfegruppen hat sie kein Interesse. Das Unterlassen
einer ernsthaften Schmerztherapie spricht sehr deutlich gegen eine tatsächliche Beeinträchtigung der Klägerin durch Schmerzen
in dem von ihr angegebenen Umfang.
Für den Senat ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung, ob bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung oder ein Fibromyalgiesyndrom
vorliegt. Dr. D. hat letzteres verneint, weil sich bei ihm nur 6 Tenderpoints als druckschmerzhaft erwiesen hatten. Die LMU
A-Stadt hat demgegenüber 18 positive Tenderpoints festgestellt und hieraus bei Mitberücksichtigung der von der Klägerin geschilderten
psychovegetativen Beschwerden die Diagnose eine Fibromyalgie gestellt, wobei eine Sicherung der Diagnose durch die Überprüfung
von Kontrollpunkten von der LMU A-Stadt dem Befundbericht nicht entnommen werden kann. Es ist zunächst darauf zu verweisen,
dass diese Diagnose allein auf den Schilderungen und Schmerzangaben der Klägerin beruht. Objektive Nachweise für die von ihr
diesbezüglich angegebenen Schmerzen gibt es nicht. Insbesondere hat weder die LMU A-Stadt noch ein anderer behandelnder Arzt
und auch kein Sachverständiger einen Beleg dafür gefunden, dass bei der Klägerin eine Schädigung der kleinen Nervenfasern
vorliegen würde, die nach den von ihr zitierten neuesten Erkenntnissen eine Fibromyalgie belegen sollen, wobei nach den Ausführungen
von Dr. D. diese Forschungsergebnisse bisher allerdings auch noch nicht allgemein anerkannt sind.
Abgesehen davon sind entscheidend für die sozialmedizinische Beurteilung nicht Diagnosen und die genaue Verschlüsselung nach
dem ICD 10, sondern allein die aus Gesundheitsstörungen resultierenden Funktionseinschränkungen. Dr. D. hat zutreffend ausgeführt,
dass das chronisches Schmerzsyndrom bzw. die somatoforme Schmerzstörung durch die Bezeichnung als Fibromyalgiesyndrom nur
ein neues Etikett bekommt. Es ist in keiner Weise ersichtlich, warum aus dieser neuen Etikettierung eine quantitative Leistungseinschränkung
oder weitere qualitative Leistungseinschränkungen folgen sollten. Eine Fibromyalgie ist keineswegs per se eine Berentungsdiagnose.
Auch die LMU A-Stadt legt keine aus der angenommenen Fibromyalgieerkrankung resultierenden Funktionseinschränkungen der Klägerin
dar, sondern stellt vielmehr nur einen Behandlungsplan für sie auf. Schließlich sprechen auch der von der Klägerin selbst
geschilderte Tagesablauf und Aktivitätsumfang sehr deutlich dagegen, dass die Schmerzerkrankung im Zusammenspiel mit dem behaupteten,
aber durch nichts nachgewiesenen "Erschöpfungssyndrom" ein Ausmaß angenommen hat, das einer mindestens sechsstündigen Verrichtung
von leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegenstehen würde. Das Aktivitätsspektrum der Klägerin weist
durchaus auf ausreichend vorhandene Ressourcen hin. Nach wie vor ist sie in der Lage, ihren Haushalt in einer Zweizimmerwohnung
selbstständig zu versorgen. Sie wäscht ihre Wäsche, erledigt Putzarbeiten einschließlich Staubsaugen, kocht und geht einkaufen.
Sie unternimmt Urlaube in Prag und Kroatien, interessiert sich für Bücher, hört regelmäßig Nachrichten und liest Zeitung.
Warum die Klägerin angesichts dieser Aktivitäten nicht auch in der Lage sein soll, mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie etwa leichte Bürohilfstätigkeiten zu verrichten, erschließt sich dem Senat nicht.
Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit allen Gerichtssachverständigen davon überzeugt, dass die Klägerin nach wie vor
mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Zu einer Einholung eines
weiteren Gutachtens auf neurologischem, orthopädischem bzw. schmerztherapeutischem Fachgebiet fühlt sich der Senat nicht gedrängt.
Der entsprechende Beweisantrag der Klägerin wird abgelehnt. Die Klägerin wurde auf den in der mündlichen Verhandlung am 13.
