Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit und hierbei die Erfüllung der
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Die 1950 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Bosnien-Herzegowina und hat dort ihren
Wohnsitz. Sie hat von April 1971 bis März 1990 mit Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten und Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit
in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Nicht mit rentenrechtlichen Zeiten belegt sind (u.a.) die Monate
Januar 1984, September 1988 und Mai 1989 bis Januar 1990. Nach eigenen Angaben hat die Klägerin in anderen Staaten keine Versicherungszeiten
zurückgelegt und war in Deutschland als Arbeiterin und Reinigungskraft beschäftigt.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten formlos Antrag auf Rente, weil sie aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr der Lage sei, zu arbeiten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung
seien nicht erfüllt. In den letzten drei Jahren vor der Antragstellung (1. März 2002 bis 28. Februar 2007) seien keine Pflichtbeitragszeiten
(§
43 Abs.
2 Nr.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI -), Verlängerungstatbestände (§§
43 Abs.
4,
241 Abs.
1 SGB VI) oder Anwartschaftserhaltungszeiten (§
241 Abs.
2 S. 1
SGB VI) vorhanden. Es liege auch keine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit (§
245 in Verbindung mit §
53 SGB VI) und keine Berechtigung zur rückwirkenden Beitragszahlung (§
241 Abs.
2 S. 2
SGB VI) vor. Bei diesem Sachverhalt sei nicht geprüft worden, ob eine teilweise oder volle Erwerbsminderung oder eine Berufsunfähigkeit
vorliege (Bescheid vom 4. April 2007).
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte zur Begründung geltend, sie leide seit acht Jahren an Diabetes, Asthma und
Herzbeschwerden. Inzwischen seien eine schwere psychische Erkrankung und Lebererkrankung hinzugekommen und der Diabetes (seit
Juli 2007) insulinpflichtig. Beigefügt waren Arztbriefe aus den Jahren 2005-2007.
Die Beklagte ließ die Klägerin in ihrer Heimat durch den Arbeitsmediziner Dr. K. ambulant begutachten. Dieser führte in seinem
Gutachten vom 22. Mai 2008 aus, bei der Klägerin sei vor acht Jahren (2000) ein Diabetes diagnostiziert worden. Seitdem werde
sie auch wegen Bluthochdrucks und Herzstörungen behandelt. Er diagnostizierte einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus,
eine diabetische Polyneuropathie, eine arteriellen Hypertonie, eine Hypertrophie der linken Herzkammer, eine Angina Pectoris
und eine chronische Bronchitis. Zum Leistungsvermögen der Klägerin führte er aus, aufgrund dieser Erkrankungen könne die Klägerin
seit dem Untersuchungszeitpunkt keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben. Der sozialärztliche Dienst der Beklagten kam dagegen
zu dem Ergebnis, bei der Klägerin liege seit Antragstellung ein nur drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen vor.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2008). Sie führte zur
Begründung aus, die Klägerin sei seit 1. März 2007 (Zeitpunkt der Antragstellung) teilweise erwerbsgemindert, doch seien die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung weiterhin nicht erfüllt.
Bereits am 29. September 2008 (Eingang bei Gericht) hat die Klägerin beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die Beklagte habe mehrfach Anträge auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Auch nachdem
eine Gutachterkommission in ihrer Heimat festgestellt habe, dass sie dauerhaft erwerbsunfähig sei, habe die Beklagte eine
Rente abgelehnt. Die Beklagte hat dem SG unter Bezugnahme auf den zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheid mitgeteilt, die besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien letztmals im Juni 1991 erfüllt. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt,
sie sei bereits in den achtziger Jahren erkrankt und von den beiden letzten Arbeitgebern wegen längerer Krankheitszeiten entlassen
worden. Dies könne man über ihre Krankenkasse und das Arbeitsamt überprüfen. 1991 sei sie sowohl aus gesundheitlichen Gründen
als auch aufgrund der Arbeitsmarktlage aus dem Berufsleben ausgeschieden. Außerdem liege bei ihr keine teilweise Erwerbsminderung,
sondern dauerhafte Erwerbsminderung vor.
