Einstweiliger Rechtsschutz gegen Hausbesuche im Rahmen des Vollzugs des SGB II
Recht auf Unversehrtheit der Wohnung
Mitwirkungspflicht und Beweiswürdigung
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Hausbesuche durch
den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Rahmen des Vollzugs des SGB II.
Die Bf steht im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II beim Bg, zuletzt als Auszubildende nur noch wegen eines Zuschusses zu den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) nach §
27 SGB II. Die Bf führte und führt während des Bezugs von SGB II-Leistungen zahlreiche Verfahren gegen den Bg.
Aus dem Jahr 2014 ist beim Sozialgericht München noch ein Verfahren anhängig, bei dem es u.a. um die Übernahme von Wasserschäden
in der Küche der Bf geht. Nachdem der Bg zur Klärung der Küchenschäden am 18.04.2016 erfolglos einen unangemeldeten Hausbesuch
bei der Bf durchführen wollte, kündigte der Bg mit Schreiben vom 18.04.2016 einen Hausbesuch bei der Bf für den 20.04.2016
an.
Hiergegen erhob die Bf am 20.04.2016 Widerspruch, den der Bg mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2016 als unzulässig verwarf;
die Ankündigung eines Hausbesuchs sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt.
Mit ihrer am 22.07.2016 zum Sozialgericht erhobenen Klage begehrt die Bf die Verpflichtung der Bg, künftig unangekündigte
bzw. angekündigte Hausbesuche zu unterlassen. Hilfsweise begehrt die Bf die Aufhebung des Widerspruchsbescheides sowie Aufhebung
des Bescheides vom 18.04.2016 bzw. die Feststellung, dass die Durchführung von Außenermittlungen, insbesondere der unangekündigte
Hausbesuch am 18.04.2016 und der für den 20.04.2016 angekündigte Hausbesuch, rechtswidrig gewesen seien.
Gleichzeitig mit Klageerhebung beantragte die Bf. einstweiligen Rechtsschutz zu diesem Hauptverfahren.
Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 02.09.2016 ab.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig. In der Hauptsache sei statthaft eine vorbeugende Unterlassungsklage,
die als Prozessvoraussetzung ein besonderes Rechtsschutzinteresse einschließlich einer Wiederholungsgefahr bedürfe. Eine Wiederholungsgefahr
sei hier nicht ersichtlich. Der Bg halte einen weiteren Hausbesuch bei der Bf für nicht erforderlich, wie dieser auch im Eilverfahren
bestätigt habe. Auch aus dem Versuch der Bg vom 18.04.2016, einen Hausbesuch durchzuführen, ergebe sich keine Wiederholungsgefahr,
da der Bg keinen weiteren Ermittlungsbedarf sehe; der Hausbesuch sei lediglich zur Klärung der Küchenschäden versucht worden.
Da die Klage in der Hauptsache unzulässig sei, sei auch der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig.
Hiergegen hat die Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, ohne diese zu begründen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
In der Sache sind zwei Begehren der Bf ersichtlich, nämlich erstens vorbeugender Rechtsschutz gegen Hausbesuche im allgemeinen,
entweder über eine vorbeugende Unterlassungsklage oder eine Feststellungsklage (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24.04.2015, B 4 AS 39/14 R, zur Unterlassungsklage und BSG, Urteil vom 15.06.2015, B 4 AS 36/15 R, zur Feststellungsklage sowie Urteile des BSG vom 28.03.2013, B 4 AS 42/12 R, und vom 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R), und zweitens die Feststellung, dass der am 18.04.2016 (gescheiterte) Hausbesuch bzw. der für den 20.04.2016 angekündigte
und dann nicht durchgeführte Hausbesuch rechtswidrig waren (als Feststellungsklagen bzw. als Fortsetzungsfeststellungsklagen,
soweit es sich um Verwaltungsakte gehandelt haben sollte, vgl. BSG, Beschluss vom 19.12.2011, B 14 AS 146/ 11 B Rz 6 zur Verwaltungsaktqualität der Aufforderung zur Mitwirkung durch Meldung).
1. Ein Anordnungsgrund ist für beide Begehren nicht ersichtlich.
a) Eilbedürftigkeit ist im Hinblick auf mögliche künftige Hausbesuche bzw Ankündigungen von Hausbesuchen nicht ersichtlich.
