Gründe:
I. Streitig ist der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
1. Der 1954 geborene Antragsteller leidet an einem Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma (September 2005), Alkoholabhängigkeit,
chronischer Bronchitis mit Lungenfunktionseinschränkung bei Nikotinmissbrauch sowie an einem Schulter- und Wirbelsäulensyndrom.
Bis 31.05.2007 war er wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Antragsgegnerin krankenversichert.
In einer sozialmedizinischen Beurteilung vom 02.05.2007 hielt der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit fest, an sich
hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben und eigentlich reichten die Mitteilungen des behandelnden Arztes, der Antragsteller
sei zu Behandlungen oder zur Entziehungsbehandlung nicht zu motivieren, als Grundlage für die Feststellung von Erwerbsunfähigkeit
nicht aus. Weil aber eine berufliche Eingliederung nicht gelingen werde, sei vorzuschlagen, das Leistungsvermögen auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt umfasse für voraussichtlich länger als sechs Monate - aber nicht dauerhaft - täglich weniger als
drei Stunden. Daraufhin bewilligte die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitssuchende K. mit Bescheid vom 03.05.2007
dem Antragsteller sowie seiner Bedarfsgemeinschafts-Partnerin G. N. für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2007 Arbeitslosengeld
II in der Regelhöhe von jeweils 311,00 Euro zuzüglich hälftiger Kosten für Unterkunft und Heizung. Zudem vermerkt der Bescheid
als Änderung ab 01.06.2007 sei die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers weggefallen und er sei ab 01.06.2007 nicht mehr krankenversichert.
Mit Bescheid vom 10.09.2007 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft K. für die Zeit 01.10. bis 31.03.2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
II für den Antragsteller sowie für dessen Bedarfsgemeinschaftspartnerin. Der zugehörige Berechnungsbogen unterscheidet zwischen
der Regelleistung Erwerbfähiger für die Bedarfsgemeinschaftspartnerin sowie Sozialgeld für den nicht erwerbsfähigen hilfsbedürftigen
Antragsteller und führt an, der Antragsteller sei nicht kranken-, renten- und pflegeversichert.
Einen Formblattantrag "Anzeige zur Pflichtversicherung" vom 02.10.2007 beschied die Antragsgegnerin am 04.10.2007 negativ.
Versicherungspflicht trete nicht ein, weil der Antragsteller Sozialgeld beziehe und bereits dauerhafte Erwerbsminderung festgestellt
sei. Zu einem vom Antragsteller erhobenen Widerspruch teilte die Antragsgegnerin unter dem 13.11.2007 mit, darüber werde sie
entscheiden, sobald ein Bescheid über die Bewilligung oder Ablehnung der Grundsicherung vorgelegt sei.
2. Am 05.12.2007 hat der Antragsteller einen am 16.01.2008 beim Sozialgericht Augsburg eingegangenen Antrag zur sofortigen
Aufnahme in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung gestellt. Über seinen Widerspruch gegen die Ablehnung der Pflichtversicherung
bei der Beklagten sei noch nicht entschieden, er müsse jedoch wegen des Schädelhirntraumas sowie des Schulter-/Wirbelsäulensyndroms
dringend zum Arzt.
Dagegen hat sich die Antragsgegnerin gewandt, weil ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Der Kläger sei nicht nach dem Auffangtatbestand
der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, weil er wegen dauerhafter Erwerbsminderung vorrangig Leistungen
der Grundsicherung erhalten müsse. Er unterfalle deshalb einem gesetzlichen Ausschlusstatbestand. Zudem fehle es an einem
Anordnungsgrund, weil der Sozialhilfeträger Leistungen der Krankenversorgung erbringen müsse. Sie sei allenfalls bereit, ein
Betreuungsverhältnis für den Sozialhilfeträger zu übernehmen.
Im Januar 2008 hat die Stadt K. dem Antragsteller im Ausnahmewege einen Krankenbehandlungsschein ausgestellt, weil er wegen
eines halbseitigen Taubheitsgefühls einen Arzt habe aufsuchen müssen.
Mit Beschluss vom 13.02.2008 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller als pflichtversichertes
Mitglied vorläufig aufzunehmen und umgehend eine Versichertenkarte auszustellen. Kranken - nicht aber Pflegeversicherungsschutz
- sei dem Kläger zu gewähren, weil er als Alkoholiker und wegen weiterer Erkrankungen laufenden ambulant behandelt werden
müsse, wegen Mittellosigkeit ärztliche Leistungen nicht bezahlen könne und sich nicht auf den Sozialhilfeträger verweisen
lassen müsse. Eine vorrangige anderweitige Krankenversicherung des Antragstellers bestehe nicht, weil er keine laufenden Leistungen
empfange, allein der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung reiche nicht aus. Im Übrigen sei auch bei einer Güterabwägung
zu Gunsten des Antragsgegners zu entscheiden, weil im Falle der rückwirkenden Feststellung der Erwerbsminderung ein Erstattungsanspruch
der Antragsgegnerin bestehe.
3. Dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, Aufhebung des Beschlusses sowie die Verpflichtung der Beigeladenen
zum Versicherungsschutz beantragt. Diese habe es pflichtwidrig versäumt, rechtzeitig über den Antrag vom 18.09.2007 auf Grundsicherung
bei Erwerbsminderung zu entscheiden. Wie in einem vergleichbaren Falle durch das Bayer. Landessozialgericht am 06.02.2008
- L 8 B 799/07 SO ER - entschieden, müsse vorrangig die Sozialhilfe den Krankenschutz sicherstellen.
Die Beigeladene hat mitgeteilt, sie habe über den Antrag auf Grundsicherung wegen der vorrangigen Prüfung durch den Rententräger
nicht entscheiden können, zumal der Antragsteller trotz mehrfach Aufforderung kein aktuelles Attest vorgelegt habe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 13.02.2008 aufzuheben und die Beigeladene zu verpflichten, den Antragsteller
zu einem Krankenversicherungsschutz nach §
264 Abs.
2 SGB V zu verhelfen und diesen insbesondere anzumelden.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist
zulässig (§§
172,
173, 174
Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet.
Gegenstand der Beschwerde ist allein noch die Herstellung des Schutzes der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht mehr jedoch
der Pflegeversicherung, weil das Sozialgericht dem insoweit gestellten Antrag des Antragstellers nicht entsprochen, dieser
jedoch dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat.
1. Nach §
86b Abs.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines Rechtszustandes - wie hier das
streitige Pflichtversicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung - treffen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. In einem solchen gerichtlichen Eilverfahren ist es grundsätzlich möglich,
die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren und dabei eine summarische Prüfung der Sachlage durchzuführen.
Handelt es sich aber um existenziell bedeutsame Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, ist die Sach- und Rechtslage
auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abschließend zu prüfen. Sollte diese gebotene vollständige Aufklärung im
Eilverfahren jedoch nicht möglich sein, bilden die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht mehr den Entscheidungsmaßstab. Vielmehr
ist eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei welcher die grundrechtlichen Belange des Betroffenen mit den Belangen der Versichertengemeinschaft
abzuwägen sind (ständige Rechtsprechung Bundesverfassungsgericht Beschlüsse vom 22.11.2001 - NJW 2003, 1236; vom 12.03.2004 1 BvR 131/04; vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; vom 06.07.2007 - 1 BvR 3101/06; BayLSG Beschluss vom 13.11.2006 - L 5 KR 324/06 KR ER).
Die Orientierung an einer Folgenabwägung hat die Rechtsprechung insoweit bislang nur bei lebensbedrohenden oder in absehbarer
Zeit lebensbedrohenden und existenziell bedeutsamen Krankenbehandlungen angewandt. Um eine solche akute oder zumindest in
absehbarer Zeit existenziell bedrohliche Erkrankung handelt es sich vorliegend beim Antragsteller nicht. Er ist allerdings
wegen der Folgen eines Schädelhirntraumas und wegen einer Alkoholkrankheit im fortgeschrittenen Stadium einer Krankheit angelangt,
die nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten die Grenze zur Erwerbsunfähigkeit zumindest erreicht, wenn nicht
gar überschritten hat. Beim Antragsteller sind im Laufe des Verfahrens konkret behandlungsbedürftige körperhalbseitige Taubheitserscheinungen
aufgetreten, mithin umfangreiche neurologische Ausfälle. Es liegen somit aktuelle massive Erkrankungen vor. Insoweit ist es
bedeutsam, dass der Schutz des Einzelnen in Fällen von Krankheit in der staatlichen Ordnung des Grundgesetzes zu den Grundaufgaben
des Staates zählt. Dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG kommt wesentliche Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht fordert dazu in ständiger Rechtsprechung, dass sich das Leistungsrecht
der gesetzlichen Krankenversicherung an der objektiv rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren hat, sich schützend und
fordernd vor diese Rechtsgüter zu stellen (BverfG NZS 2006, 86f m.w.N.). Diese Grundsätze rechtfertigen es, bereits bei schwerwiegenden
Erkrankungen, wie den hier beim Antragsteller bestehenden, nicht auf eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage abzustellen,
sondern auf eine Folgenabwägung.
2. Dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz durch die Krankenversicherung steht das Interesse der Antragsgegnerin gegenüber,
keine ungerechtfertigte Leistungen erbringen zu müssen, wenn die Erbringung von Leistungen bei Krankheiten anderweitig sichergestellt
ist durch die vorrangige Leistungspflicht anderer Träger, insbesondere nach §
5 Abs.
8a SGB V.
