Keine Ermittlung der Entgeltpunkte bei der Rentenberechnung durch Übernahme der Durchschnittsverdienste nach Einstufung in
Qualifikationsgruppen für nachgewiesene Beitragszeiten in der Bundesrepublik Deutschland
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zuordnung der vom Kläger im Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zurückgelegten Versicherungszeiten
zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum
SGB VI.
Der 1946 geborene Kläger, polnischer Staatsangehöriger ohne Anerkennung als Spätaussiedler, ist nach seinen eigenen Angaben
am 4. Mai 1987 aus Polen in das Bundesgebiet zugezogen. Er hat in Polen von Dezember 1962 bis Juni 1964 eine Fachschulausbildung,
von Oktober 1964 bis Juni 1968 den Wehrdienst in der polnischen Armee sowie von Februar 1976 bis Juni 1979 eine Hochschulausbildung
mit Abschluss zum Diplomingenieur absolviert. Von September 1968 bis April 1987 war der Kläger in Polen als Elektriker, Funkmeister,
Leiter der Elektroabteilung, Elektrospezialist, Elektromeister, erneut als Elektrospezialist, Hauptenergetiker und zuletzt
als Elektrokonstrukteur beschäftigt. Nach seinem Zuzug in das Bundesgebiet hat er von April 1989 bis Dezember 2011 - mit geringfügigen
Unterbrechungen - Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. des Bezugs von Lohnersatzleistungen
der Arbeitsverwaltung zurückgelegt.
Mit Bescheiden vom 28. April 1998, 22. Juli 2002 und 16. Februar 2006 stellte zunächst die LVA Schwaben und zuletzt die Beklagte
den Versicherungsverlauf des Klägers gemäß §
149 Abs.
5 SGB VI fest. Die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers wurden dabei aufgrund des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens
vom
9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) anerkannt. Die Versicherungszeiten des Klägers aufgrund einer Beschäftigung wurden dabei zuletzt
mit Bescheid vom 16. Februar 2006 vom
6. September 1968 bis 26. Juni 1979 der Qualifikationsgruppe 4 und ab 27. Juni 1979 bis 30. April 1987 der Qualifikationsgruppe
1 der Anlage 13 zum
SGB VI zugeordnet. Für die Versicherungszeiten des Klägers ab 5. April 1989 wurden die nach der Datenübermittlungsverordnung bzw.
von der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Daten übernommen.
Auf seinen Antrag vom 6. Oktober 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit angefochtenem Bescheid vom 11. Januar 2012 Regelaltersrente
ab 1. Januar 2012 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.105,85 Euro.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehren, die Beitragszeiten vom
1.Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 in die Qualifikationsgruppe 1 und in den Bereich der Tabelle 7 der Anlage 14 zum
SGB VI (Elektrotechnik, Elektronik, Gerätebau) zuzuordnen. Er wies darauf hin, er habe am 26. Juni 1979 ein Hochschuldiplom erworben.
Außerdem habe er am 17. Juli 1991 einen Arbeitsunfall erlitten, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von 5,5 Monaten geführt habe.
Nach dem Arbeitsunfall habe er seine bisher ausgeübte Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht fortführen können. Über seinen
damals gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation habe die damals zuständige LVA Schwaben erst nach
3 Jahren negativ entschieden. Dies sei der Hauptgrund dafür, dass er später bei der Firma S. in B. einen niedrigeren Lohn
erhalten habe. Der Ausfall an Verdienst und Entgeltpunkten bei der Rentenversicherung sei allein durch die LVA Schwaben verursacht
worden.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2012 zurückgewiesen. Die im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten
ab dem 1. Januar 1992 seien ausschließlich gemäß §§
55 ff.
SGB VI zu entschädigen. Den Anlagen 13 bzw. 14 zum
SGB VI komme insoweit keine Bedeutung zu.