November 2013 genannten und auch allein infrage kommenden Fachgebieten Orthopädie/Schmerztherapie bereits durch den Orthopäden
und Schmerztherapeuten Dr. D. sowie Neurologie und Psychiatrie durch die Nervenärztin Dr. C. eingehend begutachtet. Allein
der Umstand, dass die LMU A-Stadt nunmehr basierend auf den eigenen Angaben der Klägerin eine Fibromyalgie annimmt, rechtfertigt
keine erneute Begutachtung auf diesen Fachgebieten. Dr. D. und Dr. C. haben in ihren ergänzenden Stellungnahmen hinreichend
und den Senat überzeugend klargestellt, dass daraus kein sozialmedizinischer Sachverhalt resultiert, der eine andere Leistungsbewertung
rechtfertigen könnte. Zurückgewiesen wird insbesondere die Behauptung, Dr. C. und Dr. D. hätten keine hinreichenden Erfahrungen
mit der Gesundheitsstörung Fibromyalgie. Beide Sachverständige sind - wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - bereits
vielfach als Gutachter in Rentenstreitsachen aufgetreten, die durch Schmerzerkrankungen und die Diagnose Fibromyalgie geprägt
sind. Die beiden Sachverständigen haben auch durchaus die - nicht näher begründete - Leistungsbeurteilung der behandelnden
Ärzte bei ihrer eigenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung berücksichtigt. Der Umstand, dass die Gerichtssachverständigen
- in ihren ausführlich begründeten Gutachten - insoweit zu einem anderen Ergebnis kommen als behandelnde Ärzte - in ihren
nicht näher begründeten Befundberichten -, ist ebenfalls kein Grund für eine erneute Begutachtung.
Auch der Vorwurf gegenüber Dr. D., er habe den Begleiter der Klägerin beim Untersuchungstermin als alkoholisiert beschrieben,
obwohl dieser nicht alkoholisiert gewesen sei, sondern unter Medikamenteneinfluss gestanden habe, rechtfertigt keine erneute
Begutachtung. Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom August 2012 hinreichend klargestellt, dass ihn der Zustand
und das Verhalten der Begleitperson in keinster Weise in seiner Gutachtertätigkeit beeinträchtigt hat.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und der Klägerin keine Tätigkeit
benannt werden könnte, die sie trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten
kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung
ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B5 RJ 64/02 R). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen.
Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl
von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche
Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können.
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt bei der Klägerin jedoch ebenso wenig vor wie eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen. Die von den Sachverständigen Dr. C. und Dr. D. genannten und im Sachverhalt wiedergegebenen qualitativen
Leistungseinschränkungen sind weder zahlreich noch ungewöhnlich. Die Beweglichkeit der oberen Extremitäten der Klägerin ist
nicht erheblich eingeschränkt; es besteht nur ein Ausschluss von Überkopfarbeiten und Tätigkeiten, die mit besonderen Anforderungen
an die Feinmotorik verbunden sind. Arbeiten, die insoweit nur normale Anforderungen stellen, sind daher möglich. Eine Vergleichbarkeit
der klägerischen Einschränkungen mit denen eines Einarmigen ist daher in keiner Weise gegeben. Auch besteht nach Auffassung
des Senats in Übereinstimmung mit der Einschätzung aller Gerichtsachverständigen kein ungewöhnlicher Pausenbedarf. Schließlich
ist auch die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in einem rentenrelevanten Umfang eingeschränkt, da sie nach den übereinstimmenden
Feststellungen von Dr. C. und Dr. D. noch in der Lage ist, viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 m in weniger als
20 Minuten ohne unzumutbare Schmerzen mit Hilfsmitteln zurückzulegen. Das Gangbild der Klägerin war nach den Feststellungen
beider Sachverständigen völlig ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung war laut Dr. D. seitengleich. Es liegen bei der Klägerin
keine Gesundheitsstörungen vor, die eine Einschränkung der Wegefähigkeit nachvollziehbar machen würden. Dies gilt auch für
die behaupteten Schmerzen aufgrund der Polyarthrose an den Zehengelenken. Dr. D. hat bei der Untersuchung der Fuß- und Zehengelenke
eine gute Extensionsfähigkeit der Großzehengrundgelenke und keine Weichteilschwellungen feststellen können. Beschwerden wurden
von der Klägerin gegenüber Dr. D. auch nicht angegeben. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Klägerin ebenfalls
möglich.
Damit kommt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI nicht in Betracht.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§§
183,193
SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.