Zur im Raume stehenden vorrangigen Leistungspflicht anderer Träger besteht - wie im Beschluss des 8. Senats des Bayer. Landessozialgerichts
vom 06.02.2008 - L 8 B 799/07 SO ER dargestellt - eine unübersichtliche Rechtslage, die auch in der ergangenen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt wird.
Das gleiche gilt zur Frage, ob die Pflichtversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V bei Antragstellern der Grundleistung bei Erwerbsunfähigkeit nach §
42 SGB XII durch §
5 Abs.
8a SGB V vorrangig ist. Hinzukommt im vorliegenden Fall, dass auch die Verwaltungsentscheidungen, die Anlass für das vorliegende Verfahren
sind, nicht ohne weiteres als rechtlich korrekt bezeichnet werden können. Der Bescheid der Arbeitsgemeinschaft K. vom 03.05.2007
erscheint zumindest nicht vollständig korrekt, weil dort dem Antragsteller offensichtlich Leistungen als Arbeitslosengeld
II bis 30.9.2007 bewilligt wurden, ihm aber gleichwohl ab 01.06.2007 die Krankenversicherung entzogen wird. Ebenso erscheint
es zumindest angreifbar, dass im Bewilligungsbescheid vom 10.09.2007 nur noch Sozialgeld bewilligt wurde, obgleich sich an
den medizinischen Verhältnissen entsprechend der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom
02.05.2007 seit 02.10.2006 nichts Wesentliches geändert hatte. Insbesondere ist in der Stellungnahme des MDBA festgehalten,
dass der behandelnde Arzt keine neuen Befunde mitteilt und eine Anfrage dort keine neuen Erkenntnisse ergeben habe. Schließlich
erscheint es auch bedenklich, wenn die Beigeladene sich auf den Standpunkt stellt, der Antragsteller müsse ein aktuelles Attest
beibringen, andernfalls könne der eingeschaltete Rententräger die Frage der Erwerbsunfähigkeit nicht beurteilen. Auch soweit
die Bescheide bestandskräftig sind, kann eine Korrektur über § 44 SGB X erfolgen.
In dieser als unklar zu bezeichnenden Rechtssituation ist es unter Zugrundelegung des Rechtsgüterschutzes des Grundgesetzes
nicht tragbar, Unsicherheiten im Krankenversicherungsschutz zu Lasten des möglicherweise Pflichtversicherten gehen zu lassen.
Dem widerspricht auch die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, eine Einwohnerversicherung zu Gunsten der in der Bundesrepublik
Wohnenden einzuführen und diese vor allem in §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V zu regeln. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wird deshalb die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller als
pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gem §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ab Rechtshängigkeit des Antragsverfahrens zu führen, die entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu
erbringen und eine Krankenversichertenkarte auszustellen.
Diese Entscheidung rechtfertigt sich auch daraus, dass im Falle eines anderslautenden Ausganges des Hauptsacheverfahrens ein
gegen einen anderen Leistungsträger gerichteter Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin durch den vorliegenden Beschluss nicht
gehindert ist, weil lediglich eine vorläufige Regelung angeordnet wird.
3. Der Senat stellt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom
06.02.2008 - L 8 B 799/07 SO ER. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von dem dort entschiedenen. Vorliegend ist der Gesundheitszustand
des Antragstellers zwischen den Beteiligten in Bezug auf die Erwerbsminderung nicht vollständig geklärt, ebenso wie dessen
mögliche Änderung oder Konstanz. Der Antrag, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, wurde gegen die Antragsgegnerin gerichtet,
nicht jedoch gegenüber dem Sozialhilfeträger. Schließlich hat vorliegend der Antragsteller bereits einen Rentenantrag gestellt,
über welchen der gemäß § 45 SGB XII einzuschaltende Träger der Rentenversicherung nach Ablauf von mehr als einem halben Jahr
noch nicht entschieden hat.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin braucht sich der Antragsteller nicht auf die Krankenhilfe gemäß §
264 Abs.
2 SGB V verweisen zu lassen. Ebensowenig stellt die Möglichkeit, dem Antragsteller bei Bedarf einen Krankenschein durch die Beigeladene
auszustellen, eine Absicherung dar, die dem durch das vorliegende Verfahren begehrten Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung
vergleichbar wäre.
Im Rahmen des gerichtlichen Ermessens findet Berücksichtigung, dass der Antragsteller vermögenslos und auf Sozialleistungen
angewiesen ist.
Die Verpflichtung der Beklagten erfolgt nur vorläufig. Insoweit wird die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg präzisiert
und eine zeitliche Befristung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich der Grundsicherung bei Erwerbsminderung,
längstens jedoch bis 31.12.2008 konkretisiert.
Die Kostenentscheidung folgt §
193 SGG.
Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht eröffnet, §
177 SGG. Zudem wird die Verpflichtung entsprechend §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V ausgesprochen, um sicherzustellen, dass aus einer vorläufigen Regelung keine dauerhafte Bindung nach §
190 Abs.
13 Satz 2
SGB V entsteht.