Hiergegen hat der Kläger unter dem Az. S 4 KN 154/12 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben, die Zuordnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zur Qualifikationsgruppe 1 und sinngemäß
die Berücksichtigung von Entgeltpunkten bei der Rentenberechnung auf der Grundlage von Durchschnittsverdiensten nach Anlage
14 zum
SGB VI beantragt sowie zur Begründung den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er hat eine Bescheinigung der Schwäbisch
Gmünder Ersatzkasse über eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 29. August 1991 bis 24. November 1991, Bescheide der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
vom 9. April 1992 über eine vorläufige Rente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalles am 18. Juli 1991 vom 25. November 1991
bis
31. August 1992 bzw. vom 8. Juli 1993 über die Gewährung einer Rente ab 1. September 1992 bis 31. Juli 1993, einen Befundbericht
des Orthopäden Dr. O. vom 14. Juni 1994 sowie ein orthopädisches Gutachten von Dr. L. vom 5. November 1993 für das Sozialgericht
Augsburg in dem Rechtsstreit S 8 Vs 360/93 sowie Arbeitszeugnisse der Firma S. vom 31. Januar 2003 und 31. Mai 2011 vorgelegt.
Das SG hat einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 abgelehnt, da die beabsichtigte
Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Eine Einstufung der Zeit vom 1. November 1992 bis 31. Dezember 2011 in Qualifikationsgruppe
1 der Anlage 13 zum
SGB VI sei nicht möglich. Die hiergegen erhobene Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (Az. L 13 R 29/13 B PKH) wurde vom Senat mit Beschluss vom 18. April 2013 zurückgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2013 hat das SG die Klage (Az. S 4 KN 174/12) abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger unter Wiederholung seiner Ausführungen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht unter dem Az.
L 13 R 915/13 eingelegt und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom
29. November 2013 mangels Erfolgsaussicht der Berufung abgelehnt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2012 abzuändern und die Beklagte
zu verurteilen, die Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum
SGB VI zuzuordnen und dementsprechend höhere Regelaltersrente zu zahlen sowie den Titel Dipl.Ing. TU in seinen Rentenbescheid aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 13 R 915/13 und L 13 R 29/13 B PKH sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 11. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Zuordnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum
SGB VI. Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Aufnahme des Titels "Dipl.Ing TU" in den Rentenbescheid war abzuweisen,
da insoweit kein Anspruch des Klägers besteht.
Der Kläger hat im strittigen Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 im Bundesgebiet Pflichtbeitragszeiten gemäß §
55 Abs.
1 Satz 1
SGB VI zurückgelegt, da für ihn in diesen Zeiten nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Gemäß §
70 Abs.
1 Satz 1
SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage - in Gestalt des durch Pflichtbeiträge
versicherten Individualentgelts - durch das Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum
SGB VI für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Die Beklagte hat diese Berechnung der Entgeltpunkte anhand der vom Arbeitgeber bzw.
der Arbeitsverwaltung übermittelten Entgelte zutreffend durchgeführt. Fehler wurden weder konkret gerügt noch sind solche
für den Senat erkennbar.
Die vom Kläger gewünschte Ermittlung der Entgeltpunkte durch Übernahme der Durchschnittsverdienste, die sich nach Einstufung
der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppe und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der
in Anlage 14 genannten Bereiche ergeben, scheidet aus, da diese Art der Ermittlung von Entgeltpunkten gemäß §
256 b Abs.
1 Satz 1
SGB VI nur für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31. Dezember 1949 in Betracht kommt. Die Pflichtbeitragszeiten
des Klägers im Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 sind aber durch die Meldungen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitsverwaltung
nachgewiesen und nicht nur glaubhaft gemacht. Eine unmittelbare Anwendung des §
256 b Abs.
1 Satz 1
SGB VI scheidet damit aus.
Eine Anwendung von §
256 b Abs.
1 Satz 1
SGB VI kommt auch nicht über das DPSVA 1975 in Betracht. Von diesem Abkommen wird der Kläger zwar grundsätzlich erfasst, da er bis
zum 31. Dezember 1990 nach Deutschland zugezogen ist und sich hier aufhält (vgl. Art. 27 Abs. 1, 2 Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Polen über soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 - DPSVA 1990).