Das SG hat das zutreffend als Untätigkeitsklage angesehene Verfahren bezüglich des Leistungsbegehrens der Klägerin als kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage fortgeführt, einen Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung
eines Rechtsanwalts für dieses Klageverfahren mangels Erfolgsaussicht abgelehnt (Beschluss vom 18. Juni 2009) und die Klage
abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2009, der Klägerin zugestellt am 18. November 2009). Es hat zur Begründung unter
Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides ausgeführt, nach dem Versicherungsverlauf habe die
Klägerin zwar die allgemeine Wartezeit nach §
50 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI erfüllt. Auch sei sie seit 1. März 2007 teilweise erwerbsgemindert. Ausgehend von diesem Leistungsfall seien jedoch die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt. Von einem früheren Eintritt des Versicherungsfalles könne
nach Überzeugung des Gerichts nicht ausgegangen werden. Aus dem von der Beklagten über den bosnischen Versicherungsträger
eingeholten Gutachten folge, dass die Erwerbsminderung frühestens am 22. Mai 2007 (richtig: 2008) eingetreten sei. Den vor
diesem Zeitpunkt vorgelegten Befundberichten, die in diesen Gutachten bereits berücksichtigt worden seien, ließen sich keine
wesentlichen Funktonseinschränkungen entnehmen. Im Übrigen datiere der erste Befundbericht vom 20. September 2005. Bereits
zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen.
Mit der am 3. Dezember 2009 (Eingang bei Gericht) eingelegten Berufung begehrt die Klägerin weiterhin eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Sie hat zur Begründung insbesondere vorgetragen, alle ihre Erkrankungen lägen seit mehreren Jahren vor. Dies sei sowohl bei
der Krankenkasse als auch bei den behandelnden Ärzten in Deutschland aktenkundig. Beigefügt waren neben den bereits im Verwaltungsverfahren
eingegangenen ärztlichen Unterlagen Arztberichte vom 30. Oktober 2007 sowie aus dem Jahr 2009.
Ermittlungen bei den von der Klägerin benannten Ärzten haben ergeben, dass dort keine Unterlagen über eine Behandlung der
Klägerin in der Zeit von 1988 bis 1992 mehr vorliegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 27. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund
ihres Antrags vom 1. März 2007 Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
105 Abs.
2 S. 1, 143, 144, 151
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.
Oktober 2008, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 1. März 2007 Rente wegen Erwerbsminderung
oder Berufsunfähigkeit zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2009 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf eine Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche
Rente nicht erfüllt sind.
Nach §
43 Abs.
1 und
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise beziehungsweise voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare
Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden (teilweiser
Erwerbsminderung) bzw. drei Stunden (voller Erwerbsminderung) täglich erwerbstätig zu sein.
Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze
bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§§
50 Abs.
1,
51 Abs.
1 SGB VI) erfüllt. Auch liegt bei der Klägerin nach Feststellung der Beklagten zumindest eine teilweise Erwerbsminderung vor. Für
einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit ist darüber hinaus aber erforderlich, dass auch die
besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rentenart erfüllt sind. Dies haben die Beklagte und das SG im Ergebnis zutreffend verneint.
Zwar erscheint es zweifelhaft, ob die bei der Klägerin laut Gutachten vom 22. Mai 2008 bestehende teilweise oder volle Erwerbsminderung
erst seit der Antragstellung am 1. März 2007 vorliegt, weil die der Leistungsbeurteilung in diesem Gutachten zu Grunde liegenden
Erkrankungen sowohl nach eigenen Angaben der Klägerin als auch nach dem Inhalt der im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen
Unterlagen zumindest teilweise bereits im Jahr 1998 diagnostiziert und behandelt worden sind und nach den ärztlichen Unterlagen
aus den Jahren 2006 und 2007 in der Folgezeit weitere Erkrankungen hinzugetreten sind. Der sozialärztliche Dienst der Beklagten
hat für den Eintritt der Erwerbsminderung ohne nähere Begründung auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung abgestellt, der
Arbeitsmediziner Dr. K. - und ihm folgend das SG - in seinem Gutachten vom 22. Mai 2008 ebenfalls ohne nähere Begründung auf den Zeitpunkt seiner Untersuchung.
