Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Einstiegsgeld nach § 29 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine selbstständige Tätigkeit
der verstorbenen Ehefrau des Klägers. Der Kläger klagt als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau.
Der Kläger und seine Ehefrau bezogen ab 01.01.2005 durchgehend Arbeitslosengeld II vom Beklagten.
Die 1974 geborene und 2008 verstorbene Ehefrau des Klägers eröffnete am 14.03.2005 ein Lebensmittelgeschäft in selbstständiger
Tätigkeit. Der Mietvertrag für das Ladengeschäft wurde am 28.02.2005 unterzeichnet. Waren wurden ab März 2005 eingekauft.
Am 19.05.2005 beantragte sie beim Beklagten die Gewährung von Einstiegsgeld für die selbstständige Tätigkeit. Nach dem mündlichen
Vortrag des Klägers habe seine Ehefrau bereits früher einen Existenzgründungszuschuss bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 03.01.2006 abgelehnt. Nach den vorgelegten Unterlagen des Steuerberaters habe die Antragstellerin
in den letzten Monaten nichts verdient und nur Schulden gemacht. Das Einstiegsgeld würde seinen Zweck verfehlen. Die Leistung
müsste zudem normalerweise vor Beginn der Selbständigkeit beantragt werden.
Der dagegen erhobene Widerspruch vom 06.02.2006 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Einstiegsgeld könne nach § 29 Abs. 1 SGB II nur gewährt werden, wenn dies vor Aufnahme der Tätigkeit beantragt wurde. Der
Laden sei bereits im April 2005 eröffnet worden. Außerdem handle es sich um eine Ermessensleistung. Die in 2005 vorgelegte
positive Prognose für die Tätigkeit sei zu wenig fundiert gewesen. Ein nachfolgendes Clearing-Gespräch am 28.11.2005 habe
die Wirtschaftlichkeit des Ladens nicht belegen können. Die bisherigen geschäftlichen Aktivitäten würden einen unstrukturierten
und wenig organisierten Eindruck vermittelten. Es habe deshalb zum Zeitpunkt der Erstellung des Ablehnungsbescheides nicht
davon ausgegangen werden können, dass die Existenzgründung die Hilfebedürftigkeit der Familie beenden könnte.
Dagegen erhob die Ehefrau des Klägers am 03.05.2007 Klage zum Sozialgericht München (Aktenzeichen zunächst S 13 AS 859/07). 2008 verstarb die Ehefrau des Klägers. Nachdem der in dieser Klage tätige Rechtsanwalt im Januar 2010 das Mandat niederlegte,
wurde das Verfahren unterbrochen. Nach Vorsprache des Ehemanns wurde die Klage fortgesetzt. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid
vom 13.07.2011 abgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 05.08.2011 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 13.07.2011 und den Bescheid vom 03.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2007 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, Einstiegsgeld für die selbständige Tätigkeit der verstorbenen Ehefrau zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten und die Akten des Sozialgerichts und des Berufungsgerichts
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgelehnt hat. Der strittige Bescheid entspricht
dem Gesetz.
Der Kläger führt die Klage als Sonderrechtsnachfolger seiner 2008 verstorbenen Ehefrau gemäß §
56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I). Das Einstiegsgeld ist ein Anspruch auf eine laufende Geldleistung nach §
56 Abs.
1 SGB I. Nach dem Leistungsantrag vom 16.07.2008 lebten der Kläger und seine Ehefrau zum Zeitpunkt des Todes der Ehefrau in einem
gemeinsamen Haushalt. Nach §
41 SGB I wird der Anspruch mit dem Entstehen fällig. Eine Ermessenleistung entsteht gemäß §
40 Abs.
2 SGB I mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Über das begehrte Einstiegsgeld nach § 29 SGB II (ab 01.01.2009 wortgleich in § 16b SGB II) entscheidet die zuständige Behörde
- so die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen - mit Ermessen. Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
nach §
54 Abs.
4 SGG enthält als Weniger auch eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG auf Verpflichtung des Beklagten, erneut über den Antrag zu entscheiden.
Nach § 29 Abs. 1 SGB II kann erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit
bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies
zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.