Denn der Bg hat im Rahmen des Verfahrens vor dem Sozialgericht versichert, dass der Hausbesuch lediglich zur Klärung des Küchenschadens
dienen sollte und weitere Hausbesuche nicht geplant sind. Die Bf. hat nicht dargelegt, dass entgegen dieser Einlassung des
Bg die Gefahr eines Hausbesuches bestünde, nachdem auch nicht ersichtlich ist, weshalb für einen Zuschuss nach § 27 SGB II - anders als zur Feststellung eines Küchenschadens - ein Hausbesuch notwendig sein sollte.
b) Eilbedürftigkeit ist auch für die inzwischen erledigten Hausbesuchsversuche vom 18.04.2016 und vom 20.04.2016 weder glaubhaft
vorgetragen noch ersichtlich.
Zur Klärung der Rechtmäßigkeit des unangekündigten Hausbesuchs bzw der Ankündigung des dann nicht erfolgten Hausbesuchs kann
die Bf insoweit ohne Weiteres auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, nachdem sich die Hausbesuche zwischenzeitlich
durch Zeitablauf erledigt haben.
2. Im Übrigen ist auch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Es besteht kein Anspruch der Bf gegen den Bg, Hausbesuche im allgemeinen im Rahmen des Vollzuges des SGB II künftig zu unterlassen.
Der Hausbesuch ist als Erscheinungsform der Augenscheinseinnahme (BVerwG, Beschluss vom 30.07.1991, 5 ER 657/91 Rz 8) Teil
des Verwaltungsverfahrens zur Beweiserhebung.
Anders als bei der Zeugenvernehmung hat ein Träger der Grundsicherung zwar keine Möglichkeit, die Augenscheinseinnahme mit
gerichtlicher Hilfe zu erzwingen (HessLSG, Beschluss vom 30.01.2006, L 7 AS 1/06 ER). Denn ein Betroffener hat aufgrund des in Art.
13 Grundgesetz (
GG) verfassungsrechtlich normierten Rechts auf Unversehrtheit der Wohnung die Entscheidungsfreiheit, ob er den Hausbesuch durch
einen SGB II-Träger zulässt oder nicht (LSG RP, Beschluss vom 02.07.2014, L 3 AS 315/14 B ER Rz 24).
Jedoch besteht im Rahmen der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren zunächst eine grundsätzliche Verpflichtung eines Leistungsberechtigten,
einen Hausbesuch zuzulassen. Diese Verpflichtung findet ihre Grundlage in der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten
gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X (LSG RP, Beschluss vom 02.07.2014, L 3 AS 315/14 B ER Rz 22).
Aufgrund dieser Mitwirkungspflicht ist die Ankündigung von Hausbesuchen durch einen Leistungsträger jederzeit möglich und
vorbeugender Rechtsschutz in der von der Bf. beantragten allgemeinen Art nicht möglich.
Hinzuweisen ist noch auf Folgendes: Trotz der zumutbaren Mitwirkungspflicht besteht keine Pflicht, einen Hausbesuch im Rahmen
der Feststellung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen zu dulden (LSG NRW Beschluss vom 09.07.2014 L 7 AS 476/16 B ER). Insbesondere gehört die Zustimmung zum Hausbesuch nicht zu den in den §§
60 bis
65a SGB I aufgezählten Mitwirkungspflichten. Zutritt zur Wohnung der Bf. kann sich die Bg. - anders als dies im Rahmen strafrechtlicher
Ermittlungen beispielsweise durch die Polizei möglich ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 16.10.2016, L 7 AS 659/16 B ER) - nicht verschaffen. Letztlich muss ein Leistungsträger die Verweigerung eines Hausbesuches durch einen Leistungsberechtigten
bei seiner abschließenden Entscheidung über die Leistungsbewilligung im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigen. Wenn infolge
der Ablehnung eines Hausbesuches ein Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann, hat ggf. der Leistungsberechtigte die objektive
Beweislast zu tragen hat (BayLSG Beschluss vom 11.11.2011 L 7 AS 83/11 B ER Rz. 27 ff.).
b) Weder bezüglich des unangekündigten Hausbesuchs noch des angekündigten Hausbesuchs ist ein Anordnungsanspruch gegeben.
Rechtsschutz gegen einen konkreten, bevorstehenden Hausbesuch ist zwar möglich, wenn es um das Vorliegen der Voraussetzungen
für den Hausbesuch im Einzelfall geht. Auch nachträglicher Rechtsschutz mit dem Ziele der Feststellung der Rechtswidrigkeit
eines zwischenzeitlich erledigten Hausbesuches ist daher grundsätzlich möglich.
Hier ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der unangekündigte bzw. der angekündigte Hausbesuch zum Zwecke der Feststellung
der Schäden in der Küche rechtswidrig gewesen sein sollte. Die Bf hat insoweit auch nichts Näheres vorgetragen. Ein Hausbesuch
wäre hier zur Aufklärung des Sachverhalts dienlich gewesen.
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass die Bf mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar §
177 SGG.