Wie die Beklagte gegenüber dem SG zutreffend ausgeführt hat, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung
bei der Klägerin, die nur bis zum März 1990 rentenrechtliche Zeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt
hat und bei der (unter anderem) die Monate September 1988 und Mai 1989 bis Januar 1990 und die Monate ab April 1990 nicht
mit rentenrechtliche Zeiten, Verlängerungstatbeständen oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sind, allerdings nur erfüllt,
wenn die Klägerin bereits seit Juni 1991 durchgehend erwerbsgemindert oder berufsunfähig ist. Anhaltspunkte für eine vorzeitige
Wartezeiterfüllung oder für eine Berechtigung der Klägerin, für Zeiträume vor dem Jahr 2006 rückwirkende Beiträge zu entrichten,
liegen nicht vor. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des Widerspruchsbescheides
vom 22. Oktober 2008 Bezug (§§
153 Abs.
1,
136 Abs.
3 SGG).
Es liegen jedoch keinerlei Erkenntnisse darüber vor, ob bei der Klägerin bereits im Juni 1991 Gesundheitsstörungen bestanden,
die zu einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung ihres beruflichen Leistungsvermögens geführt haben können. Die von der
Klägerin für die Zeit von 1988 bis 1992 genannten behandelnden Ärzte haben auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie keine Unterlagen
über die Behandlung der Klägerin in diesem Zeitraum mehr besitzen. Bei Krankenkassen und Arbeitsagenturen werden regelmäßig
keine medizinischen Unterlagen geführt. Die zuständige Krankenkasse konnte lediglich mitteilen, dass die Klägerin vom 17.
November 1986 bis 23. Januar 1987 wegen Hypertonie, depressiver Stimmung und psychophysischer Erschöpfung sowie vom 24. Mai
1988 bis 12. August 1988 und vom 6. Februar 1990 bis 13. März 1990 wegen BWS-HWS-Syndroms arbeitsunfähig war. Danach ist zwar
ersichtlich, dass sich die Klägerin bereits 1986/87 wegen psychischer Beschwerden und Hypotonie sowie 1988 und 1990 wegen
Wirbelsäulenbeschwerden, die in den späteren ärztlichen Berichten keine Erwähnung mehr finden, in Behandlung befunden hat.
Befunde, die Rückschlüsse auf die genaue Art, Intensität und Dauer der Gesundheitsstörungen zulassen würden, liegen aber nicht
vor. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin damals im Auftrag einer Krankenkasse oder einer Arbeitsagentur
untersucht wurde und somit über den medizinischen Dienst der Krankenkassen oder den ärztlichen Dienst der Arbeitsagenturen
medizinische Befunde erlangt werden könnten. Auch die Klägerin selbst hat auf Nachfrage des Senats keine derartige Begutachtung
angegeben und keine medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1988 bis 1992 vorgelegt. Eine nochmalige Begutachtung der Klägerin
erscheint aufgrund der Tatsache, dass seit dem maßgeblichen Zeitpunkt für den Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit
(Juni 1991) bereits 19 Jahre vergangen sind, ebenfalls nicht geeignet, konkreten Aufschluss über ihren damaligen Gesundheitszustand
zu geben. Auch die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Befunde aus der Zeit ab 2005 lassen nach Auffassung des Senats
keine zeitlich so weit reichenden Rückschlüsse zu. Die darin gemachten Angaben wie auch die im Gutachten vom 22. Mai 2008
festgehaltenen eigenen Angaben der Klägerin weisen lediglich darauf hin, dass die Klägerin seit 1998 (so ein Befund vom 26.
Mai 2006) oder 2000 (so das Gutachten vom 22. Mai 2008) wegen Diabetes, Bluthochdruck und Herzstörungen behandelt worden ist.
Hinweise auf früher erhobene Befunde finden sich darin nicht. Die Feststellung einer Chronifizierung lässt keinen Rückschluss
darauf zu, seit wann und in welcher Intensität eine Gesundheitsstörung tatsächlich bestanden hat.
Mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln ist somit nicht feststellbar, ob das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin
bereits im Juni 1991 aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt war und bereits damals eine Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit
vorlag. Nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl. BSGE 96,238) geht
der Umstand, dass sich der rechtzeitige Eintritt einer Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit der Klägerin als wesentliche
Tatbestandsvoraussetzung für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rente nicht nachweisen lässt, zu ihren Lasten. Klage
und Berufung konnten daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG), liegen nicht vor.