Die Ehefrau des Klägers war fortlaufend leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 SGB II, insbesondere hilfebedürftig nach § 9
SGB II.
Die Erforderlichkeit der Eingliederungsleistung kann nur vorliegen, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit
vorhergesagt werden kann (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R, Rn. 27). Es ist eine Prognose anzustellen, ob die beabsichtigte Tätigkeit den Lebensunterhalt in erheblichem Umfang sicherstellen
kann. Es muss ein plausibles, schlüssiges Konzept hierzu vorliegen. Nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid lag nur
eine positive Prognose eines Dritten vor, die den Beklagten aber nicht überzeugte. Das Konzept ist in den Beklagtenakten aber
nicht enthalten, so dass das Gericht die Erforderlichkeit nicht beurteilen kann.
Der Wortlaut von § 29 Abs. 1 SGB II zeigt, dass die Leistung den Zweck hat, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit anzuregen
und zu unterstützen. Es handelt sich um eine Gründungsförderung. Nach dem o. g. Urteil des BSG, Rn. 16, müssen das Einstiegsgeld
und die Aufnahme der Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und scheidet daher grundsätzlich
aus, wenn die Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit beantragt wird (ebenso Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008,
§ 29 Rn. 17). Aus diesem Grund kann das Einstiegsgeld auch nicht vom allgemeinen Antrag auf Leistungen zum Lebensunterhalt
umfasst sein (für Eingliederungsleistungen generell ebenso Eicher/Spellbrink, aaO., § 37 Rn. 21a, a. A. Münder, LPK SGB II,
4. Auflage 2011, § 37 Rn. 25). Da die verstorbene Ehefrau des Klägers die selbständige Tätigkeit bereits seit März 2005 ausübte,
die Leistung beim Beklagten aber erst Mitte Mai 2005 beantragte, kann die Leistung aufgrund dieses Antrags nicht gewährt werden.
Soweit der Kläger vorträgt, dass seine Ehefrau bereits früher einen Existenzgründungszuschuss nach §
421 l
SGB III bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt habe, bestehen wegen der grundlegenden gesetzlichen Änderungen zum 01.01.2005
und der Wahrnehmungszuständigkeit der Arbeitsgemeinschaft Zweifel, ob ein bis Ende 2004 bei der Bundesagentur für Arbeit gestellter
Antrag für das SGB II weiter wirken kann.
Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die Leistung erforderlich war und ob der frühere Antrag wirksam war, weil im strittigen
Bescheid ermessensfehlerfrei ablehnend über das Einstiegsgeld entschieden wurde.
Eine Ermessensentscheidung darf das Sozialgericht nach §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfen. Damit wird der Anspruch des Betroffenen auf pflichtgemäße Ausübung des
Ermessens nach §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB I gesichert und zugleich der Entscheidungsspielraum der Behörde gewahrt. Ermessensfehler liegen hier nicht vor. Damit scheidet
eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung ebenso aus wie eine Verurteilung zu einer neuen Entscheidung.
Im Bescheid vom 03.01.2006 wurde zutreffend ausgeführt, dass die selbständige Tätigkeit nach den vorgelegten Unterlagen des
Steuerberaters in den letzten Monaten keinen Gewinn erbrachte und erwartet werden müsse, dass nichts oder sehr wenig verdient
werden würde. Im Widerspruchsbescheid vom 05.04.2007 wurde dargelegt, dass es sich um eine Ermessensleistung handelt und die
zwar vorliegende positive Prognose wenig fundiert war. Um dies weiter zu überprüfen wurde am 28.11.2005 ein Clearing-Gespräch
durchgeführt, das aber die Wirtschaftlichkeit des Geschäfts nicht habe belegen können. Die bisherigen geschäftlichen Aktivitäten
würden einen unstrukturierten und wenig organisierten Eindruck vermitteln. Damit hat der Beklagte sachgerechte einzelfallbezogene
Erwägungen angestellt und abgewogen, mithin pflichtgemäß Ermessen ausgeübt.
Weil die Ablehnung des Einstiegsgelds rechtmäßig war, hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach §
160 Abs.
2 SGG ersichtlich sind.