Gemäß Art. 4 Abs. 1 DPSVA 1975 werden Renten der Rentenversicherung vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet
der Berechtigte wohnt, nach der für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt, hier also von der Beklagten nach deutschem
Recht. Die Beklagte hat dabei gemäß Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 bei Feststellung der Rente nach der für sie geltenden Vorschriften
Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so zu berücksichtigen, als ob
sie im Gebiet des ersten Staates - hier also der Bundesrepublik Deutschland - zurückgelegt worden wären. Die vom Versicherungsträger
des anderen Vertragsstaates - hier Polen - festgestellten und mitgeteilten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und ihnen
gleichgestellten Zeiten sind also vom Versicherungsträger des Wohnlandes - hier die Beklagte - anzurechnen, wobei die Art
der Anrechnung, Berücksichtigung sowie ihre Bewertung sich nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes richtet.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 vom 12. März 1976 (BGBl II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr.
2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) sind diese Zeiten bei Feststellungen einer Rente
nach dem 30. Juni 1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG), dessen Art.
1 das Fremdrentengesetz (FRG), bildet, zu berücksichtigen. Besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente erstmals für einen Zeitraum nach dem 31. Dezember
1995, richtet sich die Bewertung der im anderen Staat zurückgelegten Versicherungszeiten nach § 22 Abs. 1 FRG (vgl. Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1, 3 FANG). § 22 Abs. 1 FRG bestimmt, dass für Beitragszeiten (vgl. § 15 FRG) Entgeltpunkte in Anwendung von §
256 b Abs.
1 Satz 1 1. Halbsatz, S. 2 und 9
SGB VI und damit nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum
SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum
SGB VI genannten Bereiche ermittelt werden.
Die soeben dargestellte Bewertung bezieht sich aber ausschließlich auf die Beitragszeiten, die der Versicherte im "anderen
Staat", hier also Polen, zurückgelegt hat. Für die Bewertung der Beitragszeiten, die der Versicherte im Gebiet des "ersten
Staats" - hier also in der Bundesrepublik Deutschland - zurückgelegt hat, hat das DPSVA 1975, Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes
zum DPSVA und die damit verbundenen Verweisungen auf das FANG und das FRG keine Bedeutung.
Eine unmittelbare Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger nicht als Vertriebener usw. anerkannt ist und damit nicht unter den unmittelbaren
Anwendungsbereich des FRG fällt (vgl. § 1 FRG). Darüber hinaus sind Beitragszeiten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG nur solche im Sinne des § 15 FRG und damit nur bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Beitragszeiten.
Eine Ermittlung der Entgeltpunkte nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum
SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche kommt damit
nicht in Betracht. Der Kläger kann auch nicht eine Rentenberechnung aufgrund der Einstufung in Qualifikationsgruppen deshalb
beanspruchen, weil er nach seiner Einschätzung aufgrund seines im Juli 1991 erlittenen Arbeitsunfalls gezwungen war, geringer
vergütete Tätigkeiten anzunehmen. Derartige Verluste sind nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern - bei Vorliegen
der gesetzlichen Voraussetzungen - von der gesetzlichen Unfallversicherung zu kompensieren. Auch der Hinweis des Klägers auf
eine nach seiner Meinung zu Unrecht verweigerte Leistung zur medizinischen Rehabilitation der damals zuständigen LVA Schwaben
ändert nichts an diesem Ergebnis. Insoweit weist der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück
und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs.
2 SGG).
In Bezug auf das Begehren des Klägers, die Beklagte solle im Rentenbescheid seinen Titel als Diplom-Ingenieur aufnehmen, ist
darauf hinzuweisen, dass Berufsbezeichnungen kein Teil des bürgerlichen Namens sind (Palandt,
BGB, §
12 Rn. 7). Ein entsprechender Anspruch des Klägers besteht daher nicht, die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.